#dnk17
s/w: Swans @ dunk!Festival 2017
dunk!Festival 2017 @ Zottegem/Velzeke, Belgien, 2017-05-27
Das Dunk!Fest ist offenkundig keine Veranstaltung, die junge Talente zur Eröffnung des Tagesprogramms verheizt, wie auch 2016 wurde in der jüngsten Auflage auf Qualität bei den Openern geachtet, so auch zur finalen Runde, die von der italienischen Newcomer-Band The Chasing Monster bespielt wurde. Die junge Formation aus dem Latium nennt mit Bands wie Explosions In The Sky und Mono als maßgebliche Einflüsse selbstredend nicht die schlechtesten Referenzen und verwebt den klassischen Crescendo-Postrock geschickt mit Spoken-Word-Samples, ein äußerst gelungener Auftakt für einen an Highlights nicht eben armen Konzert-Marathon.
Auf der Hauptbühne folgte mit den Schweden von The Moth Gatherer ein überwältigender Klang-Orkan, das Quartett aus Stockholm lieferte in einem energiegeladenen Set eine ansprechende Mixtur aus schneidenden Prog-Riffs im Sludge- und Doom-Metal-Kontext, die der gezügelteren Spielart des Post-Rock und -Metal genügend Raum im Klangbild ließen und so die Aufführung zu einer absolut genießbaren gestalteten.
Runterkommen in der Nachfolge zum skandinavischen Sturm sodann im kleinen Stargazer-Zelt mit den vier Hamburgern von Halma, die norddeutsche Formation bewegt sich musikalisch in entspannter Manier im Bereich Dub-Ambient, abstrakter Postrock und entschleunigte Krautrock-Anlehnungen, eine gelungene Klangreise, die Freunden der Chicagoer Experimental-Institution Tortoise wie der Kölner Kraut-Legende Can gleichermaßen viel Freude bereitet haben dürfte.
Mummenschanz mit der belgischen Band Briqueville auf großer Bühne, bei dieser Formation ist nicht bekannt, welche Gesichter und Namen sich hinter den Masken verbergen, die die Musiker bei ihren Auftritten tragen, Anonymität durch Verkleidung ist selbstredend seit den Residents längst kein Novum mehr im Popular-musikalischen Betreib, den Kuttenbrunzer-Firlefanz kennt man zudem hinlänglich vom Experimental-Drone-Projekt Sunn O))), der gedehnt-zähe Post-Metal-Ansatz, den die Combo auf ihrer Facebook-Seite originell-ironisch als „Soul“ bezeichnet, gepaart mit punktuellen Industrial-Einfärbungen, wusste immerhin leidlich zu gefallen, gleichwohl waren die Finsterlinge weit davon entfernt, durch ihre kurzfristige Verpflichtung im Nachgang zur Festival-Absage von Jambinai 잠비나이 an den grandiosen Ethno-Postrock der Südkoreaner heran zu stinken.
„A fuse of electronic noises and live instrumentation to create an unusual, unique hybrid sound“ – Das Duo Xenon Field brachte frischen Wind in die Szenerie, mit ihrem Mix aus Noise, Elektrobeats, Samples und Uptempo-Postrock animierten die beiden Musiker aus Dublin zum gefälligen Mitwippen, das Publikum dankte es den jungen Herren Robert Murphy und Conor Drinane mit einem spontanen Geburtstags-Ständchen, beide (!) Sound-Tüftler durften am Tag ihres Dunk!-Auftritts ihr Wiegenfest feiern, gibt weiß Gott schlechtere Austragungsorte zum Anstoßen als das feine Postrock-Festival im ländlichen Velzeke.
set and setting darf man zu den großen Abräumern beim 2017er-Dunk! zählen: Die bekannten Namen des Post-Metal suchte man beim diesjährigen Line-Up vergeblich, die Band aus Florida war indes eine mehr als würdige Alternative für die renommierten Vertreter des Genres, zum ersten Mal im alten Europa unterwegs, trat die Combo in Grateful-Dead-Manier mit zwei Drummern an und wuchtete eine geballte Ladung an instrumentalem Schwermetall über die Bühne, wandernd zwischen brachialem, schnörkellos hartem Black-Metal-Drone und eleganter, Glückshormone-erzeugender Hymnik, die auch vor atmosphärischer Ambient-Entrücktheit nicht Halt machte. Mit dem Material des jüngst erschienenen Longplayers „Refelctionless“ ließ es sich bei – wie immer – glasklar abgemischtem Sound auf der großen Bühne gut wuchern, die Band nutzte die Gunst der Stunde optimalst und gab eine eindrucksvolle Demonstration ihrer bezwingenden Klang-Vehemenz.
