Heads

Reingehört (542): Ed Fraser

Ed Fraser – Ghost Gums (2019, This Charming Man Records)

Ed Fraser geht fremd. Vielleicht lag es an der feschen Bassistin mit dem schönen Namen Rosa Mercedes, wer weiß? Ein nachvollziehbarer Grund wär’s allemal. Und Zählbares ist auch dabei rumgekommen. Der seit gut fünf Jahren in Berlin ansässige Australier nimmt Auszeit vom angestammten Noise/Postpunk-Trio HEADS. und wandelt auf Solopfaden mit Unterstützung von erwähnter Frau Mercedes, dem Drummer Spike Rogers und einer Handvoll Musiker des Postmetal-Kollektivs The Ocean. Wo’s bei der Stammformation oft um einige Härtegrade massiver im Anschlag und in der Stimmungslage zappenduster zugeht, lässt Fraser im Songwriter-Postpunk seiner sechs Solo-Arbeiten bisweilen einen Funken Licht scheinen, wenn der bedeutungsschwangere Indie-Sound gleichwohl längst nicht die Beschallung für den nächsten feucht-fröhlichen Umtrunk liefert. Die illusionslose Realität und kalte Romantik der Großstadt-Betonwüsten in nachhallenden Desert-Gitarren und voluminösem Mid/Downtempo-Rhythmus eingefangen, dunkel und atmosphärisch dem Geist vom dahingegangenen Jeffrey Lee Pierce und dem Neo-Blues der Beasts Of Bourbon oder anderer sinisterer australischer Landsmänner wie Hugo Race oder dem großen Cave im Hier und Jetzt nachgespürt, mit den Mitteln des alternativen, rauen Noise-Rock, das mag als beschreibende Wegmarke dienen.
In unerschöpflichen Themen wie der Auseinandersetzung mit dem Verlust und den unergründlichen Wendungen der Liebe (die Bassistin?) zeigt sich Ed Fraser von seiner persönlichen Seite, die er im Verbund mit den beiden etatmäßigen Mitmusikern von HEADS. offenbar nicht ausleben kann, die gute halbe Stunde von „Ghost Gums“ als individueller kompositorischer und lyrischer Darkroom, sozusagen. Es gibt in der Historie der populären Musik nicht wenige Verirrungen, in denen das eigenständige Rudern im Beiboot fernab des Mutterschiffs jäh an den rauen Klippen der kritischen Würdigung zerschellte, siehe etwa unsägliche Auswürfe an Sondermüll von Größen wie Jagger und Richards, das pure Grauen der Keith-Moon-Solo-Scheibe, freudlose Ergüsse aus dem Hause Pink Floyd oder die neuesten Thom-Yorke-Belanglosigkeiten, die Beispiele für derart überflüssige Ressourcen-Verschwendung sind Legion – Ed Fraser muss sich dagegen mit seinem ersten Alleingang nicht einreihen in die Liga der solistischen Rohrkrepierer, alles im grünen Bereich beim Wahlberliner.
„Ghost Gums“ erscheint am 13. September beim deutschen Indie-Label This Charming Man Records in Münster, vielleicht gibt’s vorab noch das ein oder andere ausgedehntere Ton-Beispiel, we’ll keep you informed.
(*****)

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Protomartyr + Heads @ Kranhalle, München, 2016-04-13

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Endlich Protomartyr in München, im zweiten Anlauf. Zuvor aber als Einstimmung des Abends gepflegte Volldröhnung von den Heads aus Berlin, eine Trio-Besetzung, über die hinsichtlich heimatlicher Wurzeln der Bandmitglieder „Saarland meets Hamburg meets Australien“ zu lesen ist. Bass / Gitarre / Schlagzeug und ein engagiert emotional-verzweifelter Gesang, mehr brauchte die Combo aus der Bundeshauptstadt nicht an Ingredienzen, um die Anwesenden mit ihrer schwergewichtigen Mixtur aus Noise- und Post-Rock, Sludge Metal, hypnotischen Prog-Rock-Beigaben und der bleiernen Wucht des Früh-70er-Black-Sabbath-Sounds zu begeistern. Bassist Chris Breuer war in der Funktion auch bereits beim renommierten Postmetal-Kollektiv The Ocean zugange, der Mann ist sozusagen ein alter Hase im Noise-Bereich, was wie auch bei seinem beiden Mitstreitern Peter Voigtmann an der Trommel und Ed Fraser an Gitarre und Gesang hinsichtlich einnehmender Bühnenpräsenz und formvollendet-wuchtigem Klangbild nicht zu übersehen- und hören war. Gerne irgendwann mal mehr davon.
(**** ½)

Our second time in Munich, but the first time we play“, dieses Mal hat es geklappt mit dem Protomartyr-Auftritt, nachdem bei der letzten Tour das München-Konzert wegen mangelnder Publikums-Nachfrage abgeblasen wurde und die offensichtlich vorab spärlich erstandenen Tickets zur Vorverkaufsstelle zurückgetragen werden durften.
Die Band aus Detroit/Michigan hielt sich dann auch nicht groß mit Vorreden oder anderweitigem Vorgeplänkel auf beim Einstieg zu ihrem knapp einstündigen Auftritt, mit der von den Herren Ahee, Leonard und Davidson zu erwartenden Mixtur aus scheppernd-treibenden Rhythmen, wuchtigen Bassläufen und schneidenden Gitarrenriffs, die die Nacht Alarmsirenen-gleich durchschnitten, und den schnörkellos hingeworfenen Texten des Frontmanns und Sängers Joe Casey lieferte die Band ein Set, in dem die Songs oft wie hastig durchexerziert und abgehackt wirkten, um sofort ohne großen Übergang oder Zwischenrede in den nächsten Titel überzugehen.
Das passte selbstredend ideal ins Gesamtbild einer Band, die aus ihren Frühachtziger-Postpunk-Einflüssen keinen Hehl macht, mit ausgewähltem Material ihrer bisher drei, seit 2012 erschienenen, sehr passablen Alben pflegte die Band ihre Reminiszenz an die großen Zeiten des UK-Postpunk, auch die lakonisch-nonchalante Bühnenpräsenz Caseys weckt dahingehend Erinnerungen. Da in der Musik inzwischen sowieso schon irgendwie alles irgendwann mal da war, sollte sich niemand an diesem nicht von der Hand zu weisenden Retro-Ansatz reiben, für eine beherzt-kraftvolle, ungeschliffene Darbietung, die zumindest in den Song-Refrains auch ein Gespür für die euphorische Melodie erkennen ließ, hat es allemal gereicht, in der leider etwas mäßig gefüllten Kranhalle.
(**** ½)

Protomartyr Live Brooklyn 2015 @ nyctaper.com