Experimental-Metal

Sunn O))) + Caspar Brötzmann @ Backstage, München, 2019-10-07

Dekonstruktion der Harmonien, Zersetzung der gängigen Songstrukturen und das Infrage stellen jeglicher Melodik in zwei experimentellen und vehementen Ansätzen zum Wochenstart in der großen Werk-Halle des Münchner Backstage. Den ersten Akt der lärmenden Klang-Erschütterungen bespielte der Wahl-Berliner Caspar Brötzmann, wer eine wie zu früheren Gelegenheiten zelebrierte, wuchtige Noise-Rock-Eruption in der Powertrio-Besetzung des Caspar Brötzmann Massaker erwartete, sollte sich am Montagabend ge- und bisweilen auch enttäuscht sehen. Statt seine jaulende Fender-Gitarre zu traktieren, angetrieben von massiv polternder Bass/Drums-Begleitung seiner früheren Mitmusiker, irgendwo zwischen ausgelebten, avantgardistisch improvisierten No-Wave/Krach-Phantasien und dem Transport wie der Fortschreibung des Hendrix’schen Genius, gab sich Brötzmann für dieses Mal solistisch die Ehre. Ohne Stromgitarre, mit einem elektrischen Sandberg-Bass, lotete der Musiker die Möglichkeiten der vier Saiten zur dissonanten Klang-Kollage aus, unter dem thematischen Aufhänger seines neuen Ein-Mann-Projekts Bass Totem, benannt nach einer Nummer vom 1992er-Album „Der Abend der schwarzen Folklore“ seiner ehemaligen Band. „Ich spiele aber nicht ganz normal Bass, das ist mir zu langweilig. Der Bass ist für mich eher wie eine Gitarre mit tiefer tönenden Saiten. Damit kann ich tolle Sachen machen“, äußerte sich Brötzmann im vergangenen Sommer in einem Interview mit der Berliner taz. Tolle Sachen hat er tatsächlich gemacht, virtuos und experimentierfreudig im forschenden Geist, mit schwer dröhnenden Sounds, erschüttenden Verzerrungen, verstörenden Feedbacks, in unkonventionellen Saitenanschlägen, mit Hämmern der Fäuste auf Gitarren-Hals und -Kopf. Das erratische Lärmen, Brummen und Rückkoppeln im freigeistigen Fluss zieht naheliegend seine Einflüsse aus dem charakteristischen, energischen Saxophon-Spiel seines Altvorderen Peter Brötzmann, der seit einem halben Jahrhundert unkonventionell „brötzenden“, international renommierten Gallionsfigur des deutschen Free Jazz, wie aus dem harten, psychedelischen Rock der Gitarristen-Helden der Siebziger Jahre, die Caspar Brötzmann beizeiten mit dem Einsatz von aufjaulenden Wah-Wah-Pedals zitierte. Nicht jeder mochte die Tragfähigkeit dieses rumorenden, in tiefen Dröhnungen, intensiv scheppernden Solo-Konzepts über die vollen 40 Minuten zugestehen, etliches an Phrasierungen fand keinen Ausweg aus der Wiederholungsschleife, wer damit im Vorprogramm bereits seine Probleme hatte, sollte beim monotonen Endlos-Flow des Hauptacts kaum Linderung erfahren.
Diejenigen, die das voluminösere Orkan-Wüten des Massakers an diesem Abend vermissten, können sich alternativ an den wiederveröffentlichten Longplayer-Perlen von Brötzmann und seiner Band wie „Black Axis“ oder „The Tribe“ schadlos halten, die Alben sind als remasterte Versionen kürzlich beim amerikanischen Experimental-Metal-Label Southern Lord der beiden Sunn-O)))-Gitarristen Greg Anderson und Stephen O’Malley erschienen, und damit war klar, warum sich der deutsche Ausnahmegitarrist aus Wuppertal als Begleiter für die Tour der US-Drone-Metal-Institution aus Seattle/Washington in hiesigen Landen förmlich aufdrängte.