Auf der Waldbühne am frühen Abend dann das konzertante Highlight der dreitägigen Veranstaltung schlechthin: Bart Desmet hat bereits beim letztjährigen Dunk! mit seiner Formation Barst schwer Eindruck hinterlassen, die Live-Präsentation seiner jüngsten Arbeit „The Western Lands“ geriet zum ekstatischen, orientalisch angehauchten Postrock-Rausch, beim Konzert am vergangenen Samstag legte die zum Quintett gewachsene Band nochmals eine gehörige Schippe drauf, mit Unterstützung unter anderem von Gitarrist Monnik, der den Besuchern des letzten Jahres noch durch seine Ambient-Drone-Soloperformance in guter Erinnerung war, steigerte sich Desmet in einen wahren Rausch aus überschwänglichem Postrock, Ambient-Experimental-Noise, Elektronik-Samples, neoklassichem Wohlklang und epischer Shoegazer-Herrlichkeit, eine gefangen nehmende, rundum beglückende Klang-Explosion, die an diesen drei Tagen wie auch bei vielen anderen artverwandten Veranstaltungen ihresgleichen sucht, man kann nur hoffen, dass der Mann am Mischpult die Gelegenheit für eine Mitschnitt nutzte und dieses Ausnahme-Konzert dem geneigten Publikum über das Veranstaltungs-eigene Label beizeiten in Tonträgerform zum Erwerb für den heimischen Genuss dargereicht wird. Ganz, ganz großes Instrumental-Kino, sechs-Sterne-Konzert, ohne jegliche Abstriche.
Die Waldbühne bot auch Forum für einen weiteren alten Bekannten, Mathieu Vandekerckhove, seines Zeichens im Haupterwerb Leadgitarrist bei der belgischen Church-Of-Ra-/Postmetal-Institution Amenra, zelebrierte wie im Vorjahr das Material seiner jüngsten Soloarbeit „Forever And A Day“ unter dem Pseudonym Syndrome als dunkle Ambient-Messe, wie dort und auch im Vorprogramm beim letzten Münchner Mono-Konzert wusste der meditative Fluss der ureigenen Mixtur aus Metal-Drones, dezenter Electronica, Postrock-Loops und abstraktem Wüstenlandschafts-Soundtrack in entspannte Kontemplation zu versetzen, trotz finsterer Assoziationen ein tonaler Hort der Ruhe im Lautstärke-dominierten Festival-Betrieb.
Mooncake sind eine der führenden Bands der russischen Instrumental-Szene, beim Dunk!-Auftritt unterstrich die Band aus Moskau ihre herausragende Stellung eindrucksvoll, das selbstbetitelte „New Symphonic Orchestra“ spielte geschickt mit Elementen des Bläser-dominierten Big-Band-Sound, des Space-Rock und der Neoklassik und schuf so eine individuelle, faszinierende Breitband-Ausgabe des Postrock, die für mehr als nur willkommene Abwechslung sorgte. Im Vergleich zum Vorjahr waren die osteuropäischen Vertreter heuer deutlich unterrepräsentiert, Mooncake gelang es in beschwingter Manier, die Fahne der Region hoch zu halten.
