Essie Jeanette Manns Roanoke, Va Traveled 180 miles „The set-up of the visitation room actually devastates me.“ There is a metal partition in the middle of the table. Visitors have to learn over the table and partition to hug their inmates.
Inmates get a free picture ticket as reward for good behavior.
Louise Goode looks out the window as Red Onion State Prison comes into view.
„My goal as a photographer is to pose questions that acknowledge the long conversation of the documentary image in the context of black life, without falling into the stereotypical trappings that have plagued images of African Americans to date.“ (Raymond Thompson Jr.)
Kein anderes Land sperrt so viele Menschen weg wie die Vereinigten Staaten, jeder vierte Strafgefangene weltweit sitzt in einem US-Gefängnis – darunter überdurchschnittlich viele Afro-Amerikaner. Vor allem strengere Drogengesetze im Verbund mit neuen Regelungen ab Mitte der achtziger Jahre führten zu einem sprunghaften Anstieg von Haftstrafen trotz Stagnation der Kriminalitätsrate, von den Gerichten wurden exorbitant hohe Strafmaße für bereits geringe Delikte ausgesprochen, zumeist gegen Delinquenten aus Wohngegenden ethnischer Minderheiten.
Die „Prison Industry“ ist zudem als Milliardengeschäft zu einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor herangereift: In vielen US-Bundesstaaten ist Gefängnis-Arbeit Pflicht, die Häftlinge als Billiglohnkräfte tragen maßgebend dazu bei, dass der industrielle Gefängnis-Komplex in strukturschwachen und von sterbenden Industrien geprägten Landstrichen von eminenter ökonomischer Relevanz ist.
Für viele Familienangehörige wird das Hochsicherheitsgefängnis zu einem außergewöhnlichen Reiseziel – die Verwandten und den Einsitzenden nahe Stehende müssen nicht selten hunderte von Meilen an Anfahrt auf sich nehmen, um für kurze Zeit den persönlichen Kontakt zu den Häftlingen pflegen zu können. Der afroamerikanische Fotograf Raymond Thompson Jr. hat 2015 eine solche Reise mit der Kamera begleitet, eine Busfahrt, die Freiwillige für die Familienangehörigen von Inhaftierten der Hochsicherheitsgefängnisse Red Onion State Prison und Wallens Ridge State Prison in Virginia organisiert haben.
Seine nüchternen wie gleichsam eindringlichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind bis 29. März im Amerikahaus München zu sehen. In gut zwanzig Arbeiten zeigt der Fotograf Eindrücke „on the road“, karge Landschaften am Straßenrand, Momentaufnahmen der ihren Gedanken nachhängenden Reisenden, eindrucksvolle Portraits der Besucher, die ihren emotionalen Gedanken in den kurzen Texten zu den Fotografien Ausdruck verleihen. Der Titel der Ausstellung, „The Divide“, steht für die räumliche und emotionale, oft jahrzehntelange Trennung der Häftlinge von ihren Angehörigen, die meist hohe organisatorische und rechtliche Hürden für einen Besuch überwinden müssen.
Raymond Thompson Jr. arbeitet als Dokumentarfotograf und ist für die West Virginia University an seinem Wohnort in Morgantown als Multimedia Producer tätig.
Er war für die Nachrichten-Agentur Associated Press und diverse Zeitungen tätig, unter anderem die Washington Times, seine Fotos erscheinen in der New York Times und in USA Today. Er hat an der University of Texas und der University of Mary Washington studiert, seine Arbeiten wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet.
The Divide – Photography by Raymond Thompson Jr.
Amerikahaus München, Barer Straße 19a Bis 29. März 2018 Öffnungszeiten: Montag – Freitag 10 – 17 Uhr Mittwoch 10 – 20 Uhr Sonntag 10 – 16 Uhr Eintritt Frei
„Wenn die Leute beim Betrachten meiner Bilder gleichzeitig weinen und lachen, dann ist das genau die Reaktion, die die Bilder auch bei mir hervorrufen. Die Dinge sind weder grundsätzlich gut noch schlecht. Ich bin immer daran interessiert, beide Extreme darzustellen.“ (Martin Parr)
Die Kulturstiftung der Versicherungskammer Bayern zeigt noch bis Ende Januar die Ausstellung „Souvenir. A Photographic Journey“ des englischen Fotografen Martin Parr.
