
Das Dunk!Fest ist offenkundig keine Veranstaltung, die junge Talente zur Eröffnung des Tagesprogramms verheizt, wie auch 2016 wurde in der jüngsten Auflage auf Qualität bei den Openern geachtet, so auch zur finalen Runde, die von der italienischen Newcomer-Band The Chasing Monster bespielt wurde. Die junge Formation aus dem Latium nennt mit Bands wie Explosions In The Sky und Mono als maßgebliche Einflüsse selbstredend nicht die schlechtesten Referenzen und verwebt den klassischen Crescendo-Postrock geschickt mit Spoken-Word-Samples, ein äußerst gelungener Auftakt für einen an Highlights nicht eben armen Konzert-Marathon.
Auf der Hauptbühne folgte mit den Schweden von The Moth Gatherer ein überwältigender Klang-Orkan, das Quartett aus Stockholm lieferte in einem energiegeladenen Set eine ansprechende Mixtur aus schneidenden Prog-Riffs im Sludge- und Doom-Metal-Kontext, die der gezügelteren Spielart des Post-Rock und -Metal genügend Raum im Klangbild ließen und so die Aufführung zu einer absolut genießbaren gestalteten.
Runterkommen in der Nachfolge zum skandinavischen Sturm sodann im kleinen Stargazer-Zelt mit den vier Hamburgern von Halma, die norddeutsche Formation bewegt sich musikalisch in entspannter Manier im Bereich Dub-Ambient, abstrakter Postrock und entschleunigte Krautrock-Anlehnungen, eine gelungene Klangreise, die Freunden der Chicagoer Experimental-Institution Tortoise wie der Kölner Kraut-Legende Can gleichermaßen viel Freude bereitet haben dürfte.
Mummenschanz mit der belgischen Band Briqueville auf großer Bühne, bei dieser Formation ist nicht bekannt, welche Gesichter und Namen sich hinter den Masken verbergen, die die Musiker bei ihren Auftritten tragen, Anonymität durch Verkleidung ist selbstredend seit den Residents längst kein Novum mehr im Popular-musikalischen Betreib, den Kuttenbrunzer-Firlefanz kennt man zudem hinlänglich vom Experimental-Drone-Projekt Sunn O))), der gedehnt-zähe Post-Metal-Ansatz, den die Combo auf ihrer Facebook-Seite originell-ironisch als „Soul“ bezeichnet, gepaart mit punktuellen Industrial-Einfärbungen, wusste immerhin leidlich zu gefallen, gleichwohl waren die Finsterlinge weit davon entfernt, durch ihre kurzfristige Verpflichtung im Nachgang zur Festival-Absage von Jambinai 잠비나이 an den grandiosen Ethno-Postrock der Südkoreaner heran zu stinken.
„A fuse of electronic noises and live instrumentation to create an unusual, unique hybrid sound“ – Das Duo Xenon Field brachte frischen Wind in die Szenerie, mit ihrem Mix aus Noise, Elektrobeats, Samples und Uptempo-Postrock animierten die beiden Musiker aus Dublin zum gefälligen Mitwippen, das Publikum dankte es den jungen Herren Robert Murphy und Conor Drinane mit einem spontanen Geburtstags-Ständchen, beide (!) Sound-Tüftler durften am Tag ihres Dunk!-Auftritts ihr Wiegenfest feiern, gibt weiß Gott schlechtere Austragungsorte zum Anstoßen als das feine Postrock-Festival im ländlichen Velzeke.

set and setting darf man zu den großen Abräumern beim 2017er-Dunk! zählen: Die bekannten Namen des Post-Metal suchte man beim diesjährigen Line-Up vergeblich, die Band aus Florida war indes eine mehr als würdige Alternative für die renommierten Vertreter des Genres, zum ersten Mal im alten Europa unterwegs, trat die Combo in Grateful-Dead-Manier mit zwei Drummern an und wuchtete eine geballte Ladung an instrumentalem Schwermetall über die Bühne, wandernd zwischen brachialem, schnörkellos hartem Black-Metal-Drone und eleganter, Glückshormone-erzeugender Hymnik, die auch vor atmosphärischer Ambient-Entrücktheit nicht Halt machte. Mit dem Material des jüngst erschienenen Longplayers „Refelctionless“ ließ es sich bei – wie immer – glasklar abgemischtem Sound auf der großen Bühne gut wuchern, die Band nutzte die Gunst der Stunde optimalst und gab eine eindrucksvolle Demonstration ihrer bezwingenden Klang-Vehemenz.
Auf der Waldbühne am frühen Abend dann das konzertante Highlight der dreitägigen Veranstaltung schlechthin: Bart Desmet hat bereits beim letztjährigen Dunk! mit seiner Formation Barst schwer Eindruck hinterlassen, die Live-Präsentation seiner jüngsten Arbeit „The Western Lands“ geriet zum ekstatischen, orientalisch angehauchten Postrock-Rausch, beim Konzert am vergangenen Samstag legte die zum Quintett gewachsene Band nochmals eine gehörige Schippe drauf, mit Unterstützung unter anderem von Gitarrist Monnik, der den Besuchern des letzten Jahres noch durch seine Ambient-Drone-Soloperformance in guter Erinnerung war, steigerte sich Desmet in einen wahren Rausch aus überschwänglichem Postrock, Ambient-Experimental-Noise, Elektronik-Samples, neoklassichem Wohlklang und epischer Shoegazer-Herrlichkeit, eine gefangen nehmende, rundum beglückende Klang-Explosion, die an diesen drei Tagen wie auch bei vielen anderen artverwandten Veranstaltungen ihresgleichen sucht, man kann nur hoffen, dass der Mann am Mischpult die Gelegenheit für eine Mitschnitt nutzte und dieses Ausnahme-Konzert dem geneigten Publikum über das Veranstaltungs-eigene Label beizeiten in Tonträgerform zum Erwerb für den heimischen Genuss dargereicht wird. Ganz, ganz großes Instrumental-Kino, sechs-Sterne-Konzert, ohne jegliche Abstriche.