Das Finale für die Stargazer-Bühne bespielte wie im Jahr zuvor das amerikanische Trio Arms And Sleepers, die Band, die sich einst wunderte, warum sie beim Postrock-Publikum derart beliebt ist, bespielte in diesem Jahr ihren fünften Dunk!-Auftritt mit ihrer exzellenten Mixtur aus Triphop, Ambient, Electronica-Sampling und Gitarren-lastigem Postrock, gepaart mit einer außergewöhnlichen, kunstvoll-visuellen Video-Präsentation, stieß die schwungvolle Club-Beschallung wie nicht anders zu erwarten auf begeisterte Abnehmer, offene Ohren und tanzwütige Bewegungsdrang-Fanatiker, der treibende Groove nahm vom Fleck weg gefangen und gestaltete den Abschied vom kleinen Zelt zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Auch God Is An Astronaut waren zum fünften Mal am Jeugdheem De Populier zugange, zum großen Finale auf der Hauptbühne spielte der Headliner der Dunk!-Headliner ein volles Set, das irische Quartett beeindruckte wie im Vorjahr beim München-Auftritt umfänglichst mit ihrer ureigenen Mixtur aus Post-, Prog- und Space-Rock inklusive experimenteller Kraut-Electronica und wunderschöner Lichtshow. Der opulente, wie stets an den drei Tagen exzellent abgemischte Sound trug das Seine bei zum Gelingen eines großartigen Festival-Schlusspunkts, der einmal mehr auf das Nachhaltigste unterstrich, warum die hochsympathische Band von der grünen Insel uneingeschränkt zur Speerspitze der instrumentalen Rockmusik zu rechnen ist. Wenn’s am Schönsten ist, soll man aufhören, und so haben God Is An Astronaut nach 100 Minuten inklusive einiger Zugaben ein beglücktes Publikum im vollen Zelt zurückgelassen, vermutlich nicht zum letzten Mal im Rahmen der Dunk!-Veranstaltungen.
Ob Gott ein Astronaut ist, bleibt vorerst ungeklärt, sehr wahrscheinlich muss der Wettergott aber Postrock-Fan sein, die Witterung an den drei Tagen war maximalst Festival-tauglich, bei strahlendem Sonnenschein und keinem einzigen Tropfen Niederschlag gestaltete sich das Campen zu einer lockeren Übung, ein Umstand, der wunderbar in das Gesamtbild eines Festivals passte, das wieder einmal geprägt war von einem mehr als respektablem Line-Up und glänzend aufgelegten MusikerInnen, einer zugewandten und jederzeit hilfsbereiten Crew aus Veranstaltern und freiwilligen Helfern, feinem, ausgewogenem Catering, reibungsloser Bierversorgung, glänzend bestücktem Merchandising und nicht zuletzt einem äußerst angenehmen Publikum, das die perfekt funktionierende Infrastruktur und die entspannte Stimmung im Grünen dankbar und gebührend zu schätzen wusste.
Für die Freunde des Post- und Experimental-Rocks und artverwandter Klangvariationen waren die drei Tage im belgischen Velzeke erneut ein großes, erhebendes Fest, die Zeit verging viel zu schnell, wäre es nicht so furchtbar weit weg, Zeit-aufwändig und Kosten-intensiv, man wäre mehr als nur geneigt, Anfang Oktober die Reise nach Burlington/Vermont zur ersten US-Ausgabe des Dunk!Festivals anzutreten, erste Namen im Line-Up wie die Postmetal-Götter von Pelican oder die schwer überzeugenden set and setting tun ihr Übriges zu diesem Begehr. So bleibt das Warten und die Vorfreude auf den 10., 11. und 12. Mai 2018, wenn die Stamm-Veranstaltung in Ostflandern wieder ihre Pforten öffnen wird. Danke, Dunk!, es war uns eine Ehre, dabei sein zu dürfen! :-)
dunk!Festival 2017 @ Zottegem/Velzeke, Belgien, 2017-05-26
#dnk17 / Teil 2: Einstieg in das prall gefüllte Tagesprogramm mit All We Expected, einer belgischen Newcomer-Band aus dem benachbarten Westflandern, eine gelungene Aufführung in Sachen Grenzgang zwischen Laut-/Leise-Postrock-Schema und beherztem Post-Metal. Beim Hardcore der Franzosen-Brüller von Time To Burn dann schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass die Nummer am frühen Nachmittag doch noch eine zu Heftige ist. Weitaus mehr Wohlwollen empfunden beim Gig des Trios Kozmotron, die Combo aus dem Arrondissement Aalst erwies sich trotz völlig durchgeknalltem Gebaren und Kraut-Konsum des Drummers als versierte Vertreterin in Sachen Acid-, Space- und Psychedelic-Rock, die darüber hinaus den gepflegten Doom-Einschüben nicht abgeneigt war, großer Freakout-Sport mit hohem Unterhaltungswert.
