Einstein Kultur

frameless23: Tomoko Sauvage, David Allred, Markus Muench @ Einstein Kultur, München, 2019-10-15

Letzte Runde vor der Winterpause in 2019 der Münchner frameless-Reihe für experimentelle Musik und Medien-Kunst im digitalen Zeitalter am vergangenen Dienstag-Abend in den Kellergewölben des Einstein Kultur: Die 23. Ausgabe wartete mit zwei Konzerten auf, die in Konzeption und musikalischer Ausdrucksform nicht unterschiedlicher hätten ausfallen können.

Im ersten Teil präsentierte die französisch-japanische Klangforscherin Tomoko Sauvage ihre „Aquarian Audio“-Exerzitien mit höchst unkonventionellem Instrumentarium. Die Künstlerin setzt sich in ihren Arbeiten seit längerem mit dem Element Wasser auseinander. In ihrer esoterischen Performance am vergangenen Dienstag arbeitete sie mit befüllten Porzellan- und Glas-Schüsseln, in denen sie mit Ton-Abnehmern, Mikrofonen, Feedback-verzerrenden Gerätschaften und angeschlossenen Synthies das Umrühren und Schöpfen im nassen Element, die Tropfen, das Wogen der erzeugten Wellen und das Schaben mit Steinen am Boden der Wasser-Schüsseln in abstrakte Klang-Gebilde, Glocken- und Gong-ähnliche Einzel-Töne, extrem reduzierte Ambient-Meditationen und metallenes Pochen in Anlehnung an simple Industrial-Drones übersetzte.
Die Virtuosität der Musikerin offenbarte sich in homöopathischen Dosen, damit war in diesem vierzig-minütigen Flow an digital bearbeitetem Natursound wenig Varianz oder gar Vielfalt geboten. Experimenteller Ambient an der Grenze zum klanglichen Stillstand, in dem der kontemplative Ansatz mehr und mehr zur Einschlaf-Hilfe verkam. Ein spannender Offset an technischem Equipment und eine individuelle, bis dahin nicht gehörte Herangehensweise zum Erzeugen von Tönen, mit äußerst dürftigem Output. Ambient geht woanders weitaus spannender, zur Not auch mit althergebrachtem Geräte-Schrauben erzeugt, da braucht’s nicht literweise Wasser, in dem jedes Flossen-Zucken eines Goldfischs für mehr Aufregung gesorgt hätte als dieses urfade Geplätscher…

