Keiji Haino & SUMAC – American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous To Look At Face On (2018, Thrill Jockey)
Da haben sich zwei gefunden, da stimmt die Chemie: der japanische Experimental-Pionier Keiji Haino und der amerikanische Metal-Extremist Aaron Turner, Hydra-Head-Labelchef und unter anderem Gründer der inzwischen in die Annalen eingegangenen Postmetal-Institution Isis, wie sagen die Alten immer so treffend, die hätten die Tauben nicht schöner zusammentragen können.
Turner, der zusammen mit seinem vor ein paar Jahren ins Leben gerufenen Trio-Formation Sumac, bei der er von Russian-Cicles-Bassist Brian Cook und dem kanadischen Drummer Nick Yacyshyn unterstützt wird, auf den ersten Alben die Grenzen des Post-, Sludge- und Doom-Metal nicht zuletzt hinsichtlich minimalistischer Ansätze antestete, treibt auf „American Dollar Bill“ diese Nummer zusammen mit dem asiatischen Avantgarde-Performer auf die Spitze. Keiji Haino, strikter Drogen-, Alkohol-, Kippen- und Karnivoren-Verächter, ursprünglich von Texten Antonin Artauds wie der Musik der Doors inspiriert, hat in vergangenen Jahrzehnten mit unterschiedlichsten Experimental-Größen wie Peter Brötzmann, Fred Frith, Oren Ambarchi, dem Sunn-O))))-Doom/Drone-Metaller Stephen O’Malley oder der deutschen Krautrock-Band Faust (amongst many others!) zusammengearbeitet. Seine ganze Erfahrung in Sachen Noise, Space-Psychedelic und freie Improvisation ins gemeinsame Projekt einbringend, schwadroniert, plärrt und klagt der Japaner als Leader des Projekts agierend seine Statements herauspressend über einen schier nicht endend wollenden Drone-Metal-Free-Flow im Doppel-LP-Format, der dissonant, verzerrt, abstrakt und im zugänglichsten Fall Ambient-artig durch den Kanal mäandert, ein zuweilen dezenteres, zuweilen von Feedbacks durchzogenes, heftigeres Lärmen als dunkle, chaotische, tonal/atonale Klang-Utopie im Geiste aufgelöster Harmonien und einzelner Töne anstelle zusammenhängender Klangmuster, der Free Jazz des Peter Brötzmann als Pate für mitunter verstörende, dekonstruierte Doom-Metal-Panik-Attacken und Grindcore-Meditationen in völliger Selbstauflösung. Wo Sumac-„Songs“ auf den ersten Tonträgern „The Deal“ und „What One Becomes“ klar abgegrenzte Startpunkte und Enden haben, greifen auf „American Dollar Bill“ die fünf einzelnen Werke symphonisch ineinander, quasi das Konzept des Gesamtkunstwerks als Klammer um die Luft schneidenden Drop-Out-Gitarren, die eskalierend-kollabierende Rhythmik und die ungebremst herausgefeuerten Gedanken-Ströme.
Dem atonalen Wahnsinn Bahn brechend und freies Geleit gebend, jegliche Sicherungs-Anker kappend und Notausgänge versperrend, die Kollaboration Haino/Sumac ist auf dem jüngst erschienenen Thrill-Jockey-Album dabei maximalst inspiriert wie kompromisslos zugange. Enervierend, fordernd, Hörgewohnheiten nicht nur erweiternd, sondern grundlegend schwer in Frage stellend, bei Finden der entsprechenden Zugänge die Hörerschaft aber auch reich belohnend, mehr kann man von einem derartigen Ansatz wohl kaum erwarten.
Wer etwa nach dem letztjährigen, schwerst erschütternden Sumac-Konzert im Münchner Feierwerk zu dem Schluss kam, das dürfte es dann mit Ausloten der experimentellen Möglichkeiten im progressiv-experimentellen Was-auch-immer-Metal so ziemlich gewesen sein, wird sich mit „American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous to Look at Face On“ eines Besseren belehren lassen müssen – anyway, leicht zugängliche Kost sollte bei Keiji Haino und/oder Sumac sowieso niemand ernsthaft erwartet haben.
(**** ½ – *****)