
Mogwai – KIN (2018, Rock Action Records)
Postrock als Filmmusik, gibt kaum was Naheliegenderes, „Cineastische Klangmalereien und Soundwände“, Ihr wisst schon. Mit den tonalen Ergüssen der PR-Großmeister aus Glasgow macht man dahingehend sowieso nichts verkehrt, haben die Schotten doch selbst das Kunststück fertig gebracht, den bewegten Bildern der grauenvoll langweiligen Fußball-Meditation „Zidane: A 21st Century Portrait“ immerhin musikalisch noch das gewisse Etwas zu verpassen. Die Mannen um Stuart Braithwaite sind zweifellos inzwischen ausgewiesene Experten im Beschallen von Filmkunst, der Soundtrack für den US-amerikanischen Science-Fiction-Streifen „KIN“ ist mittlerweile die sechste Music For Motion Pictures unter den aktuell fünfzehn Studio-Longplayern der Postrock-Pioniere aus den nördlichen Gefilden Kaledoniens. Etliches mag vertaut klingen in den episch ausladenden, mit Electronica-Trance verwobenen Klanglandschaften, der Schönheit der darüber schwebenden E-Piano-Elegien wird sich trotz allem kaum jemand aus der altgedienten Mogwai-Gefolgschaft entziehen können. Auch wenn das Zurücknehmen griffiger Gitarren-Riffs nicht Not getan hätte, und selbst wenn „We’re Not Done“ als hymnische, Alben-beschließende Gesangsnummer schablonenhaft dem Modell des Vorgänger-Albums „Every Contry’s Sun“ folgt – auch dort findet sich mit „Party In The Dark“ eine schmissige Shoegazer-/Indie-Post-Pop-Nummer mit Vokal-Anteil im ansonsten textfreien Instrumental-Werk – auf ein schwaches, überflüssiges Mogwai-Album wird man weiter warten müssen. „KIN“ dreht die Mogwai-Welt nur um wenige, kaum spürbare Grade weiter, ist aber weit von in jüngster Zeit vermehrt zu verzeichnenden Belanglosig- und Austauschbarkeiten im weiten Feld des Postrock-Genres entfernt.
(**** ½)
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Emma Ruth Rundle – On Dark Horses (2018, Sargent House)
Konzertant überzeugte die kalifornische Düster-Schönheit Emma Ruth Rundle als princess of the night vor gut zwei Jahren mit ihren dunkel funkelnden Folk-Doom-Songs im Vorprogramm zu den Wovenhand-Geisterbeschwörungen von David Eugene Edwards, das Vorgänger-Werk „Marked For Death“ war im finsteren Seelen-Strip und Beklagen der eigenen Pein eine weitere hörenswerte, schmerzlich schöne Grenzerfahrung, denkbar weit entfernt von der Sonne der US-amerikanischen Westcoast. Auf dem aktuell erschienenen Longplayer „On Dark Horses“ klingt vieles nach Wiederholungsschleife, Vertiefen der Wunden, erschöpfendem Auskosten des Kummers und Verharren in ausweglos erscheinender, seelischer Bedrücktheit – Repetition als Konzept, in der brandneuen Songsammlung für sich betrachtet wie auch in Referenz zum erwähnten 2016er Tonträger, das leiernde Wehklagen und pathetische Lamentieren, der voluminöse Downtempo-/Slowcore-Postpunk und der mystische Finsterwald-Ambient, serviert als verschleierter, schwermütiger Shoegaze-Folk, die würdevolle, emotionale, durch die Nacht tragende Melancholie: All das ist bereits seit mehreren Monden verinnerlicht und funktioniert doch in jedem Stück per se immer wieder aufs Neue prächtig und entfaltet damit große atmosphärische Wucht. Winken wir für dieses Mal ergriffen wie eh und je ohne Murren und Knurren durch, erhoffen für den nächsten Tonträger indes innovative Weiterentwicklung und sehen frohgemut (zu dem Sound natürlich der völlig verkehrte Gemütszustand) dem Konzert von Emma Ruth Rundle am 21. Oktober im Münchner Glockenbachviertel-Club Milla entgegen (die Hipster-Neighbourhood der geldigen Gentrifizierungs-Münchner passt selbstredend auch nicht als Austragungsort zur Schwermut-Forest-Beschallung der schwarz-gewandeten Emma, aber was soll’s, im feucht-dunklen Kellergewölbe kann man sich allemal der Illusion der Subkultur und der Reflexion der eigenen, innewohnenden Dämonen hingeben).
