Easy Listening

Reingehört (438): Yo La Tengo, Nap Eyes

Yo La Tengo – There’s A Riot Going On (2018, Matador)

Wenn’s nur eine exemplarische Scheibe von Yo La Tengo im Plattenschrank sein soll oder die, die man auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde, die jüngst veröffentlichte wär’s wohl eher nicht. Die Band hat sich auf „There’s A Riot Going On“ was getraut, aber nicht alles ist gleich wohlgeraten, mit manchem Titel ging der Wurf nicht ins Ziel. Der instrumentale Einstieg zeugt von einer sanften Kraut-Psychedelic, die in der Form auch jeder Tortoise-Scheibe gut zu Gesicht steht, in diesem anregenden Minimal-/Postrock-/Electronica-Modus ergeht sich das Trio sporadisch noch einige Male im weiteren Verlauf, und dafür gebührt ihm Respekt. Der ein oder andere von Georgia Hubley in betörender, tiefenentspannter YLT-Manier geträllerte Indie-Pop-Song gefällt im sanften Flow in vertrauter Weise wie das von Ira Kaplan als latent dunkel funkelnder, im gemäßigten Uptempo-Shoegazer-Anschlag vorgetragene „For You Too“, und mit der dezent experimentellen und überaus gelungenen Instrumental-Nummer „Above The Sound“ drängt sich die Vermutung auf, dass während der Aufnahmepausen die ein oder andere Sun-Ra-Scheibe im Geiste von „Space Is The Place“ das Studio beschallte und nachdrücklich Eindruck hinterließ, dagegen gibt es nix zu knurren. Gegen das beizeiten erklingende, belanglose, das Album zerklüftende Easy-Listening-Gedudel im Bossa-Nova- oder softem Jazz-Plätschern hingegen schon, ein mit jedem neuen Durchlauf sich unangenehmer gerierendes Geleier, bei dem zu Titeln wie „Let’s Do It Wrong“ ein boshaftes „Yö, den Vorsatz habt Ihr gut hingekriegt!“ durch die Hirnwindungen zuckt. Zwischen gepflegtem Ambient und gähnender Langeweile liegt ein tiefes Tal, dass die altgediente Formation aus Hoboken/New Jersey zu der Gelegenheit erst noch durchschreiten muss.
„There’s A Riot Going On“ ist unterm Strich gewiss nicht der Offenbarungseid, den die ein oder andere Combo aus dem Indie-Lager in jüngster Zeit geleistet hat, jedoch weit davon entfernt, Spitzenplätze im mittlerweile fünfzehn-teiligen Kanon der YLT-Longplayer zu beanspruchen.
Und woher dieser krampfhaft sich verrenkende, immer wieder auftauchende Versuch im Rahmen der Platten-Rezensionen kommt, die Querverbindung des Albums zum 1971er-Sly-Stone-Werk fast gleichen Titels herzustellen, muss man nicht verstehen. Protest, Verwerfungen und Unmut sind immer irgendwo am gären, in the US of A allemal. Gibt ja auch jede Menge Leute, die Huber, Maier, Müller oder Schmid heißen (oder Trump), und das sind Gottlob auch nicht alles die gleichen Deppen…
Yo La Tengo spielen am 9. Mai live in München vor bestuhltem Auditorium in den altehrwürdigen Kammerspielen, die eigene Absenz zwecks Reisegepäck-Schnüren und Aufbruch ein paar Stunden später in aller Herrgottsfrüh gen Flandern zwecks dreitägiger, schwer vermutlich weitaus einnehmenderer Postrock-Beschallung ist verschmerzbar…
(****)

Nap Eyes – I’m Bad Now (2018, Jagjaguwar)

Haben 2016 mit dem Vorgängerwerk „Thought Rock Fish Scale“ kaum vom Hocker gerissen, und bringen es mit dem neuen Auswurf noch viel weniger: das kanadische Quartett Nap Eyes übertreibt mit dem Titel des aktuellen Albums „I’m Bad Now“ hinsichtlich Selbsteinschätzung in keinster Weise, müsste aber, um der kompletten Wahrheit die Ehre zu geben, ein „Wir waren auch noch nie richtig dufte“ hinterherschicken. Gefälliger, spätestens nach dem dritten Song austauschbarer und beliebiger Indie-Songwriter-Pop, den bereits vor 30 Jahren Bands wie die geschätzten Go-Betweens oder der seltsame Lawrence und seine englische Combo Felt um Längen spannender, melodischer, emphatischer besungen drauf hatten. Wer braucht im Jahr des Herrn 2018 eine simpel gestrickte, sterbenslangweilige C-Klassen-Kopie vom dritten Velvet-Underground-Album?
(** ½ – ***)

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Reingehört (335): Alpha Male Tea Party, Waxahatchee, Broken Social Scene

