Garage Deluxe

Left Lane Cruiser + Donkeyhonk Company @ Garage Deluxe, München, 2017-10-27

Die Erinnerungen an das vergangene Raut Oak Fest am schönen Riegsee wehen noch angenehmst nach, die 2018er-Neuauflage wirft bereits ihre Schatten voraus, damit sich das Warten auf den kommenden Sommer angenehmer gestaltet, lud Festival-Betreiber und AWay-Konzert-Booker Christian Steidl für vergangenen Freitag-Abend ein Hochkaräter-Doppelpack in die Garage Deluxe auf dem demnächst weggentrifizierten Optimol-Gelände hinter dem Münchner Ostbahnhof, das Deep-Blues-Volk pilgerte zahlreich wie dankbar und sorgte für eine volle Lokalität beim Vorgeschmack auf das nächstjährige Raw-Underground-Open-Air vor grandioser oberbayerischer Berglandschaft.

Den stimmigen Abend eröffnete das Trio Donkeyhonk Company mit ihrem Hallertau-Blues, der einen weiten Bogen spannte von den Schwarzbrenner-Hütten der US-Südstaaten-Swamplands bis zum lamentierenden Sinnieren vor dem dritten oder achten Bier im bayerischen Wirtshaus, der Uptempo-Bluegrass und Muddy-Roots-Hardcore-Countryfolk der Band aus den Badlands zwischen Ingolstadt und München funktioniert in der Muttersprache wie im Englischen gleichermaßen prächtig, die bayerischen Song-Texte im balladenhaften Moritaten-Blues sind Gottlob weit von Söllner’scher Brachial-Kraftausdruck-Lautmalerei wie von absurd-befremdlichem Kofel-Gschroa entfernt, vielmehr im Nachdenken, kritischen Hinterfragen und im Nachspüren düsterer Gedanken verhaftet, was die „Honkrock“-Nummern weit aus dem Sumpf der neu-bayerischen (Volks-)Musiziererei herausragen lässt, in der sich immer mehr die Blindheit vor dem Umstand breitmacht, dass Deppen-Texte aus der bayerischen Indie-Ecke trotzdem nur Deppen-Texte bleiben, aber das ist dankenswerter Weise eine Thematik, um die sich die Company keine Gedanken machen muss.
Den internationalen Vergleich muss die Formation auch nicht scheuen, nur wenigen ist es gegeben, das Material des großen Tom Waits zu adaptieren, ohne dabei peinliche Berührtheit auszulösen, der Donkeyhonk Company gelang dieses Kunststück an dem Abend mehrfach, Frontmann Lametto brachte sein rauhes, voluminöses Blues-Organ wie seine beseelt-gespenstischen Akkorde auf Banjo und Wandergitarre optimal zur Geltung in einer Speed-Flamenco-Version von „Jockey Full Of Bourbon“ sowie weitaus originalgetreueren Interpretationen von „Way Down In The Hole“ und dem „Blood Money“-Stück „Starving In The Belly Of A Whale“, eine intensive Neuauflage der Leadbelly-Nummer „Where Did You Sleep Last Night“ rundete den Fremdkompositionen-Block ab.
Den rhythmischen Rahmen für die Polter-Blues-Klassiker wie das eigene Werk steckten gekonnt mit variabel-inspiriertem Getrommel Wig Drumbeat und Basser Don Pedro mit knarzendem Kontrabass-Schnalzen inklusive vehementer Bühnenshow in Richtung wilder Rockabilly-Hund, ein tragfähiges wie solides Fundament für die knurrenden, kompromisslosen Blues-Howler aus der Kehle des Grimassen-schneidenden Entertainers Lametto.
Das begeisterte Publikum wäre zur dankbaren Entgegennahme von mehr rohem Donkeyhonk-Blues bereit gewesen, Gelegenheit hierzu wird sich spätestens beim Raut Oak 2018 finden, das Trio ist bereits fest für das Lineup von 8. bis 10. Juni gebucht.
(*****)