Die Bilderschau präsentiert eine sehenswerte und kurzweilige, weltweit entstandene Foto-Sammlung zu ausgesuchten Themen wie Massentourismus, Strandleben, Tanzveranstaltungen, Millionärs-Treffen und gelangweilte Paare. In seinen Arbeiten legt Parr oft weitaus weniger Wert auf technische Brillanz, offenbart aber immer einen untrüglichen und im Auge des Betrachters völlig verständlichen Blick für das Groteske, Widersprüchliche oder ab und an gar Abgründige im täglichen Leben, das in einer Welt des Konsums von Klischees geprägt und von geschmacklichen Verwerfungen durchsetzt ist. In den Bildern findet sich nichts kunstvoll Arrangiertes oder Geschöntes – Punkrock auf Bildplatte fixiert, so to speak…
Eine technisch weitaus anspruchsvollere Fotoreihe in schwarz-weiß über englische Kirchengemeinden in der Tristesse der britischen siebziger Jahre und eine selbstironische Sammlung von Selbstportraits aus der Prä-Selfie-Ära runden die gelungene Präsentation der großformatigen, mitunter in schrillen Farben eingefangenen, aus dem Leben gegriffenen Schlaglichter ab.
„Martin Parr konditioniert unser Unterbewusstsein – einmal gesehen entdecken wir seine Bilder ständig in unserem Leben und finden uns in ihnen wieder. Ihr Humor bringt uns zu einem erkennenden und zugleich befreienden Lachen.“ (Thomas Weski)
Martin Parr wurde 1952 in der südenglischen Grafschaft Surrey geboren. In den siebziger Jahren studierte er Fotografie in Manchester, seitdem ist er als freischaffender Künstler und Lehrbeauftragter tätig. Seit 1994 ist er Mitglied der renommierten Agentur Magnum. Kritiker wollten seine Aufnahme in den „elitären Laden“ (Zitat Thomas Höpker) verhindern, da sie seinen Stil als zu provokant empfanden und Parr unterstellten, er würde sich mit seinen Fotografien über andere Menschen lustig machen.
Seine Dokumentarfotografien wurden vielfach ausgezeichnet, er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Genres. „Souvenir“ ist die erste Retrospektive der Arbeiten von Martin Parr, sie wurde von ihm persönlich konzipiert.
Martin Parr: Souvenir. A Photographic Journey
Kunstfoyer Versicherungskammer Kulturstiftung Maximilianstraße 53, 80530 München Bis 28. Januar 2018. Öffnungszeiten: Täglich 09–19 Uhr Eintritt Frei.
We have marched from Selma, but fifty years later, where are we now?
Die Selma-nach-Montgomery-Märsche in Alabama im Jahr 1965 waren der Höhepunkt der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die sich für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner einsetzte. Einen Erfolg konnte die Protestbewegung verbuchen, als Präsident Johnson im Beisein von Martin Luther King und zahlreichen anderen Aktivisten am 6. August 1965 den Voting Rights Act im Washingtoner Kapitol unterzeichnete, wenige Monate nach Verabschiedung des Civil Rights Act zur Aufhebung der Rassentrennung in den USA im Jahr 1964.
Die preisgekrönte Ausstellung „After Selma“ zeigt im Amerikahaus München eindringliche Portrait-Fotos und Straßen-Aufnahmen von Joshua Rashaad McFadden mit aktuellen Szenen der Black-Lives-Matter-Bewegung, die denen von 1965 ähneln: Proteste gegen Rassismus und Gewalt gegen Schwarze – knapp 50 Jahre nach Selma, in jüngster Zeit ausgelöst durch Tötungen von schwarzen jungen Männern im Rahmen von Polizeikontrollen in Großstädten der USA und rassistisch motivierten Überfällen auf afroamerikanische Kirchengemeinden.
