Dine Doneff

Canto dei sass‘ @ Köşk, München, 2018-03-08

Gibt Konzerte, die stehen auf der persönlichen Wunschliste ganz oben unter der Kategorie „mehr als überfällig“, die feinen Live-Vorträge der Formation Canto dei sass‘ gehören dahingehend zwingend in diese Rubrik. Obwohl zu Teilen in München beheimatet, sind Auftritte der 2006 ursprünglich als Duo gestarteten Musiker rare Vergnügen im Millionendorf. Vor 3 Jahren bei einer gemeinsamen Benefiz-Veranstaltung kennen- und schätzen gelernt und seitdem zunehmend mehr händeringend auf eine weitere Gelegenheit zur konzertanten Erbauung durch das Trio gehofft, war es am vergangenen Donnerstagabend dann endlich wieder so weit: Canto dei sass‘ bereicherten musikalisch im Münchner Köşk die Vernissage der Kunstausstellung „zusammen + nebenan“ mit ihrer Volkslieder-Sammlung „Canti tra amore e rivolta“.
Sänger, Querflötist und Sprecher der Band Davide Casali Eschmann präsentierte zusammen mit seinen kongenialen Mitmusikern Dine Doneff und Mathis Mayr „Lieder zwischen Liebe und Aufstand“ und faszinierte das aufmerksame Publikum mit einer Reise durch die Welt der Volks-Musik aus den Regionen der südlichen Alpen und des Mittelmeers.
Eschmann, ein fundierter Kenner und Sammler einer oft Jahrhunderte-alten Liedgut-Tradition aus dem südländischen Raum, gab in launigen, kurz gehaltenen wie gewitzten Anmoderationen Einblick in Hintergrund, Text und Geschichte der Volkslieder, da kaum jede/r im Saal mit den italienischen, spanischen oder sephardischen Dialekten vertraut gewesen sein dürfte, in denen der Sänger mit seiner wunderschönen Stimme die Volks-Weisen vortrug, einer erhabenen und ernsthaften Kunst, die wohl auch auf jeder Opernbühne oder im sakralen Kirchengesang höchsten Ansprüchen genügt. Begleitet wurden die über hundert Jahre alten Bettellieder vom italienischen Kirchenplatz, die Love Songs aus Istanbul, die Schweizer Schmuggler-Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg und die katalonischen Anti-Kriegs-Lieder aus der selben Dekade, spirituelle Klage-Gesänge, anti-klerikaler Spott und Betrachtungen auf das eigene Ableben von Eschmann selbst an der Flöte, Dine Doneff an Kontrabass und Schlagtrommel und Mathis Mayr am Violoncello, zwei weiteren ausgewiesenen Könnern ihres ureigenen Musizierens, die die im Kern wohl einfach strukturierten Volkslieder in kammermusikalischer Manier mittels diszipliniertem Vortrag wie gleichsam improvisierter Elemente aus (Free-)Jazz, freiem Sound-Flow und Neo-klassischen Einflechtungen auf ein höheres Level zwischen experimenteller Kraft und den melodiösen Grund-Charakter der einzelnen Stücke hoben. Da hatten Jahrhunderte-alte Tondichtungen Luft zum Atmen, indem sie von den Musikern nicht auf ein fixiertes, tradiertes Arrangement festgelegt wurden, der schroffe Anschlag, das beherzte Klopfen und dröhnende, in homöopathischen Dosen mitunter auch atonale Zupfen und Schrammen an den Saiteninstrumenten fand seine Ausdrucksform, wie auch der feine Strich mit dem Bogen, der filigrane Gesang und die einschmeichelnden Töne aus der Querflöte. Uralte Musiktraditionen in einer spannungsgeladenen, offenen Interpretation, zu der auch Dine Doneff neben meisterhaft virtuosem Bass-Spiel sporadisch mit einer Auswahl melancholischer Balladen aus seiner mazedonischen Heimat beitrug, die schwere Seele des Balkan-Blues, wie sie darüber hinaus auf seinem jüngst veröffentlichten, exzellenten Tonträger „Rousilvo“ eindrücklich ergründet wird.
Dabei verstand es das Trio bravourös, den schwermütigen, getragenen Charakter einzelner Stücke mit einer Auswahl beschwingter, luftiger, hinsichtlich musikalischem Gehalt gleichsam gewichtiger Kompositionen aufzulockern, auch hier eine perfekte Balance zwischen den extremen Gemütslagen des Lebens. Der herzliche Applaus der Konzert- und Ausstellungsbesucher war den drei Ausnahme-Musikern gewiss, das zugewandte Danken eines Publikums, das an dem Abend für sein aufmerksames, konzentriertes Zuhören und dem würdigen Anlass entsprechendes, stilles Innehalten ein Extra-Lob verdiente.
(***** – ***** ½)

