Köşk

Konzert-Vormerker: Earth Tongue + Ippio Payo / Astro Children + Repulsive Woman

Neue Musik from Down Under in München, dank KiwiMusic-Konzertveranstalter Christian Strätz, Christian Solleder vom beloved KAP37 und dem ebenfalls sehr geschätzten Zwischennutzungsprojekt Köşk bietet sich im Oktober gleich zweimal die Gelegenheit im Isar-Dorf, in die Nachwuchs-Szene des New-Zealand-Underground reinzuschnuppern.

Earth Tongue sind ein junges Indie-Duo aus Wellington, Gitarristin/Sängerin Gussie Larkin und Drummer Ezra Simons zelebrieren psychedelischen Fuzz- und Space-Rock in einem Wechselbad zwischen heftigen Gitarrenriffs, wuchtiger Stoner-Härte und kosmischen Drop-Out-Trance-Ergüssen, mit dieser Spielart des SciFi-/LoFi-Acid-Rock hat sich das Paar in der neuseeländischen Heimat in den letzten Jahren einen Ruf als exzellente Live-Band erspielt und ist bereits mit Größen des Genres wie Wolfmother oder Ufomammut aufgetreten. 2016 ist ihre Debüt-EP „Portable Shrine“ erschienen, der erste Volle-Länge-Tonträger ist für Anfang des kommenden Jahres geplant.
Das Münchner Konzert des aufstrebenden jungen NZ-Duos Anfang Oktober im KAP-Schaufenster-Saal wird vom ortsansässigen, vielbeschäftigten Multiinstrumentalisten und Maj-Musical-Monday-Veranstalter Josip Pavlov und seinem Ein-Mann-Instrumental-Postrock-Outfit Ippio Payo eröffnet, alleine dieser Gig ist schon Grund genug, die Veranstaltung zum Pflichttermin zu deklarieren.

KiwiMusic und SchaufensterKonzert KAP37 präsentieren: Earth Tongue + Ippio Payo, KAP37, Kapuzinerstraße 37, München, 4. Oktober 2018. 20.00 Uhr.

Die neuseeländischen Combos auf Flying Nun Records und speziell der Dunedin-Sound waren in den Achtzigern dank gebührendem Bepreisen in Fach-Postillen wie Spex und natürlich nicht zuletzt durch fleißiges Touren der Bands auch in unseren Breitengraden bei KennerInnen des gepflegten Indie-Gitarren-Pop schwer angesagt, in dieser Tradition wandelt auch das gemischte Doppel Astro Children aus – es war zu ahnen – Dunedin, dem zweiten Streich der im Oktober in München von KiwiMusic präsentierten NZ-Perlen.
Sängerin Millie Lovelock mit betörendem Gesang und Gitarre und Drummer Isaac Hickey spielen eine einnehmende Mixtur aus Ohren-schmeichelndem Indie-Pop, geheimnisvoller Shoegazer-Entrücktheit und psychedelischen Velvet-Underground-Reminiszenzen, eine Spielart des undergroundigen Musizierens, zu der den Bands aus Neuseeland seit jeher kaum das Wasser gereicht werden konnte.
Die beiden Astro Children kennen sich seit frühesten Schultagen, veröffentlichten seit 2012 mehrere Tonträger in diversen Formaten und planen für Ende diesen Jahres das Release des Longplayers „Turnpike“, aus dem bereits vorab die Single „Beneath The Visible Surface“ zum Antesten der Spaceship-Pop-Herrlichkeit des Duos veröffentlicht wurde.
Das Vorprogramm des Abends gestaltet Millie Lovelock mit ihrem eigenen Solo-LoFi-Pop-Projekt Repulsive Woman. Ob sie zu der Gelegenheit dann auch leicht bekleidet ihre subtile Lolita-Erotik – wie auf Promo-Fotos gezeigt – einsetzt, wird sich zeigen…

KiwiMusic präsentiert: Astro Children + Repulsive Woman, Köşk, Schrenkstraße 8, München, 18. Oktober 2018. 19.00 Uhr.