McFadden ist Fotograf und Aktivist. Er stellt mit seinen Bildern Fragen: When will African Americans truly be free in „The Land of the Free“? Er glaubt daran, dass Fotografien nicht nur soziales Unrecht dokumentieren, sondern auch die Art und Weise, wie Menschen über dieses denken, beeinflussen können. Darum hat er sich bei „After Selma“ bewusst für Schwarz-Weiß-Fotografien entschieden, um die gegenwärtige Black-Lives-Matter-Bewegung mit der Bürgerrechtsbewegung der Sechziger Jahre visuell zu verknüpfen. Tatsächlich ist oft nur an der Kleidung der fotografierten Personen zu erkennen, dass es sich nicht um eine historische Aufnahme handelt.
Joshua Rashaad McFadden wurde 2015 als eines der vielversprechendsten Fotografietalente von LensCulture ausgezeichnet. Im selben Jahr hat „After Selma“ den 1. Platz der International Photography Awards (IPA) in der Kategorie „Event – Social Cause“ belegt.
Passend zur Thematik der aktuellen Amerikahaus-Ausstellung wird Blogger-Freund Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog im Rahmen der gemeinsamen Black-Music-Serie „Soul Family Tree“ zukünftig in loser Folge Songs der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung vorstellen.
After Selma – Photography by Joshua Rashaad McFadden
Amerikahaus München, Barer Straße 19a Bis 12. Mai 2017 Öffnungszeiten: Montag – Freitag 10 – 17 Uhr Mittwoch 10 – 20 Uhr Eintritt Frei
“When I look over my shoulder at the paths I have taken, none was as exciting and unimaginable as those early days of traveling cross country by car. Driving late into the night, sleeping in the back seat, and waking to a completely unfamiliar landscape was not unusual. Most of this travel was done without destination, itinerary, or expectation. This purposeless attitude afforded me the opportunity to work with complete freedom, responding to the world, eyes wide open.” (Henry Wessel)
Ikonische Landschaftsaufnahmen aus den USA: Das Amerikahaus präsentiert mit Icons und Standard zwei Fotoserien des US-amerikanischen Fotografen Henry Wessel, der als einer der wichtigsten Vertreter der „New Topographic Photography“-Bewegung gilt.
Fotografien einer vom Menschen veränderten Landschaft, triviale Motive wie Starkstrommasten, Bungalows, Bürogebäude oder Industrieparks wurden seit einer berühmten Fotoausstellung im George Eastman House 1975 als “New Topographic Photography“ geführt. Die Bezeichnung dieser Künstlergruppe, zu der neben Henry Wessel auch Bernd und Hilla Becher sowie Stephen Shore gehören, soll sich bewusst von der klassischen Landschaftsfotografie des amerikanischen Westens abheben. Die richtungsweisende Ausstellung zeigte banale Fotografien, die heute als Paradigmenwechsel in der Fotografiegeschichte gelten, damals jedoch viele negative Reaktionen hervorgerufen haben. Das ländliche Amerika wird darin als Raum moderner Vergesellschaftung gezeigt.
Die Landschaftsaufnahmen der damals im George Eastman House kuratierten Ausstellung gelten dadurch als Vorläufer einer sehr politischen und zivilisationskritischen Landschaftsfotografie, die heutzutage bis zu ausführlichen Dokumentationen von Umweltzerstörungen reicht.
Als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen „New Topographic Photography“-Bewegung setzt sich der US-amerikanische Fotograf Henry Wessel mit dem dialektischen Zusammenhang von Natur und Zivilisation auseinander. Das Amerikahaus präsentiert nun zwei seiner Fotoserien: Icons und Standard. Diese entstanden hauptsächlich Ende der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre. Die „New-Topographic“-Künstler sind der Beginn einer neuen fotografischen Sicht auf Landschaften, da sie mit dokumentarischem Blick die vom menschlichen Eingriff gekennzeichneten Orte festhalten. In den Fotografien gibt es keine Sentimentalisierung von Natur – sie zeigen eine von Menschen gemachte Wildnis.
