Japan

Mono, Årabrot, Jo Quail @ Strom, München, 2019-04-29

Die japanischen Postrock-Götter Mono als Headliner im Rahmen eines Dreier-Packs am Montagabend im Münchner Strom-Club, eine gern genommene Kombi, zuletzt auf den Tag genau vor zweieinhalb Jahren an selbem Ort präsentiert, wie seinerzeit im Vorprogramm mit einem Solo-Auftritt und einer Combo, die nicht recht in den Kontext der rein instrumentalen Musik passen mochte.

Überpünktlich noch vor offiziellem Konzertbeginn stand die fesche Engländerin Jo Quail mit ihrer Solo-Performance am elektrisch verstärkten Cello auf der Bühne, für drei ausgedehnte Instrumental-Nummern tauchte die klassisch ausgebildete Musikerin aus London den Strom-Saal in dunkle Klangfarben. Quail erwies sich wie bereits zu früheren Gelegenheiten als versierte Grenzgängerin zwischen minimalistischer Neo-Klassik und experimenteller Electronica. Die Rhythmik eingangs gesampelt über das Klopfen des Takts auf die Saiten des Streichinstruments, loopte die Musikerin den so erzeugten Beat und ließ ihn in Endlosschleifen zu finsterem Industrial-Pochen aus den Tiefen der geheimnisvollen Maschine mutieren, darüber legte sie in bewährter Manier ihre getragenen, filigranen, zu Teilen auch dissonanten Cello-Drones, die als organisches Element Kontrapunkt zum synthetisch generierten Trance-Loop setzten.
Wo die ersten beiden Instrumentals „White Salt Stag“ und „Gold“ geheimnisvoll in düsteren Stimmungslagen schwelgten und damit unheilvoll, hypnotisch dräuend in den Bann zogen, zeigte die letzte Nummer „Mandrel Cantus“ vom aktuellen Album „Exsolve“ eine etwas heiterere Seite aus dem Werk der Musikerin, deren notorisch schwarze Gewandung sowieso in völligem Kontrast zu ihrem freundlichen Wesen steht. Mit zusätzlichem Klatschen und perkussivem Trommeln auf der Bespannung ihres Instruments gestaltete sie das ausgiebig zelebrierte Stück zu einer nahezu tanzbaren Nummer mit abschließender, rein in der Neoklassik gehaltenen Coda. Eine weitere höchst erbauliche und erneut viel zu kurz gehaltene Solo-Aufführung der faszinierenden Soundscapes aus der Feder der jungen englischen Komponistin, Trost für Quail-Fans hielt der Abend gleichwohl bereit: Die Cellisitn sollte sich zum heimlichen Star des Abends mausern, mit ihren sporadischen Beiträgen zu den folgenden Auftritten war die Frau omnipräsent, avancierte damit quasi zum personifizierten rote Faden der Veranstaltung.

Der Mittelteil der dreiteiligen Aufführung gehörte dem norwegischen Trio Årabrot: Zu Klängen von Klaus Nomi enterte die Combo die Bühne, im Folgenden geriet die Beschallung im konzertanten Vortrag um etliche Grade derber. Årabrot und vor allem ihr Frontmann Kjetil Nernes haben etliches aus der Historie des Postpunk – hier schwer vermutlich vor allem die ersten PiL-Alben – des Noiserock, Gothic und Grunge und aus diversen krachenden Metal-Spielarten aufgesogen, halbgar verdaut speien sie das Zitierte der Hörerschaft mit Vehemenz vor die Füße. Sänger/Gitarrist Nernes trägt scheint’s die von Großvatern ererbte Mormonen-Gewandung auf und dominiert den Sound mit einer satt dröhnenden Glam-Gitarre, die selbst ein Mick Ronson zu Zeiten von „Ziggy“-Bowie nicht vollmundiger krachen ließ, dazu schwadroniert, rumort und marodiert er im Stile der großen britischen Punk-Krakeeler aus den Spät-Siebzigern auf dem soliden Gerüst seiner beiden Rhythmus-Begleiter. Mit der Nummer „Sinnerman“ durchbrach die Band das ergiebig präsentierte Noise-Schema, Jo Quail begleitete hier am Cello, das Stück mutete wie eine von Nick Cave komponierte Piraten-Ballade an, gesungen von Ober-Sister Andrew Eldritch oder einem extrem schlecht gelaunten Michael Gira – oder war es doch Helge Schneider, wie ein geschätzter Konzert-Begleiter sarkastisch anmerkte? Zum Ende hin riss die Combo das Ruder noch einmal herum und zelebrierte ein exzessiv abrockendes, ausgelebtes Lärmen als finalen Abgesang, zu dem der eingebrachte klassische Streicher-Satz der weiterhin involvierten schönen Jo keine zusätzlichen Akzente setzen konnte und letztendlich vergebene Liebesmüh blieb, zu dominierend war da das Feedback-geprägte Krachen der drei skandinavischen Berserker.
Irgendwas muss am eklektizistischen Gewerk von Årabrot dran sein, selbst der große Steve Albini hat bereits seine helfende Hand beim Platten-Produzieren angelegt, am Montagabend fielen die wertenden Meinungen der Hörerschaft über die vierzig-minütige Brachial-Beschallung hingegen alles andere als eindeutig aus – aber eine gepflegte Kontroverse hat der Wahrheitsfindung noch nie geschadet.