Kontrapunkt zur experimentellen Aufführung von Tomoko Sauvage setzte der Amerikaner David Allred aus Portland/Oregon im zweiten Teil der Veranstaltung mit klassischem Songwriting und reduziertem, minimalistischem Neo-Folk. Eingangs zwei Gitarren-begleitete Songs, bevor der junge Musiker zum Klavier-Vortrag an den großen Flügel wechselte, eine der Nummern eine gelungene Cover-Version von „True Love Will Find You In The End“ aus der Feder von Daniel Johnston, dem manisch-depressiven, vor kurzem viel zu früh in die ewigen Jagdgründe eingegangenen Großmeister des LoFi-Indie. Wo das Original windschief und schräg sein großes Pop-Potential zu verbergen sucht, ist die Allred-Interpretation dagegen feine Songwriter-Folk-Kunst in geradezu konventioneller Ausgestaltung, das ist grundlegend nichts Neues bei Johnston-Bearbeitungen, bei zahlreichen Perlen an Liedgut-Interpretationen aus der Feder der Outsider-Kultfigur von Teenage Fanclub über Hugo Race bis Yo La Tengo verhält sich das keinen Deut anderes.
Allreds eigene Songs sind erhabene, unaufgeregte Auseinandersetzungen mit den Veränderungen des Lebens, den existentiellen Unausweichlichkeiten, mit dem plötzlichen Verschwinden vertrauter Personen, die wahlweise vielleicht irgendwann wieder völlig unerwartet auftauchen werden oder mit der Zeit dem völligen Vergessen anheimfallen. Die zur Melancholie, mitunter zur Schwermut neigenden, klar strukturierten wie eindringlichen Klavier-Kompositionen mögen von Eindrücken aus einer früheren Tätigkeit des Musikers als Altenpfleger geprägt sein, gleichwohl ist David Allred keiner, der den Weltschmerz und die Unausweichlichkeit der letzten Dinge als Dünger zum Blühen der tiefschwarzen Blumen seiner Gemütslage einsetzt. Zur Veröffentlichung seines aktuellsten, mit Landsmann Peter Broderick eingespielten Werks im vergangenen Sommer merkt er an: „In ‚The Cell‘ geht es darum, die Dunkelheit in unserem individuellen Leben als strategische Methode anzuerkennen, um ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, wie wir uns in einer extrem dissonanten Welt mit Optimismus, Harmonie und Licht fortbewegen können.“ Anker dafür hat er auch im konzertanten Vortrag mit seinen kurzweiligen, tiefgründigen wie anrührenden Kurzgeschichten gegeben, mit nüchternem, in der Stimmlage wenig variierenden Sangesvortrag im Song-Format und ausgewählten, getragenen Klavier-Instrumentals, die im Tasten-Anschlag mitunter an die Werke von George Winston, Mark Kozelek oder Randy Newman erinnern. David Allreds Kunst ist in ihrer Ernsthaftigkeit alles andere als heiter, dabei doch trotz schwergewichtiger Thematik von einer nicht zu greifenden, luftigen Entrücktheit durchdrungen und somit bestens geeignet, dem Unausweichlichen die Schärfe zu nehmen. Klare, erhellende, minimalistische Kompositions-Strukturen gegen die Herbst- und Winter-Depression, so soll es sein.

Die Medienkunst im Nebenraum des Konzert-Gewölbes installierte an diesem Abend der Münchner Klangforscher Markus Muench. Sein Sound-Sampling lunar_ zum 50-jährigen Jubiläum der ersten Mondlandung verwendete zahlreiche Original-Aufnahmen aus Interviews mit den Astronauten, verzerrte Dialoge aus dem Funk-Verkehr, Hintergrund-Geräusche und viele weitere Aufzeichnungen aus dem NASA-Archiv. Die Field-Recordings aus den Tiefen des Alls wurden mit filmischen Zeit-Dokumenten wie verwackelten Bildern von der Mond-Oberfläche unterlegt. Im Rahmen von frameless23 wurde erstmals die komplette Installation gezeigt.