Embryo feat. Ahmed Ag Kaedi, Abathar Kmash, Ramdan Mohcine, Orion Congregation @ Mali Maghreb Mashrek Festival, Köşk, München, 2018-08-02

Zwei Tage Mali Maghreb Mashrek Festival in den Räumlichkeiten des Zwischennutzungsprojekts Köşk im Münchner Westend, mit Workshops zum Thema „Die Musik der Tuareg“ und Aufführungen der Dokumentarfilme „Mali Blues“ von Lutz Gregor und „Al Oud“ von Fritz Baumann, hochspannende Programmpunkte allesamt, leider zu einer Tageszeit, zu der das werktätige Volk gemeinhin anderweitig eingespannt ist, aber für den abendlichen Besuch eines Konzerts im Rahmen der Veranstaltung ist es sich immerhin zeitlich ausgegangen, Gottlob.
Organisiert wurde das feine Themen-Programm von Marja Burchard und ihrem vom eigenen Vater übernommenen Kraut/Jazzrock/Worldbeat-Kollektiv Embryo, die Münchner Improvisations-Prog-Institution lud sich zum Kontext der Veranstaltung passend eine Reihe illustrer Gäste aus dem Norden des afrikanischen Kontinents und dem Nahen Osten zur gemeinsamen, ausgedehnten Session, zu der sich dann auch noch der ein oder andere spontan vorbeischneiende Musiker gesellte. Der Tamasheq/Tuareg-Blues-Gitarrist Ahmed Ag Kaedi, Bandleader des in Mali beheimateten Trios Amanar, reiste in Begleitung befreundeter Musiker der Berliner Formation Orion Congregation an, der mittlerweile im Exil lebende Kaedi startete mit der solistischen Interpretation seiner Desert-Blues-Songs und dem für die Region typischen Anschlag der Gitarre, der den westlich geprägten Blues von John Lee Hooker bis Mark Knopfler mit traditionellen nordafrikanischen Stilmitteln verbindet und damit den Hitze-flirrenden, luftigen Swing der Sahara-Region akustisch einfängt. Der hypnotische Flow der elektrischen Gitarre war weiter tragendes Element der personell variabel besetzten Jam-Improvisation, zu der sich naheliegend Marja Burchard mit ihrem grandiosen Vibraphon- und Marimba-Spiel wie psychedelischen Keyboard-Exkursionen, der Münchner Allround-Bläser, langjährige Embryo-Musiker und Express-Brass-Band-Leader Wolfie Schlick mit Querflöte und Saxophon und die hiesige Country/Blues-Koryphäe Titus Waldenfels am Banjo nebst weiteren Embryo- und Orion-Congregation-Musikern einfanden und damit den typischen nordafrikanischen Desert-Blues um funky Kraut-, Fusion-Jazz- und swingende Bluegrass-Elemente erweiterte – eine mehr als gelungene Symbiose der exzeptionellen Fertigkeiten des Ausnahmemusikers aus dem Nordosten Malis (der im Übrigen auch im erwähnten Film von Lutz Gregor eine Rolle spielt) und seiner sehnsuchtsvollen Melodien, treibenden Rhythmen und Songs über Hoffnungen, angeprangerte Korruption, „the real rebellion“ der Tuareg und das Leben fern der Heimat mit dem Crossover-Ansatz der kongenial im Spontan-Fluss groovenden Mitmusikanten aus heimischen Gefilden.
Für weitere Highlights an diesem Abend sorgten die Auftritte des marokkanischen Gnawa-Perkussionisten Ramdan Mohcine und des syrischen Oud-Spielers Abathar Kmash, der mit seinem beseelten Spiel auf der akustischen Kurzhalslaute Elemente aus der arabischen Volksmusik und der nahöstlich-persischen Klassik in die instrumentale Weltreise einbrachte. Vor allem solistisch konnte der akademisch ausgebildete Grenzgänger zwischen U- und E-Musik seine Virtuosität auf dem mit dem deutschen Wort „Holz“ übersetzten Oud-Instrument eindrucksvoll demonstrieren, im Verbund mit kleinem Ensemble drohten die feinen Saiten-Klänge leider mitunter im breiteren Sound-Spektrum des intensiven Weltmusik-Trance-Drives zu verschwinden, dafür war’s dann doch bei weitem zu schade, ansonsten gab es tatsächlich nichts zu monieren bei dieser raumgreifenden Zusammenkunft international renommierter musikalischer Grenzgänger und ihrer kunstvollen Illumination durch die analoge „Liquid“-Psychedelic-Lightshow der Kreuzer Lichtmaschine.
Wenn schon sonst in anderen Bereichen unserer Gesellschaft eher selten bis kaum, so funktioniert das Miteinander der unterschiedlichsten Kulturen in der Musik von Embryo und ihren Gästen aus allen Winkeln dieser Welt wie seit Jahrzehnten auch in der zweiten Generation vorzüglich, das Konzert vom Donnerstag-Abend wie schwer vermutlich auch die Wiederholung unter anderem mit dem Weltmusik-Pionier und langjährigen Embryo-Gitarristen Roman Bunka Tags darauf bezeugten dies einmal mehr in angenehmster und eindrücklichster Form.