Die Waldbühne bot auch Forum für einen weiteren alten Bekannten, Mathieu Vandekerckhove, seines Zeichens im Haupterwerb Leadgitarrist bei der belgischen Church-Of-Ra-/Postmetal-Institution Amenra, zelebrierte wie im Vorjahr das Material seiner jüngsten Soloarbeit „Forever And A Day“ unter dem Pseudonym Syndrome als dunkle Ambient-Messe, wie dort und auch im Vorprogramm beim letzten Münchner Mono-Konzert wusste der meditative Fluss der ureigenen Mixtur aus Metal-Drones, dezenter Electronica, Postrock-Loops und abstraktem Wüstenlandschafts-Soundtrack in entspannte Kontemplation zu versetzen, trotz finsterer Assoziationen ein tonaler Hort der Ruhe im Lautstärke-dominierten Festival-Betrieb.
Mooncake sind eine der führenden Bands der russischen Instrumental-Szene, beim Dunk!-Auftritt unterstrich die Band aus Moskau ihre herausragende Stellung eindrucksvoll, das selbstbetitelte „New Symphonic Orchestra“ spielte geschickt mit Elementen des Bläser-dominierten Big-Band-Sound, des Space-Rock und der Neoklassik und schuf so eine individuelle, faszinierende Breitband-Ausgabe des Postrock, die für mehr als nur willkommene Abwechslung sorgte. Im Vergleich zum Vorjahr waren die osteuropäischen Vertreter heuer deutlich unterrepräsentiert, Mooncake gelang es in beschwingter Manier, die Fahne der Region hoch zu halten.
Das Finale für die Stargazer-Bühne bespielte wie im Jahr zuvor das amerikanische Trio Arms And Sleepers, die Band, die sich einst wunderte, warum sie beim Postrock-Publikum derart beliebt ist, bespielte in diesem Jahr ihren fünften Dunk!-Auftritt mit ihrer exzellenten Mixtur aus Triphop, Ambient, Electronica-Sampling und Gitarren-lastigem Postrock, gepaart mit einer außergewöhnlichen, kunstvoll-visuellen Video-Präsentation, stieß die schwungvolle Club-Beschallung wie nicht anders zu erwarten auf begeisterte Abnehmer, offene Ohren und tanzwütige Bewegungsdrang-Fanatiker, der treibende Groove nahm vom Fleck weg gefangen und gestaltete den Abschied vom kleinen Zelt zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Auch God Is An Astronaut waren zum fünften Mal am Jeugdheem De Populier zugange, zum großen Finale auf der Hauptbühne spielte der Headliner der Dunk!-Headliner ein volles Set, das irische Quartett beeindruckte wie im Vorjahr beim München-Auftritt umfänglichst mit ihrer ureigenen Mixtur aus Post-, Prog- und Space-Rock inklusive experimenteller Kraut-Electronica und wunderschöner Lichtshow. Der opulente, wie stets an den drei Tagen exzellent abgemischte Sound trug das Seine bei zum Gelingen eines großartigen Festival-Schlusspunkts, der einmal mehr auf das Nachhaltigste unterstrich, warum die hochsympathische Band von der grünen Insel uneingeschränkt zur Speerspitze der instrumentalen Rockmusik zu rechnen ist. Wenn’s am Schönsten ist, soll man aufhören, und so haben God Is An Astronaut nach 100 Minuten inklusive einiger Zugaben ein beglücktes Publikum im vollen Zelt zurückgelassen, vermutlich nicht zum letzten Mal im Rahmen der Dunk!-Veranstaltungen.
Ob Gott ein Astronaut ist, bleibt vorerst ungeklärt, sehr wahrscheinlich muss der Wettergott aber Postrock-Fan sein, die Witterung an den drei Tagen war maximalst Festival-tauglich, bei strahlendem Sonnenschein und keinem einzigen Tropfen Niederschlag gestaltete sich das Campen zu einer lockeren Übung, ein Umstand, der wunderbar in das Gesamtbild eines Festivals passte, das wieder einmal geprägt war von einem mehr als respektablem Line-Up und glänzend aufgelegten MusikerInnen, einer zugewandten und jederzeit hilfsbereiten Crew aus Veranstaltern und freiwilligen Helfern, feinem, ausgewogenem Catering, reibungsloser Bierversorgung, glänzend bestücktem Merchandising und nicht zuletzt einem äußerst angenehmen Publikum, das die perfekt funktionierende Infrastruktur und die entspannte Stimmung im Grünen dankbar und gebührend zu schätzen wusste.
Für die Freunde des Post- und Experimental-Rocks und artverwandter Klangvariationen waren die drei Tage im belgischen Velzeke erneut ein großes, erhebendes Fest, die Zeit verging viel zu schnell, wäre es nicht so furchtbar weit weg, Zeit-aufwändig und Kosten-intensiv, man wäre mehr als nur geneigt, Anfang Oktober die Reise nach Burlington/Vermont zur ersten US-Ausgabe des Dunk!Festivals anzutreten, erste Namen im Line-Up wie die Postmetal-Götter von Pelican oder die schwer überzeugenden set and setting tun ihr Übriges zu diesem Begehr. So bleibt das Warten und die Vorfreude auf den 10., 11. und 12. Mai 2018, wenn die Stamm-Veranstaltung in Ostflandern wieder ihre Pforten öffnen wird. Danke, Dunk!, es war uns eine Ehre, dabei sein zu dürfen! :-)
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