Die mit dem Konzert von Canto dei sass‘ bespielte Gemeinschaftsausstellung „zusammen + nebenan“ von Annegret Hoch und Siegfried Kreitner ist noch bis einschließlich 13. März im Rahmen des Münchner Zwischennutzungs-Projekts Köşk zu sehen, in der Schrenkstraße 8, München/Westend, Öffnungszeiten des Köşk: MO bis FR 16 – 20 Uhr, SA/SO 14 – 20 Uhr.

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Reingehört (419): Dine Doneff

„Rage, rage against the dying of the light.“
(Dylan Thomas)

Dine Doneff – Rousilvo (2018, neRED Music / ECM Records)

Stilistisch kaum eindeutig zu kategorisieren, umso ergreifender, erhebender und umfassender der Hörgenuss: Der unter dem Namen Kostas Theodorou geborene Multiinstrumentalist und Autodidakt Dine Doneff, der sich durch diverse Auftritte und Kollaborationen mit ortsansässigen Musikern unter anderem auch in der Münchner Szene einen Namen gemacht hat, gedenkt auf seinem kürzlich erschienenen Album „Rousilvo“ seiner mazedonischen Wurzeln. Aufgewachsen in der nordgriechischen Region Zentralmakedonien und damit unmittelbar aus eigener Erfahrung mit der beklemmenden Problematik vertraut, thematisiert Doneff auf dem Konzept-Werk das Verbot in der Region zu Zeiten seiner Kindheit, dass es der mazedonischen Minderheit von griechischer Regierungsseite untersagte, ihre Muttersprache zu pflegen, öffentlich zu sprechen oder sich in künstlerischer Form damit auszudrücken.
Dem Verschwinden dieser Kultur wirkt Doneff entgegen, indem er das Paradies seiner Kindheit in der Ortschaft Rousilvo – der slawische Name des griechischen Dorfes Xanthogeia – wiederauferstehen lässt, ein Paradies, dass beeinträchtigt wurde von den Restriktionen der Athener Regierung, in dem die mazedonischen Volkslieder in Vergessenheit gerieten, ein Ort, in dem die Frauen ihre im griechischen Bürgerkrieg gefallenen Männer und Söhne nicht angemessen betrauern konnten, weil sie ihre Gräber nicht kannten, und die Überlebenden an Gefängnis oder Exil verloren.
Melancholisch, getragen und im Grundton nachdenklich präsentieren sich die gewichtigen Tondichtungen auf „Rousilvo“, Dino Doneff und seine zahlreichen Mitmusiker_Innen verweben die alten Weisen der mazedonischen Folklore in stimmiger wie faszinierender Manier mit einem Jazz-Ansatz, der sich sporadisch im Neoklassik-Gewand zeigt, vor allem aber weit mehr Balkan-Blues sein will als losgelöstes Improvisieren, und mit Ausloten von atonalen (Un)möglichkeiten und selbstverliebtem Endlos-Gefrickel nichts am Hut hat, instrumentale Epen, die Anlehnungen durch das Oud- und Tablas-Spiel in orientalischen und nordafrikanischen Einflüssen finden, in denen die wunderschönen und klar strukturierten, hochmelodischen Piano-Balladen eines George Winston widerhallen und raumgreifende Bläsersätze erklingen, die sich zwischen verhaltener, dezent zur Schau getragener Lebensfreude und der schwermütigen Endgültigkeit von Beerdigungs-Marschmusik bewegen.
Dazwischen eingeflochten die Aufnahmen, die zweifellos die Essenz des Albums ausmachen: Sieben Frauenstimmen zwischen Alt und Sopran, im Chor oder solistisch, erweitert um Erzählungen aus Field Recordings, bringen in beschwörender Klage und sensibler Eindringlichkeit, zuweilen mit emotionaler Wucht vom Verschwinden bedrohte Volksweisen und Geschichten in mazedonischer Sprache zu Gehör, polyphon und in erkennbarer Verwandtschaft zu den Chören, wie sie auf den „Le Mystère des Voix Bulgares“-Aufnahmen aus den Achtzigern oder in den kürzlich hier vorgestellten Saze-Gesängen aus dem südlichen Albanien zu hören sind.
„Rousilvo“ wurde von Dine Doneff als Volksoper konzipiert, eine höchst gelungene und beeindruckende Arbeit, der es gelingt, eine Jahrhunderte alte Volksmusik-Tradition in moderne Klangsprache einzubetten und diese trotz diverser heterogener Stilmittel zu einem harmonischen, sorgfältigen und stimmigen Arrangement zu formen.
Das Album ist in Kooperation mit neRED Music beim renommierten Münchner ECM-Label erschienen.
(*****)

