Krauthammer

Nekropolis + Karaba @ Import/Export, München, 2018-10-18

„Söder will in den Weltroum, wir kümmern uns um die Kronkenschwöstern“ ließ Opfesoft-für-olle-Oiwonger bei einer Pressekonferenz seiner Freien Wähler zu den Sternenfahrer-Plänen von Astronauten-Söder und seinem Projekt „Bavaria One“ verlauten, ein sinnigeres wie naheliegenderes Thema für die Koalitionsverhandlungen mit den Blendraketen-Zündlern der CeeeSu, zumal die Erforschung der Sternen-Galaxien in München längst in weitaus kompetenteren Händen liegt, zuforderst bei den Veranstaltern des sporadisch anberaumten Spaceshizzle, zu dessen aktuellster Ausgabe am vergangenen Donnerstagabend die beiden Krautrock-Formationen Nekropolis und Karaba luden, Cape Canaveral zum Abflug in die endlosen Weiten der freien Space-Improvisation war zu der Gelegenheit das Zwischennutzungs-Projekt der Import/Export-Kantine, wie stets in dem Rahmen buntfarbig illuminiert von der Kreuzer Lichtmaschine.

Den ersten Ausflug ins All wagten die Musiker von Karaba mit neuem, bis dahin nicht live gespieltem Material, die Münchner Formation under the influence der Ethno-Jazzkrauter Embryo und diverser anderen Ingredienzen war an diesem Abend zum Trio geschrumpft, was dem komplexen Sound hinsichtlich Kompaktheit und direktem Zugreifen auf die Hirnwindungen der Hörerschaft keinesfalls schadete, ohne Stamm-Basser Maasl Maier improvisierten Louis Bankvas an der E-Gitarre, Jakob Thun am Schlagzeug und Andreas Kainz an den Fender Rhodes Keyboards für gut fünfundvierzig Minuten im ausgedehnten Flow im schweren Canterbury-Scene-Prog-Rock, im psychedelischen Space-Gelichter und vor allem in ihrer ureigenen Spielart des instrumentalen Jazzrock. Die satten, frei fließenden, in ferne Galaxien vorstoßenden Orgel-Töne verdichteten sich zu einem weitläufigen Klangteppich, zu denen Trommler Thun variantenreich und straigt im Anschlag die rhythmischen Finessen lieferte und den Rahmen absteckte, in dem sich Gitarrist Bankvas zwischen stilistischen Fixsternen wie McLaughlin, Fripp, Zappa und angejazztem Band-Of-Gypsys-Hendrix mit beschwingt funky, filigranem wie mitunter hart zupackendem Anschlag seiner sechs Saiten auf den Klang-forschenden Trip begeben durfte. Wo bei Karaba zu früheren Apollo-Missionen ab und an zuviel an Keyboard-Dominanz auf die Zuhörerschaft einwirkte, mit Kurs auf ein schier unerschöpfliches Nirvana zudriftete und zu Gelegenheiten dahingehend auch ausfranste, präsentierte sich das Trio am Donnerstag als demokratisch agierende Einheit aus einem Guss, sozusagen ohne Worte mit einer Stimme sprechend, dem Klangbild hat’s nur gut getan und den Raumflug nach etlichen Erdumrundungen wieder im sicheren Hafen ohne Komplikationen landen lassen. Die Band hat im Übrigen seit September mit „Schwester Mondreal“ ein neues Album über youtube am Start, reinhören und gepflegtes abspacen lohnt, auch für Jazzrock-Fremdler, klickst Du hier.
Karaba sind demnächst im Rahmen des Krauthammer IV wieder live zu sehen und zu hören, zusammen mit der französischen Krautrock-Band Abschaum aus Lyon, am 29. November im Glockenbachviertel-Club Milla.

