gUT-Art

Chris Brokaw + Zwinkelman @ gUT-Art, München, 2017-02-12

atelier-gut-muenchen-sendling-2017-02-12-chris-brokaw-dsc04297

Zweite Ausgabe der gemeinsam von Klienicum-Hauskonzerte, gUT-Art und Kulturforum veranstalteten Konzerte in der Sendlinger gUT-Galerie, nach dem schönen Schweden-Folk von Thisell im vergangenen Dezember durfte kein Geringerer als die amerikanische Indie- und Slowcore-Legende Chris Brokaw präsentiert werden, über Ryan Lee Crosby nahm Brokaw Kontakt zum Blogger und Hauskonzerte-Organisator Eike Klien zwecks möglichem München-Termin auf, die Musiker des Münchner Instrumental-Duos Zwinkelman als erklärte Fans des ehemaligen Come- und Codeine-Musikers boten sich zur Eröffnung des Abends an, und so war hinsichtlich perfektem konzertanten Wochenendausklang am vergangenen Sonntag in den sehr gut besuchten Atelier-Räumlichkeiten am Sendlinger Berg alles gerichtet.

Das Duo Zwinkelman setzt sich zusammen aus Dominik Lutter, der parallel mit seinem Soloprojekt Domhans zugange ist, und dem umtriebigen Multiinstrumentalisten Josip Pavlov, der in München zwischen Majmoon und den Grexits – um nur einige Bands zu nennen – so ziemlich an allem beteiligt ist, was im Bereich Indie und Postrock große Freude bereitet. Zwinkelman beschreiben ihre Tonkunst als Akustik-Postrock, der Stil referenziert in seinem experimentellen Fluss der Gitarren auf die Chicagoer Schule, den beiden Musikern gelingt das Kunststück, mit nahezu meditativen Klängen zwischen Kammermusik-artiger Minimal-Klassik-Struktur und freiem Improvisationsfluss das Publikum in kürzester Zeit gekonnt in den Bann zu ziehen, die Hörerschaft sollte es sich jedoch nie zu gemütlich machen in den Klanggebilden des Duos, die instrumentalen Epen fordern Aufmerksamkeit und bekommen durch punktuelles, scheinbar willkürlich dissonantes Greifen auf den Saiten ein spannungsförderndes, experimentelles Element als Beigabe. Die beiden Ausnahmemusiker überzeugten in ihrem halbstündigen Vortrag auf das Angenehmste, das zugewandte Publikum zollte nicht zuletzt durch konzentriertes Hören Respekt und Hochachtung.
(**** ½ – *****)

Zwinkelman spielen am 5. April zusammen mit der südkoreanischen Postrock-Band Jambinai im Münchner Import/Export, auch eine schöne Kombi. Josip Pavlov wird zuvor an gleichem Ort am 25. März mit The Grexits plus G.Rag/Zelig Implosion das Releasekonzert zum neuen Tonträger der Band bestreiten.

Chris Brokaw bot mit seinen auf der Akustikgitarre vorgetragenen Instrumental-Folk-Klängen zur Eröffnung seines Solokonzerts die perfekte wie behutsame Überleitung vom Vortrag des Münchner Duos in seinen ureigenen, gefangen-nehmenden musikalischen Kosmos. Im weitaus größeren, Song-lastigen Teil seines Konzerts präsentierte Brokaw eine stimmige Auswahl seiner schier unüberschaubaren Arbeiten, im Neo- und Indie-Folk-Gewand kredenzte er anregendes Liedgut wie „She’s A Fucking Angel“, das sperrige „California“, „Blues For The Moon„, eine Gun-Club-Fans mehr als nur beglückende, gespenstisch-schöne Sadcore-Version des All-Time-Favorites „Mother Of Earth“ und seine Fassung des Country-Klassikers „Streets Of Baltimore“, die in ihrem ergreifenden Vortrag bar jeglichen Cowboy-Musik-Schmalzes einem Townes Van Zandt zur Ehre gereicht hätte. In vielen Werken stellte Brokaw eindrucksvoll unter Beweis, dass er nach wie vor zur Speerspitze der Songwriter-Zunft im amerikanischen Indie-Bereich zu zählen ist, in einigen kurzen Stücken deutete er diese Qualitäten nur an, Songs, die in ausgedehnter Form ihre ganze bezwingende Pracht entfalten würden, beließ er im Rohentwurf und brachte diese zu einem unvermittelten und schnellen Ende, sich seiner eigenen Könnerschaft selbst gewiss, ohne diese im jeweiligen Song ausleben zu müssen.
Im Schlussteil seines die Zuhörerschaft völlig einnehmenden Konzerts wechselte Brokaw zur elektrischen Gitarre und demonstrierte vehement, dass er neben dem melodisch-feinen Pinselstrich des Indie-Folk-Songwriting und des emotional-sonoren Gesangs auch die gröberen Klangfarben des beherzten Indie-Rock beherrscht. Nach einer kurzen Zugabenrunde waren ihm der wohlverdiente, langanhaltende Applaus und gute Geschäfte am Merchandising-Stand gewiss, ein für Musiker, Publikum und Veranstalter rundum gelungener Konzertabend fand bei anschließenden angeregten Gesprächen plus Verköstigung seinen entspannten Ausklang.
(***** – ***** ½)

