Das Münchner Feierwerk hat am vergangenen Dienstagabend in Sachen lärmende Intensiv-Beschallung mit einem stimmigen Doppelpack ein extra dickes Brett gebohrt, mit zwei herausragenden US-Combos aus der Black-Metal-Ecke inklusive artverwandter Beigaben konnten die FreundInnen der lauten Rockmusik zu der Gelegenheit kaum fehlgehen.
Bereits das Opener-Programm machte bei diesem Double Feature mehr als ordentlich Laune, die sechs langhaarigen Rauschebärte der Band Inter Arma aus Richmond/Virginia offenbarten neben überschwänglicher Spielfreude in dunklen, extremen Fahrwassern vor allem ein ausgeprägtes Gespür für Spannungs-steigernde Dramatik. Bevor die Combo mit ihren zwischenzeitlichen Ausbrüchen an erschütternder Crossover-Brachial-Härte aus Doom/Sludge/Black/Death- und Sonstwas-Metal, Prog-Space, Beton-schwerer Stoner-Wucht und den vokalen Anwandlungen ihres zwischenzeitlich meditierenden Lautsprechers auf das Publikum im vollbesetzten Kranhallen-Saal mit größtmöglichem Nachdruck einwirkte, erging sich die Band eingangs und auch im weiteren Fortgang wiederholt zur zwischenzeitlichen eigenen Sammlung wie zur Erbauung und Wiederaufrichtung der Hörerschaft in Melodien-verliebten Postrock/Postmetal-Instrumentals und, für diese Verhältnisse, Ambient-artigen Psychedelic-Drones – überaus ansprechende Prä- und Interludien, die hinsichtlich Stilmitteln die Frage aufwarfen, ob es sowas wie Desert-, Neil-Young-/Crazy-Horse- oder Southern-/Allmans-Metal gibt. Falls bis dato nicht, sollten Inter Amra vielleicht beizeiten mit einem Patentanwalt Kontakt aufnehmen.
Das mehrdimensionale Wechselbad und die fünfzig-minütige, nahezu Headliner-verdächtige Präsentation hoben das Sextett weit aus der Masse der herkömmlichen Warm-Up-Kapellen heraus, und Progressive Metal, der mit sphärisch-gespenstischen Zusätzen durch erzeugte Sound-Schwingungen mit dem Theremin angereichert wird, hört und sieht man gewiss auch nicht zu jeder Gelegenheit. Schade nur, dass im Rahmen des massiveren Gepolters die Vorträge von „Sänger“ Mike Paparo im kreischenden Gebrüll inhaltlich weder als Kommentare zum desolaten Zustand dieser Welt noch als Ausdruck des eigenen, individuellen Irrsinns, der sich da möglicherweise Bahn brach, einzuordnen waren.
Eine tonale/atonale Vollbedienung, die sich pauschaler Kategorisierung entzieht, nicht in Schubladen passt und mit ihrem komplexen Geflecht die selbstironische Eigenauskunft der Combo – „The worst band from Richmond, VA …EVER“ – ad absurdum führt.
Ungeachtet des äußerst genehmen Auftakts zu diesem Konzertabend: die Mehrzahl der Konzertgänger dürfte den Weg in die Münchner Feierwerk-Gemäuer selbstredend vor allem zwecks des Hauptattraktions-Auftritts des kalifornischen Fünfer-Gestirns Deafheaven gefunden haben, das Bay-Area-Quintett um Frontmann George Clarke führte das kürzlich im Sommer erschienene vierte Album „Ordinary Corrupt Human Love“ mit im Reisegepäck, aus dem sich dann auch der weitaus größte Teil des Songmaterials zu dieser explosiven Show speiste.
Die Band nahm den Staffelstab der vorangegangen Landsmänner auf und hielt das Energielevel im Saal auf konstant hohem bis überbordendem Druck-Niveau, wo auf dem aktuellen Tonträger ab und an etwas zuviel an Indie-Rock-Glätte durchschimmert und sich die Band bisweilen dem ausgiebigen, gefälligen Shoegazern hingibt, erinnerten sich Deafheaven an diesem Abend weitaus mehr ihrer Black- und Post-Metal-Qualitäten, die sie in einem flächendeckenden Sound mit inbrünstiger Hingabe auslebten und das Auditorium mit dunklen Schall-Wellen fluteten, zur Platten-Rezension wurde die Vermutung geäußert, dass sich das konzertante Musizieren der Formation im Vergleich zur Tonkonserve um etliches intensiver gestalten würde, die Spekulation sollte sich an diesem Abend vollumfänglich bewahrheiten. Radikal lärmendes Blackgaze-Gelichter, Noise-Drones und metallene Gitarren-Wände steckten den Rahmen ab für die verzweifelten Ausbrüche des schreienden Sängers Clarke, der mit rasendem Zorn, tobsüchtigem Furor und exzessivem Headbanging als Schüttel-Dein-Haar-für-mich-Crooner den extrovertierten Bühnen-Gott gab, zwischen entfesseltem Bersekern und Beau-haftem Gegockel, spätestens bei seinen höflichen Ansagen offenbarte der junge Mann jedoch, dass er trotz massiv nach vorne drängender Bühnenpräsenz eigentlich ein ganz Netter ist…
Deafheaven wären nicht Deafheaven, wenn sie im dynamischen Stimmungswechsel des Klangbilds neben zersetzenden, destruktiven Songstrukturen nicht auch die schönen Seiten des Daseins in ihren Kompositionen zu würdigen wüssten, Gitarrist Kerry McCoy, neben Screamo-Kreischer George Clarke einziges verbleibendes Gründungsmitglied der Band und mit diesem bereits in vergangenen Tagen bei der Grindcore-Formation Rise Of Caligula zugange, offenbarte wiederholte Male auf seiner Gibson Les Paul ausgeprägte Qualitäten als exzellenter Postrock-Musiker, mit seinem überaus melodischen Spiel zauberte er federführend großartige Instrumental-Hymnen in den Saal und sorgte so im finster lärmenden Mahlstrom wiederholt für erhebende Lichtblicke und den berühmten Hoffnungsschimmer am Ende des dunklen Tunnels. Yin und Yang, Licht und Schatten, berstender Lärm und Momente unbefleckter Schönheit, Deafheaven zogen am Dienstagabend im Münchner Feierwerk alle Register ihrer expliziten Kunst und holten sich nach eineinhalb Stunden wie zuvor auch die Kollegen von Inter Arma den wohlverdienten und langanhaltenden Applaus beim bestens bedienten Publikum ab.