Die zweite Sternenfahrt des Abends übernahm kein Geringerer als Münchens Krautrock-Urgestein Peter Frohmader mit seinem Mutterschiff Nekropolis. Der renommierte Experimental-Musiker, Kunstmaler und Spezi von Größen wie Damo Suzuki und HR Giger wurde an diesem Abend einmal mehr seinem Ruf als Urvater des Gothic-Krautrock gerecht und gab die Flugroute vor in Sachen ausgedehnter Psychedelic, harter Progressive- und Post-Rock, irrlichternde Noise-Drones und dunkel schimmernde Elemente aus der Ursuppe des Dark Wave und Postpunk. Frohmader als versiertem Taktgeber am Rickenbacker-Bass würde längst der Titel „Thunderfingers“ zustehen, wäre der nicht seinerzeit an den Who-Kollegen Entwistle vergeben worden, wie der legendäre Musiker des britischen Kult-Quartetts spielt auch Frohmader auf seinen vier Seiten weit mehr Soli als Rhythmen und schwört so in völlig freier Improvisation die Band-Begleiter mit seinem harten Anschlag und seinen dröhnenden Tunes auf die ausgedehnten Klangreisen ein, die in urtypischer und unnachahmlicher Nekropolis-Manier zwischen herrlicher Progressive-Melodik, mitunter gar erhabener Hymnik, zwingender, Black-Sabbathianischer Härte und düsteren Abstrakt-Space-Milchstraßen mäandern. Peter Frohmader als zentraler Dreh- und Angelpunkt, Soundwelten-Erschaffer und dekonstruierender Zerstörer, musikalischer Brahma und atonaler Shiva in Personalunion, begleitet an dem Abend von Keyboarder Udo Gerhards, der mit seinem Tastenspiel das bei weitem elementarste Kraut-Element in das komplexe Improvisations-Geflecht einbrachte, kongenial wie Gerhard „Machtkrampf“ Lallinger als musikalischer Antipode – der Musiker, Texter und Kopf der Münchner Punklegende Rauschangriff bringt durch seine spontan eingestreuten Antworten mit messerscharfen Riffs und jahrzehntelang geschultem Verständnis für die Möglichkeiten der jaulenden, krachenden und schneidenden Saiten der Rockgitarre die entsprechende Dringlichkeit und zusätzliche Vehemenz in die heterogenen, spannungsgeladenen, jederzeit tragenden Soundwände ein.
Die derzeitige Nekropolis-Stammformation Frohmader, Lallinger und Gerhards wurde an diesem Abend von Drummer Tom Henzen begleitet, der sich nahtlos und formvollendet ins freie Improvisieren einbringende Virtuose ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt in der hiesigen wie überregionalen Musik-Szene, Kooperationen und Studio-Arbeiten mit dem Bayerischen Staatsorchester, im Rahmen internationaler Produktionen mit Diana Ross, Gianna Nannini und diversen Hardrock-Acts zeugen von einer nicht alltäglichen Vita und entsprechendem Talent.
Nach einstündiger Hypnose mittels ausgedehnter Klang-Expeditionen durch eine Handvoll improvisierter, zu dieser Gelegenheit spontan entstandener Nummern war dem Quartett der hochverdiente, frenetische Applaus der Nekropolis-Gefolgschaft gewiss, angetan von der euphorischen Reaktion ließen sich Frohmader und Co zu einer weiteren Jam-Session überreden, die von eingangs swingender Leichtfüßigkeit in das stürmische Fahrwasser dramatischer Progressive-Epen mündete, ein würdiger Abschluss eines intensiven Ausflugs in die kaum ausgeleuchteten und erforschten Kraut-, Prog- und Drone-Galaxien.
Das „Bavaria One“-Projekt von diesem unsäglichen Frankenbeitl Söder kann sich daneben nur als verheerender Rohrkrepierer ausnehmen, insofern darf man dem Oiwonger gutes Gelingen beim Ausbremsen der freistaatlichen Raumforschungs-Pläne im Rahmen der laufenden Koalitionsverhandlungen zur Bildung der nächsten bayerischen Landesregierung wünschen – der Münchner Orbit ist unter dem Motto „Space Is The Place“ bereits prominent bevölkert mit grandios funkenden Satelliten wie eben Nekropolis und Karaba oder weiteren leuchtenden Himmelskörpern wie Ippio Payo, One Trip Pony, Bosch, Verstärker, to name a view…

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Nekropolis, Karaba, One Trip Pony @ Krauthammer Vol. 1, Milla, München, 2018-01-11

Schwergewichtiges Münchner Dreier-Paket an Instrumental-/Experimental-Rock unter dem Motto Krauthammer im Geiste der Progrock-Hochzeiten am vergangenen Donnerstag-Abend im Keller-Underground des Glockenbachviertel-Clubs Milla:

Die Eröffnungsnummer gab das junge Münchner Trio One Trip Pony, im Englischen wird jemand/etwas als „One Trick Pony“ bezeichnet, den oder das man nur für eine spezielle Sache richtig gut gebrauchen kann, aus diesem Anglizismus-Idiom wird wohl der abgewandelte Bandnamen herrühren, eine durchaus passende Benamsung, denn den völlig losgelösten, sich in permanenter tonaler Super-Nova entladenden Improvisations-Space-Rock beherrschten die drei jungen Männer formvollendet aus dem Effeff. Drop-Out-Experimentelles aus den Saiten der Gitarre und Sitar inklusive Soundmanipulation durch fleißiges Regler-Drehen, in die Weiten der Dimensionen treibendes, virtuoses wie versiertes Perkussiv-Wetterleuchten und ein  freigeistiges, Dur-geprägtes Keyboard-Spiel aus dem Stegreif im Geiste der Frühsiebziger-Prog-Psychedelic-Bands an Bass-, Roland- und Fender-Rhodes-Orgel ergaben im Kombinat losgelöst von jeglichen Vorgaben eine bunte Wunderwelt an Klangexplosionen im weiten Weltenraum – umso härter fiel die Landung nach Ende des konzertanten Sternenwanderns in der realen Welt. Da haben junge Menschen an den richtigen Stellen in der Plattensammlung der Altvorderen gestöbert und höchst Anregendes aus der goldenen Ära des Krautrock zutage gefördert. „Get on your pony and ride to the edge of your mind and enjoy this far out avantgard trio experience!“ forderte die Band vollmundig im Vorfeld die Hörerschaft auf, das war tatsächlich nicht zu groß getönt und hat in der Tat prima funktioniert. Gerne beizeiten mal wieder angetreten, dieser Ausflug in andere Sphären und weit entfernte Klang-Galaxien…
(**** ½ – *****)