Business as usual aus dem Hause Mono, und das ist bei dem gewohnt hohen Niveau ihrer Konzerte alles andere als ein abfälliges Urteil – selbst der Amerikaner Dahm Majuri Cipolla fügte sich nahtlos und ohne Abstriche mit wuchtigem Anschlag in den zwischenzeitlich vakanten Platz hinter den Trommeln, nachdem der langjährige Drummer Yasunori Takada Ende 2017 zu neuen Ufern aufbrach.
Die japanische Postrock-Institution ist derzeit zur Promotion des aktuellen Tonträgers „Nowhere Now Here“ im Lande unterwegs, das Quartett aus Tokyo versteht nach wie vor wie kaum eine zweite Formation des Genres das austarierte Spiel zwischen getragenen, meditativen Ambient-Momenten in melancholischer Versunkenheit und dem unvermittelten Aufrichten der intensiv lauten, überbordenden Gitarren-Soundwände als monolithische Prachtbauten in den Sphären ihrer Klanglandschaften. Mono zählen damit weiterhin unangefochten zur internationalen Speerspitze des Genres, die das emotionale Wechselbad der lauten und leisen Töne in Perfektion beherrscht, das Vereinen von neoklassischen Kompositions-Elementen mit ihren wunderschönen, melodiösen, bis zur fühlbaren Glückseligkeit anschwellenden Gitarren-Crescendi und den finalen, in ihrer alles zersetzenden Radikalität explodierenden Noise-Drones. Am eindrucksvollsten demonstrierten Mono das am Montagabend mit den beiden letzten Nummern des regulären Sets, dem eingangs meditativ getragenen „Halcyon“ und dem Live-Klassiker „Ashes In The Snow“, ersteres kongenial von Jo Quail bereichert und an das Album „Hymns To the Immortal Wind“ erinnernd, zu dem Mono orchestral von einem kompletten Klassik-Orchester begleitet wurden, letzteres als sich langsam anbahnender Sound-Tsunami, in dem der laute Part des Mono-Klangkosmos zu einer alles mitreißenden Feedback-Flutwelle kulminierte.
„Breathe“ fiel mit dem ätherischen Gesang von Bassistin Tamaki Kunishi aus dem gewohnten, rein instrumentalen Rahmen, blieb leider jedoch im Live-Vortrag wie auch in der Studio-Version seltsam blass und austauschbar im gefälligen Wohlklang-Flow, letztendlich aber die einzige Passage, zu der sich die Begeisterung über dieses Konzert bedeckt hielt.
Mit der einzigen Zugabe „Com(?)“ zuletzt ein Werk aus der Frühphase der Band, in der das Quartett noch einmal alle Register ihrer Laut-Leise-Dramatik zog, beide Gitarristen so zum ersten Mal erlebt ihr Gewerk im Stehen verrichteten und Derwisch „Taka“ Goto gar in der Konzert-ausklingenden, atonalen Super-Nova seine Saiten wie einst Hendrix selig mit den Zähnen bearbeitete, bevor er die Komposition durch massives Einwirken auf Regler, Wah-Wahs und andere Effekt-Geräte im atonalen Klangrausch vernichtete.
Mono liefern nach wie vor den hochdramatischen Soundtrack für den Martial-Arts-Eastern, in dem der grausame Rächer mit seinem Hattori-Hanzō-Schwert eigenhändig dem ärgsten Feind die Rübe abhackst…