Die meisten von Wessels Fotos wurden im Westen der USA aufgenommen. Zufall, Spontaneität und Chaos des Alltäglichen finden in seinen Bildern eine natürliche Akzeptanz. Seine Fotografien, die vielfach leicht zu übersehende, subtile Begebenheiten darstellen, zeugen von seiner Intuition und seinem visuellen Gespür, die Dinge formal überzeugend und zugleich poetisch abzubilden.
Wessels Werke wurden bereits in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt. So waren seine Fotografien u.a. in der Tate Modern in London, im International Museum of Photography at George Eastman House und dem Museum of Modern Art in New York zu sehen. Für seine Arbeiten erhielt er zwei Guggenheim Fellowships und drei Fellowships der National Endowment for the Arts.
Da das Amerikahaus-Gebäude am Karolinenplatz generalsaniert wird, werden Wessels Fotografien nur wenige Meter davon entfernt in den Interimsräumen der Stiftung Bayerisches Amerikahaus in der Barer Straße 19 a ausgestellt.
Geboren wurde Henry Wessel 1942 in New Jersey. Er schloss seinen Bachelor in Psychologie an der Pennsylvania State University und seinen Master of Visual Studies an der State University of New York in Buffalo ab. Seinen Fotografien wurden mehrere Gruppen- sowie Einzelausstellungen gewidmet. So waren seine Werke u.a. an der Tate Modern in London, im International Museum of Photography at George Eastman House und dem Museum of Modern Art in New York zu sehen. Für seine Arbeiten erhielt er zwei Guggenheim Fellowships und drei Fellowships der National Endowment for the Arts. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter des „New Topographic Movement“ in der Fotografie. Wessel lebt und arbeitet in Richmond, Kalifornien.
Amerikahaus München, Barer Straße 19a Bis 01. Juli 2016. Öffnungszeiten: Montag–Freitag 10–17 Uhr Mittwoch 10-20 Uhr Eintritt Frei.
Das KULTURFORUM-Interview mit dem Fotografen und CD-Herausgeber Sebastian Weidenbach aka The Shadow Cowboy über seinen 2014 bei Trikont erschienenen Sampler ‚Strange & Dangerous Times‘, über die dort vorgestellte „New American Roots“-Musik, seine Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Marc A. Littler, Fotoprojekte, ausgedehnte Reisen und die dunklen Seiten Amerikas.
Sebastian, ich würde gerne den Sampler als Einstieg nehmen, wo kam die Idee her? War das ein Trikont-Auftrag oder war das von Dir Eigeninitiative, Motto ‚Ich mach das und such mir dann ein Label‘?
Sebastian: Die Idee hatte ich 2009 bei meiner ersten Reise durch den Mittleren Westen, da war ich auf dem ‚Deep Blues Festival‘ in Minneapolis, dort hab ich gemerkt, es gibt so viele gute Bands, von denen hier keiner eine Ahnung hat, irgendwie kam dann die Idee, ich würde gern einen Sampler dazu machen, ich hab dann einige für mich selber und für Freunde zusammengestellt, irgendwann kam dann der Gedanke, es wär super, das mal auf einem Label herauszubringen, um einfach mehr Leuten diese Musik zu präsentieren. Das Genre ist ja sehr unterrepräsentiert, man sieht es ja auch oft auf Konzerten, da kommen dann 30 Leute, weil’s keiner kennt. Wenn die Leute die Bands nicht kennen, dann gehen sie auch nicht hin.
Bist Du dann auf Trikont zugegangen oder hast nach einem Label Ausschau gehalten, bei dem Du dachtest, das könnte da passen? Trikont ist ja in München irgendwo das klassische Sampler-Label für eher etwas abseitigere Themen, insofern passt die CD da ja gut hin.
