Faust – Fresh Air (2017, Bureau B)
Space is the place: Die deutsche Krautrock-Legende Faust war im vergangenen Jahr in den Staaten auf Konzertreise zugange, die verbleibenden Urväter Zappi Diermaier und Jean-Hervé Péron gaben sich die Ehre mit diversen Gastmusikern, die beiden ausgedehnten Arbeiten des Albums, der 17-minütige Titeltrack und „Fish“ wurden live in Jersey beim WFMU-Sender eingespielt, die weiteren Teile entstanden während diverser Studio-Aufenthalte in Kalifornien und Texas. Faust dehnen auf „Fresh Air“ die Grenzen der experimentellen Rock-Musik und der freien Improvisation in Richtung drängende Free-Jazz-Flows, neoklassizistische Streicher-Drones im gälischen Folk-Kontext und Spoken-Word-Rezitationen in einer Bandbreite von Vokal-Dadaismus bis hin zu oberbayerischen Sprach-Samples eines Milchbauern, der ein Bier und einen Schnaps zwitschert und urplötzlich die Kuh doppelt sieht, Psychedelic kann so einfach sein, bei uns in Bayern allemal… Der eigenen Kraut-Vergangenheit zollt die Formation mit brummenden Synthies, scharf-schneidenden Gitarren-Deformationen und stoischer, treibender Rhythmus-Motorik Tribut, wie sie der kürzlich verstorbene Can-Trommler Jaki Liebezeit zur Formvollendung brachte. Die Gesangseinlagen teilen sich Jean-Hervé Péron in seinem euphorischen Französisch-Vortrag und die kalifornische LoFi-Indie-Folkerin Barbara Manning im englischen Gegenpart. Fünfzig gelungene, höchst anregende Minuten in Sachen Experimental-musikalischer Grenzerfahrung. Der Faust-Kult ist nach wie vor ein gerechtfertigter.
(**** ½ – *****)
Slowdive – Slowdive (2017, Dead Oceans)
Gelungene Wiederkehr der englischen Shoegazer-Institution Slowdive, alles in allem. Eine Neuauflage der verhuschten, über dem Boden schwebenden Dreampop-Entrücktheit macht auch weitaus mehr Sinn als irgendwelche unausgegorenen Indie-Folk-Scheiben von Herrn Halstead oder das belanglose Rumgespastel von Frau Goswell bei diesem unseeligen Minor-Victories-Allstar-Gedöns (bevor wer motzt: Mojave 3 waren zwischendrin schon ok, irgendwie).
Die Eröffnungsnummer „Slomo“ klemmt zwar trotz des tollen Titels noch etwas hinsichtlich ätherischer Saumseeligkeit, nach den knapp sieben Minuten hat man die Wiedergeburts-Schmerzen dann auch schon hinter sich und findet sich im betörenden Flow der schmerzhaft schönen Indie-Pop-Perlen gefangen, wie sie die Band auch nach Jahrzehnten der Abstinenz sofort wieder präsent in ihrer luftig-melancholischen Manier aus dem Ärmel schüttelt. Neben dem Brian Jonestown Massacre haben diese Nummer aus bezwingender Melodik, frei fließenden Moll-Gitarren und verhallter, vernebelter Sixties-Psychedelic in der Qualität heutzutage nicht mehr allzu viele Combos drauf, bei Slowdive brummt das nach wie vor – oder viel mehr: wieder – sehr geschmeidig. Was treiben eigentlich die Damen und Herren von Galaxie 500 dieser Tage?
(**** ½)