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Die virtuelle Reste-Schublade (6)

Reingehört – Short Cuts:

Wooden Peak – Yello Walls (2019, Kicktheflame)

Die beiden Leipziger Musiker Sebastian Bode und Jonas Wolter vom Indie/Electronica-Duo Wooden Peak mit einer reifen Grenzgänger-Leistung im – hier tatsächlich sehr spannenden Feld – zwischen extrem gelösten, luftigen, entspannten Post-Pop-Nummern und gehaltvollen Electronica-Experimenten. Minimalistische, tanzbare Songs, mit lakonischem Gesang erzählt, zwischen Mid-Tempo und Zeitlupe, mitunter sehr trocken und anspruchsvoll, dabei mit unzweideutigem Wiedererkennungswert und Ohrwurm-Qualitäten gesegnet, zur Reife gebracht mit digitalen Samplings, charakteristischen Synthie-Gimmicks, hallenden Lautmalereien.
Die Nummern von „Yellow Walls“ laufen nie Gefahr, dass der Sound auf Kosten des Experiments oder wie auch immer gearteter Novelty-Gags ausfranst und sich im austauschbaren, ätherischen, formlosen Ambient/Trance-Geplätscher verliert, bei Wooden Peak steht das Bekenntnis zur Song-Struktur an vorderster Stelle.
Wer auf Aktuelles von Notwist seit geraumer Zeit vergebens wartet und/oder wem beim letztjährigen „Any Day“-Album von The Sea And Cake die Füße und schlimmstenfalls der ganze Rest vom Kadaver bedingt durch urfade Ödnis eingeschlafen sind, bittschön, hier wär die schwer taugliche Alternative, jederzeit auch zur Reanimierung aus dem Koma.
(**** ½ – *****)

Wooden Peak spielen heute live in Halle an der Saale im Café Ludwig und demnächst zu folgenden Gelegenheiten:

16.03.Biesenthal – Camp Concerts
27.03.Brüssel – Le Brass
28.03.Aachen – Raststätte
02.04.Darmstadt – Schlosskeller
04.04.München – Import/Export
08.04.Münster – Pension Schmidt
07.06.Hatzenweier – Grüner Baum
09.08.Feldberg – 3000grad Festival
19.09.Chemnitz – Weltecho

ZKHR – Ride (2019, Spinnup)

Der russische Mulitinstrumentalist Zaytsev Zakhar aka ZKHR setzt auf „Ride“ Eigenkomponiertes fast im Alleingang um, auf drei Nummern geben zwei Gast-Drummer den Takt vor, das Gros an Orchestrierung aus Gitarren, Bässen, klassischem Instrumentarium wie Cello, Violine, Piano und das Organische kontrastierender Abstrakt-Electronica steuert der junge Musiker komplett selbst bei. ZKHR verwebt in seinen von neoklassischer Melancholie dominierten Instrumental-Werken synthetische Ambient-Sounds und sporadisch einsetzende Gitarren-Intensität, die effektvoll platzierten Postrock-Einwürfe entfalten dank ihrer nur selten und punktuell durch die Klanglandschaft rauschende Flut umso mehr Kraft und Effekt.
Jene, die bereits im Sumpf des Schwermuts wandeln, werden durch die von getragener Elegie und meditativer Nüchternheit geprägten Kompositionen nicht hoffnungsvoller gestimmt, und selbst den beschwingt in den Tag gehenden Optimisten wird nach Abhören vermutlich nicht mehr der Sinn nach Tanzbein-schwingen stehen. Trotz feiner Kompositionskunst und entsprechender Umsetzung als Antidepressivum völlig ungeeignet.
(**** ½)

Yodok III – This Earth We Walk Upon (2019, Consouling Sounds)

