Duke Garwood – Garden Of Ashes (2017, Heavenly Records)
Zwei Jahre nach dem hochgelobten „Heavy Love“-Album ein Lebenszeichen vom britischen Blues-Grenzgänger Duke Garwood, der Mann aus London nimmt den Faden des Vorgängerwerks wieder auf und spinnt ihn weiter, ohne sich zu wiederholen, wo das 2015er-Werk noch erkennbar weit mehr in der Tradition der amerikanischen Rootsmusik beheimatet war, treibt Garwood auf „Garden Of Ashes“ seine Blues-Meditationen weiter in Richtung dunkel funkelnde, frei fließende, gedämpfte Elegien und tiefenentspannte Coolness und Abgeklärtheit, quasi eine Abstraktion des Genres, wie sie auch den ins Experimentelle neigenden Indie-Blues-Songs des viel zu früh verstorbenen Chris Whitley innewohnte. Der wesentliche Unterschied zum Ansatz des Amerikaners: Garwoods Songs strahlen wesentlich mehr Ruhe und Gelassenheit aus, auch in den düsteren Themen gibt er sich relaxt mit kühlem Kopf und ruhiger Hand in der tonalen Umsetzung. Wie in seinen Konzerten gestaltet der Engländer die Arrangements auf das Wesentliche beschränkt, geradezu spartanisch und streng muten manche Arbeiten an, im Geiste des Desert-Blues, wie ihn auch Garwood-Freund Mark Lanegan und in entfernterer Verwandtschaft die afrikanischen Tuareg-Musiker von Bands wie Tamikrest oder Tinariwen in ihrer jeweiligen Spielart zu pflegen wissen.
(**** ½ – *****)
„When I said you’re strange It was a compliment, you know“ (Langhorne Slim & The Law, Airplane)
Irgendwie ein typisches „Es-war-schon-alles-da-in-der-Musik-darum-schon-wieder-kein-neues-‚Astral-Weeks‘-‚Zen-Arcade‘-‚Exile-On-Main-St‘-Wunderwerk“-Jahr, dafür aber ein Musik-Jahr mit überraschenden Comebacks, würdigen Alterswerken, spannenden Mixturen, ein paar erwarteten und etlichen unerwarteten Highlights, einigen gewichtigen Ausgrabungen aus den Archiven und einem ersten Platz, der das in der Gesamtheit nicht sonderlich rosige Jahr 2015 in seiner Grundstimmung einfängt.
(01) Steve Von Till – A Life Unto Itself (2015, Neurot)
Das düstere Songwriting des Neurosis-Sängers/-Gitarristen: die Platte des Jahres 2015 im Kulturforum. Der passende Soundtrack für ein Jahr, von dem Bilder/Eindrücke unter anderem von gekenterten Flüchtlings-Booten, dem Terror-Anschlag auf einen Live-Club und allerhand politischen Verwerfungen bleiben werden, leider.
(02) Pops Staples – Don’t Lose This (2015, Anti)
Würdiges Alterswerk der Gospel-/Soul-Ikone, aus Rohfassungen von Tochter Mavis Staples und Wilco-Vorturner Jeff Tweedy behutsam zu einem guten Ende gebracht.
(11) Die Buben im Pelz & Freundinnen – Die Buben im Pelz & Freundinnen (2015, Konkord)
Den Violinen-Drone aus „The Black Angel’s Death Song“ haben sie nicht hingekriegt, sowas bleibt natürlich nur Musikern wie dem Gott-ähnlichen John Cale vorbehalten, ansonsten haben sie wirklich alles richtig gemacht, die Buben im Pelz und ihre Schicksen, mit ihrer Wiener Adaption eines der wichtigsten Alben der Pop-Historie. Total leiwand, eh kloa…
(17) Waves – Stargazer (2015, Waves)
Mit das Interessanteste in Sachen Post-Rock kam heuer aus München. Meine Hardcopy fange ich mir beim Konzert am 14. Januar im Backstage ein und dann folgt auch eine ausführliche Besprechung. Versprochen.
