Hauskonzerte

Simon Joyner + Cosma Joy @ Hauskonzerte, München, 2016-12-07

„Somewhere in Munich“ in wechselnden Örtlichkeiten lautet das Motto der hiesigen Hauskonzerte-Macher, in dem Fall sogar äußerst bequem durch Drei-mal-umfallen-und-dann-da-sein eingegrenzt auf „Somewhere in Sendling“, zum Jahresende präsentierten die Konzertveranstalter mit Simon Joyner einen gewichtigen Oberliga-Vertreter der amerikanischen Songwriter-Szene, zuvor durfte als Überraschungsgast die Münchner Nachwuchs-Künstlerin Cosma Joy das Vorprogramm bestreiten, die Schülerin war nach Worten der Veranstalter die jüngste Interpretin, die bisher im Rahmen dieser Konzertreihe spielte. Die Musikerin wurde vor wenigen Tagen beim Auftritt im Kösk von den Hauskonzerte-Leuten entdeckt und spontan für die Veranstaltung am vergangenen Mittwoch verpflichtet.
Ihre melancholischen, nachdenklichen, knapp gehaltenen und spartanisch arrangierten Folksongs im Stile englischer Volksmusik und in Nachfolge der New Yorker Coffeehouse-Songwriter-Tradition trug die junge Frau mit glasklarem, begnadetem Gesang vor, der anrührte und das Auditorium zu überschwänglichen Begeisterungsstürmen hinriss. Mit ihrer Singstimme, die weit mehr an die Unberührtheit der Natur, tiefe und reine Gebirgsgewässer und die klare Luft der Wälder als an nebelverhangene Winternächte im dunkel-abendlichen Sendling denken ließ, wird es Cosma Joy vermutlich noch weit bringen. Bisher hat sie weder auf Tonträgern noch im Netz ihre Spuren hinterlassen, ein Umstand, der sich bei dem Talent bestimmt bald ändern wird.
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„Omaha has given us the reigning heir to Henry Miller’s dark emotional mirror, Townes Van Zandt’s three-chord moan, and Lou Reed’s warehouse minimalism… My favorite poet is Simon Joyner.“
(Gillian Welch)

Hochgelobt von Conor Oberst, Beck Hansen, DJ-Legende John Peel oder eben auch der wunderbaren Bluegrass-Musikerin Gillian Welch, die Damen und Herren wissen, was sie an Simon Joyner haben, die Hausmusik-Veranstalter wissen es offensichtlich auch, und allerspätestens seit Mittwochabend sicher auch die überwältigende Mehrheit der geschätzt 80-100 BesucherInnen der feinen Konzertveranstaltung, der Mann mit dem Hut aus Omaha/Nebraska hat in seinem Vortrag eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum er seit vielen Jahren zur Speerspitze der Alternative-Folk- und Country-Blues-Songwriter-Szene der US of A zählt, Alben wie das begnadete Opus „Lost With The Lights On“ (2004) oder der mit The Fallen Men eingespielte, dunkel funkelnde Indie-Blues-Monolith „Skeleton Blues“ (2006, beide: Jagjaguwar) legen davon seit vielen Jahren Zeugnis ab.
Joyner begeisterte an dem Abend mit einem völlig entschleunigten, im Gitarrenanschlag oft kargen, auf den Punkt gebrachten, über weite Strecken gefangen nehmenden, ergreifenden Solo-Vortrag, der vor allem in den empathischen, melancholisch-getragenen Gesangsphrasierungen mit notorisch-latentem Hang zur Düsternis sein herausragendes Charakteristikum fand, in einer abgesteckten Vokal-Referenz zwischen Bill Callahan und einem Leonard Cohen, der plötzlich des Singes mächtig ist. So hätte man gerne in früheren Zeiten den von Frau Welch erwähnten Townes Van Zandt in seinen letzten Jahren auf den Bühnen dieser Welt erlebt, konzentriert, nüchtern, des eigenen Handelns und vor allem der eigenen Stärken gewahr.
Perlen wie der Konzert-Opener „Sonny“ oder „You Got Under My Skin“ vom aktuellen Album „Grass, Branch & Bone“ (2015, Woodsist), die herausragende Solo-Interpretation des ergreifenden „The Only Living Boy In Omaha“, der staubtrockene „Medicine Blues“ und das spartanische Frühwerk „Joy Division“ entfalteten ihre ganze emotionale Kraft im Beisein der gebannten Hörerschaft, exemplarische Songpreziosen unter Gleichen, die weit über die 90 Minuten des berückenden Vortrags hinausstrahlen und nachhallen werden, Simon Joyner und den Hauskonzerte-Veranstaltern sei Dank für dieses Konzerthighlight auf den letzten Metern des dahinscheidenden Jahres.
(***** – ***** ½)