„Go Man Go, But Very Slow“ warnen Straßenschilder Bus- und LKW-Fahrer im Himalaya-Gebirge an gefährlichen Bergpässen am National Highway 1D zwischen Kaschmir und dem alten Ladakh, diese Aufforderung zum behäbigen und entschleunigten Fortgang haben der belgische Gitarrist Dirk Serries und die beiden skandinavischen Yodok-Musiker, der norwegische Tubaist Kristoffer Lo und der schwedische Drummer Tomas Järmyr, in ihren tonalen Visionen auf ihrer Anfang Februar beim hochgeschätzten Consouling-Label erschienenen Arbeit „This Earth We Walk Upon“ einmal mehr verinnerlicht und umgesetzt. Ein einziges Stück im steten Flow, 63 Minuten live bei einem Konzert in Trondheim mitgeschnitten, eine tonale Kernschmelze aus instrumentalem Postrock, experimentellem Jazz und diffusen Trance-/Neoklassik-Drones, die scheinbar aus dem unbegreiflichen Nichts einer amorphen Sound-Masse in der dramatischen Steigerung zwar lange nur in homöopathischen Dosen, aber doch unaufhaltsam dem finalen Überhitzen entgegen strebt.
(**** ½)

Literatur, wird mir übel nur:

Haruki Murakami – Afterdark (2005, DuMont Buchverlag)

Mit dem warum auch immer in den Feuilletons und von zahllosen beinharten Fans hochgelobten Herrn Murakami und seinen farblosen Protagonisten durch die Tokioter Nacht. Um es vorwegzunehmen: Ohne anhaltende Gähn-Attacken kaum zu bewerkstelligen. Die Story ist bocksimpel, lässt jeglichen Tiefgang oder wie auch immer geartete Relevanz vermissen und ist im Wesentlichen schnell erzählt: Zwei junge Schwestern in ihren Hauptrollen nach Mitternacht, eine im Koma-ähnlichen Dauerschlaf, beobachtet von einem mysteriösen Besucher und dem allwissenden Erzähler, die andere putzmunter und schlaflos bis zum Morgengrauen in der kalten Großstadt unterwegs, über lange Passagen des Buchs in platte Dialoge mit einem desillusionierten, gleichaltrigen Jazz-Musiker involviert. Als undramatischer Beihau: eine chinesische Prostituierte wird in einem Stundenhotel bestohlen, der Täter entpuppt sich als abgestumpfter Büro-Workaholic; eine zufällige Bekanntschaft der schlaflosen Schwester erzählt von ihrer jahrelangen Flucht, ohne dass die Leserschaft erfährt, vor wem oder was oder warum, das ist alles trivial und im Ungefähren belassen, lange bleibt die im Hinterkopf mitschwingende Frage „Kommt da noch was?“ unbeantwortet, am Ende steht ein ernüchterndes „Nein“ – unterm Strich einfach bei weitem zu wenig für gewichtige Literatur, anregende Denk-Impulse oder einfach auch nur unterhaltsamen Lese-Konsum. Minimalistischer Ambient, Trance und meditativer Drone im Zweifel dann doch lieber in musikalischer Darreichungsform, dort ist Sprachlosigkeit und Reduktion Standard und Mittel zum Zweck, in der Literatur ist das in der Form dürftig, für das Nichts muss man keine hunderte von Seiten verschlingen.
Auch stilistisch ist die Reise durch die Nacht ein einziges Non-Event, außer, man hält das simple Aneinanderreihen von Hauptsatz an Hauptsatz und die zu großen Teilen völlig belanglosen Teenager-Dialoge für einen scharfen Move aus der literarischen Trickkiste.
So schaut’s also aus, in „Afterdark“, mit dem vielerorts hochgelobten japanischen Star-Autor. Wenn das alles ist, was der hochgehypte Asiate auf der Pfanne hat, dann können’s den wiederholt für ihn eingeforderten Nobelpreis für Literatur in der Schwedischen Akademie in Stockholm weiterhin gern stecken lassen, selbst die Lachnummer mit dem Nuschel-Bob und seinen kryptischen Folk-Liedlein hat da noch mehr Sinn gemacht, und das will an dieser Stelle was heißen. Jeder gesunde Nachtschlaf ist dieser Lektüre vorzuziehen. Sleep you well in your Bettgestell…

Charles Bukowski – Post Office / Der Mann mit der Ledertasche (1974, Kiepenheuer & Witsch)