Wie zu erwarten schraubten Gitarrist/Knurrhahn Fredrick „Joe“ Evans IV und Drummer Pete Dio nach der kurzen Umbaupause das Level hinsichtlich Trash und Intensität um etliche Stufen hoch, Left Lane Cruiser aus Fort Wayne/Indiana gelten bei der sachkundigen Hörerschaft als Bank schlechthin in Sachen Trailerpark-Blues, Rasiermesser-scharfe Slide-Gitarren-Glissandi und -Vibrato, stoischem Nach-vorne-Treiben der Rhythmik und wütendem Herauspressen der Verzweiflung über prekäre Lebensumstände und dem Verlangen nach dem nächsten Glas Hochprozentigem, diesem Ruf wurde das Duo vom Start weg gerecht. Der Heavy-Blues-Rock nahm im ersten Teil der ergiebigen Garagen-Messe derart Fahrt auf beim mentalen Seelen-reinigen und dem Zelebrieren des Schmutzigen, Geerdeten, Lauten wie unnachgiebig Zupackenden, womit dem Experimentieren mit einer kurzen Rap-Einlage und der Darbietung einiger geradliniger, für Band-Verhältnisse nahezu stumpfer Hardrock-Nummern kurzfristig die Luft auszugehen drohte, dem rabaukenden Tanzvolk war’s einerlei, sollte eine vom Start weg in allen Belangen auf Anschlag aufdrehende Formation wie Left Lane Cruiser kurzzeitig ein paar Minuten den Gang herunterschalten, trägt eben das Publikum das Feuer bis zum nächsten brachial-lärmenden Flächenbrand weiter.
Wenn ein Angus Young nicht schon vor Dekaden ein Schulranzen-schwingender Stadienrock-Kasperl, die Black Keys mit den Jahren nicht solche Langweiler geworden wären und Rose Tattoo mit der ersten, sehr guten Scheibe vor gefühlt hundert Jahren nicht ihr gesamtes Pulver verschossen hätten, dann hätten Left Lane Cruiser heutzutage vielleicht noch ein paar weitere ernst zu nehmende Mitstreiter in Sachen unverstellter Heavy-Slide-Vollbedienung an ihrer Seite, so darf man dem Herrgott zu jeder Gelegenheit für diese Combo als einzigartiges Ereignis auf Knien danken, wie auch dem Veranstalter Christian Steidl für wiederholtes Organisieren solcher Festivitäten.
Ob Left Lane Cruiser bei der nächsten Riegsee-Sause vertreten sein werden, wird sich beizeiten finden, immerhin am beidseitigen Willen wie optimistischen Hoffen mangelt es dahingehend derzeit nicht.
(*****)

James Leg, The Vagoos, Lovewash @ Raut-Oak Fest Indoor, Garage Deluxe, München, 2017-03-10

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Christian Steidl, Organisator und Mastermind des alljährlichen Raut-Oak Open-Air-Bluesfestivals, veranstaltet dieses Jahr im Vorfeld zum Anfixen der im Juli stattfindenden Sommersause eine Reihe von Indoor-Veranstaltungen, unter anderem mit ausgewählten Teilnehmern der kommenden Freiluft-Konzerte, den Auftakt machte am vergangenen Freitag ein feines Dreier-Paket in der Garage Deluxe auf dem Münchner Optimolgelände hinterm Ostbahnhof – ehe der hochverehrte Tastengott James Leg in den Ring stieg, durften zwei lokale Bands den Club beschallen und die Stimmung anheizen.

Den Auftakt machte das Quartett Lovewash aus München, die Band bringt alles mit an gesanglichen und spielerischen Fertigkeiten, um ein ordentliches Fass an geerdetem und schnörkellosem Southern-, Blues-, Pub- und Siebziger-Rock aufzumachen, mit Aurelia Lovewash und dem Bassisten Screamin McLovewash – a happy family, wie Joey, Johnny, Dee Dee & Co ;-))) – verfügt die Combo über zwei versierte Stimmen zur abwechslungsreichen Gestaltung des Vokal-Spektrums, der unverstellte, direkt zum Punkt kommende Sound der Combo verstand die frühen Gäste großteils zu überzeugen und erinnerte in seinen besten Momenten an die beherzte Intensiv-Beschallung der seinerzeit viel zu wenig gewürdigten US-Desert-Rocker von Thin White Rope, die stimmliche Verwandtschaft des singend-röhrenden Bassiten zu Guy Kyser mochte hier das Übrige dazutun.
(****)