Schwerpunkt Down Under: Der Nachmittag gehörte am zweiten Festivaltag bis zum Abend hinsichtlich großer Bühne der Sydney-/Australien-Fraktion, Dumbsaint eröffneten den Reigen und spielten auf dem 2017er-Dunk!Fest zum ersten Mal in Europa, die Band kombinierte Soundtrack-artigen Postrock mit Film-Präsentationen, in denen ästhetisch ansprechende, mysteriöse und mitunter abseitig-verstörende Geschichten erzählt wurden, im Multimedia-Projekt lief die Musik etwas Gefahr, zur reinen Beschallung der bewegten Bilder zu verkommen, die Kurzfilme absorbierten nahezu die komplette Aufmerksamkeit der Konzertbesucher, hinsichtlich cineastischer Ideen jedoch ein durchwegs gelungener Auftritt des Quartetts.
Die Formation Meniscus sorgte mit einer exzellenten Aufführung für eines der Top-5-Konzerte beim #dnk17, ein vollmundiges Sahnestück aus einem Guss in Sachen intelligenter, euphorisierender, wuchtiger wie filigraner Grenzgang in den Genres Postrock, Djent, Math-Rock und Post-Metal und ein schlagender Beweis für den Umstand, dass die Möglichkeiten des instrumentalen Experimental-Rock bei weitem nicht ausgereizt sind. Das aktuelle Album „Refractions“ ist im Oktober 2016 erschienen, bei Dunk!Records dieser Tage auch in der Vinyl-Ausgabe, in der Fachpresse wurde das Werk als „mature, varied and massively immersive post-rock album“ gelobt, hierzu sind weitere, vertiefende Studien dringend angeraten, demnächst vermutlich mehr zum Thema.
We Lost The Sea wurden im Vorfeld groß beworben und im Festival-begleitenden Stargazer-Magazin entsprechend mit einem ausführlichen Interview gewürdigt, das australische Sextett zelebrierte ihr aktuelles Album „Departure Songs“ in voller Länge, eine formvollendete Inszenierung und ein dramaturgisch gelungener Aufbau vom getragenen, nahezu Desert-Blues-artigen Gitarren-Ambient hin zur Gewitter-entladenden, Sound-Wand-aufbauenden, euphorisierenden Brachial-Entladung, ein gern genommenes Muster und doch immer wieder faszinierend und beglückend, wenn’s denn wie bei We Lost The Sea entsprechend perfekt umgesetzt wird. Nicht zu viel versprochen hinsichtlich vorauseilender Beweihräucherung, die Damen und Herren Festival-Veranstalter, alles gut.
Die Belgierin Karen Willems war bereits im Vorjahr beim #dnk16 mit ihrem Experimental-Postpunk-Trio In Wolves vertreten, in diesem Jahr teilte sich die Drummerin mit ihrem Freejazz-artigen Improvisations-Trommeln und eingestreuten Klangbeigaben die Stargazer-Bühne mit dem derzeit in Berlin ansässigen Experimental-Musiker Aidan Baker, die abstrakten, entschleunigten Gitarren-Drones des gebürtigen Kanadiers im weiten Feld der Ambient-, Trance- und Neuklassik-Töne harmonierten wunderbar im Duo-Vortrag.