(**** – **** ½)
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William Elliott Whitmore – Kilonova (2018, Bloodshot Records)
Zehn Coverversionen von Nummern, die den Songwriter, Farmer und vornehmlich in amerikanischen Punk-Clubs auftretenden Alternative-Country-Haudegen William Elliott Whitmore aus Lee County/Iowa in der Zeit seines musikalischen Schaffens geprägt und befruchtet haben, die Palette der Originale reicht von Bad-Religion-Songs über den hier weiß Gott nicht zum ersten Mal neuinterpretierten Bill-Withers-Soulklassiker „Ain’t No Sunshine“, alten Country- und Blues-Nummern aus der Feder von Johnny Cash, Dock Boggs und Harlan Howard bis hin zur Verneigung vor dem großen Captain Beefheart, wobei man bei der Whitmore-Version von „Bat Chain Puller“ nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, der Barde erweist sich hier zwar als einer der ganz wenigen, die überhaupt erwählt sind, sich an das Werk des einzigartigen Captain heranwagen zu dürfen, auf der anderen Seite trifft Whitmore vor allem hinsichtlich grollender und jaulender Stimmlage das Van-Vliet-Original in der eigenen Kopie in jedem Ton derart exakt, dass der Nummer vom Magic-Band-„Shiny Beast“-Album aus dem Jahr 1978 nicht eine einzige neue Nuance hinzugefügt oder ein neuer, bis dahin verborgener Aspekt offen gelegt wird. Der große Rest: sehr brauchbares bis sehr beseeltes Alternative-Country- und Folk-Blues-Musizieren, mit leidenschaftlichem Bariton begleitet, der die Herzen der geneigten Cow-Girls und -Boys durchaus zur Größe eines Rinder-Herzens zu dehnen weiß. Etliches weitaus reduzierter als die jeweiligen Originale, was im ein oder anderen Fall die Dramatik der erzählten Geschichte steigert, den Kern der Aussagen schärft und den Protest dringlicher erscheinen lässt.
(**** ½)
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Crippled Black Phoenix – Great Escape (2018, Season Of Mist)
Die große Flucht des südenglischen Post-/Progressive-/Psychedelic-Rock-Kollektivs Crippled Black Phoenix um Meistergeist Justin Greaves schreitet auf dem neuen Werk im ausladenden Doppel-LP-Format weiter voran in Richtung des offensichtlich von der Band selbst so definierten Ideals der mittleren Pink-Floyd-Phase, ca. „Meddle“– bis „Wish You Where Here“-Ära. Ein alternatives Pink-Floyd-Ideal, wohlgemerkt, ohne das permanente Schielen zum Mainstream hin und zu den Charts-Platzierungen, wie es die Combo von Waters, Gilmour und Co spätestens seit diesem völlig überschätzten „Dark Side Of The Moon“-Gewäsch zusehends mehr kultivierte. Gepaart mit einer geschliffenen Stoner-/Postmetal-Härte, den für die Band typischen Endzeit-Visionen, einer Handvoll Midtempo-Prog-Rock-Balladen und einer exzellenten, austarierten Produktion zur Präsentation eines umfänglich voluminösen Breitband-Sounds liegt darin nichts Verwerfliches, altgedienten FreundInnen der Polit-Institution aus Bristol wird der opulente Tonträger indes kaum neue Hörerfahrungen offenbaren. Das Album hält in Songwriting und Umsetzung das Niveau jeder der zahlreichen sehr guten Vorgänger-Arbeiten, die Gitarren-Soli sind ausladend, die Texte pessimistisch, insbesondere die von CBP-Merchandise-Lady Belinda Kordic besungenen Balladen von einer dunkel funkelnden Schönheit, im besten Sinne bleibt alles beim Alten – on the other hand: im Wesentlichen eben nichts Neues unter der Sonne, allenfalls im Sound zu transparenterem Leuchten aufpoliert.
Großer Ennio-Morricone-Sport im Übrigen in beiden Teilen des finalen Titelstücks. Wem da der Colt nicht locker sitzt zum Showdown auf der staubigen Straße… When Chimes End, Pick Up Your Gun!
(**** – **** ½)
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