Lesung

Robert Forster @ Buchhandlung Dombrowsky, Regensburg, 2017-11-09

Der Heyne-Verlag hat in der Stadt seinen Firmensitz, trotzdem ist München bei der Lesereise zu Robert Forsters kürzlich erschienener, lesenswerter Autobiografie „Grant & Ich. The Go-Betweens und die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft“ leer ausgegangen, für die renommierte Regensburger Buchhandlung Dombrowsky hingegen war es ein leichtes, die australische Indie-Legende für eine ausgedehnte Abendveranstaltung zu engagieren, langjährige persönliche Beziehungen des Songwriters zum Buchladen und nicht zuletzt die Herkunft von Forsters Ehefrau Karin Bäumler aus dem Regensburger Umland spielen dahingehend eine gewichtige Rolle.
Nach einer kurzen wie charmanten, von persönlichen Erinnerungen geprägten Einführung durch Ladeninhaber Ulrich Dombrowsky übernahm Rolling-Stone-Schreiber Maik Brüggemeyer die Moderation des Abends. Der Rock-Journalist, der auch für die Übertragung der Forster-Erinnerungen ins Deutsche verantwortlich zeichnet, merkte an, den Original-Titel „Grant & I“ habe er kongenial in „Grant & Ich“ übersetzt, und beim Rest hätte er sich auch nicht wesentlich mehr Mühe gegeben, wer das Buch bereits gelesen hatte, mochte an der Stelle zwar den verdienten Lacher anbringen, aufgrund einiger holpriger Passagen im Text aber nicht widersprechen.
Brüggemeyer trug einen kurzen Abschnitt aus dem Werk vor, damit war der Vorlese-Teil der Veranstaltung bereits abgehandelt, anschließend gesellte sich der Star des Abends auf die Bühne und beantwortete ausführlichst, humorig wie einnehmend die Fragen des Rolling-Stone-Redakteurs, die sich neben der nahe liegenden Bandbiografie der Go-Betweens und der jahrzehntelangen Freundschaft und Arbeits-Beziehung Robert Forsters zum 2006 verstorbenen Go-Betweens-Co-Songwriter Grant McLennan um Themen wie literarische Vorlieben, Images in der Rockmusik, die Ratlosigkeit eines 18-jährigen hinsichtlich beruflicher Zukunft inklusive eines im Keim erstickten Ansinnens einer Friseur-Ausbildung, das Fehlen jeglicher Kreativität im Hochschul-Fach „Creative Writing“, die Herkunft von Robert Forsters zweitem Vornamen „Derwent“, grauenvolle Autorenfotos, die Humboldt-Universität in (Ost-)Berlin und gutes Songwriting als beste Musik-Kritik drehte.
Auf die Frage Brüggemeyers, ob Robert Forster bei der literarischen Aufarbeitung seiner Beziehung zum Freund McLennan von Patti Smiths Buch „Just Kids“ beeinflusst wurde, in dem die New Yorker Punk-Ikone ihr Verhältnis zum 1989 verstorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe in den Mittelpunkt stellt, meinte der australische Indie-Musiker, das Buch hätte sicher bei der Arbeit an seinem Werk eine Rolle gespielt, grundsätzlich wäre er aber seit jeher von künstlerischen Beziehungen wie der von Lennon/McCartney, Picasso/Braque oder der Zusammenarbeit der jamaikanischen Reggae-Stars Bob Marley und Peter Tosh fasziniert gewesen, insofern war es auch ein Glücksfall, dass er und McLennan sich über gemeinsame Interessen zu einer gedeihlichen wie freundschaftlichen Kooperation fanden.
Und einmal mehr bestätigte sich eine der Binsenweisheiten der Rock-Historie, diejenige zum ersten Velvet-Underground-Album, die besagt, dass der Meilenstein zwar seinerzeit kaum gekauft wurde, aber jeder, der ihn erwarb, im Nachgang eine Band gründete. Forster betonte, dass er noch vor dem Hören der Platte vom VU-Bandfoto völlig angetan war hinsichtlich der Präsenz der Teutonen-Schönheit Nico und der androgynen Drummerin Maureen Tucker neben den drei Kerlen, ihm und Grant wäre von Beginn an klar gewesen, dass mit Lindy Morrison eine Frau an den Go-Betweens-Drums sitzen musste, mit dem Einstieg von Amanda Brown als fünftes Bandmitglied war für ihn 1986 das Besetzungs-Ideal erreicht.
Robert Forster garnierte und bereicherte den launigen Literatur-Abend zur großen Freude der zahlreich anwesenden Musik-Freunde mit einer Auswahl seiner Songs, neben einer brandneuen Nummer kamen Stücke wie das längst zum Klassiker gereifte „Clouds“ vom „16 Lovers Lane“-Album der Go-Betweens, „Darlinghurst Nights“, das in Regensburg entstandene „Surfing Magazines“ und das autobiografische „Born To A Family“ zum Vortrag, zu letzterem merkte Forster schmunzelnd an, der Song würde in ein paar Minuten seine ganze Biografie enthalten, die er im Buch auf über 350 Seiten ausbreitet.
Einer der großen Indie-Pop-Songwriter hat sich zu der Gelegenheit unaufgeregt wie liebenswert präsentiert, ganz bei sich und augenscheinlich mit seinem Leben im Reinen, entsprechend angenehm strahlte diese Zufriedenheit auf die Zuhörerschaft aus.
Die ausverkaufte Veranstaltung fand ihren Ausklang nach langanhaltendem und dankbarem Applaus mit individueller Buchsignatur und persönlichem Plausch mit dem Künstler.
Wie eingangs erwähnt, mit einer Lesung in München hat es nicht geklappt, dafür gibt es in ein paar Wochen mehr als würdigen Ersatz in Form eines Konzerts von Robert Forster mit Band, am Freitag, den 15. Dezember, im Feierwerk/Hansa39. Vorweihnachtsfreude pur, hingehen, toppt jedes noch so beseelte Adventssingen.