Ein Festival-Highlight bot die Stargazer-Bühne am späten Nachmittag mit The Chapel Of Exquises Ardents Pears, einer Kollabortaion der französischen Postrock-Band Anathème mit den Neoklassik-/Crossover-Kollegen von Stems aus dem britischen Huddersfield (Gratulation zum Aufstieg, speziell auch an Chris Schindler, by the way…) – soll noch jemand behaupten, Franzosen und Briten könnten nicht miteinander, das Musiker-Kollektiv lieferte den schlagenden Gegenbeweis mit einer überwältigenden Performance aus dem um klassische Elemente erweiterten Instrumental-Postrock-Bereich, wer bei den kanadischen Göttern von Silver Mt. Zion und Godspeed You! Black Emperor beglückt in den Klangrausch einzutauchen versteht, durfte auch vermittelt durch die tonalen Gezeiten von The Chapel Of Exquises Ardents Pears zwischen feinen, neoklassisch geschulten Streicher-Drones und stürmischer Gitarren-Ekstase die ein oder andere Freudenträne der Glückseligkeit zerdrückt haben. Eine exzellente erste EP „TorqueMadra“ wurde im Übrigen dieser Tage brandaktuell veröffentlicht, mit 20 Minuten Laufzeit bedauerlicherweise viel zu kurz geraten…
Die Waldbühne wartete in den Abendstunden mit zwei Formationen der heftigeren Gangart auf, das belgische Trio Ilydaen war im mittleren bis oberen Tempo-Bereich irgendwo zwischen Noise, Post-Rock, -Metal und Hardcore unterwegs, nicht minder intensiv gerierten sich die drei Katalanen von Malämmar, die ihre Spielart des Postmetal selbst als „instrumental doom/metal by 3 assholes“ betiteln, über die charakterlichen Defizite der Herrschaften aus Barcelona lässt sich kaum Fundiertes berichten, als stramme Musikanten hinsichtlich brachialer Vollbedienung kann man die Truppe indes kaum genug loben.
Die heimlichen Headliner des zweiten Festival-Tages betraten gegen 21.00 Uhr zur besten Konzertzeit die Bühne, die vier Mannen von And So I Watch You From Afar sind seit geraumer Zeit aus der Postrock-Szene nicht mehr wegzudenken, fast auf den Tag genau vor 2 Jahren haben sie uns zuletzt im Münchner Ampere mit einem überwältigenden Sound-Orkan die Gehörgänge durchflutet, beim diesjährigen Dunk!Fest-Auftritt verfielen die Nordiren eingangs in den Modus ihrer schwer zu konsumierenden Tonträger, zuviel an verschachtelter Rhythmik, zuviel an Breaks und für den Hörer kaum zu verarbeitende Prog-Rock-Beigaben versuchte die Band in ihrem konzertanten Vortrag unterzubringen, nach einer guten halben Stunde besannen sich „The Bearded Dragon“ und Co. Gottlob dann doch auf ihre ausgeprägten und über jeden Zweifel erhabenen Live-Tugenden und lenkten das Schiff in den sicheren Hafen mittels schwer euphorisierendem Gitarren-Flow und instrumentalen Klang-Epen, eine mitreißende Aufführung, die den erneuten Besuch im Ampere im kommenden Herbst am 6. November schwer angezeigt sein lässt.
Zum Finale am Freitag schleppte Dylan Carlson zu vorgerückter Stunde seinen Schmerbauch und seine Formation Earth auf die Haupt-Bühne, der Drone-Metal-Pionier zelebrierte seine instrumentalen Songstrukturen in gewohnt repetitiver, minimalistischer Monotonie, das sich permanent wiederholende, gedehnte Gitarrenriff und die kaum variierende Rhythmik im Schlagzeug-Anschlag von Adrienne Davies ließen wenig differierende Charakteristika in den einzelnen Stücken erkennen, die übertriebene Theatralik der Drummerin beim Verrichten ihrer Arbeit hat’s dahingehend dann auch nicht mehr herausgerissen, eine Nummer, die sich im konzertanten Vortrag schnell tot lief. Wo der von den Melvins und La Monte Young gleichermaßen beeinflusste Slow-Motion-Gitarrenwucht-Drone im stillen Kämmerlein zur kontemplativen Beschallung wunderbar funktioniert, bietet die langsame Getragenheit der düsteren Kompositionen für den Konzertgänger leider erstaunlich wenig Spannung.