Dirty Old Man Bukowski, nach 40 Jahren revisited, das Unterfangen nach 25 Seiten aussichtslosem Kampf mit diesem stilistischen Offenbarungseid grandios gescheitert. In Zeiten der Adoleszenz mag man die Geschichten über den exzessiven Suff, den Stumpfsinn der täglich immer gleichen Lohnsklaverei im Dienste des U.S. Postal Service und Henry Chinaskis deftige Schilderungen seines Geschlechtsverkehrs noch für ein scharfes Gebräu gehalten haben, im Abstand der Zeit erweist sich dieses flache, erratische, auf keinerlei Klimax hinarbeitende Gewäsch in seiner erbärmlichen Ausformulierung dann doch als weithin ungenießbar. Inhaltlich in den Siebzigern und frühen Achtzigern wohl noch mit Provokations-Potential aufwartend, aber: Der Mann konnte einfach nicht schreiben.
Oder um es mit einem Zitat aus einem Dialog zwischen Krimi-Hardboiled-Champion James Ellroy und Hollywood-Autor/Regisseur Bruce Wagner auf den Punkt zu bringen: „A misogynistic, alcoholic sack of shit“„Yeah, a man with small hands and minor gifts“. – Klarer Fall von Haltbarkeitsdatum längst überschritten…

Reingehört (506): Mono

Mono – Nowhere Now Here (2019, Pelagic Records)

Von den japanischen Postrock-Göttern Mono gibt es knapp zweieinhalb Jahre nach dem exzellenten 2016er „Requiem From Hell“-Album und der seinerzeit begleitenden Promotion-Tour etliches an Neuigkeiten zu vermelden: Mit dem New Yorker Multi-Instrumentalisten Dahm Majuri Cipolla als Ersatz-Drummer ist der erste Nicht-Asiate in der Band am Start, nachdem Gründungsmitglied Yasunori Takada Ende 2017 aus persönlichen Gründen die Segel strich, und damit nicht genug an Updates, auf der jüngst erschienen Single „Breathe“ debütiert die liebreizende Bassistin Tamaki Kunishi mit ihren Sangeskünsten in Reminiszenz an die deutsche Underground-Ikone Nico, der Song ist die Vorabveröffentlichung aus dem demnächst erscheinenden neuen Longplayer „Nowhere Now Here“, dem mittlerweile zehnten Studio-Album in der zwanzigjährigen Bandgeschichte. Und eine weitere Konzertreise steht auch an, Termine unten im Anschluss an Blabla, vor Sound und Video.
Takaakira ‚Taka‘ Goto hat die ein oder andere Idee an Electronica-Verzierungen aus der Zusammenarbeit mit John McEntire im Rahmen seines Solo-Projekts Behind The Shadow Drops für das jüngste Mono-Epos entlehnt, daneben findet sich nicht wenig an Erwartungs-Befriedigendem in den zehn neuen, weit ausholenden Kompositionen der Instrumental-Institution aus Tokio: Der orchestrale, sinfonische Ansatz der opulent mit Streichern arrangierten Glanztat „Hymn To The Immortal Wind“ aus dem Jahr 2009, die meditativen, melancholischen, im Extrem resignativen, dieser Welt entrückten Passagen aus früheren Werken wie die sich zu ungeahnten Höhen aufschwingenden, euphorischen Gitarren-Crescendi in ihrer ganzen Soundwand-Pracht, wie sie im Postrock neben Mono nur wenige zur prunkvollen Ausgestaltung bringen. Einmal mehr ein emotionales Wechselbad in seiner kompletten Intensitäts-Palette im fortwährenden Spiel von Licht und Schatten, von zutiefst betrübt bis himmelhoch jauchzend alles dabei an instrumentaler Befindlichkeits-Interpretation, was das Herz des Mono-Fans begehrt, zuweilen mit noch mehr Saiten-Kreischen der vehement traktierten Gitarren, dezent atonaler Verzerrung und Filtern des komplexen Sounds durch nebulös rauschende Hall-Schleier versehen als auf den Vorgänger-Arbeiten.
Stagnation im Austesten stilistischer Möglichkeiten, streng genommen? Mag sein, jedoch bei Mono auf unverändert hohem Niveau, das im Postrock allenfalls von einer Handvoll weiterer auserwählter Begnadeter erreicht wird.
„Nowhere Now Here“ erscheint am 25. Januar in Europa beim Berliner Indie-Label Pelagic Records und für den US-Markt und die mit Strafzöllen belegte Restwelt in Brooklyn bei Temporary Residence Limited.
(*****)