Sebastian: Ich hatte totales Glück, ich kenn jemanden, der selber Musiker ist und mit seiner ersten Band schon bei Trikont war, in den 80er Jahren, den kenn ich schon seit 25 Jahren, der macht auch viele Projekte, der hat z.B. die Gesamtausgabe von Karl Valentin bei Trikont rausgebracht, der Andi Koll, und dem hab ich das irgendwann mal erzählt, der hat das dann für eine super Idee gehalten und dem Achim (Anm.: Achim Bergmann, Geschäftsführer des Münchner Trikont-Labels) mal vorgeschlagen, er meinte, grundsätzlich ist es so, dass Trikont nur Sachen macht, die ihnen selber auch gefallen. Da geht es jetzt nicht in erster Linie um den kommerziellen Erfolg, in erster Linie ist die Idee wichtig. Als ich dann meinen ersten Termin mit Trikont hatte und im Vorfeld ein paar Fotos zusammenstellte und ein paar Songs auf eine CD brannte, musste ich keine große Überzeugungsarbeit mehr leisten, es ging dann eigentlich nur noch um das „Wie„.
Ich vermute, die haben Dir dann relative Freiheit bei der Umsetzung gelassen, zumindest würde ich das aus dem fertigen Produkt herauslesen. Für mich sieht es wie ein stimmiges Gesamtkonzept aus. Die zusammengetragene Musik ist das eine, aber da sind ja auch noch Deine tollen Fotos im Booklet und die Hintergrund-Info zum Thema im Text vom Begleitheft, die den Bezug zur amerikanischen Musikgeschichte generell herstellt, das kommt alles von Dir?
Sebastian: Nein, die Musik, die Bilder und die Grafik kommen von mir, und die Idee dahinter, das so zusammenzustellen, ich bin kein Mann des großen geschriebenen Wortes, ich hab das große Glück, dass ich mit Marc Littler befreundet bin, wir haben uns da auch immer gegenseitig geholfen, er hat zu dem Thema ja auch einen Film gemacht, ‚Hard Soil‘, in dem sehr viele Protagonisten vorkommen, die auch auf meinem Sampler drauf sind. Das ist allerdings alles unabhängig voneinander entstanden, der hat mir jedenfalls geholfen, den Text zu schreiben. Wir haben uns mal getroffen und so eine Art Briefing gemacht, aber er hat es letztendlich ausformuliert. Trikont hat dann alles so genommen, wie ich das vorgeschlagen habe, Songauswahl, Reihenfolge usw, ich hab da absolute Freiheit gehabt.
Kanntest Du die Filme da schon vom Marc Littler, waren die da schon fertig? ‚Folk Singer‘ glaub ich schon, oder?
Sebastian:‚Folk Singer‘, genau, da haben wir uns kennengelernt, über MySpace, da hat man damals zum Thema auf der Plattform viele gute Sachen gefunden. So hab ich den Marc Littler dann auch entdeckt, über den Trailer vom ‚Folk Singer‘, in dem die Hauptfigur der Konrad Wert aka Possessed By Paul James ist, der auch auf meinem Sampler vertreten ist. Der Trailer hat mich dann so angesprochen, dass ich mit ihm in Kontakt getreten bin.
Der hat dann auch einen Film über Voodoo Rhythm Records gemacht, das Label, auf dem auch der Delaney (Anm.: Delaney Davidson) drauf ist, die hatten mal sehr große Schwierigkeiten in der Schweiz, mit der Schweizer GEMA, auf einmal musste der 40.000 Schweizer Franken nachzahlen, und da haben dann alle möglichen Leute in dem Umfeld Veranstaltungen gemacht und Geld gesammelt, da war dann unter anderem der Marc Littler in Frankfurt, ich bin da dann hingefahren und da haben wir uns kennengelernt, seitdem sind wir befreundet und unterstützen uns gegenseitig. Ich hab ihm dann auch für das ‚Hard Soil‘-Plakat Fotos zur Verfügung gestellt und er hat mir dann im Gegenzug bei meinem Taxt für das CD-Booklet geholfen.
Feine Sache, ist ja auch ein interessanter Filmemacher.
Sebastian: Auf jeden Fall!
Wie sind Deine Planungen in Richtung CD-Release? Soll beispielsweise ein zweiter Sampler kommen?
Sebastian: Ja, würde wir gerne machen. Wir müssen nur schauen wie wir den zweiten Sampler finanziert bekommen.