Dine Doneff begleitet am 8. März das Duo Canto Dei Sass‘ von Davide Casali Eschmann und Mathis Mayr bei der Aufführung von „Canti tra amore e rivolta“, einem Zyklus von Liedern zwischen Liebe und Aufstand, im Rahmen der Ausstellungseröffnung der beiden Künstler_Innen Annegret Hoch und Siegfried Kreitner, im Münchner Köşk, Schrenkstraße 8, 21.00 Uhr.

Weitere Konzerttermine von Dine Doneff:

14.02.Traunstein – Tropical
12.05.Heiligenkreuz im Lafnitztal/Österreich – Schnittpunkte Festival
06.07.Rudolstadt – TFF

Münchner Künstler bekennen Farbe @ Pelkovenschlössl, München, 2015-02-27

Ein toller Abend war das, am Freitag! Wie bereits angekündigt, veranstaltete die Initiative „Münchner Künstler bekennen Farbe“ am vergangenen Wochenende eine Benefizveranstaltung im Moosacher Pelkovenschlössl zugunsten der Münchner Asylbewerber, der gesamte Erlös des Abends wurde jeweils zur Hälfte den beiden Hilfsorganisationen REFUGIO und Münchner Flüchtlingsrat zur Verfügung gestellt. Alle auftretenden Künstler spendeten ihre Gagen und ich konnte meinen Beitrag durch den Erlös eines versteigerten Bildes leisten.

Hervorragend moderiert wurde die sehr gelungene Veranstaltung von der Musikerin Andrea Pancur, die die Intitiative ins Leben rief und den Abend im Pelkovenschlössl organisierte, souverän und mit viel Herz und Witz führte sie durch den bunten Abend.

Andrea Pancur / Homepage

Den Reigen der Darbietungen eröffnete der Historiker, Dokumentarfilmer und Musiker Erwin Rehling mit in Mundart vorgetragenen, hintersinnigen Kurzgeschichten („Neues von Früher“), die die Zuhörer zum Nachdenken und oft auch zum Schmunzeln brachten sowie mit seinen Percussion-Aufführungen, unter anderem auf einem selbst entworfenen Steinspiel. Die rhythmischen, meditativen Stücke erinnerten entfernt an die minimalistischen Kompositionen des Amerikaners Moondog (circa „Elpmas“-Phase), was ich ausdrücklich als Kompliment verstanden wissen möchte. Rehling war unter anderem Mitglied der Gruppe „Die Interpreten“, die ihre Tonträger beim renommierten Trikont-Label veröffentlichten. Von 2006 bis 2012 arbeitete er mit dem Projekt „Hammerling“ mit meiner Sendlinger Nachbarin, der Akkordeon-Virtuosin Michaela Dietl, zusammen.

Erwin Rehling / Homepage

Die Jazzerin Stephanie Lottermoser begeisterte mit ihren Mitmusikern Christoph Müller, Alexander Haas und Magnus Dauner das Publikum, mit ihrem „Groove Jazz“ dürfte sie an dem Abend den ein oder anderen Jazz-Skeptiker überzeugt haben. Die Herren Haas und Dauner bildeten eine solide Rhythmus-Basis für das gefühlvolle Saxophonspiel von Stephanie Lottermoser, der Gitarrist Christoph Müller überzeugte durch versiertes Gitarrenspiel und erinnerte in dem für meine Begriffe leider viel zu kurzen Slide-Gitarren-Part an Größen wie Ry Cooder oder Bill Frisell. Stephanie Lottermoser glänzte auch mit Gesang, die wunderbare Interpretation des Cindy-Lauper-Hits „Time After Time“ dürfte den Hörern noch lange in guter Erinnerung bleiben.