Futuro de Hierro + Dame Area @ Pension Noise #11, Köşk, München, 2018-06-07

Zwei lärmende und höchst anregende experimentelle Projekte vom jungen Duo Silvia Konstance und Víctor Hurtado aus Barcelona am vergangenen Donnerstag im Rahmen der Veranstaltungsreihe Pension Noise im Münchner Köşk: Eingangs abstrakte Noise-Drones, rhythmisches Industrial-Pochen, verzerrte Beats, Heavy Ambient Space-Out-Soundtracks und irrwitziges Synthie-/Sampling-/White-Noise-Gelichter im steten Flow von Futuro de Hierro unter Federführung und garniert mit Trance-verwandten Spoken-Word-/Post-Rap-Sprachfetzen im politischen Kontext von Multi-Instrumentalist Hurtado aka Viktor Lux Crux, der in der Vergangenheit bereits mit musikalischen Avantgarde-Größen wie Jochen Arbeit und Nurse With Wounds zusammenarbeitete und an dem Abend von Silvia Konstance Knöpfe-drehend und damit raumgreifendes Electronica-Dröhnen und -Pfeifen erzeugend an Korg-Gerätschaften begleitet wurde, die Selbstauskunft des spanischen Klangkünstlers blieb an dem Abend unwidersprochen: „His live performances are high octane and visceral sonic assaults of disjointed rhythms, noise and vocals“. Durchaus. Musik zum Erleben mit allen verfügbaren Sinnen.

Nach kurzer Umbau-/Verschnauf-/Getränke-Pause sodann im zweiten Teil des Experimental-Pakets das Projekt Dame Area mit Silvia Konstance als Chefin im Ring, weitaus tanzbareren Polter-Rhythmen und minimalistischer Elektro-Melodik. Tribalistischer, bewusst primitiv gehaltener Industrial-Beat traf auf synthetische Großstadt-Kälte in Gestalt von Post/Electropunk-, Achtziger-Proto-Industrial- und Synth/Wave-Pop-Reminiszenzen im Geiste von Genesis P-Orridge, Gary Numan und Alan Vega, zu denen die junge Frau frontal das Publikum animierend den gesamten Zuhörerbereich als Bühne nutzend als extrovertierte Electronica-Lolita ihre Stakkato-/Propaganda-artigen Schlagwörter schwadronierte, repetitive Kampfansagen, Statements, auf Kern-Aussagen reduzierte Schlaglichter, vermutlich auch hier mit politischen Inhalten, Zivilisations-Kritik/Verdrossenheit, was auch immer. Musik in Gedenken an eine Zeit, in der die Aufbruchstimmung gewaltig, der Forschergeist ausgeprägt und der Wille zum Aufbauen neuer Klangstrukturen, Zerstören althergebrachter Muster, Do-It-Yourself groß war, mit großartigen Ergebnissen auf Throbbing-Gristle-, Joy-Division-, Cabaret-Voltaire- und vielen anderen Tonträgern, so auch in der konzertanten, doppelten Intensiv-Bedienung am Donnerstag-Abend im Münchner Westend.

Trrmà + Mimi Kawouin + NAQ @ Köşk, München, 2018-04-05

International besetztes Experimental-Dreierpack am vergangenen Donnerstag im Münchner Köşk. Den rein instrumentalen Abend der avantgardistischen Klänge eröffneten Giovanni Todisco und Giuseppe Candiano aus dem italienischen Bari mit ihrem Projekt Trrmà, in ihrem Vortrag ließen sie die Welten der analog erzeugten und digitalen Klänge miteinander verschmelzen, die abstrakten Interferenzen, das weiße Rauschen und das Nerven-anbohrende Noise-Pfeifen, das der Elektroniker Candiano seiner Synthie-Kiste durch Knöpfe-Drehen und Umstecken einzelner Modul-Verbindungen in den Raum schickte, wurde von der perkussiven Begleitung Todiscos strukturiert und für die Hörerschaft in gut konsumierbare Form gebracht. Der Trommler demonstrierte seine Kunst in einem weit gefassten Spektrum, klassisches Paukenschlagen, martialisches Antreiben und afrikanische Stammes-Polyrhythmik in vehementer Wucht wechselten mit filigranen Triangel-Klängen und monotoner Krautrock-Hypnose zur Begleitung der artifiziellen Freiform-Electronica.
(**** – **** ½)