Du hättest Dir sicher bei der ersten Ausgabe mehr kommerziellen Erfolg versprochen?
Sebastian: Nicht unbedingt für mich selber, ich krieg zwar für jede verkaufte CD ein wenig Geld, aber das ist marginal. Mir ging’s vor allem darum, zum einen diese Musik zu puschen, und zum anderen hab ich das bezüglich der Fotos auch irgendwie als Plattform für meine Kunst gesehen. Die Leute, die den Sampler haben oder kennen, mögen ihn alle sehr gern…
… absolut, kann ich bestätigen…
Sebastian: …es sind nur leider zu wenige…
… dann hoffen wir mal, wenn der zweite kommt und dass ihm mehr Erfolg beschieden ist. Lass uns zum zweiten Thema unseres Gesprächs überschwenken: Deine zum Teil ausgedehnten Reisen in die USA. Soweit ich das verstanden habe, hast Du die Bands vom Sampler dort auch persönlich kennengelernt.
Sebastian: Viele hab ich auf den Reisen kennengelernt, zum Teil aber auch in München bei Konzerten. Reverend Deadeye hab ich zum Beispiel 2009 in München kennengelernt, bei einem
Konzert im Substanz, bei dem glaub ich 10 Zuschauer anwesend waren…
…typisches Substanz-Konzert…
Sebastian: …der hat mich dann wieder eingeladen auf ein Festival, auf der Reise war ich dann auf zwei Festivals, in Denver auf dem ‚ONE‘-Festival, ein kleines Festival, wo nur One-Man-Band-Leute gespielt haben, da hat der Delaney gespielt, der Tom VandenAvond, Reverend Deadeye, der Beat-Man. Und dann war ich noch auf dem ‚Deep Blues Festival‘ in Minneapolis. Viele persönliche Kontakte kamen dann über die Fotografiererei, ich hab die Leute vorher angeschrieben und gefragt, ob ich Bilder machen kann, da haben sich dann Freundschaften entwickelt, wir waren jetzt gerade wieder bei Scott McDougall in Portland, der war auch mal fünf Tage hier in München, da hat er dann das Augustiner Bier zu schätzen gelernt… (Gelächter)…
… der hat wahrscheinlich heute noch Kopfweh…
Sebastian: …mittlerweile trinkt er nicht mehr…
… gut, ist hinsichtlich Augustiner-Bier wahrscheinlich auch schlauer… (Gelächter) … zurück zu Deinen Reisen – was in den Littler-Filmen latent immer mitschwingt, ist zum einen die Darstellung einer relativ prekären Lebenssituation dieser Musiker und zum anderen so eine Art religiöse Verwurzelung, in welcher Art auch immer, kannst du das bestätigen von Deinen Reisen?
Sebastian: Das ist auch der Grund, warum viele gerne hierher kommen. Auch wenn sie hier bei einem Gig nicht richtig viel Geld verdienen, ist es meistens mehr als drüben, dazu kommen diese wahnsinnigen Entfernungen, du musst von einem Gig zum nächsten schon mal 600 km zurücklegen, da muss erst mal der Sprit verdient werden. Den Musikern geht es nicht anders als Amerika allgemein. Es gibt einfach wahnsinnig viele Leute, denen es finanziell relativ schlecht geht. Du bist da auch relativ schnell durch das Raster gefallen, die meisten Musiker, die auf meinem Sampler drauf sind, haben keine Krankenversicherung oder irgendwas in die Richtung. Ich glaube, das hat auch was mit der Intensität der Musik zu tun, warum die Songs dieser Bands immer anders klingen, weil sie mehr zu erzählen haben, ist jetzt wahrscheinlich blöd gesagt, aber um den Blues zu spielen, musst du ihn fühlen. So wie die unterwegs sind, das hat schon eine Härte, glaub ich, dann kommt noch die Musik dazu, mit der sie aufgewachsen sind, teilweise haben die auch von zu Hause aus im religiösen Kontext musiziert, das spielt schon bei vielen eine Rolle, beim Reverend Deadeye war der Vater z.B. Prediger, der ist in einem sehr religiösen Umfeld aufgewachsen, er ist selber auch ein sehr spiritueller Mensch, aber jetzt nicht im klassischen Sinn, nicht so christlich-Hardcore.