Great Lake Swimmers + Lùisa @ Deeper Down Festival, Hauskonzerte, München, 2015-10-04

Was für eine Eröffnung: die Münchner Hauskonzerte-Veranstalter luden zum Auftakt ihres einwöchigen Deeper Down Festivals zu einem fulminanten Doppel-Konzert in ein ehemaliges Posthallengebäude somewhere in Munich, in angenehmster, toll aufgemachter Umgebung inklusive origineller Bühnen-Deko, lecker Küche und Giesinger-Erhellung-Catering (100 Punkte allein dafür) bestritt den ersten Teil des Abends eine junge Hamburger Songwriterin mit Namen Lùisa, jede/r, der die erst 22-jährige Lady aus dem hohen Norden vorab nicht kannte, dürfte bei ihrem direkt zupackenden, oft gar hymnischen Vortrag angenehmst überrascht worden sein, mit der Energie von Straßenmusikern und mit dezentem Einsatz von Gitarren-/Elektro-Drum- und Gesangs-Loops breitete Lùisa einen wohltönenden Folk-Klangteppich aus, der den Rahmen für ihre außergewöhnliche Sangeskunst bildete, die die leisen Töne ebenso ergreifend traf wie den stimmlichen Ausbruch, der in ihrer emotional-brüchigen Tonlage mitunter an den Gesang der französischen Indie-Sängerin SoKo gemahnte, was in dem Kontext weiß Gott nicht die schlechteste Referenz ist.
Langanhaltender, die Künstlerin überwältigender, von Herzen kommender Applaus legte Zeugnis ab von der Güte des Solokonzerts, und allein die Tatsache, dass das Vorspielen Zugaben-mäßig in die Verlängerung ging, war Beleg dafür, dass bei der Darbietung der jungen Hamburgerin kaum jemand im Saal an lästiges Vorprogramm denken durfte.
Überlassen wir der Künstlerin das Fazit in ihren eigenen unverblümten Worten: „Meine Fresse!“ ;-)
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Lùisa / Homepage

Nachdem solistisch an dem Abend mächtig vorgelegt wurde, kamen die Great Lake Swimmers aus Toronto/Kanada nicht umhin, noch einen draufzusetzen. Das Quintett, das in ihrer nordamerikanischen Heimat regelmäßig in mittelgroßen Hallen vor etwa 5000 Zuhörern spielt, fühlte sich auch in kleiner, intimerer Runde sichtlich wohl und beglückte die aufmerksamen Zuhörer mit ihrer Spielart des Sixties-Folk, der hinsichtlich der mystischen Songtexte die Naturverbundenheit ihres Sängers/Gitarristen Tony Dekker widerspiegelt, der Sänger und Kopf der Band benannte die Band zu Ehren der Marathon-Schwimmer, die ihre sportlichen Höchstleistungen beim Durchpflügen der kanadischen Great Lakes vollbringen.
Die tief ins Herz gehende, fragile, gefangennehmende Akustikmusik der Combo und der gefühlvolle Gesang Dekkers wurde um Elemente aus dem Irish Folk ergänzt durch das wunderbare Spiel der Geigerin Miranda Mulholland, die nicht nur optisch Assoziationen an die grüne Insel weckte.
Diese mitunter unfassbar schönen, nicht durch Worte zu beschreibenden Momente in der Musik zauberten die Great Lake Swimmers langanhaltend und vermehrt in den stimmungsvoll beleuchteten Saal, dessen Illumination ihr Übriges zum Rundum-Wohlgefühl an diesem Konzertabend beitrug. Die Band, die mit ihrer letzten Veröffentlichung ‚A Forest Of Arms‘ (Nettwerk, 2015) in einigen Songs nicht zur Gänze überzeugen konnte, zeigt sich in der Live-Präsentation ihres melancholischen Songmaterials ganz auf der Höhe, auch auf Konserve weniger anrührende Songs entfalteten im konzertanten Vortrag eine ungeahnte Pracht.
Den grandiosen Abend beschlossen die Kanadier in Reminiszenz an ihren großen Landsmann mit einer ehrfürchtigen Version des Leonard-Cohen-Klassikers „Hey, That’s No Way To Say Goodbye“ vom 1967er-Folk-Meilenstein ‚Songs Of Leonard Cohen‘ (Columbia), und allerspätestens zu dem Zeitpunkt dürften beim beseelt-glücklichen Publikum keine Wünsche mehr unbefriedigt geblieben sein. Ganz ganz großes Gefühls-Kino!
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Great Lake Swimmers / Homepage