The Vagoos sind alte Raut-Oak-Bekannte, beim letztjährigen Riegsee-Open-Air wussten sie bereits bei ihrem Eröffnungs-Gig mit Punk-lastigem Uptempo-Blues und wiederholten Ausflügen in den Desert-Rock zu überzeugen, die Anklänge an den Prärie-Sound amerikanischer Prägung scheinen noch immer durch, ansonsten hat sich die Band seit letztem Sommer in der Live-Präsentation prächtig weiterentwickelt in Richtung psychedelisch angehauchter, trashiger Sixties-Garagen-Rock, die großen Posen der Stars hat die Combo aus dem oberbayerischen Rosenheim eh drauf und somit sollte bei der demnächst anstehenden Tour durch halb Europa eigentlich nichts anbrennen in Punkto begeisternder, vehement-roher Garagen-Punk-Rhythm-and-Blues-Beschallung, das narkotisierte Tanzvolk vom Freitag darf sich schon jetzt auf den geplanten Auftritt beim diesjährigen Raut-Oak Outdoor freuen…
(**** ½)

Den Saal endgültig zum Kochen brachte als Headliner in the midnight hour wie nicht anders erwartet The Good Reverend James Leg, mit neuem und sehr versiertem Drummer aus dem Elsass unterstrich der Prediger-Sohn aus Texas einmal mehr seinen unangefochtenen Ausnahmestatus in der Welt des Underground-Blues, mit „October 3rd“ gab’s am Anfang noch eine für seine Verhältnisse getragen-relaxte Nummer, ab dann brachen bei Leg alle Dämme hinsichtlich intensivstem Orgel-Wahnsinn, der Mann holte aus seinem Bass-Key und seinem Fender-Rhodes-Spiel für eine gute Stunde alles heraus an bezwingendem Heavy-Blues-Rausch, schwer psychedelischem Krautrock-Drone und beschwörendem Kirchenorgel-Gospel, im heulend-röhrenden Gesang schwingt mehr als nur ein Hauch Kilmister mit, mittels einer überbordend-charismatischen Bühnen-Präsenz und in einem wie von Dämonen geschüttelten physischen Hineinsteigern in die eigene Kunst vorgetragen, wie es in der Vehemenz kaum Vergleichbares zu finden gibt in der weiten und wundersamen Welt der Rockmusik.
Alleine die Zugabe des Konzerts, der von Leg bearbeitete Cure-Klassiker „A Forest“, gehört in dieser an dunkler Eindringlichkeit und finster-wuchtiger Heftigkeit kaum zu überbietenden Interpretation mit zum Besten, was derzeit im Bereich des Heavy-Blues auf einer Bühne geboten wird.
Intention des Anfixens mehr als erfüllt, Vorfreude pur auf den kommenden Juli…
(***** ½)

Der großartige James Leg und The Vagoos werden auch beim diesjährigen Raut-Oak Fest am Riegsee auftreten, von 21. – 23. Juli, vor herrlichstem Alpen-Panorama auf dem schönsten Open-Air-Gelände der Welt, zusammen mit weiteren herausragenden Vertretern des Trash-, Desert- und Hard-Blues-Fachs wie den wunderbaren catl. aus Kanada, the beloved Reverend Deadeye, dem erst vor kurzem sehr genossenen Brother Grimm aus Berlin, den unvergleichlichen Trailer-Park-Hardcore-Bluesern von Left Lane Cruiser oder den Black Eyed Snakes um den Low-Sänger/Gitarristen Alan Sparhawk.

Eine weitere Veranstaltung im Rahmen von Raut-Oak Indoor ist im Mai in der Asta-Kneipe in Rosenheim mit den beiden entzückenden Ladies von The Pack A.D. geplant, Näheres hierzu demnächst in diesem Theater…