Die Veranstalter des Münchner Feierwerks verlegten den Auftritt von Sunn O))) im Rahmen der aktuellen Tour in die geräumigeren Örtlichkeiten des Backstage-Areals, nachdem beim letzten rituellen Klangrausch im Herbst 2016 die Halle des Hansa39 hinsichtlich Besucherandrang aus allen Nähten platzte. Durch mehr räumlichen Komfort hielten sich die klaustrophobischen Anwandlungen in der obligatorisch dichten, die Sicht komplett verhüllenden Trockeneis-Suppe zu Beginn des Konzerts etwas in Grenzen – zum erwarteten, vollumfänglichen Angriff auf nahezu alle Sinnesorgane und die Physis als solche geriet die über 90-minütige Wall-Of-Sound-Erschütterung unter dem Motto „Let There Be Drone“ im mystischen Nebel trotzdem einmal mehr.
Spürbare Vibrationen im Vollkörper-Kontakt, unfassbare, berstene Lärm-Erschütterungen im Zeitlupen-Tempo, die das Hörvermögen trotz Ear-Plugs auch Tage später nicht verzeiht, bei gleichzeitiger Kontemplation und meditativer Versenkung in den dröhnenden Klangwellen, damit sieht sich das Konzertvolk gemeinhin konfrontiert, sollte es sich den rituellen Exerzitien der experimentellen Metal-Formation um die beiden Drone-Doom-Größen Greg Anderson und Stephen O’Malley hingeben. Wie stets einheitlich in mittelalterliche Kutten gewandet, geriet der diesjährige Auftritt der Musiker von Sunn O))) zur rein instrumentalen Aufführung, der gelegentlich bei Konzerten begleitende Sänger Attila Csihar war heuer nicht zu Gast.
Stephen O’Malley erging sich im steten Flow über eineinhalb Stunden in zähen, an der Nähe zur Unkenntlichkeit deformierten, dunkel schwärenden Gitarrenriffs, die weder Melodie noch Rhyhtmus erkennen ließen, „Musik“ in völligen Auflösung von Grenzen und Strukturen, seine an berstende Dämme und in sich zusammenfallende Mauern erinnernden Neudefinitionen von atonaler Langsamkeit begleitete Greg Anderson kongenial an seiner Gibson in gleicher Tempo-Reduzierung nahe am Stillstand in gedehnter Feedback-Aussteuerung. Weder auf Tonträgern der Band noch in der konzertanten Katharsis sind konventionelle Songs auch nur annähernd zu erkennen, der Sound der beschwörend gestikulierenden Drone-Mönche ist ein gründlich zermürbender Mahlstrom, eine einzige und vor allem einzigartige Herausforderung an die Hörgewohnheiten, die Negierung von allem, was in der herkömmlichen Rockmusik als konventioneller Standard gilt. Pausen und Tempi-Wechsel gibt es nicht in dieser gedehnten Grenzerfahrung für Leib und Seele, tiefes Bass-Brummen und diverse Ambient-Abtraktionen aus Moog und anderen Synthie-Gerätschaften verleihen dem schwergewichtigen, minimalistischen Gitarren-Mäandern lediglich mehr Volumen, lassen aber keineswegs weitere virtuose Blumen blühen. Die atonale Trance-Erschütterung erfährt erst gegen Ende des Konzerts einen Funken Farbe und Varianz durch gepflegten, gedehnten Doom-Jazz aus der Posaune, der sich – einem jüngsten Gericht gleich – in der finalen Sound-Apokalypse im weißen Rauschen und in übersteuerten Feedbacks auflöst.
Konzert-Enden bergen bei Sunn O))) vor allem etwas von Erlösung in sich, wo zu anderen Gelegenheiten nach Zugaben verlangt wird, hatten die am Montag zusätzlich angehängten zehn Minuten kaum Mehrwert, der reguläre Set reichte beim Publikum völlig zur Erschütterung der mentalen Grundfeste. Dreingabe wird es in diesem Jahr nach der im Frühjahr erschienenen LP „Life Metal“ und der laufenden Tour noch eine weitere geben, mit der zweiten 2019er-Veröffentlichung der Band, das Album „Pyroclasts“ ist für den 25. Oktober angekündigt.

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Napalm Death, Misery Index, Full Of Hell, The Body @ Backstage, München, 2019-07-10

Die UK-Grindcore-Pioniere von Napalm Death am vergangenen Mittwochabend zu Gast in der Backstage-Halle, wie nicht selten zu diesen Veranstaltungen zur Aufführung der ultraharten Rockmusik an selbem Ort im Verbund mit mehreren Support-Bands. Extreme-Metal-Mini-Festival, quasi, mitten unter der Woche.