Wo beim Trrmà-Klanggebilde der beiden Süditaliener dank weitgehend vertrauter Taktgebung das Mitnicken und Eingrooven zum monoton-kargen, latent verstörenden Endzeit-Rauschen noch halbwegs ohne große Anstrengung gelingen mochte, verlangte der zweite Vortrag des Abends vom Auditorium weitaus mehr Zuwendung und aufmerksames Auseinandersetzen mit einem dargebotenen Noise-Soundtrack, den der Franzose Mimi Kawouin – beim Münchner Auftritt ohne seine seltsam-lustige Kostümierung – auf die für das Experimentelle aufgeschlossenen Konzertbesucher abfeuerte.
Aus einem Arsenal an digitalen Gerätschaften und verkabelten Maschinen, optisch begleitet von nervösem Neonröhren-Flackern, entlockte der Solokünstler eine lärmende Drone-Kakophonie, die in ihrer ganzen atonalen Pracht mit einem harten und aggressiven Ansatz den inneren Ästheten antestete, gefälliges Zappeln und Zucken war immerhin dann geboten, wenn sich aus dem abstrahierten Grundrauschen über Rückkopplungen und Loops ein monotoner, gefangen nehmender Industrial-/EBM-Beat herauskristallisierte, der sich in Wiederholungen in einem Verglühen in Intervallen im chaotischen Klangkosmos-Nirvana verabschiedete, um in mutierter Form im steten Lärm-Flow verschiedene Reinkarnationen zu durchlaufen. Sicher keine konzertante Grenzerfahrung für Jedermann/frau, aber die waren zu der Gelegenheit in den Zwischennutzungs-Räumlichkeiten im Münchner Westend auch nicht zugegen.
(****)

Den Abend beschlossen nach den intensiven Aufführungen der europäischen Nachbarn die beiden ortsansässigen Münchner Künstler von NAQ/Nobody Answers Questions mit weitaus vertrauteren und in dem Kontext gleichsam konventionelleren musikalischen Strukturen und audiovisuellen Stilmitteln. Das Duo NAQ formiert sich aus dem MajMusicalMonday-Veranstalter und in zahlreichen Münchner Postrock- und Indie-Bands engagierten Multiinstumentalisten Josip Pavlov (Ippio Payo, The Grexits, Majmoon, Zwinkelman, Das Weiße Pferd) und dem Lichtkünstler Michael „Gene“ Aichner aka Genelabo.
Optisch begleitet von einer sehenswerten Videoinstallation/Visual-Show loopte Pavlov den Bass, ein wuchtig-dumpfes Trommeln und filigranes Spiel auf dem Xylophon und begeisterte einmal mehr mit seiner von repetitiven Gitarren-Riffs und einer ureigenen, individuellen Klangsprache geprägten Postrock-Spielart, die sich bei NAQ deutlich dunkler, melancholisch entrückter, in düstereren Farben gezeichnet und meditativer gebärdet als der Ansatz, den der begnadete Klangkünstler solistisch oder im Zusammenspiel mit dem hiesigen Drummer Tom Wu unter dem Namen Ippio Payo firmierend pflegt. Gleichwohl findet sich auch bei Nobody Answers Questions alles, was die exzellenten Auftritte des Musikers und Komponisten in jedweder Konstellation stets auszeichnen: ein Öffnen und stimmiges, fundiertes Erweitern des gängigen Instrumental-Postrocks in vielerlei Richtungen, ein Einbinden von Krautrock- und Progressive-Ansätzen, Art-Rock- und Avantgarde-Pop-Zitaten, Ambient-verwandtes Hineinversenken in Trance-haften, hypnotischen Klang-Fluss und intensives Lärmen wie Anlehnungen an klagenden, mäandernden Balkan-Folk. Einmal mehr ein einnehmend-faszinierender, höchst gelungener Auftritt, mit dem sich Pavlov und Co vor keinem prominenten Namen der instrumentalen Indie- und Experimental-Musik verstecken muss.
Josip Pavlov spielt am kommenden Donnerstag, 12. April, ein Solo-Konzert unter seinem Alter Ego Ippio Payo im Münchner Kafe Kult, in dem Rahmen wird auch das italienische Noise-/Experimental-/Postpunk-Duo So Beast aus Bologna auftreten.
Beim Maj Musical Monday #87 am 16. April in der Münchner Glockenbachwerkstatt ist Pavlov und sein Duett-Partner Dominik Lutter mit dem gemeinsamen Akustik-Postrock-Duo Zwinkelman zu sehen und hören, den zweiten Teil der Veranstaltung wird der englische Gitarrist John Dorr mit seinem Postrock-/Neoklassik-Projekt Stems bespielen, das im vergangenen Jahr auch als Teil der wunderbaren französisch-britischen Kollaboration The Chapel Of Exquises Ardents Pears mitwirkte, man darf gespannt sein.
(*****)