Fußballer

Reingehört (365): The Wedding Present

The Wedding Present – George Best 30 (2017, Scopitones)

Ich finde, die Platte ist gut gealtert. Trotzdem: Heute würde ich ein Album vermutlich nicht mehr nach einem Fußballspieler benennen. Aber vielleicht war es damals ein kluger Schachzug. Die Platte war zwar kein Bestseller, aber sie verkaufte sich durchaus ordentlich, hielt sich lange in den Indie-Charts, und der „NME“ packte sie auf die Liste der „500 besten Platten aller Zeiten“. Außerdem konnten wir damals ein paar neue Fans gewinnen. Zumindest kauften einige ManUnited-Fans die LP, ohne uns zu kennen. Sie dachten, es handele sich um ein Musikalbum von George Best mit dem Titel „The Wedding Present“.
(David Gedge: Der Coolste von allen – Die Band The Wedding Present, George Best und das schönste Fußballcover der Popgeschichte, aufgezeichnet von Andreas Bock, in: 11FREUNDE #191, Oktober 2017)

C86-Indiepop-Gustostück im neuen Gewand: Im Oktober 1987 hat die in Leeds beheimatete Speed-Geschrammel-Institution The Wedding Present um Bandleader, Sänger, Gitarrist, ManU-Fan und einzigem WP-Dauermitglied David Gedge ihr Debütalbum „George Best“ unters Volk gebracht und damit mindestens im (nach einer New-Musical-Express-Tape-Compilation benannten) C86-Genre einen mustergültigen Meilenstein in die Pop-Landschaft gestellt, betitelt nach der nordirischen Manchester-United-Legende George Best, der auch das Plattencover in einer Pose ziert, die Assoziationen mit einem Rockstar im roten Dress des nordenglischen Kult-Clubs oder einem kickenden Che Guevara weckt.
2007 haben The Wedding Present das 20-jährige Jubiläum des Band-Klassikers mit einer eigenen Tour gefeiert und das Werk in voller Länge konzertant aufgeführt, das Münchner Atomic Cafe war seinerzeit auch Station, man erinnert sich gerne, im Nachgang spielte die Band im Rahmen ihrer Aufnahmen zum 2008er-„El Rey“-Album unter der Ägide vom Chicagoer Noise-Maestro Steve Albini „George Best“ komplett live-im-Studio neu ein, das Ergebnis der Session liegt nun seit ein paar Tagen zwecks Zelebrieren des 30-jährigen Erscheinungstermins in den Plattenläden.
Groß zu verbessern, zum updaten, entschlacken an den 12 Titeln gab es nicht, zu knackig, frisch und unverbraucht gerieren sich nach wie vor die Originalaufnahmen aus dem Jahr 1987, die aktuellere Produktion, die sich weitestgehend am Erstwurf orientiert, dokumentiert immerhin eindrücklich die Zeitlosigkeit der Songs und insbesondere des Uptempo-Schrammel-Gitarrenanschlags in dieser Power-Pop-lastigen Spielart des britischen Achtziger-Indie-Rock, selbst dem mit Herzblut vorgetragenen Gesang von David Gedge konnte der Zahn der Zeit seine Inbrunst nicht nehmen. Ein zeitgemäßeres Abmischen und Mastern hat den Neueinspielungen im Bezug auf den tendenziell etwas dünn geratenen Low-Budget-Sound der Originale hörbar nicht geschadet, ansonsten muss man die abweichenden Nuancen hinsichtlich zusätzlichem Lärm und Poltern im Klangbild schon mit der Lupe suchen.
Wer das Reception-Records-Original mit der Katalognummer LEEDS1 oder eine der späteren Wiederveröffentlichungen im heimischen Plattenschrank stehen hat, braucht bei der 30-Anniversary-Ausgabe nicht notgedrungen die Geldbörse zücken, eine gelungene Ergänzung zum Original ist „George Best 30“ allemal geworden.
(*****)

Ab Ende Oktober werden The Wedding Present „George Best“ ein letztes Mal in ausgewählten europäischen Städten live aufführen, in München machen sie leider nicht Halt, mit der Schließung des Atomic Cafe vor ein paar Jahren hat die Band im Millionen-Dorf offensichtlich ihren angestammten Hafen verloren, Konzerttermine guckst Du hier.

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Eine Kerze für Johan Cruyff

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König Johan ist tot. Der ehemalige niederländische Weltklasse-Fußballer und -Trainer Johan Cruyff ist heute in Barcelona im Alter von 68 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. Cruyff war in den siebziger Jahren als Spielmacher und Kapitän der holländischen Nationalmannschaft und bei seinem Heimatverein Ajax Amsterdam der Superstar des „totaalvoetbal„, beim FC Barcelona brillierte er als Spieler ebenso wie später als Trainer, er gilt als Vater der vorbildlichen Nachwuchsarbeit und der taktisch-technischen Vorherrschaft der Katalanen im europäischen Spitzenfußball.
1974 muss der Fußball-Gott, wie generell so oft in München, beim WM-Endspiel am 7. Juli im Olympiastadion geschlafen haben: Unbegreiflicherweise wurden nicht die Holländer um Cruyff, Krol und Neeskens als spielstärkste und technisch versierteste Elf des Turniers Weltmeister, sondern zweifelhafte Gestalten wie der Steuerhinterzieher aus Ulm, der Pavian aus Kolbermoor und der FIFA-Schmierant aus Giesing…

Eine Kerze für Trifon Ivanov

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Der 10. Juli 1994, unvergessen: Fußball-WM-Viertelfinale, East Rutherford/New Jersey: Der bulgarische Innenverteidiger Trifon Ivanov zieht unmittelbar vor Spielbeginn im Anstoß-Kreis genüsslich eine Kippe durch, während sich die anderen Kicker aufwärmen, um im Anschluss mit Letchkov, Balakov, Kostadinov, Stoitchkov und Co. „die Unseren“ verdientermaßen mit 2:1 aus dem Turnier zu hauen.
Trifon Ivanov bestritt 75 Spiele für die bulgarische Nationalmannschaft, mit ZSKA Sofia gewann er 1990 und 1992 die bulgarische und mit Rapid Wien 1996 die österreichische Meisterschaft.
Gestern ist der „bulgarische Wolf“ in Samowodene/Nordbulgarien den Folgen eines Herzinfarkts erlegen. Er wurde 50 Jahre alt. Es gab und gibt eine Handvoll Kicker, die ich in ihrer aktiven Zeit gerne irgendwann bei den Münchner „Löwen“ gesehen hätte, Trifon Ivanov stand auf dieser Liste mal ganz weit vorne…