Wer beim Bandnamen The Body an das australische Supermodel Elle Macpherson dachte, konnte nicht falscher liegen zum Auftritt des amerikanischen Experimental-Metal-Duos aus Providence/Rhode Island, der voluminöse, durch die verzerrenden Gerätschaften gejagte, permanent zum Atonalen drängende Klangkörper der Formation oder der wuchtige Bauchumfang von Gitarrist/Brüller Chip King lagen da weit näher bei der Assoziation zur Etikettierung der Combo als weiblicher Liebreiz. The Body sind beim renommierten US-Indie-Label Thrill Jockey Records unter Vertrag und derzeit unter anderem mit Firmen-Kollege Marc Richter vom Hamburger Dark-Ambient-Ein-Mann-Projekt Black To Comm im alten Europa unterwegs, in München reihten sich King und sein trommelnder Kompagnon Lee Buford in anderer Konstellation in den Konzertbetrieb ein und eröffneten mit einem kurzen Set zu früher Stunde die lärmende Vollversammlung des Abends. Spoken-Word-Samplings und Ethno-Sounds aus der Konserve ergänzten das dissonante Dröhnen von Gitarrist Chip King, der in kurzen Nummern monoton mit gedehntem Gitarrenriff-Drone den experimentellen Doom-Noise für das Publikum körperlich spürbar durch die Anlage presste, im Ansatz den meditativen Lärm-Trance-Erschütterungen der Kollegen von Sunn O))) nicht unähnlich. Das „Singen“ beschränkte sich beim Gitarristen auf kurzes, abgehacktes, Slogan-artiges Plärren, inhaltlich nicht zu differenzieren und von Drummer Buford mit freier Rhythmik halbwegs in vertraute Strukturen geformt. Der von jeglichen Konventionen losgelöste Sludge/Doom/Drone-Ansatz im Spannungsfeld von DIY-Ethos und experimentellem Ausloten der Grenzen zwischen Song und formlosem Flow war ein kurzes, heftiges Fest für alle Freunde der Genre-übergreifenden Lärm-Avantgarde.

Noch weitaus mehr kompromissloser präsentierten sich die US-Ostküsten-Formation Full Of Hell im Ausleben ihrer Powerviolence-, Grindcore- und Death-Metal-Tobsucht. Atonaler Terror, der Veitstanz an der Grenze zum Irrsinn von Bandleader Dylan Walker als frontale und schonungslose Hardcore-Performance und ein Vokal-Vortrag, der weit mehr mit permanentem Brechreiz als mit verständlicher Artikulation gemein hatte – Mittel und Ausdrucksform zum Herausspeien der mentalen Befindlichkeiten, als große Radikal-Kunst und entsprechende Extrem-Reaktion auf den „Collapse of the Western Society“, wie Walker gegen Ende des intensivst vorgetragenen, brachial überwältigenden Sets anmerkt. Manchmal ist Krach einfach nur Krach und entfesseltes Gebrüll die einzige Alternative zum Talent-freien Vortrag, bei Full Of Hell jedoch weit mehr ein heftiges Entladen der aufgestauten Wut, der zornige Ingrimm in aberwitziger Raserei und Statement zum Zustand der Welt im ureigenen Sendungsbewusstsein.

Den dritte Streich der lautstarken Attacken des Abends vor dem Hauptact wuchteten Misery Index aus Baltimore auf die Bühnenbretter. Das Crossover der Band aus Death Metal und Grindcore bestach weit mehr durch sportliche Spitzenleistungen am Gitarren- und Bass-Griffbrett und große Metaller-Posen denn durch kompositorische Varianz, das Terrorizer-Cover fügte sich nahtlos und nicht zu unterscheiden ins eigene Gewerk aus Highspeed-Heavy-Gepolter und kehligem Gegröle, in dem sich Frontmann/Basser Jason Netherton kritisch mit den Verwerfungen der modernen Gesellschaft auseinandersetzt – Death-Brüller-Breitseite mit Message, so man sie denn verstehen würde. Das Neil-Young-Prinzip in die wundersame Welt des Metal transformiert: „It’s all one song“. Die Austauschbarkeit der Nummern war der zahlreich anwesenden Gefolgschaft einerlei, der in der zeitlichen Länge über Gebühr strapazierte Gig sowieso, und damit war das Feld bestellt für fröhliches Schubsen im ersten Mosh Pit des Abends.