Werbung

Marc Ribot @ Unterfahrt, München, 2019-09-09

Näher am Puls der Zeit hätte der renommierte Gitarrist, Songwriter und Session-Musiker Marc Ribot mit der Veröffentlichung seiner letztjährigen Sammlung an Protestliedern und Widerstands-Hymnen kaum in Erscheinung treten können, das Album „Songs Of Resistance: 1942 – 2018“ korrespondiert wie wenig andere mit dem aktuellen Zeitgeschehen, in dem die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich, Massen-Proteste in Hong Kong, die radikalen Umwelt-Aktivisten von Extinction Rebellion oder der Greta-Hype die Schlagzeilen der täglichen Nachrichten und die Auseinandersetzung mit den politisch brisanten Themen beherrschen. Wo das Album in einer gefälligen Schnittmenge aus gepflegten Jazz-Noten, erhabenen Alternative-Country-Balladen, nachdenklichen Chansons und modernem, sauber produziertem Soul- und Blues-Groove glänzt, zeigte Ribot am vergangenen Montagabend im Rahmen der laufenden Europa-Tournee in der Münchner Unterfahrt mit Unterstützung seiner vier Mitmusiker in der Live-Präsentation einen weitaus radikaleren und kantigeren Interpretationsansatz des Song-Materials.
Der Gitarrist aus New Jersey, dem in seinen Solo-Alben und aus seiner Jahrzehnte-langen Zusammenarbeit mit herausragenden Künstlern aus der Avantgarde-, Rock- und Jazz-Szene wie John Zorn, Tom Waits, Laurie Anderson, Elvis Costello und zahllosen anderen Solisten und Bands nichts fremd ist an experimentellen Finten, transportierte den Großteil der Soundtracks aus der US-amerikanischen Civil-Rights-Bewegung, dem anti-faschistischen Widerstand gegen Nazi-Deutschland, aus der mexikanischen Opposition oder die aktuellen Aufschreie zum sterbenden Öko-System, gegen den Trump-Clown in Richtung improvisiertes, vehementes Jazz-Crossover, im vielstimmigen Lärmen des Free Jazz, in der lateinamerikanischen, Rhythmus-dominierten Lesart des Genres, in No-Wave-Blues- und Heavy-Soul-Verzweigungen bis hin zu ausufernden Noise-Exzessen. Nummern wie „We’ll Never Turn Back“ aus den bewegten Zeiten der afro-amerikanischen Bürgerrechts-Märsche oder ein Stück aus der Feder der Carter Family transformierten der Ausnahme-Musiker und seine Band zu sperrigen, schrägen Balladen, deren unkonventioneller Charakter vor allem durch die schrammelnden, scheppernden, trocken klirrenden Gitarren-Riffs in der unverkennbaren Handschrift des Meisters und durch seinen Anti-Gesang geprägt wurde, der sich in intensiveren Passagen zum Propaganda-Stakkato im Stile der Beat-Poeten oder in Anlehnung zum Proto-Rap eines Gil Scott-Heron auswuchs. Auf dem Album liefern prominente Sänger wie Steve Earle, Tom Waits oder Meshell Ndegeocello den Vokal-Part, sie alle fehlen selbstverständlich im Tour-Betrieb, dafür darf sich Ribot der Unterstützung der beiden Perkussionisten Reinaldo de Jesus und Ches Smith, des Bassers Brad Jones und des Bläsers Jay Rodriguez gewiss sein, allesamt versierte und virtuose Jazz- und Fusion-Könner, die den freien Flow in der spontanen Improvisation wie das formal strenge Maß im Zusammenspiel als Session-Band mit Herzblut begleiteten und in den Höhenflügen ihres lautmalenden Zusammenwirkens das halb-akustische, abgehackt experimentelle Gitarrenspiel des Bandleaders nicht selten in den Hintergrund drängten.
„If I Can’t Dance To It, It’s Not My Revolution“ mahnte die jüdische Anarchistin Emma Goldman einst an, hätte das Konzert nicht im gediegenen, mit Kaffee-Tischen bestückten Lokal des Münchner Jazz-Clubs in den Kellergewölben des Einstein Kultur stattgefunden, sondern vor einem unbestuhlten Auditorium, wäre das Abhotten zum schwer nach vorne gehenden, den rebellierenden Geist anspornenden Sound des Quintetts ein Selbstläufer gewesen. So bleibt zu hoffen, das der ein oder anderen, in diesen Tagen ohne Zweifel notwendigen und damit legitimen Protestbewegung jene radikale Kraft und Ausdauer innewohnt, die Marc Ribot und seine Mit-Kombattanten an diesem Abend in zwei längeren Sets mit faszinierender Crossover-Vielfalt und ungebremster Spielfreude transportierten und das gebündelte Zusammenwirken damit zu einem anregenden und rundum erfolgreichen Angriff auf die eingefahrenen Hörgewohnheiten gedeihen ließen.

frameless18: Asa-Chang & Junray, Arturas Bumšteinas, Jana Winderen @ Einstein Kultur, München, 2018-10-11

Am vergangenen Donnerstag fand in den Kellergewölben des Einstein Kultur die 18. Auflage der Münchner frameless-Reihe für experimentelle Musik und Medien-Kunst im digitalen Zeitalter als Auftakt zur Herbstserie nach einer langen Sommerpause statt, wie stets und löblicherweise gefördert aus öffentlichen Mitteln des Musikfonds eV und des Kulturreferats der Landeshauptstadt, präsentiert von der Münchner Kunsthistorikerin/Visual-Artistin Karin Zwack und kenntnisreich wie charmant anmoderiert von Dr. Daniel Bürkner.