Very special thanx an Christian Strätz.

Robert Forster und Maik Brüggemeyer präsentieren „Grant & Ich“ mit Lesung, Interview und Konzert noch zu folgenden Gelegenheiten:

28.11.Sulzbach-Rosenberg – Capitol
29.11.Wien – Akzent Theater

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Willie Nelson Tribute @ Unter Deck, München, 2015-11-09

Der große Willie Nelson Tribute Abend mit Franz Dobler, Philip Bradatsch und Markus Naegele zum Erscheinen der Willie-Nelson-Biografie „Mein Leben: Eine lange Geschichte“ bei Heyne Hardcore.

„Was ist der Unterschied zwischen einem Steuerfahnder und einer Hure? Eine Hure hört auf, dich zu ficken, wenn du tot bist.“
(Willie Nelson)

Eine großartig-launige Country-Nacht wurde am vergangenen Montag im Münchner Unter Deck von Markus Naegele anmoderiert und spaßig kommentiert, der Chef-Lektor des Heyne-Hardcore-Programms hat die Werbetrommel mächtig-prächtig gerührt für die in diesen Tagen erscheinende Lebensrückschau der amerikanischen Country-Ikone Willie Nelson, zum Vorlesen aus dem Werk war kein Geringerer als der Augsburger Autor, Journalist und Country-Music-Experte Franz Dobler angereist, wer sollte sich auch besser für den Job eignen als er, hat er doch selbst vor einigen Jahren eine gewichtige, absolut lesenswerte Biografie über den großen Johnny Cash verfasst, die Nummer bereits vor einiger Zeit mit Ry Cooders Story-Sammlung „In den Straßen von Los Angeles“ mustergültig durchexerziert und fortwährend vor allem auf seinem Blog blitzgescheite Kommentare zur amerikanischen Volksmusik zum Besten gegeben.

In ausgewählten Passagen gewährte uns Dobler mit seinem Vortrag erste Einblicke in die Willie-Nelson-Welt, die musikalische Prägung in Willies Kindheit, den Stress mit den Frauen, das Versinken im Keinen-Job-finden-Blues, den Zirkus mit der amerikanischen Steuerbehörde, seinen Zugang und seine Gedanken zum Bewusstseins-erweiternden Kraut, sein Verhältnis zur Hippie-Kultur und die Erlebnisse mit Präsident Jimmy Carter auf dem Dach des White House, bei dem der Konsum vom Cannabis-Produkt eine nicht unwesentliche Rolle spielte.
Eine Neugier-anregende Lesung, die ohne große Umschweife die gewichtige Frage klärte, was sich der Kulturforums-Gringo dieses Jahr als Lektüre unter den Christbaum schmeißt. Howdy, Cowgirls and Cowboys, I’ll keep you informed…