„Art reflects life. Extreme times demand extreme responses. Silence sucks. Noise is always the answer“. Ein Statement, das Frontmann Barney Greenway und seine Mitstreiter der englischen Extreme-Metal-Institution Napalm Death ohne Abstriche unterschreiben und vor allem leben, heute wie in den vergangenen drei Dekaden, in denen die Band zahlreiche personelle Umbesetzungen und stilistische Wandel vom frühen Anarcho- und Crust-Punk hin zum ultra-schnellen Grindcore und beinharten Death Metal durchlief. Der Sound mochte sich ändern, linkes Bewusstsein und Aufbegehren gegen das Establishment blieb Inhalt. Am Mittwochabend ließ die Combo ihre Historie in einer repräsentativen Auswahl vom „Scum“-Debüt aus dem Jahr 1987 bis hin zu aktuelleren Nummern Revue passieren, in kurzen, vehementen Hauern, im Extrem in den berühmten, wenige Sekunden dauernden, Guinness-Buch-gewürdigten Song-Konzentraten, die in der schroffen und ruppigen Live-Präsentation weit mehr Anlehnungen an den amerikanischen Hardcore-Punk als an die gängigen Metal-Klischees offenbarten. Napalm Death sind 2019 unvermindert kompromisslos und radikal in schwer lärmenden, sich überschlagenden und kollabierenden Dissonanzen, im High-Speed-Tempo von Gitarre und Drums und den polternden, extrem dröhnenden Bassläufen. Frontmann Barney Greenway gibt sich unzweideutig und höchst unterhaltsam in seinen sozialkritischen und politischen Ansagen, im brachialen Grollen zum instrumentalen Überdrehen seiner Begleiter, wie im linkischen Monty-Python-Getänzel über die Bühne, mit dem sich der belesene Fürsprecher aller Free Thinker und Non-Believer als schwer sympathischer, Genre-untypischer Vorturner einer der extremsten und altgedientesten Death- und Grind-Metal-Combos präsentiert. Moshen, Crowdsurfing und Slammen mit hohem Spaß-Faktor und politisch klarer Kante gegen Rechts, da durfte selbstredend die bekannte Coverversion „Nazi Punks Fuck Off“ aus der Feder von Dead-Kennedys-Lautsprecher Jello Biafra in der einstündigen Werkschau nicht fehlen. Themen wie Globalisierung, Neoliberalismus und die gesellschafts/weltpolitischen Verwerfungen unserer Tage prangert kaum jemand radikaler, kompromissloser und lautstärker an als die vier Briten von Napalm Death, und in der Form ist das ohne Zweifel eindringlicher und nachhallender als alles Protest-Folk-Gejammer jeglicher dahergelaufener Schrammelgitarren-Klampfer.

Reingehört (532): Sunn O)))

Sunn O))) – Life Metal (2019, Southern Lord Records)