Die Familie vom Scott McDougall missionieren alle, sie waren auch schon als Missionare in Afrika, der ist ein sehr religiöser Mensch. Als wir angekommen sind, war er gerade bei einer Bibel-Stunde.
Das spielt schon eine Rolle, die Religiosität, ganz anders, als wir das hier mittlerweile kennen. Bei uns hat sich das schon stark verändert, die christliche Religion hat in den Staaten schon
eine Intensität und Ausprägung, wie ich sie selbst aus dem katholisch geprägten Bayern nicht kenne. Ob die Musiker jetzt alle so religiös sind, ist die Frage, aber sie kommen auf alle Fälle aus
dem Background, sind so geprägt und aufgewachsen.
Sie reflektieren es jedenfalls in ihren Songs…
Sebastian: …das spielt auf alle Fälle dort eine größere Rolle, als man es hier kennt. Ich kenne hier kaum Leute in meinem Umfeld, die so stark religiös geprägt sind.
Man merkt das auch an den Texten, ich glaube, da gibt es momentan eine ganz scharfe Trennlinie in der amerikanischen Folk-Musik, auf der einen Seite diese glattproduzierten Indie-Acts, mir fallen Mumford & Sons oder Fleet Foxes als Beispiele ein, Geschichten, mit denen ich musikalisch wenig bis nichts anfangen kann, und auf der anderen Seite diese ganzen Muddy-Roots-Geschichten, wo eine ganz andere Intensität dahinter steckt, wo man letztendlich auch diese amerikanische Subkultur besser widergespiegelt kriegt und wo diese prekären Lebensumstände besser reflektiert werden, ich war vor kurzem im Amerikahaus in der Seph-Lawless-Ausstellung, der völlig entvölkerte Stadtteile Amerikas fotografierte, völlig abgewrackte und abgefuckte Gegenden und Gebäude, David Simon fällt mir in dem Zusammenhang auch ein, der hat ja auch über die TV-Serie „The Wire“ oder in seinen Büchern thematisiert, dass in den Staaten der Mittelstand total wegbricht…
Sebastian: … wenn Du Amerika nur aus Film, Funk und Fernsehen kennst, hast du einfach ein komplett anderes Bild, das Land ist in so vielen Teilen am Ende, wir waren beim letzten Mal viel in Kalifornien unterwegs, es gibt auf der einen Seite einen so unglaublichen Reichtum, der zur Schau getragen wird, Haus, Auto, mit allem Drum und Dran, und dann gibt es halt diese große Masse an Orten, wo du nicht tot vom Baum hängen willst, diese Trailer-Parks, wo die Leute auf absolutem Low-Level leben, da gibt es extrem viele, eine Masse an Leuten, die einfach richtig zu kämpfen haben. So viele ‚Homeless People‘ wie an der Westcoast habe ich sonst nirgends gesehen, da gibt es Straßenzüge, da steht ein Zelt nach dem anderen, wie in diesen Endzeit-Filmen. Es gilt als reichstes Land der Welt, aber das Land ist teilweise so kaputt…
… ich kenn nur New York besser, weil ich da öfter war, aber selbst da war das mit den Jahren immer mehr zu beobachten, früher habe ich da auf der Straße noch keine Obdachlosen gesehen, beim letzten Mal war es das normale Stadtbild, nachts durchaus auch in besseren Stadtteilen.
Sebastian: Es gibt ja da auch nicht diese Grenze zum Slum, das mischt sich, plötzlich bist du an einer Ecke, da liegen dann die Leute in Pappe eingewickelt, bei uns sind das ja hauptsächlich Männer, dort hast Du ganze Familien, alleinerziehende Mütter mit zwei Kindern, die auf der Straße leben, ohne Essen, ohne Versicherung…
… letztendlich wohl immer noch die Folgen der sogenannten Subprime-Krise, da sind die Leute ihre Behausungen losgeworden und das war’s dann…
Sebastian: … genau, das interessiert dann keinen mehr.