Mono sind im Frühjahr auf ausgedehnter Europa-Tournee unterwegs, zusammen mit der wunderbaren Experimental-Klassik-Cellistin Jo Quail und der norwegischen Noise/Metal-Band Årabrot. In München gibt die heilige Dreifaltigkeit am 29. April im Strom ihr Gastspiel. Weitere Termine im deutschsprachigen Raum:

14.04.Bochum – Rotunde
15.04.Berlin – BiNuu
20.04.Wien – Szene
28.04.Zürich – Bogen F
30.04.Karlsruhe – Jubez
02.05.Leipzig – UT Connewitz

Reingehört (505): Endon

Endon – Boy Meets Girl (2019, Thrill Jockey Records)

Wer meint, im experimentellen Metal, Noise Rock und Hardcore hinsichtlich extremem Lärm und in „Sanges“-Künsten manifestiertem Wahnsinn schon alles gehört zu haben, leihe sein Ohr zur Belehrung eines Besseren der japanischen Formation Endon. Das Quintett aus Tokio reißt mit ihrem aktuellsten Werk „Boy Meets Girl“ wie mit eigentlich jeder vorausgegangenen Aufnahme alles an Barrieren, Grenzen und Konventionen nieder, was aus der härteren Gangart des Musizierens althergebracht wie bewährt ist, und treibt ihren radikalen Ansatz auf ein Level, das gewiss nicht überall auf offene Ohren oder gar Wohlwollen stoßen wird – wer sich jedoch auf dieses Wagnis einlässt, wird reichhaltig belohnt mit Hörerfahrungen-erweiternden Eindrücken, die ohne Zweifel ihresgleichen suchen.
Verzerrte Fuzz-Gitarren, wuchtige Drums, reichlich Noise, Drone und chaotische Feedback-Orgien aus den elektronischen Gerätschaften, und nicht zuletzt das völlig enthemmte Schreien, waidwunde, dem Wahnsinn anheimgefallene Lamentieren, das Schnappatmungs-artige Röcheln und in diesem Zuge verbale Befreien einer Heerschar innerer Dämonen im Vokal-Vortrag von Taichi Nagura verdichten sich zu einem vernichtenden, atonalen Tobsuchtsanfall, der hinsichtlich Destruktion und kompromissloser Extreme eine weitere Steigerung kaum mehr vorstellbar macht. Der durchgeknallt-überdrehte Ansatz der Butthole Surfers in ihren besten Momenten trifft auf die grimmige Härte des Sludge Metal und eine höchst individuelle Ausdrucksform an der Grenze zwischen Brutal-Dadaismus und Zwangsjacke, zwischen Agonie und Ekstase, emotionaler Zerrüttung und verstörendem Durchbrennen sämtlicher Sicherungen.
Aus einem Land, in dem Ideen wie Seppuku und Kamikaze als fatalistische Radikal-Lösungen entstanden und in dem Millionen von Werktätigen täglich den Irrsinn der stundenlangen Anreise zum Arbeitsplatz in öffentlichen Verkehrsmitteln unter Sardinenbüchsen-Konditionen erdulden, darf die Herkunft eines dergestalt radikalen musikalischen Ausbruchs offensichtlich nicht weiter überraschen. Und kein Mensch hat behauptet, dass die Begleitmusik zur meditativen Versenkung und Reflexion der alltäglichen Unbilden eine leise sein muss.
Die konzeptionelle Idee hinter „Boy Meets Girl“ ist der imaginäre Soundtrack für einen Horror-Film über die Liebe, die hier scheint’s seltsamste und dunkelste, zuweilen abartige Blüten treibt, das Album ist im September 2018 beim japanischen Label Black Smoker Records erschienen, ab 15. Februar 2019 darf dann auch der Rest der Welt die Fassung und den Verstand zum extremen Sound der wild-enthemmten Söhne Nippons verlieren, via Thrill Jockey Records.
(*****)

Endon sind im kommenden März zusammen mit dem hochverehrten US/kanadischen Experimental-Metal-Trio SUMAC und der Hardcore-Band Baptists des SUMAC-Drummers Nick Yacyshyn auf Europatournee, Termine wären die folgenden:

14.03.Dortmund – Junkyard
15.03.Brussels – Magasin 4
16.03.Bristol – The Exchange
17.03.Glasgow – Stereo
18.03.Manchester – Deaf Institute
19.03.London – The Underworld
20.03.Paris – Petit Bain
21.03.Karlsruhe – Jubez
22.03.Leipzig – Institut für Zukunft

frameless18: Asa-Chang & Junray, Arturas Bumšteinas, Jana Winderen @ Einstein Kultur, München, 2018-10-11

