Driftmachine

Reingehört (163)

FRAMEWORKS FESTIVAL 2015 Driftmachine (2)

Driftmachine – Colliding Contours (2016, Umor Rex)
Alles andere als „Gaukelwerk“, wie ein Titel auf dem Album suggerieren möchte: Driftmachine, das Berliner Duo der Musiker/Synthie-Schrauber Andreas Gerth (Tied & Tickled Trio, Ted Milton, Loopspool) und Florian Zimmer, das bereits bei ihrer Live-Präsentation im Rahmen des Münchner Frameworks-Festivals im März vergangenen Jahres einen exzellenten Eindruck hinterließ, begeistert auch auf dem neuen Tonträger schwerst mit düster anmutenden Ambient-Drones und spannendem, dunklem Elektro-Trance-Flow. Einmal eingetaucht in den Klang-Kosmos der Soundtüftler, mag man gar nicht mehr auschecken, ist wie in der Kindheit im Freibad, erst wieder raus, wenn die Lippen blau gefroren waren.
Treibende, Bass-lastige Beats, ein Hauch von Dub, Feedback, Hall und eine – trotz aller abstrakten Düsternis – Ahnung von Elektro-Pop, selbst in den Passagen mit dieser Driftmachine-eigenen, gespenstischen Dark-Trance-/Industrial-Atmosphäre, sorgen für den Suchtfaktor, der nach Abhören der Scheibe sofort zur Return-Taste am Player zucken lässt.
(*****)

Antonymes – (For Now We See) Through A Glass Dimly (2016, Hidden Shoal)
Puren Wohlklang präsentiert Ian Hazeldine aus Hawarden/Nord-Wales auf seinem neuen Opus, ein von Klavier und Streichern dominierter Reigen aus getragenem, meditativem Ambient und zeitgenössischer Klassik und eine perfekt strukturierte Abfolge der einzelnen Stücke sorgen für ein erhebendes Hörerlebnis, punktuell eingearbeitete Bläser-Sequenzen aus dem konventionellen Jazz-Bereich und die Vokal-Parts der GesangskünstlerInnen Joanna Swan, Martine Bijn und Jan Van den Broeke verstärken die melancholische Grundstimmung und den Gesamteindruck der Tiefenentspanntheit. Der kammerorchestrale Charakter der Produktion dominiert weit mehr als die elektronischen Beigaben, letztere erklingen jedoch in keiner Sequenz überflüssig oder gar störend.
(**** ½)

Gut & Irmler, Driftmachine, Thomas Köner @ Frameworks Festival, Einstein Kultur, München, 2015-03-12

Das Münchner Frameworks Festival findet jährlich seit 2011 statt und bietet ein Forum für experimentelle Musiker aus den Bereichen Avantgarde, Trance, Ambient, Elektronik und abstrakter Komposition. Im Begleitfolder für die heurige Veranstaltungsreihe ist folgendes zum Anspruch des Festivals zu lesen: „Es möchte Künstlerinnen und Künstlern aus unterschiedlichen europäischen Subkulturen Raum bieten, unkonventionelle und innovative Wege unabhängiger Musik zu verfolgen.“
Dank finanzieller Unterstützung durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München war auch in diesem Jahr der Eintritt für die Besucher frei.
Für die Kurzentschlossenen: Heute Abend treten noch die Künstler Mo Kolours, Lambert und Raz Ohara auf. Einlass 19.00 Uhr, Showtime 20.00 Uhr, Einstein Kultur, Einsteinstraße 42, München.

Nachdem ich in den letzten Jahren unter anderem den Experimental- und Elektronik-Pionier Hans-Joachim Roedelius (Cluster) wegen anderweitiger Verpflichtungen versäumt habe (was mich heute noch wurmt), ist es sich dieses Jahr endlich zeitlich ausgegangen und ich konnte mir den Eröffnungsabend zusammen mit meinem Experimental-Buddy Anton in ganzer Pracht zu Gemüte führen.

Den musikalisch hochspannenden Abend eröffneten die Herren Florian Zimmer und Andreas Gerth – letzterer könnte Elektro- und Dub-Interessierten durch sein Mitwirken beim Tied & Tickled Trio aus dem Notwist-Umfeld bekannt sein – die mit ihrem neuen Projekt Driftmachine mittels modularer Synthesizer und selbstgebauten Apparaten das geneigte Publikum mit ihren verhallten Beats, wummernden Bässen und verzerrten Industrial-/Störgeräusch-Versatzstücken in Verzückung versetzten. Elektrotrance-Musik mit Suchtfaktor und Pop-Appeal, gleichermaßen den Bewegungsdrang und das Hirn anregend, für mich das Highlight des Abends, was aufgrund des euphorischen Beklatschens der Darbietung auch noch einige weitere Besucher der Veranstaltung so gesehen haben dürften…
(**** ½ – *****)

Driftmachine / Facebook

Im Mittelteil der illustren Veranstaltung traten mit Gudrun Gut und Hans Joachim Irmler zwei Legenden der deutschen Avantgarde- und Experimental-Musik auf, Gudrun Gut ist seit Jahrzehnten bekannt in der Szene durch ihr Mitwirken bei den Bands DIN A Testbild, Mania D und Malaria, zudem war sie zusammen mit Blixa Bargeld, N U Unruh und Beate Bartel Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten. Hans Joachim Irmler ist ein Urgestein des Krautrock, 1971 war er Mitbegründer der einschlägig bekannten Band Faust. Der Krautrock-Einfluss war auch an diesem Abend nicht zu überhören, die beiden Alt-Avantgardisten zauberten an selbstgebauten Tasteninstrumenten und Labtop Klanggebilde auf den verwaschenen Teppich der deutschen Ursuppe aus den 70er Jahren, gewürzt mit Ambient- und Industrial-Beimischungen und optisch aufgepeppt durch eine Amateurvideo-Installation. Um nicht zu sehr im Retro-Sound der Anfangssiebziger zu verhaften, wurde die Darbietung eindrucksvoll durch hörenswerte, tranceartige Elektrobeat-Nummern und Techno-Samplings ergänzt. Um es mit Gudrun Gut zu sagen: „Sonnenbrille auf, wir gehen zu den Sternen, Sonnenbrille ab, wir tauchen tief hinein!“
(****)

Gut & Irmler / Homepage

Den anregenden Abend beschloss der aus Bochum stammende Klang- und Videokünstler Thomas Köner, er sich in den neunziger Jahren einen Namen im Bereich des Minimal Techno machte. Am Donnerstag präsentierte er eine Videoinstallation, die vor allem Bildzitate aus dem expressionistischen Stummfilm-Klassiker „Metropolis“ von Fritz Lang aus dem Jahr 1927 verwendete und unterlegte die surrealen Bilder mit kontemplativem, ins düstere abdriftenden Ambient- und Drone-Sound, der partiell an die Industrial-Meditationen der britischen Noise-Pioniere Throbbing Gristle erinnerte und der im stillen Kämmerlein schwer konsumierbar wäre, in der optisch-konzertanten Präsentation jedoch eine unglaubliche, faszinierende Sog-Wirkung entwickelte. Ein würdiger Abschluss eines rundum gelungenen ersten Festival-Tags.
(****)

Thomas Köner / Homepage

Frameworks Festival / Homepage