Die Klangforschungen und tonalen Experimente zur Erweiterung der Hörgewohnheiten hätten sich nicht breitgefächerter präsentieren können als an diesem Abend im ehemaligen Braukeller-Gewölbe, den ersten Teil der Veranstaltung konzipierte der baltische Komponist und Sound-Künstler Arturas Bumšteinas, der neben seinen veröffentlichten Tonträgern bereits zahlreiche Installationen und Aufführungen für Festivals, Theater und Radio-Hörspiele gestaltete. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Auseinandersetzung mit individuellen und kollektiven Erinnerungen, die sich aus Archiven, Klängen und Fragmenten zusammensetzt. Für frameless18 war als Präsentation eine eigens für die Veranstaltungsreihe entwickelte Arbeit über die Geschichte des Eurovision Song Contest angekündigt, die – wohl wegen der japanischen Herkunft der im Folgenden auftretenden Formation – durch die halbstündige Multimedia-Performance „The Year Of The Catdog“ ersetzt wurde, die der litauische Klang-Tüftler ursprünglich 2016 für eine tschechische Radiosendung umsetzte. Zentrales Thema der experimentellen Dokumentation ist das Herstellen von Ton-Pfeifen und -Flöten mit traditionellen japanischen Brennöfen in einem Dorf 30 Kilometer außerhalb von Bumšteinas‘ Heimatstadt Vilnius, der vom Ehepaar Dorma und Juozas Penkinski und einigen Helfern als viertägiges Ritual begangene Arbeitsprozess wurde vom Experimentalmusiker als Field Recordings und Bildaufnahmen festgehalten, neben dem Knistern des Feuers zum Brennen der Ton-Instrumente waren im abgedunkelten Raum hauptsächlich die Dialoge der Handwerker zu vernehmen, die Bumšteinas auf einer schwarzen Videoleinwand ins Englische übersetzte und gegen Ende der Aufführung mit einer Schlaglicht-artigen Einblendung von Fotos und kurzen Filmen der Aktion anreicherte. Eingangs verlas er vermutlich erklärende Worte zu seiner Aufführung, über Inhalt und Zweck seiner Erläuterungen kann nur gemutmaßt werden, da sich sehr wahrscheinlich kaum jemand im Veranstaltungsraum befand, der der litauischen Sprache mächtig war.
Die Multimedia-Schau begleitete er sporadisch mit seinem Spiel auf Ton-Flöten, die wohl nahe liegend bei der dokumentierten Produktion gefertigt wurden, asiatisch anmutende, simple Meditations-Klänge, die dem spartanischen, minimalistischen Experimental-Charakter der Präsentation leider auch keine weiteren Spannungs-fördernden Elemente beizufügen wussten. Minimal Music und Multimedia-Sampling an der Grenze zum absoluten Stillstand hinsichtlich komplexer Finesse und Hinstreben zu einer wie auch immer gearteten Klimax, als Meditations-Übung mochte diese halbe Stunde durchaus Sinn ergehen, ob daraus tatsächlich alle aus der Zuhörerschaft den großen Kunstgenuss zogen, darf wohl getrost aufgrund des monotonen Charakters der Arbeit in Frage gestellt werden.