Vor dem Zelt, mit der Absacker-Bierbüchse am Start, hat sich die Beschallung als Hintergrund-Soundtrack zum Ausklang des Tages unter klarem Sternenhimmel dann wieder passend ins Gesamtbild gefügt… (Fortsetzung folgt).
dunk!Festival 2017 @ Zottegem/Velzeke, Belgien, 2017-05-25
2005 als kleine Veranstaltung zur Unterstützung des lokalen Basketball-Clubs Helios Zottegem aus der Taufe gehoben, mittlerweile die erste Adresse in Sachen europäisches Postrock-Gipfeltreffen: Das Dunk!-Festival in Ostflandern hat zu Christi Himmelfahrt erneut zum Stelldichein geladen, beim diesjährigen Line-Up war es selbstredend heilige Pflicht, in aller Herrgotts-Frühe den Postrock-Nachwuchs aus den Federn zu werfen, um ab 4 Uhr morgens gemeinsam die Reise ins ferne Belgien anzutreten, wenn auch bedauerlicherweise bereits im Vorfeld die grandiose südkoreanische Formation Jambinai 잠비나이 als auch Krankheits-bedingt sehr kurzfristig die gleichfalls sehr geschätzte Emma Ruth Rundle ihre Teilnahmen absagen mussten.
Nach ausgestandenem Stau bei Lüttich in brütender Mittagshitze mehr oder weniger pünktlich zum Anpfiff eingetrudelt, das Festival-Bensel an die Pfote geheftet und die Zelt-Heringe in den Boden gerammt, und schon ging’s rein in die tagelange Beschallung mittels Postrock, Post-Metal, Experiment, Space, Kraut und Drone.
Die Sause eröffneten die jungen Chilenen von La Cienca Simple aus Santiago, die beim diesjährigen Dunk!Fest ihr erstes Konzert außerhalb der südamerikanischen Heimat gaben, ein gefälliger Einstieg mit dem typisch Gitarren-lastigen Crescendo-Instrumental-Sound des Postrock-Genres, der im weiteren Verlauf des Tages selbstredend vermehrt erklingen sollte: Lost In Kiev aus Paris bereicherten ihren intensiven Vortrag mit einer beeindruckenden Videoshow, die Luxemburger Mutiny On The Bounty mussten im vergangenen Jahr kurzfristig absagen, heuer zelebrierten sie ihre Version des um Math-Rock-Elemente erweiterte Spielart des Genres und konnten vor allem wegen der klirrenden, auf den Nerv bohrenden Keyboard-Einfärbungen im Klangbild nicht vollends überzeugen.
Die tschechische Band Flash The Readies stellte auf der kleinen Showgazer-Bühne eindrucksvoll unter Beweis, dass die Wandlung vom konventionellen Indie-Songwriting hin zu Ambient, Post-, und Psychedelic-Rock ein gangbarer Weg ist, Spurv aus Oslo erweiterten die klassische Postrock-Beschallung um Posaunenklang und Beigaben aus der Neo-Klassik in Richtung Breitband-Format und die mit viel Vorschuss-Lorbeeren bedachten Schweden von pg.lost deckten in der Tat in äußerst respektabler Manier und mit Können in Komposition und Umsetzung die Bandbreite zwischen Ambient-artiger Melancholie und Black-Sabbath-verwandter Post-Metal-Härte ab.
Neben der Hauptattraktion des ersten Festival-Tages brachen vor allem The Black Heart Rebellion auf der Hauptbühne aus dem dominierenden Schema aus, die Band aus dem benachbarten Gent kommt aus dem Umfeld der bei dieser Veranstaltung stets gut repräsentierten Church Of Ra, ist in der momentanen Inkarnation aber völlig losgelöst vom dort dominierenden Post-Metal der Kollektiv-Gründer Amenra, die Formation um den charismatischen Sänger Pieter Uyttenhove zelebrierte einen von asiatischen Einflüssen geprägten und an typischem Instrumentarium wie dem indischen Harmonium umgesetzten Desert-/Düster-Blues, der in seiner ergreifenden Dunkelheit offensichtlich weitaus mehr finstere Mächte und Dämonen als gute Geister beschwor, eine akustische Intensiv-Messe, die atmosphärisch latent verstörende Assoziationen zu Aleister Crowley und seinen hinduistisch-buddhistischen Esoterik-/Okkultismus-Studien weckte.