Alpha Male Tea Party – Health (2017, Big Scary Monsters)

Hörenswerter Instrumental-Rock-Crossover von Alpha Male Tea Party aus Liverpool: Seit 2012 entwickelt das Trio aus Nordengland seine Spielart des Progressive Rock, auf „Health“ veredelt die Combo den Grenzgang zwischen Post- und Math-Rock in einer rundum (und nicht zuletzt hinsichtlich glasklarem Sound) gelungenen Produktion, zwischen geschliffener Härte und melodischer Finesse, zwischen treibendem Flow und vertracktem Rhythmus-Wechsel pendeln die zehn Gitarren-dominierten Intensiv-Klang-Demonstrationen, die die Band in eine Liga mit Bands wie And So I Watch You From Afar katapultiert, wo die Nord-Iren weitaus mehr im Live-Vortrag und nur selten auf Konserve zu überzeugen wissen, sind Alpha Male Tea Party in Sachen Tonträger weitaus überzeugender unterwegs, eine ausgereifte Arbeit, die die Einflüsse aus der Ära der Prog-Rock-Altvorderen wie King Crimson gebührend zu würdigen weiß, löblich aber nicht in der Vergangenheit verhaftet bleibt und in Weiterentwicklung Richtung Math/Djent mit dezenten Postmetal-Ergänzungen den Blick stramm nach vorne richtet. Konzertantes Antanzen wäre schwerst genehm.
(*****)

Waxahatchee – Out In The Storm (2017, Merge)

Passable Indie-Rock-Arbeit der US-Songwriterin Katie Crutchfield aus Birmingham/Alabama, die ihr Band-Projekt nach einem Flusslauf in ihrer amerikanischen Südstaaten-Heimat benannte. Ansprechende Mischung aus LoFi-Songwriting, gefällig-einschmeichelndem Mädels-Gesang, flottem Alternative-Power-Pop und domestizierter Grunge-Gitarren-Intensität. Live eingespielt und somit den angerauten Charme dieses ab und an ins Gefällige schielenden Indie-Geschrammels weitestgehend noch erahnend lassend. Für Riot-Grrrl-Rabatz ist es zu brav und kaum sperrig, hinsichtlich gängigem Indie-Rock-/-Pop-Mainstream aber dann doch noch originell und spielfreudig genug, um aus diesem Sumpf vorteilhaft-positiv herauszuragen.
Waxahatchee spielt live am 17. September im Münchner Glockenbachviertel-Club Milla, das Vorprogramm wird Crutchfield-Schwester Allison bestreiten, die auch auf „Out In The Storm“ an Schlagwerk und Tasteninstrumenten zu hören ist.
(****)

Broken Social Scene – Hug Of Thunder (2017, Arts & Crafts)

Gewogen und für zu leicht befunden: Das kanadische Indie-Kollektiv Broken Social Scene ist auf dem jüngst erschienenen Album „Hug Of Thunder“ weitaus weniger als die Summe seiner Einzelteile, trotz maßgeblicher Mitarbeit von Größen wie den üblichen Verdächtigen Kevin Drew, Brendan Canning, Charles Spearin oder Leslie Feist, trotz unzähliger Ideen und Einflüsse und einem letztendlich Zuviel an Klangreichtum kommt die Big Band aus Toronto in den wenigsten Momenten über eine leichtfüßige, schwirrende, Pop-affine Belanglosigkeit hinaus. Innerhalb kürzester Zeit bricht sich beim Abhören ein unangenehmer Befindlichkeits-Mix aus Übersättigung und vergeblichem Warten auf das Ansprechend-Gefangennehmende Bahn, too much an ätherisch-überdrehtem Elfen-Gesang, überzuckerten Harmonie-Chören und vor allem völlig substanzloser, Musical-artiger Easy-Listening-Beschallung, zuviel aus der Stars- und Metrics-Ecke, viel zu wenig aus dem gewichtig-experimentelleren Bereich a la Do Make Say Think, das ist der Sound der 70er-Jahre-Mainstream-Hitparaden-Betäubung, in ein modernes Kleid gewandet und frech als Indie verkauft. Ein aufgeblähter Mix aus Pomp und beschwingtem Wohlklang-Gelichter, der trotz reichhaltiger Zutaten ungenießbar bleibt  – oder ganz einfach auf den Punkt gebracht: Viel Lärm um Nichts. Von den Mitwirkenden hätte man sich deutlich mehr an Qualität erwartet als diesen schwer verdaulichen Weichspüler-Sing-Sang, auch wenn auf dem vor sieben Jahren erschienenen Vorgängerwerk „Forgiveness Rock Record“ bereits nicht mehr alles Gold war, was glänzte. Das Runtergleiten auf dem absteigenden Ast setzt sich bei BSS fort, sehr bedauerlich.
(** ½)