Dreamweapon

Reingehört (548): Alexander Tucker

“With this album I wanted to join together separate key influences that have affected my work, from science fiction and cosmic horror comics, film and literature to minimalist, drone and dream music composition. My aim was to weave these elements into repetitious cycles that guide the listener into worlds both uncanny and familiar”.
(Alexander Tucker)

Alexander Tucker – Guild Of The Asbestos Weaver (2019, Thrill Jockey Records)

A man of many talents: Der Multiinstrumentalist Alexander Tucker aus dem englischen Kent ist in der weiten Welt der freigeistigen und unkonventionellen Musik bisher gut rumgekommen. Solistischer Freak-Folk, lärmender Hardcore-Punk mit diversen Bands in jungen Jahren, experimenteller Drone-Metal in Kollaboration mit dem Sunn-O)))-Musiker Stephen O’Malley, schöner Electronica-Pop im Verbund mit Landsmann Daniel O’Sullivan beim gemeinsamen Duo Grumbling Fur, um ein paar Eckdaten in die Runde zu werfen. Daneben etliche Solo-Arbeiten seit Anfang der 2000er. Die aktuellste steht mit „Guild Of The Asbestos Weaver“ demnächst zur Veröffentlichung an, der Titel stammt aus dem Science-Fiction-Klassiker „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury. Die Vorliebe für Zukunftsvisionen und kosmischen Soundflow offenbart Tucker mit seiner Maschinenmusik in erhebender Pracht, in spartanischen Industrial-Beats und analog eingefangenen Cello-Samples, mit geloopten Chören und ineinander fließenden Space-Pop-Layern. Wo in visionären SciFi- und Horror-Szenarien so manche technische Gerätschaft aus dem Ruder läuft und im schlimmsten Fall die Herrschaft übernimmt, erweist sich Alexander Tucker als wahrer Meister der Regler, Samples und analogen wie synthetischen Sound-Quellen. Ihm gelingt dabei das Kunststück, einen minimalistischen Ansatz maximalst gefällig wie psychedelisch betörend zur opulenten Ausdehnung zu bringen, muss dem guten Mann auch erst mal wer nachmachen. Vorgemacht hat’s in jedem Fall schon mal einer in ähnlicher Form, es gibt auf dem neuen Album von Alexander Tucker nicht eben wenige Momente, die wie eine Jahrzehnte später entworfene Anmerkung/Fortschreibung zum Ambient- und Kunst-Pop-Großwurf „Another Green World“ von Brian Eno daherkommen oder der Cluster-Kooperation des Multimedia-Allrounders mit den deutschen Soundpioieren Moebius und Roedelius neue Aspekte abgewinnen, und das liegt nicht ausschließlich an Tuckers artverwandten, etwas dünnen und leiernden Gesängen. Wie dem großen britischen Landsmann gelingt ihm der Entwurf dichter, ausgedehnt mäandernder Soundflows, die trotz gefälligem Wohlklang eine Atmosphäre von geheimnisvoller Schemenhaftigkeit transportieren. Der Mann weiß, wie man seine Drones und abstrakten Soundscapes in den hypnotischen Flow einflechtet und damit einem vordergründigen Pop-Appeal den unterschwelligen, nichtsdestotrotz lange nachhallenden experimentellen Tiefgang verpasst.
Den frei fließenden Erzählungen und Gedanken-Strömen zu den breitflächig ausgedehnten, repetitiven Klangmustern liegt nach Aussage des Künstlers das „Dreamweapon“-Konzept des Avantgarde-Komponisten Angus MacLise zugrunde, Alexander Tucker versteht den Original-Drummer der Velvet Underground im esoterischen Sinn, dass Träume und unterschiedliche Bewusstseins- und Erkenntnis-Zustände im persönlichen Kampf gegen die gesellschaftlichen und politischen Unbilden zu nutzen sind – wir singen und träumen uns Frau von der Leyen, den Clown im Weißen Haus oder den Brexit einfach weg, wenn’s nur so einfach wäre. Solange das nicht ohne Nebenwirkungen klappt, kann man sich die Welt immerhin mit den fünf neuen Electronica-Perlen von „Guild Of The Asbestos Weaver“ erträglicher gestalten, das Album erscheint am 23. August beim Chicagoer Indie-Label Thrill Jockey Records.
(*****)

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Reingehört (430): Dreamweapon

Dreamweapon – SOL (2018, Fuzz Club Records)

Das portugiesische Trio Dreamweapon hat sich nach der gleichnamigen 1995er-Live-LP der Drogen-verseuchten englischen Indie-Psychedeliker von Spacemen 3 benannt, die sich wiederum hinsichtlich Tonträger-Titel bei einem Drone-Projekt des ersten Velvet-Underground-Drummers Angus MacLise bedienten, und damit schließt sich dann hier auch irgendwo der Kreis hinsichtlich experimentellem Ansatz in der Musiziererei.
Die Band aus Porto entwirft in vier ausladenden, nahezu von symphonischem Ausmaß strotzenden Klang-Flows zwischen 8 und 14 Minuten einen Space-Out-Kosmos mittels stetem Postrock/Postpunk-Drive, schwerst einnehmendem, hypnotischem Trance-Beat und allerlei Electronica-Kraut-Gezirpe aus den digitalen Maschinen.
In minutenlanger Wiederholung der rhythmischen Grundmuster nehmen sich João Campos Costa, Edgar Moreira und Andre Couto auf „SOL“ reichlich Zeit zur Entfaltung der ureigenen psychedelischen Pracht, die angespannt zwischen luftiger Ambient-Herrlichkeit und dunklem, diffus-bedrohlichem Down-To-Earth-Industrial-Pochen lichtert, schwere Bässe und stoische Trommel-Motorik gleichsam in Stellung bringt wie abstraktes Noise-/Drone-Schaudern und verzerrte Feedback-Orgien.
Bei der Namensgebung liegt es auf der Hand, dass diese Spielart der Psychedelic weit mehr Verwandtschaft bei Kopeiken wie etwa Spiritualized, Stereolab oder eben den bereits genannten Spacemen 3 findet als in irgendwelchen Sixties-Ansätzen aus dem Umfeld der Dead, Jefferson Airplane oder anderen kalifornischen Langhaarigen-Kapellen, obwohl es alles andere als verwunderlich wäre, wenn einer wie Jim Morrison unvermittelt zum dunklen, fernöstlich anmutenden Drone-Funkeln von „Blauekirshe“ urplötzlich seinen berühmten „This Is The End, Beautiful Friend…“-Monolog schwadronieren würde.
Das hat Spannkraft, das hat Schmiss, da kommt Freude auf, da steppt selbst der vom Winterschlaf lahmgelegte, dicke Tanzbär. Into the Groove im rauschhaften Repetitiv-Minimalismus-Trip. Improvisiert, diszipliniert, das Unterbewusste heimsuchend und mit der Traumwaffe im Anschlag erobernd. Mal sehen, ob heuer in die Richtung noch annähernd Einnehmendes nachkommt. „SOL“ ist seit einigen Tagen via Londoner Experimental-/Indie-Label Fuzz Club Records beim Träumehändler Ihres Vertrauens zu haben.
(***** – ***** ½)