Da sind sie extra aus Augsburg angereist, die Country-Experten, um uns Münchner Hillbillies zu zeigen, wo der Bartel in Sachen Cowboy-Musik den Most holt:
Der ebenfalls aus der schönen Fuggerstadt stammende Philip Bradatsch, Bandmitglied bei der Allgäuer Americana-Combo The Dinosaur Truckers und Deutschlands derzeit vielleicht bester Bluegrass- und Country-Musiker, gab dem Abend zur Ehre gereichendes Liedgut des großen alten Mannes der amerikanischen Country-Musik in den Lesepausen wie „On The Road Again“, „Crazy“ oder „Red Headed Stranger“ zum Besten, eine anrührende Fassung von „Always On My Mind“ und den All-Time-Klassiker „Pancho And Lefty“ vom größten Songwriter aller Zeiten, the late and great Townes Van Zandt, und zum Ausklang des Abends glänzte Bradatsch mit eigenem, nicht minder großartigen Songs aus seinem jüngst erschienenem Solo-Werk ‚When I’m Cruel‘ (2015, Off Label Records), auch darüber wird hier noch zu berichten sein.

Jetzt aber erstmal das Pferd gesattelt, den Stetson auf die Birne gepflanzt, die Flinte durchgeladen, den Flachmann klargemacht und in den Sonnenuntergang geritten. So long, Brothers and Sisters…

James Ellroy @ Amerikahaus, München, 2015-03-20

Yo, Punks, Weirdos, Mudsharks, Dropouts, Nightowls, Lesbos, Homos, Brothers and Sisters of the Manson Family, da war er wieder in unserer Stadt, im Rahmen des Münchner Krimifestivals zu einer Lesung im Amerikahaus, der Heavyweight World Champion of Crime Novel Writing, Historic Novel Writing, any Writing – the one and only: Mr. James Ellroy!

Bevor der Meister zum ganz großen Wurf in Sachen Interview und Lesung ausholte, gab das „Duo Mundo“ zur Einstimmung des Abends eine wunderbare Version von „Perfidia“ zum Besten, eines Songs des mexikanischen Komponisten Alberto Dominguez, der dem neuen Mammut-Werk Ellroys den Namen gab.

Im Anschluss stand James Ellroy dem Moderator des Abends, dem Journalisten Günter Keil, in einem launigen Interview lakonisch-schlagfertig und höchst unterhaltsam Rede und Antwort, nachdem er jedem im Saal bei Abnahme von dreitausend Stück seines neuen Romans die Erfüllung jedweder Beischlafwünsche mit wem auch immer bis ans Lebensende und die Ablösung Berlins durch München als dekadenteste Stadt der Republik versprach. Bedauerlicherweise ging niemand auf das Angebot ein, ich selbst hatte leider auch nicht das nötige Kleingeld einstecken…;-)))
Nachdem die Musikvorlieben des Kult-Autors – „Beethoven and Bruckner are my Guys!“ – und seine Arbeitsweise – „No Cellphone, no Computers!“ – geklärt waren, drehte sich das Gespräch erwartungsgemäß hauptsächlich um den neuen Roman „Perfidia“ (2015, Ullstein, Rezension folgt, bin noch nicht durch), mit dem Ellroy den Start seines zweiten LAPD-Quartetts einläutet. Die 950-Seiten-Schwarte spielt im Jahr 1941 in Los Angeles zur Zeit des Pearl-Harbor-Angriffs und ist bevölkert mit Roman-Personal, das der geneigte Ellroy-Leser bereits aus dem ersten LAPD-Quartett und der „Underworld USA“-Trilogie kennt.
Die Lesung beinhaltete eine Passage aus den Kay-Lake-Tagebüchern des Romans, von Ellroy selbst im Original vorgetragen, sowie zwei längere Kapitel aus der deutschen Übersetzung, die der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Heikko Deutschmann in astreiner Hörbuch-Manier, ähnlich souverän wie vor einigen Jahren der Willy-Bub Matthias Brandt im Literaturhaus beim damaligen Ellroy-Event zur „Blood’s A Rover“-Präsentation, zu Gehör brachte.

Nach einer eher zögerlichen Fragerunde („There are Movies to see (LA Confidential) and Movies to flee (Black Dahlia)…)“ beglückte der Meister die Fans zum Abschluss mit Buchsignieren und kurzen, persönlichen Gesprächen und entließ dann mit dem entsprechenden Segen versehen seine „Dedicated Follower of the dark and obsessive Church of Reverend Lee Earle James Ellroy“ beglückt in die Nacht…