Das soll’s gewesen sein von meiner Seite für 2015. Rutscht gut rüber ins neue Jahr, ich wünsche Euch alles Gute, Glück und vor allem Gesundheit für 2016, uns wird es vermutlich auch im neuen Jahr im Großen und Ganzen wieder besser ergehen als 99% vom Rest der Welt, in diesem Sinne, weil Sylvester ist und weil gleich die Böller und Sektkorken knallen, soll das letzte Wort im alten Jahr an dieser Stelle Nathaniel Rateliff gehören: „Son of a Bitch, give me a Drink !!!!“ ;-)
Nach langer Zeit mal wieder ein interessantes Konzert im Freiheiz, ich war da Jahre nicht mehr. Schade eigentlich, ist eine tolle Konzerthalle direkt an der Münchner S-Bahn-Stammstrecke, ideal für Veranstaltungen mittlerer Größe – also genau das richtige für Mark Lanegan und seine Band samt Support-Programm.
Den bunten Abend durfte ein Songwriter namens Lyenn mit seinem spartanischen, reduzierten E-Gitarren-Spiel und seinen klagenden, kaum abwechslungsreichen Weisen eröffnen, die bei mir auf wenig Gegenliebe trafen, zu eindimensional-langweilig war der Vortrag, dankenswerter Weise wurde der Auftritt zeitlich kurz gehalten und es würde mich sehr wundern, wenn wir diesen Supertramp-Reserve-Jesus einst on the Cover of the Rolling Stone erblicken würden. Zu seiner Ehrenrettung sei angemerkt, dass er seinen Job als Basser der Mark Lanegan Band im weiteren Verlauf des Abends ohne weitere Beanstandungen verrichtet hat.
(**)
Ein ganz anderes Kaliber betrat im Anschluss die Bühne, ich freute mich riesig und zurecht auf den Auftritt von Duke Garwood, der mit seiner halbakustischen Gitarre und verstärkt durch den kongenialen Drummer Paul May eine exzellente Dark-Blues-Beschwörung mit viel Soul in seiner dunklen Stimme hinlegte und damit den hervorragenden Eindruck, den er bei mir vor einigen Wochen mit seiner wunderbaren neuen Platte „Heavy Love“ (das Kulturforum berichtete) hinterlassen hatte, auch konzertant mehr als bestätigte. Das Publikum dankte es den beiden Briten mit frenetischem Applaus und bei einem Teil der Konzertgänger an diesem Samstagabend dürfte der nächste, dann hoffentlich Headliner-Auftritt Duke Garwoods fest vorgemerkt sein.
(*****)
Der große Schweiger Mark Lanegan eröffnete seinen Set mit einigen reduzierten Balladen, bei denen er nur von seinem Gitarristen unterstützt wurde, seine dunkle, morbide Stimme kam hier besonders zum Tragen, ehe sich dann die gesamte Band auf der Bühne einfand und das Set fortsetzte mit astreinem Grunge-Rock, wie man ihn von Lanegans jüngsten Werken und aus seinen Gutter-Twins- und Screaming-Trees-Zeiten kennt. Den Hauptanteil an der Setlist hatten erwartungsgemäß die Songs des neuen Albums „Phantom Radio“, die im Live-Vortrag wesentlich besser funktionierten und dynamischer beim Hörer ankamen als sie dies in ihren überproduzierten, durch elektronische Sperenzchen verpfriemelten Tonträger-Fassungen tun (Kulturforum-Besprechung der Platte: guckst Du hier).
Das letzte Mal sah ich Mark Lanegan vor circa fünf Jahren, im Münchner Backstage gab er ein musikalisch ansprechendes, durch einen Akustik-Gitarristen unterstütztes Duo-Konzert, an diesem Abend hatte er kein einziges Wort übrig für die Zuhörer, kein „Thank You“, kein „Fuck You“, keine Worte zum Abschied, garnix. Am vergangenen Samstag war er dagegen für seine Verhältnisse ein sprudelnder Wasserfall an Konversation, er stelle die Band vor und bedankte sich gar das ein oder andere Mal mit seiner völlig abgewrackten Tom-Waits-Stimme für den enthusiastischen Applaus.
Zum Ausklang des wunderbaren Konzertabends gesellte sich nochmal Duke Garwood für die Zugaben zur Mark Lanegan Band auf die Bühne und setzte so einen würdigen Schlusspunkt.