Stephanie Lottermoser / Homepage

Der Liedermacher und Kabarettist Werner Meier hatte mit seinen hintersinnigen, bissigen und mitunter auch gefühlvollen Liedern über verliebte Pfarrer, Internet-Junkies und die Katastrophe des Handy-daheim-liegen-lassen den Saal sofort auf seiner Seite, das Publikum sang an den massenkompatiblen Stellen dankbar und lautstark mit. Werner Meier klärte über seine Vita auf, seine Beteiligung bei der „Brezenbeisserbande“ und ihrem Kinderhit über die Kuh, die ins Kino gehen wollte, führte bei dem ein oder anderen zu einem Aha-Erlebnis, bei den Besuchern mit Nachwuchs allemal, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Geneigte Kabarettgänger, die ein Faible für Martina Schwarzmann oder Fredl Fesl haben, empfehle ich dringend einen Konzert-Besuch bei Werner Meier.

Werner Meier / Homepage

Die beiden Musiker David Eschmann und Mathis Mayr mit ihrem Duo Canto Dei Sass wurden am Freitagabend von dem Bassisten Dine Doneff unterstützt, und was als Volksmusik aus dem Alpen- und Mittelmeer-Raum angekündigt wurde, entwickelte schnell eine ganz besondere experimentelle Kraft durch die für meine Begriffe höchst hörenswerten und ergreifenden Improvisationen an Cello, Querflöte und Kontrabass, die durch den in vielen Dialekten geschulten, wunderbaren Gesang von David Eschmann zusammengehalten wurden. Ganz starker Auftritt!

Canto Dei Sass / Homepage

Die Gerner Zipfeklatscher begeisterten an dem Abend nicht nur in gewohnter Qualität mit ihrer gewitzten bayerischen Wirtshausmusik und einer gelungenen Adaption der Violent-Femmes-Nummer „Please Do Not Go“, nein, sie hatten auch noch einen ganz besonderen Coup auf Lager: bei einem Weihnachtskonzert im Dezember 2014 lernten sie einige junge afghanische Asylbewerber kennen, einer der jungen Männer trat mit ihnen am Freitag auf und sang ein wunderschönes afghanisches Volkslied, dass das Publikum im Saal dahinschmelzen lies. Ein tolles Beispiel aus der Praxis, nur so kann Integration gelingen: lasst unsere Gäste ihre Talente entfalten und kaserniert sie nicht! Am multikulturellen Wesen soll Deutschland genesen! Bildmaterial des begnadeten Sängers kann ich leider nicht veröffentlichen, das Jugendamt ist verständlicherweise gegen Namensnennung und Fotoveröffentlichung, immerhin sind die Afghanen aus ihrer Heimat geflohen, weil sie verfolgt werden, und ich denke, das haben wir zu respektieren.

Gerner Zipfeklatscher / Facebook

Den musikalischen Darbietungen aller Auftretenden hätte das Publikum gerne noch länger gelauscht, die kurzen Auftritte der Musiker machten in jedem Fall Lust auf mehr und den Bands und Solointerpreten, die an dem Abend alle auf ihre Gage verzichteten, bleibt nur zu wünschen, dass sie am Freitag den ein oder anderen Fan dazugewonnen haben.

Neben dem wunderbaren musikalischen Part war die Spendenbilanz besonders erfreulich, für die Flüchtlingshilfe konnten 1.280 Euro zur Verfügung gestellt werden, davon hat der Erlös der Versteigerung meines Bildes „Schutz/Shelter“ immerhin auch 235 Euro beigetragen.

Herzlichen Dank von meiner Seite an alle Musikerinnen und Musiker und nicht zuletzt an Andrea Pancur für die wunderbare Moderation sowie Organisation des Abends und an alle Helfer/Innen im Pelkovenschlössl, hier auch im Besonderen an Julia für die Gelegenheit zur Ausstellung meiner Bilder, es hat riesigen Spaß gemacht mit Euch !! Vielen Dank auch an Renate, Machtkrampf und Alfred und seine Familie für Euren Besuch.
Und natürlich ein riesengroßes Dankeschön an alle Besucherinnen und Besucher, vornehmlich aus Moosach, wie ich annehme, für ihr zahlreiches Erscheinen und ihre Spendenbereitschaft. Ihr wart klasse – und so gut, dass Ihr glatt als Sendlinger durchgehen könntet… ;-)))

Gerhard Emmer Kunst / Homepage