In Richtung Esoterik in Form von schamanistischen Übungen tendierte auch Ambient-Künstler Peter Verwimp aka Ashtoreth, der aus Antwerpen stammende Solist hat in der Vergangenheit bereits mit Musikern wie Aaron Turner (u.a. Isis, Sumac) zusammengearbeitet, auf der in diesem Jahr erstmals fest installierten Forest-Bühne präsentierte Ashtoreth eine Mixtur aus minimalistischen, meditativen Gitarren-Drones und indianischer Räucherhütte, in freier Improvisations-Form flossen punktuelle, psychedelische Noise-Abstaktionen mit in den Klangteppich, eine wunderbare Gelegenheit zum relaxten Innehalten im dicht gedrängten Festival-Betrieb, in herrlicher Natur-Atmosphäre im lauschigen Dunk!-Wald.
Ein erstes dickes Ausrufe-Zeichen der Veranstaltung setzten am späten Nachmittag die drei Musiker von Terraformer aus dem belgischen Lüttich, das Trio präsentierte auf der kleinen Bühne des Stargazer-Zelts aktuelle Arbeiten aus dem jüngst beim Dunk!-Label erschienenen Album „Mineral“ und unterstrich wie bereits beim München-Auftritt im Jahr 2015 eindrucksvoll, dass es Vergleiche mit den Speerspitzen des instrumentalen Post-Metal-Genres wie den US-Kollegen von Russian Circles oder Pelican nicht scheuen muss, ein druckvoller wie beseelter Vortrag in intensiven 40 Minuten sorgte für schwerste Begeisterung beim anwesenden Publikum, ein euphorisierender Siegeszug in Sachen instrumentaler Noise-, Metal, Doom- und experimenteller Post-Rock.
Der Tunnelblick richtete sich seit einigen Tagen auf den Hauptact des 1. Festival-Tages, wie sollte es anders sein: Als vor einigen Monaten final der letzte Headliner verkündet wurde, war die Freude selbstredend überbordend, handelte es sich doch um die US-Noise-/No-Wave-Institution Swans, die Band um Mastermind Michael Gira befindet sich auf ausgedehnter Abschiedstour, in München wurde vermeintlich bereits im vergangenen November eine Träne hinsichtlich final erlebter Live-Präsentation zerdrückt, umso willkommener war die unverhoffte Bonus-Nummer im Rahmen des Dunk!-Festivals, wenn auch bei einigen Besuchern offensichtlich nicht ungetrübtes Vergnügen bei der Zweieinhalb-Stunden-Intensiv-Beschallung der amerikanischen Experimental-Rock-Legende aufkommen mochte.
Richtung Bühne gefeuerte Bierbecher und nicht wenige im Konzertpublikum, die sich vor Schmerzen die Ohren ob der gebotenen Lautstärke zuhielten, im weiteren Verlauf ein nur noch zu einem Drittel gefülltes Hauptzelt, durchaus nicht das gewohnte Bild zu einem Abend-beschließenden Auftritt beim Dunk!-Fest, Michael Gira und den Seinen war’s einerlei, den altgedienten Swans-Fans sowieso, für sie war die tonale Grenzerfahrung und Glücksseelig-machende Vollbedienung im Große-Kunst-als-Krach-Kontext wie stets eine vollkommene, Keyboarder Paul Wallfisch trieb den bewährt-bezwingenden Klangrausch exzessiv in Richtung Psychedelic, die Bass-lastigen Attacken der Rhythmus-Geber Phil Puleo und Christopher Pravdica gingen nicht nur sprichwörtlich durch Mark und Bein, über die hypnotische Bühnenpräsenz des Schamanen Gira muss bei Swans-Jüngern kein Wort mehr verloren werden, und wenn dann am Merch weit nach Mitternacht das allerletzte Exemplar des limitierten Live-Tonträgers „Deliquescence“ inklusive Signatur vom Meister himself hängenbleibt, dann war allerspätestens zu dem Zeitpunkt klar, dass sich der weite Ritt nach Ostflandern bereits nach dem ersten Drittel des Gesamtprogramms schwerst gelohnt hat. Fortsetzung folgt.