Die Black-Metal-Koryphäen Stephen O’Malley und Greg Anderson vom Experimental-Duo Sunn O))) lassen auf ihrem neuen Album „Life Metal“ die Sonne scheinen und setzen die gute Laune, das positiv Gestimmte der Beteiligten an den Aufnahme-Sessions in ihren tonal-atonalen Ergüssen um, glaubt man den Aussagen der Mönchskutten-Träger. Woran das im gewohnt finsteren Heavy-Noise-Dröhnen der beiden Gitarristen festzumachen sein soll, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Musiker bleiben. Alles wie gehabt in den düsteren Kellern der Abtei: Schwergewichtige, zäh in Endlos-Schleifen mäandernde Instrumental-Metal-Drones in überdimensionaler Ausdehnung, mit Hang zum übersteuerten Feedback, wie bei Sunn O))) nicht anders erwartet von jeglicher handelsüblichen Song-Struktur befreit, zur kontemplativen, meditativen Versenkung im lärmenden Grundrauschen. Die verehrungswürdige isländische Experimental-Folk-Grenzgängerin Hildur Guðnadóttir kontrastiert zum schweren Riff-Brummen und legt mit ihrem liebreizenden Feen-Gesang einen Hauch von nordischer Mystik über den bedrohlich lärmenden Ritus der gedehnten Ouvertüre „Between Sleipnir’s Breaths“, die weiteren, folgenden drei Nummern huldigen in einer guten Stunde dem instrumentalen Downtempo-Exzess in gebetsmühlenartiger Wiederholung bis in die gefühlte Unendlichkeit. Elektrisches Cello von Hildur Guðnadóttir, ein Moog-Synthie, diverse Bässe und eine Kirchenorgel verdichten den Sound, ohne im Einzelnen differenziert aus diesem abstrakten Drone-Nebel herauszuleuchten.
Aufgenommen und gemixt von Noise-Gott Steve Albini himself, für den Job hätte sich schwerlich jemand mit besserer Reputation und sichererer Hand finden lassen. Wie wohl auch fürderhin für „Pyroclasts“, das der große Albini ebenfalls unter seiner Fuchtel hatte, das bereits für Herbst angekündigte zweite 2019er-Werk aus dem Hause Sunn O))), dem Vernehmen nach ein „more meditative“ Album, wobei selbstredend die Frage erlaubt sein muss, was dahingehend bei diesem Klang-Konzept noch an Steigerung oder vielmehr Entschleunigung möglich sein soll. „Life Metal“ ist bereits beim Record Store Day in ausgewählten Läden als limitierte Doppel-Vinyl/CD-Ausgabe erschienen, im zweiten Wurf dann ab heute in allen Formaten und in den entsprechenden Warenhäusern über Greg Andersons Label Southern Lord Records.
(**** – ******, je nach Tagesform, Laune und Bedürfnis nach dröhnendem Kuttenbrunzer-Meditations-Firlefanz)

Von den eindringlichen, erschütternden Live-Qualitäten der Metal/Drone-Institution kann man sich unter anderem am 7. November im Münchner Backstage überzeugen, neben Sunn O))) wird der hochgeschätzte Experimental-Gitarren-Massakrierer Caspar Brötzmann auftreten. Reitknechtstraße 6, 19.00 Uhr.

Oozing Wound + Ghold @ Kafe Kult, München, 2019-04-13

Ordentliche Breitseite für die Freunde der härteren Beschallung am vergangenen Samstag-Abend im Münchner Kafe Kult: Zu vorgerückter Stunde wartete die ehemalige Kulturstation Oberföhring im Doppelpack mit zwei ausgewiesenen Vertretern des Metal-Underground auf. Die erste Halbzeit bestürmte die Band Ghold aus dem Londoner Stadtteil Brixton mit ihrer Interpretation zur musikalischen Untermalung des Weltuntergangs. Ursprünglich als Duo von Bassist Alex Wilson und Drummer Paul Antony gegründet und mit Alben wie der 2015er-Veröffentlichung „Of Ruin“ mit wuchtigen Sound-Monolithen im experimentellen Doom- und Postmetal-Bereich fern jeglicher griffigen Formate unterwegs, sind Ghold mit Gitarrist Oliver Martin mittlerweile zum Trio angewachsen und zelebrieren ihre schwere Kost auf aktuelleren Tonträgern wie im konzertanten Vortrag im halbwegs konventionellen Song-Format.
Die Band entfaltete einen hypnotischen Sog mit ihrem harten, zähen Sludge-, Doom- und Progressive-Mahlstrom im Mid- und Down-Tempo, eine gründlich arbeitende Knochenmühle aus vereintem Bass- und Gitarren-Dröhnen, durchzogen von mitschwingenden, finsteren Dissonanzen, unterschwellig lärmenden Feedbacks und der unnachgiebigen Wucht der Trommel. Da mochte das Abtauchen in die Ur-Suppe des Doom von Black Sabbath und das Einreihen in die repetitiven Slow-Motion-Schleifen aus der Sludge-Schule der Melvins mitschwingen, doch in die Plagiatsfalle gehen Ghold damit nicht, das experimentelle Metal-Crossover entwickelte durch massive psychedelische Prog- und Drone-Beigaben ein individuelles, finster dräuendes Sprachengewirr, aus dem sich unvermittelt zuweilen selbst Stimmen aus vertrautem Desert-Blues und Krautrock-Trance vernehmen ließen. Die schwärende, zäh fließende Noise-Schinderei schwang sich mittels mehrstimmigem, vereintem Gesang bisweilen gar zu erhebender Hymnik auf, nur um im nächsten Moment wieder im finster brodelnden, schwarzen Loch zu versinken, in einem Chaos an drückender, mentaler Schwermut und lärmender, irrlichternder Raserei.
Ghold zwingen mit ihrem dräuenden wie bebenden Sound zur inneren Einkehr und geben vor allem ein exzellentes Beispiel dafür, dass im Metal das hochspannende Experiment seinen Platz gefunden hat und damit zwar keine bunten, immerhin aber dunkel schimmernde bis tiefschwarze Landschaften zum Blühen bringt.