Viel Platz für freien Flow genehmigte sich auch die junge Münchner Formation Karaba, wenn auch der Rahmen, in dem sich das Quartett bewegte, eine ausdefiniertere Form vorgab. In der Triangel Prog-, Psychedelic- und vor allem Jazz-Rock tummelten sich die Musiker in Anlehnung an Siebziger-Vorbilder von Embryo über Amon Düül bis Canterbury-Größen wie Soft Machine und den expliziten Jazz-Verflechtungen ausgewählter Zappa-Preziosen in technischer Brillanz. Keyboarder Andreas Kainz, der bereits zuvor bei One Trip Pony sein ausgewiesenes Talent an den Tasten unter Beweis stellte, durfte auch den zweiten Akt des Abends begleiten und reihte sich ein in den Reigen der versierten instrumentalen Darbietungen an Bass, Drums und Doppelhalsgitarre, das außerordentliche Können der jungen Musikanten nötigte den gebotenen Respekt ab, wenn auch für Jazz-Rock-Skeptiker und -Atheisten dieses stilistische Element zu sehr den maßgeblichen Lead übernahm, selbst ausgewiesene Experten zum Thema ließen sich nach diesem latenten Überstrapazieren zu quasi-resignierter Äußerung hinreißen: „In nächster Zeit dann erst mal keinen Chick Corea mehr…“ ;-)))
(****)

Das Grande Finale des Abends bespielte der Musiker und Kunstmaler Peter Frohmader mit seiner Band Nekropolis, der Münchner wird in der Presse gerne als Urvater des Gothic gefeiert, wegen seines ausgedehnten Schaffens in den Bereichen Krautrock, Experimental-Electronica und Drone seit den frühen Siebzigern, und wohl nicht zuletzt auch wegen seiner früheren Verbindungen zum weltbekannten Schweizer SciFi-/Okkult-Malerfürsten HR Giger.
Am Donnerstag-Abend demonstrierte Frohmader im Verbund mit seinen Begleitern einmal mehr, dass er nach wie vor am musikalischen Puls der Zeit agiert, die ausgedehnten Improvisations-Stücke, für die der Bandleader mit hartem Anschlag am Rickenbacker-Bass das Einstiegsmotto vorgab und dann den Werken wie seiner Band freien Lauf und Luft zum Atmen gewährte, entwickelten sich in einer überbordenden, oft euphorisierend-mitreißenden Klangwelle in Richtung harter, stringenter Drone-Instrumental-Rock, der die Grenzen der Siebziger-Jahre-Prog/-Kraut-Psychedelic weit hinter sich ließ und in einem bezwingenden Flow wiederholt und ausgedehnt Einflüssen aus dem Postpunk und der hypnotischen Kraft des Trance Tribut zollte, selbst die aktuellen Soundwände und wunderschön-dramatischen Effekte des Postrock hallten im Klangbild der Improvisations-Formation nach. Maßgebenden Anteil am zupackenden wie beglückenden Nekropolis-Sound hatte neben dem strammen, Solo-artigen Bass-Anschlag von Peter Frohmader selbst, der grundsoliden wie das Gesamtkonzept tragenden Keyboard-Arbeit von Udo Gerhardt und dem wuchtig-treibenden Anschlag von Drummer Reiner Ewert das schneidende, mit Messer-scharfen Riffs arbeitende, kongeniale Gitarrenspiel vom Münchner Ur-Punk und Rauschangriff-Boss Gerhard „Machtkrampf“ Lallinger, der an dem Abend einmal mehr unter Beweis stellte, dass er soviel mehr an Talent und meisterlichem Können als die berühmten drei Akkorde des Punkrock-Gepolters zu bieten hat.
Mit ihrer explosiven Mixtur setzten Frohmader und Nekropolis den fulminanten Schlusspunkt für eine insgesamt überaus gelungene erste „Krauthammer“-Ausgabe – man darf aufgrund der gebotenen Qualität gespannt sein auf die hoffentlich zahlreichen Fortsetzungen…
(***** – ***** ½)

Für die diffusen bunten Bilder zur Visualisierung der Sound-Trips zeichnete das Lichtkünstler-Kollektiv Kreuzer Lichtmaschine mit einer analog präsentierten Mixtur aus Sixties-Psychedelic-Farbexplosionen und sporadisch mittels Super-8-Projektor darübergelegtem Schweinkram aus Uralt-Porno-Schmuddel verantwortlich, UFO Club goes Oswalt Kolle oder so ähnlich, 50 Jahre später, ja mei, wer’s braucht…