Very special thanks an Katrin Klien für das leckere Catering sowie Klaus Ilg/The Almost Boheme für das Equipment.

Chris Brokaw spielt im Rahmen seiner Europa-Solo-Tour weitere Deutschland-Konzerte zu folgenden Terminen:

15.02.Berlin – Schokoladen
16.02.Darmstadt – Venue tba
17.02.Oberhausen – AKA 103
19.02.Düsseldorf – Kassette

Werbung

Thisell @ gUT-Art, München, 2016-12-09

thisell-gut-art-muenchen-2016-12-09-dsc02677

„In a world that grows louder by the day, Thisell’s music is a place of refuge, sanctuary, retreat. It is made to nourish the soul.“
(Ryan Lee Crosby, Liner Notes for „II“)

Im letzten Jahr ein gern gesehener Gast in unseren Breitengraden, in den sommerlichen Isarauen und beim Hauskonzert von Blogger Eike Klien im oberbayerischen Ampfing, gab sich Peter Thisell auf einem Zwischenstopp in Richtung Italien-Tournee erneut durch Initiative des Klienicum-Betreibers Eike die Ehre in bajuwarischen Gefilden, bei seinem Auftritt am vergangenen Freitag im lauschigen Ausstellungsraum des Sendlinger gUT-Art-Areals brachte er mit David Odlöw und Tomas Larsson zwei neue Gesichter als begleitende Mitmusiker mit an den Start, auf die Frage, wo denn die bekannten GefährtInnen vom letzten Jahr abgeblieben wären, meinte Thisell sinister im Bezug auf unterstützendes Künstlervolk: „I kill them after a while!“
Eine Aussage, die so gar nicht zum bezaubernden Folk-Wohlklang des Trios passen mag, zumal die faszinierende Mixtur des bärtigen Songwriters aus dem nordschwedischen Malå mit dem völlig entschleunigten Gitarrenanschlag auf der Halbakustischen, dem bittersüßen, klassisch geprägten Violinenspiel und den dezent unterlegten Akkordeon-Klängen der jungen Männer Odlöw und Larsson neue, bereichernde musikalische Komponenten im Geiste dieser einzigartigen, erhabenen Musik erfuhr.
Thisells Innenleben präsentierte sich in einer dräuenden Entrücktheit, die in den ergreifendsten Momenten nicht von dieser Welt zu sein scheint, in einer einzigartigen Kombination aus Elementen der traditionellen schwedischen Volksmusik und den dunklen Momenten des amerikanischen Alternative Country/Folk kehrt der Musiker den eigenen Seelenzustand nach außen, Befindlichkeiten zeichnend, Geschichten erzählend von Liebe und Sehnsucht, die alltägliche Pein vergessen lassend, transportiert durch eine geradezu schüchterne, dezent-weiche Stimme, die neben der atmosphärisch-zeitlosen Soundlandschaft das wesentliche Alleinstellungsmerkmal dieser wunderschönen Musik ausmacht.
Der für sich gesehen glänzende Konzertvortrag aus mittlerweile vertrauten Songperlen wie dem Opener des Debüt-Albums „I“, „A Town Of Windows“, neuen Werken vom „II“-Nachfolgewerk (alle: JellyFant Records) oder der Townes-Van-Zandt-Coverversion „Rake“ wurde eingerahmt durch die faszinierenden Licht- und Objektinstallationen von Robbl aka Herrn Klein, die in ihrer bewegten, getragenen, in sich ruhenden Illumination die perfekte optische Ergänzung und eine latent psychedelische Note zum melancholischen Thisell-Folk setzten.
Herzlichen Dank an die Musiker, den Lichtkünstler, Denis Stepanovic von gUT-Art, Eike und Katrin vom Klienicum und allen BesucherInnen inklusive der zu der Veranstaltung persönlich kennengelernten Bloggerin Natascha vom Kraulquappe-Blog für diesen beseelten Winterabend.
(*****)