Die zweite Stunde der Gehörgänge-malträtierenden Veranstaltung gehörte Oozing Wound mit ihrer Trash-Variante des Krach-Musizierens. Die Band aus Chicago war zur Promotion ihres jüngst erschienenen Albums „High Anxiety“ für etliche Veranstaltungen im alten Europa unterwegs, der Gig im Kafe Kult sollte der letzte Termin vor der Rückreise ins heimische Illinois sein – eine überaus passender Tour-Abschluss in der Oberföhringer Lokalität, die wie Oozing Wound selbst auf der anderen Seite des großen Teichs der selbstverwalteten linken DIY-Szene im Punk-, Metal- und Underground-Umfeld entstammt.
In ihrem Trash-Gepolter, im typischen, Tempo-befeuerten Rumpeln in die vorderste Frontlinie, macht sich die Band schwarzhumorig über die Auswüchse und Selbstzerstörung-Tendenzen der modernen Welt lustig, glaubt man den kolportierten Pressetexten und der Erinnerung an das Songmaterial der diversen Alben – in den vorgetragenen Lyrics am Samstag-Abend war davon kaum bis nichts an Inhalten im lärmenden Gemenge vernehmbar. Wo in der Studioaufnahme die Abmisch-Technik noch ein gedämpftes Element und ein grollendes Fauchen im aggressiven Gesangsvortrag von Gitarrist Zack Weil mitschwingen lässt, brechen auf der Bühne bei ihm alle Dämme in Richtung hysterisches Kreischen – die sickernde Wunde des Bandnamens sifft und eitert scheint’s nicht nur munter vor sich hin, sie dürfte auch gehörig schmerzen, wie die strapazierten Nerven der Zuhörerschaft nach einer erduldeten Weile dieses überdrehten Geschreis.
Zum Speed-Punk-verwandten Marodieren im Überschall-Stakkato und zur exzessiv ausgelebten Schrei-Therapie genehmigte sich die Band wie dem Publikum bisweilen Tempo-reduzierte, psychedelische Doom-Drones als Auszeit zum Sammeln und Innehalten. Zwischen den Stücken wartete das Trio mit ausgedehnten, atonalen Experimental-Noise-Interludien auf, jeglicher Struktur beraubt, irgendwo zwischen Industrial-Ausgeburt, minimalistischem weißen Rauschen und allen denkbaren Rückkopplungen und Feedback-Wallungen dazwischen. Wobei nicht offensichtlich war, ob das von Bassist Kevin Cribbin, der zu diesen Gelegenheiten Chef im Ring war, tatsächlich so angedacht war, der Mann mit dem schwer dröhnenden Saiten-Anschlag und der imposanten Sammlung an Pedal-Effektgeräten hatte eingangs erkennbar Schwierigkeiten mit einer störrischen Technik, mag sein, dass das ein oder andere experimentelle Pfeifen und Brummen weit mehr den Tücken des Equipments als dem Klang-forschenden Genius geschuldet war.
Oozing Wound präsentieren im Konzert eine noch weitaus rohere, Trash-Tempo-gesteigerte Version ihrer brachialen Tonträger-Konserven, das Publikum nickte dazu anerkennend mit und war dezent enttäuscht, dass nichts mehr an Zugabe zu diesem imposanten Rundumschlag rauszuholen war.