Am vergangenen Donnerstag fand in den Kellergewölben des Einstein Kultur die 18. Auflage der Münchner frameless-Reihe für experimentelle Musik und Medien-Kunst im digitalen Zeitalter als Auftakt zur Herbstserie nach einer langen Sommerpause statt, wie stets und löblicherweise gefördert aus öffentlichen Mitteln des Musikfonds eV und des Kulturreferats der Landeshauptstadt, präsentiert von der Münchner Kunsthistorikerin/Visual-Artistin Karin Zwack und kenntnisreich wie charmant anmoderiert von Dr. Daniel Bürkner.

Die Klangforschungen und tonalen Experimente zur Erweiterung der Hörgewohnheiten hätten sich nicht breitgefächerter präsentieren können als an diesem Abend im ehemaligen Braukeller-Gewölbe, den ersten Teil der Veranstaltung konzipierte der baltische Komponist und Sound-Künstler Arturas Bumšteinas, der neben seinen veröffentlichten Tonträgern bereits zahlreiche Installationen und Aufführungen für Festivals, Theater und Radio-Hörspiele gestaltete. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Auseinandersetzung mit individuellen und kollektiven Erinnerungen, die sich aus Archiven, Klängen und Fragmenten zusammensetzt. Für frameless18 war als Präsentation eine eigens für die Veranstaltungsreihe entwickelte Arbeit über die Geschichte des Eurovision Song Contest angekündigt, die – wohl wegen der japanischen Herkunft der im Folgenden auftretenden Formation – durch die halbstündige Multimedia-Performance „The Year Of The Catdog“ ersetzt wurde, die der litauische Klang-Tüftler ursprünglich 2016 für eine tschechische Radiosendung umsetzte. Zentrales Thema der experimentellen Dokumentation ist das Herstellen von Ton-Pfeifen und -Flöten mit traditionellen japanischen Brennöfen in einem Dorf 30 Kilometer außerhalb von Bumšteinas‘ Heimatstadt Vilnius, der vom Ehepaar Dorma und Juozas Penkinski und einigen Helfern als viertägiges Ritual begangene Arbeitsprozess wurde vom Experimentalmusiker als Field Recordings und Bildaufnahmen festgehalten, neben dem Knistern des Feuers zum Brennen der Ton-Instrumente waren im abgedunkelten Raum hauptsächlich die Dialoge der Handwerker zu vernehmen, die Bumšteinas auf einer schwarzen Videoleinwand ins Englische übersetzte und gegen Ende der Aufführung mit einer Schlaglicht-artigen Einblendung von Fotos und kurzen Filmen der Aktion anreicherte. Eingangs verlas er vermutlich erklärende Worte zu seiner Aufführung, über Inhalt und Zweck seiner Erläuterungen kann nur gemutmaßt werden, da sich sehr wahrscheinlich kaum jemand im Veranstaltungsraum befand, der der litauischen Sprache mächtig war.
Die Multimedia-Schau begleitete er sporadisch mit seinem Spiel auf Ton-Flöten, die wohl nahe liegend bei der dokumentierten Produktion gefertigt wurden, asiatisch anmutende, simple Meditations-Klänge, die dem spartanischen, minimalistischen Experimental-Charakter der Präsentation leider auch keine weiteren Spannungs-fördernden Elemente beizufügen wussten. Minimal Music und Multimedia-Sampling an der Grenze zum absoluten Stillstand hinsichtlich komplexer Finesse und Hinstreben zu einer wie auch immer gearteten Klimax, als Meditations-Übung mochte diese halbe Stunde durchaus Sinn ergehen, ob daraus tatsächlich alle aus der Zuhörerschaft den großen Kunstgenuss zogen, darf wohl getrost aufgrund des monotonen Charakters der Arbeit in Frage gestellt werden.