Nochmal zurück zur Musik: Ist euch bei eurem letzten Trip im Sommer durch die Staaten was neues über den Weg gelaufen, was ein Hinhören wert ist?
Sebastian: Getroffen haben wir dahingehend niemanden, aber mit Scott McDougall tausche ich immer Listen aus, die wir uns gegenseitig aufschreiben, ich hab seine noch nicht komplett abgearbeitet, das letzte Mal waren bei ihm ein paar gute Tipps drauf, so Old-School-Sachen,
Don Redman, farbiger Sänger aus den 30er, 40er Jahren, Jazz. mit seiner Bigband, da gibt es ein Stück „Shakin‘ The African“, da weißt du, wo Hiphop herkommt. Ich war mit Scott auch bei Mississippi Records in Portland, ein reiner Blues-Plattenladen, die haben ein eigenes Label und legen auch alte Sachen wieder auf, das war musikalisch sehr interessant.
Ich geh schon gern mal auf ein Festival, aber bei den Reisen geht es mir auch in erster Linie um das Land, die Orte, wir sind da auch kaum auf Hauptstraßen unterwegs, mich interessiert, wo das Leben stattfindet, wir fahren oft Seiten- und Querstraßen, mich interessiert das Vergängliche, da sieht man dann, das Land hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Da bietet Amerika viel, das hat für mich auch eine gewisse Ästhetik.
Gutes Stichwort: Fotografie. Du machst hauptsächlich diese Sachen und viele Musiker/Bands. Gibt es noch andere Themen, die Dich in der Fotografie interessieren?
Sebastian: In den letzten 10 Jahren waren es schwerpunktmäßig tatsächlich die Reisen, hauptsächlich USA (12 mal) , Asien (2mal), und die Musik. Was Menschen betrifft, bin ich immer etwas zurückhaltender, wenn ich sie nicht kenne.
Der Musiker an sich ist da eine Ausnahme, der weiß, er steht im Rampenlicht. Ich würde gerne noch mehr Portraits von Leuten machen, da ist aber immer noch der Schritt, auf die Leute zuzugehen, Musiker in anderem Kontext wären ein Thema, bei den Konzertfotos versuche ich, nichts Gestelltes zu machen, immer aus der Aktion heraus, Licht und Motiv müssen immer passen, wenn nicht, dann fotografiere ich es halt nicht. Ich greife nicht ein und stelle nichts, ich würde das schon gern erweitern, aber dann auch mit dem gleichen Ansatz, so dass die Leute sich wohlfühlen. Beim Scott MacDougal hab ich das mal ausprobiert, geschaut, dass er die Kamera gar nicht mehr wahrnimmt, man kennt die Situation ja selbst, wenn ich auf der anderen Seite von der Kamera stehe, weiß ich ja schon selber nicht mehr, wie ich kucken soll.
Ich würde mit meiner Fotografie auch gerne mehr rausgehen, was Ausstellungen betrifft, ich werde demnächst auch meinen Job, mit dem ich bisher mein Geld verdiene, beenden, dann hoffe ich, auch von meiner Fotografie leben zu können. Hinsichtlich Ausstellungen wäre das Amerikahaus natürlich auch ein Thema, ich hab die letzten 10 Jahre zwei Drittel der US-Staaten gesehen, mit der Kamera, ich hab da von vielen Bereichen ein anderes Bild, auch über Leute in Amerika versuche ich, Ausstellungen zu machen, mit Blick auf ihr Land aus der Sicht eines Deutschen…
… ist ein hartes Brot…
Sebastian: … ist ein hartes Brot, auf alle Fälle. Aber ich bin ein Optimist!
Dann bleibt mir nur als Schlusswort, Dir auf alle Fälle viel Glück und Erfolg für Deine Pläne zu wünschen und mich herzlich für das sehr interessante Gespräch zu bedanken!
Alle Fotos Copyright (c) by Sebastian Weidenbach / The Shadow Cowboy