Um das Maß an Publikums-Zugewandtheit voll zu machen, durften sich die Fans am Merch-Stand im Anschluss an das Konzert ihre Mark-Lanegan-Devotionalien vom Meister höchstselbst signieren lassen… ;-))
(**** ½)
Pascal Comelade + Les Limiñanas – Traité de guitarres triolectiques (2015, Because Music)
Der französische Multiinstrumentalist Pascal Comelade hat in seiner langen Karriere nahezu 30 Tonträger veröffentlicht, erstmals fiel er mir mit seinen minimalistischen Kompositionen für Kinderklavier vor einigen Jahrzehnten auf, zwischenzeitlich habe ich ihn leider immer wieder aus den Augen verloren, was wohl einem unverzeihlichen Fehler ob der Güte seiner Werke gleichkommt. Comelade, der bereits mit Größen wie Robert Wyatt, PJ Harvey und Faust zusammenarbeitete, veröffentlichte dieser Tage ein Album, dass er mit dem Psychedelic-/Trash-/French-Pop-Duo Les Limiñanas aus dem französischen Perpignan einspielte und überrascht mit treibendem, originellem Indie-Garagengeschrammel, psychedelischem Georgel und Ennio-Morricone-Soundtracks für den Casio, das gesamte Werk ist größtenteils rein instrumental gestaltet. Erfrischend!
(**** ½)
Andrew Bird – Echolocations: Canyon (2015, Wegawam Music Co.)
Der aus Lake Forest, Illinois, stammende Songwriter Andrew Bird hat vor allem Mitte bis Ende der Nuller-Jahre mit seinen drei hervorragenden Alben „Andrew Bird & the Mysterious Production of Eggs“, „Armchair Apocrypha“ und „Noble Beast“ das Indie-Folk-Publikum beglückt, jetzt legt er eine von gängigen Songstrukturen völlig losgelöste Ambient-/Folk-/Neue-Klassik-Kompositions-Sammlung vor, das Werk ist eine Auftragsarbeit für eine dreimonatige Ausstellung im Institute of Contemporary Art in Boston und wird dort im Rahmen einer Installation von 36 Lautsprechern aufgeführt. Beruhigend + Entspannend.
(****)
Duke Garwood – Heavy Love (2015, Heavenly / Rough Trade)
Der Mark-Lanegan-Spezi Duke Garwood aus London, der zusammen mit Lanegan die 2013er-Scheibe „Black Pudding“ veröffentlichte und auch an seinem aktuellen „Blues Funeral“-Album beteiligt war, hat die beste Mark-Lanegan-Platte produziert, die Lanegan selbst seit Jahren in der Form und Qualität nicht mehr hinkriegt. Hat er ihm bei besagten Kollaborationen die Ideen geklaut? Stimmlich sowieso sehr nahe am Amerikaner angesiedelt, zelebriert Garwood die Alternative-/Düster-Blues-Variante, spartanisch und sparsam arrangiert, oft in rohen Akustikgitarren-Versionen mit dem zum Sound passenden Nick-Cave-Pathos dargereicht. Der Soundtrack für Deine finsteren und morbiden Gedanken.
Gérard vom Pop-Polit-Blog beschreibt Euch die einzelnen Stücke der Platte, guckt Ihr hier.
(**** ½ – *****)
Mecca Normal – Empathy For The Evil (2014, M’lady’s Records)
Das Duo Jean Smith und David Lester aus dem kanadischen Vancouver lässt nach über acht Jahren auch mal wieder was hören. Mecca Normal, neben Beat Happening und Bikini Kill die wichtigsten Vertreter des DIY/Indie-Rock/Riot-Grrrl-Movements, taten sich mit Produzenten-Legende Kramer (Shockabilly, Bongwater, Half Japanese, Butthole Surfers, Galaxie 500, Low etc.) zusammen und fabrizierten ein herrliches Gebräu aus Schepper-Indie, mit Punk-Attitüde vorgetragenem Gesang und düsteren, nachdenklichen Alternative-Moritaten in Moll. Ein schönes Comeback!
(**** – **** ½)