Weitaus opulenter, vielschichtiger und komplexer gestaltete sich das Konzert der japanischen Formation Asa-Chang & Junray an diesem Abend: der Gründer und ehemalige Kopf des erfolgreichen Tokyo Ska Paradise Orchestra, Studio-Musiker bei asiatischen Millionen-Seller- und Mainstream-Acts, Bandleader und Perkussionist Asa Chang zauberte mit Unterstützung seiner eigenen Trompeten-Künste, dem Saxophonisten/Flötisten Yoshihiro Goseki, der bezaubernden Anzu Suhara an Violine und Akkordeon und den elektronischen Lauten der „Junray-Tronics“-Maschine ein breitgefächertes Klangspektrum im sich gegenseitig befruchtenden Zusammenwirken von organischer und synthetischer Musik in den Saal. Die drei Multiinstrumentalisten und der programmierte Sprach-Computer präsentierten eine schwer zu fassende, in jedem Fall faszinierende Crossover-Mixtur aus Elektronik-Pop, leichtfüßig beschwingtem Kraut-Space und neoklassischer Kammermusik, das exotisch anmutende Klangwerk scheint von japanischen Kinderliedern, asiatischer Folklore und Eastern-Filmsoundtracks genau so geprägt wie von Mutationen orientalischer Jazz-Spielarten, Spoken-Word-Samplings und dadaistischen Wort-Wiederholungen im Modus gebetsmühlenartiger Endlosschleifen. Die Mensch-Maschine-Kombination beeindruckte mit minimalistischem, permanent wiederholtem Abzählen von eins bis zwölf in japanischer Sprache, das sich zu einem geloopten Trance-Kanon als spirituelles Mantra auswuchs, daneben mit relativ simpel gestalteten Hymnen zwischen fernöstlichem Folk und futuristischer Drone-Untermalung, mit melancholischen Avantgarde-Songs und unbeschwerter J-Pop-Melodik. Eine stilistische Klammer um die heterogenen Songs und Instrumental-Kompositionen war kaum auszumachen, was bei anderen Bands beliebig, erratisch oder konzeptlos erscheinen mag, zeugte bei Asa-Chang & Junray von großer Abenteuerlust auf der Suche nach dem Neuen und einer schier unerschöpflichen Virtuosität im musikalischen Grenzgang.
Die ausufernden Klang-Visionen, kleinen Experimental-Pop-Songs und großen Tondichtungs-Melodramen lösten einst bereits beim berühmten englischen Radio-DJ John Peel Begeisterungsstürme aus, bei der zahlreich erschienenen Münchner Japan-Community und den weiteren Besuchern vom frameless18-Abend verhielt es sich am Donnerstagabend nicht viel anders, und so gewährten Asa-Chang & Junray eine im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe seltene Zugabe nach Entgegennahme des langanhaltenden und verdienten Applauses.

Wo sich sonst im Nebenraum zu den experimentellen Konzerten zumeist außergewöhnliche, unkonventionelle Video- und Multimedia-Arbeiten finden, präsentierte frameless18 die Klanginstallation „Restless“ der Norwegerin Jana Winderen. Die akademisch ausgebildete Musikerin, Mathematikerin, Chemikerin und Fisch-Ökologin konzipierte ihre Field Recordings an der Grenze von Kunst und Naturwissenschaft, die Aufnahmen zu „Restless“ fangen mittels digitaler Technik die Geräusche von Tiefsee-Krustentieren ein, eine abstrakt-tonale Abbildung verborgener Muster der Natur, die mithilfe von vier Lautsprechern die kargen Backsteingemäuer beschallte – in der Theorie ein vielversprechender Ansatz, in der Umsetzung als Hörerfahrung oder Erweiterung des individuellen musikalischen Horizonts indes nur mäßig anregend, in der eigenen Eintönigkeit gefangen und damit in einer Linie mit der puristischen Präsentation von Arturas Bumšteinas am selben Abend. Da gab es in der Vergangenheit durchaus schon von spannenderen frameless-Veranstaltungen zu berichten, wenngleich die drei Japaner und ihre Maschine an diesem Abend im Kampf gegen die Gleichförmigkeit viel wett machten…

frameless19 findet am 14. November im Einstein Kultur statt, Einsteinstrasse 42, München, Einlass 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.
Angekündigt sind Mark Nelson aka Pan American, der legendäre US-Vorreiter abstrakter Experimental-Elektronik, Klangforschungen von Annabelle Playe aus Frankreich und ein Film der Medienkünstlerin Lilli Kuschel, der die Realität und die digitale Traumwelt Hollywoods kontrastiert. Frau/Man darf – wie immer – gespannt sein.