Weitaus opulenter, vielschichtiger und komplexer gestaltete sich das Konzert der japanischen Formation Asa-Chang & Junray an diesem Abend: der Gründer und ehemalige Kopf des erfolgreichen Tokyo Ska Paradise Orchestra, Studio-Musiker bei asiatischen Millionen-Seller- und Mainstream-Acts, Bandleader und Perkussionist Asa Chang zauberte mit Unterstützung seiner eigenen Trompeten-Künste, dem Saxophonisten/Flötisten Yoshihiro Goseki, der bezaubernden Anzu Suhara an Violine und Akkordeon und den elektronischen Lauten der „Junray-Tronics“-Maschine ein breitgefächertes Klangspektrum im sich gegenseitig befruchtenden Zusammenwirken von organischer und synthetischer Musik in den Saal. Die drei Multiinstrumentalisten und der programmierte Sprach-Computer präsentierten eine schwer zu fassende, in jedem Fall faszinierende Crossover-Mixtur aus Elektronik-Pop, leichtfüßig beschwingtem Kraut-Space und neoklassischer Kammermusik, das exotisch anmutende Klangwerk scheint von japanischen Kinderliedern, asiatischer Folklore und Eastern-Filmsoundtracks genau so geprägt wie von Mutationen orientalischer Jazz-Spielarten, Spoken-Word-Samplings und dadaistischen Wort-Wiederholungen im Modus gebetsmühlenartiger Endlosschleifen. Die Mensch-Maschine-Kombination beeindruckte mit minimalistischem, permanent wiederholtem Abzählen von eins bis zwölf in japanischer Sprache, das sich zu einem geloopten Trance-Kanon als spirituelles Mantra auswuchs, daneben mit relativ simpel gestalteten Hymnen zwischen fernöstlichem Folk und futuristischer Drone-Untermalung, mit melancholischen Avantgarde-Songs und unbeschwerter J-Pop-Melodik. Eine stilistische Klammer um die heterogenen Songs und Instrumental-Kompositionen war kaum auszumachen, was bei anderen Bands beliebig, erratisch oder konzeptlos erscheinen mag, zeugte bei Asa-Chang & Junray von großer Abenteuerlust auf der Suche nach dem Neuen und einer schier unerschöpflichen Virtuosität im musikalischen Grenzgang.
Die ausufernden Klang-Visionen, kleinen Experimental-Pop-Songs und großen Tondichtungs-Melodramen lösten einst bereits beim berühmten englischen Radio-DJ John Peel Begeisterungsstürme aus, bei der zahlreich erschienenen Münchner Japan-Community und den weiteren Besuchern vom frameless18-Abend verhielt es sich am Donnerstagabend nicht viel anders, und so gewährten Asa-Chang & Junray eine im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe seltene Zugabe nach Entgegennahme des langanhaltenden und verdienten Applauses.

Wo sich sonst im Nebenraum zu den experimentellen Konzerten zumeist außergewöhnliche, unkonventionelle Video- und Multimedia-Arbeiten finden, präsentierte frameless18 die Klanginstallation „Restless“ der Norwegerin Jana Winderen. Die akademisch ausgebildete Musikerin, Mathematikerin, Chemikerin und Fisch-Ökologin konzipierte ihre Field Recordings an der Grenze von Kunst und Naturwissenschaft, die Aufnahmen zu „Restless“ fangen mittels digitaler Technik die Geräusche von Tiefsee-Krustentieren ein, eine abstrakt-tonale Abbildung verborgener Muster der Natur, die mithilfe von vier Lautsprechern die kargen Backsteingemäuer beschallte – in der Theorie ein vielversprechender Ansatz, in der Umsetzung als Hörerfahrung oder Erweiterung des individuellen musikalischen Horizonts indes nur mäßig anregend, in der eigenen Eintönigkeit gefangen und damit in einer Linie mit der puristischen Präsentation von Arturas Bumšteinas am selben Abend. Da gab es in der Vergangenheit durchaus schon von spannenderen frameless-Veranstaltungen zu berichten, wenngleich die drei Japaner und ihre Maschine an diesem Abend im Kampf gegen die Gleichförmigkeit viel wett machten…

frameless19 findet am 14. November im Einstein Kultur statt, Einsteinstrasse 42, München, Einlass 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.
Angekündigt sind Mark Nelson aka Pan American, der legendäre US-Vorreiter abstrakter Experimental-Elektronik, Klangforschungen von Annabelle Playe aus Frankreich und ein Film der Medienkünstlerin Lilli Kuschel, der die Realität und die digitale Traumwelt Hollywoods kontrastiert. Frau/Man darf – wie immer – gespannt sein.

Poppy Ackroyd @ Einstein Kultur, München, 2018-05-17

Tonale Seelenmassage und innere Erbauung par excellence: Sie hat Anfang des Jahres mit ihrer großartigen Neuveröffentlichung „Resolve“ umfänglichst und nachhaltig zu überzeugen gewusst, konzertant unterstrich die englische Ausnahmekünstlerin Poppy Ackroyd den gewonnenen Eindruck der Exzellenz ihrer Werke am vergangenen Donnerstagabend im Kellergewölbe des Einstein Kultur erneut mit herausragender Bravour.
Die klassisch ausgebildete Komponistin und Musikerin moderierte völlig unaufgeregt und sympathisch-einnehmend mit britischer Höflichkeit in kurzen Ansagen ihre vorgetragenen Werke, in gleicher Weise unaufgeregt und doch von einer betörenden hypnotischen Kraft durchwirkt trug sie ihre instrumentalen Klangentwürfe aus dem Grenzbereich der Neoklassik und der experimentellen Electronica vor, Kleinode voll inwendiger Schönheit, die die Pianistin präzise, dabei stets unendlich beseelt, mit Hang zur klassischen Minimal Music, dabei doch unterschwellig opulent und reich an Farben, Melodiebögen und Phrasierungen in einer ureigenen Tondichtung vortrug. Die an der University of Edinburgh akademisch geschulte Brillanz an Piano und sporadisch eingesetzter E-Violine sind bei Poppy Ackroyd das Eine, die wie sich selbstverständlich einpassenden experimentellen Blüten, die von der englischen Musikerin dezent, behutsam und auf den Punkt genau passend im herrlich dahinfließenden Post-Klassik-Wogen zur Entfaltung gebracht werden, darüber hinaus eine ganz andere Nummer.
Ambient-Loops, die Ackroyd zumeist live zu den einzelnen Stücken analog erzeugt und einspielt durch Klopfen am Piano-Korpus, Zither-artigem Anschlagen wie Zupfen und Bearbeiten der Klaviersaiten mit einem Paukenschlägel und vorauslaufendem Anstimmen von repetitiven Streicher-Arrangements werden als Samples, verfremdete Trance-Soundscapes und dezente Drones rhythmisch pochend oder im begleitenden freien Electronica-Flow als Schichten über die Klavier-Exkursionen gelegt, in einer überzeugenden Selbstverständlichkeit, als sollte moderne klassische Musik in unseren Zeiten in keinem Fall anders klingen.
Angenehmer kann man kaum durch ein Konzert geleitet werden: Die wunderschönen Klanglandschaften Poppy Ackroyds beschwören Bilder herauf, die sich der Zuhörer als Zeuge ihrer multimedialen Konzerten nicht der eigenen Phantasie entwinden muss, sie werden bereits stimmig zum Sound durch die nicht minder schönen, in klassischem Schwarz-weiß gefilmten Videoinstallationen von Ackroyd-Freund Tom Newell aka Lumen an die Wand projiziert, traumhafte Bilder von Flusslandschaften, wogenden Brandungen an einsamen Küsten-Gestaden, winterliche Berghügel, über die in Zeitlupen-artiger Tranquillität die dichten Schneeflocken schweben oder wie im Fall des Titelstücks ihres 2014er-Albums „Feathers“ einer filmischen Meditation Newells über die Vogelfedern-Sammlung der Musikerin.
Siebzig Minuten Konzert im intimen Rahmen des Einstein-Kultur-Kellergewölbes ohne Zugabe von einer außergewöhnlichen Künstlerin, mehr war nicht nötig, um die zugewandte Hörerschaft im leidlich gut besuchten Saal zu bezaubern und zu langanhaltendem, dankbaren, hochverdienten Applaus hinzureißen, um zur inneren Ruhe zu finden, um lärmende Gitarren zu vergessen, und den schnöden Alltag sowieso. Für die nächsten Tage die sanfte wie gleichsam hochspannende, einzigartige Kunst der Poppy Ackroyd in Dauerschleife, es verlangt nicht nach mehr.
Sollte dieses Konzert nicht unter den persönlichen Jahres-Top-Five landen, stehen für die nächsten Monate kaum eintretende, exorbitante Wunder wie ein John-Cale-Privatkonzert im heimischen Wohnzimmer oder die Hendrix-Wiederauferstehung an.