Top-Forty-Gigs 2019, Culture-Forum-Edition: die erinnerungswürdigsten, am längsten nachhallenden Konzerte des vergangenen Jahres, selbstredend wie immer rein subjektiv gewertet. Unterstützen Sie Ihre lokalen Festival- und Konzertveranstalter, knausern Sie nicht rum, wenn der Hut rumgeht, haben Sie im neuen Jahr 2020 bitte Spaß mit den MusikantInnen Ihres Vertrauens, zur Not auch für über 1000 Taler im VIP-Bereich des Stadions bei einem aufgewärmten Rock’n’Roll-Derivate-Scheißdreck wie Gewehre n‘ Rosen: Jeder nach seiner Fasson, the show must go on…
Maj Musical Monday
Tatvamasi + White Pulse @ Maj Musical Monday #98, Glockenbachwerkstatt, München, 2019-10-21
Die 98. Ausgabe der Postrock/Experimental/Improvisations-Reihe Maj Musical Monday am vergangenen Montagabend in der Münchner Glockenbachwerkstatt: eine maximal Jazz-lastige Angelegenheit im Doppelpack.
Die Musiker vom Schweizer „Workoutjazz“-Trio White Pulse gingen bereits mit dem ersten Nerven-zerrüttenden Saxophon-Plärren in die Vollen, vom Start weg keine Gefangenen machend in Sachen radikaler Free-Jazz/Noise-Ausbruch. Die Band wurde ihrem Tour-Motto „Fast And Furious“ in ihrem berserkernden Ausbruch ohne Abstriche gerecht, eingangs mit einer ellenlangen, atonalen Kakophonie, zu der Gitarrist Philipp Saner als explosiver Vulkan in Überschall-Geschwindigkeit die Saiten traktierte, wie Trommler Florian Kolb und Bläser Pablo Lienhard permanent neuen Ideen in Gedanken nachjagend und in der Umsetzung zum folgenden erratischen Ausbruch hetzend. Dem ersten dissonanten Beben auf der tonalen Überholspur folgte eine kollektive Rauchpause der drei lärmenden Musikanten, die das Trockeneis-Fluten des Saals mittels E-Zigaretten-Qualm simulierten, während das Auditorium per Videoleinwand mit bewegten Bildern und Sounds von Rennsport-PC-Spielen bespaßt wurde, die den ein oder anderen Gast möglicherweise auch dezent zu verstören vermochten. Damit an bizarrem Absurd-Theater nicht genug, White Pulse wussten ihren sprunghaften, jegliche stilistischen Grenzen einreißenden Auftritt durch eine ausnehmend exzellente Interpretation des Schlagers „Wer nie verliert, hat den Sieg nicht verdient“ aus der Feder von Udo Jürgens weiter anzureichern, ob der große österreichische Unterhaltungskünstler die Version seiner durch den Laibach-Fleischwolf gedrehten Erbauungs-Nummer goutieren würde, wir werden es in diesem Leben nicht mehr erfahren, im Zweifel war hierzu selbst die geballte Kraft der drei Keyboards vergebliche Liebesmüh.
Dem Intermezzo aus der wundersamen Welt der deutschen Sangeskunst folgte ein gedehntes Lärm-Finale, zu dem die Eidgenossen erneut in entfesselter Raserei dem Irrsinn die Sporen gaben, nebst kaum mehr zu greifenden Improvisations-Krach-Attacken ließ das infernalische Trio das ein oder andere Hardcore-Punk-Schlaglicht aufflammen, zerrte den Stooges-Klassiker, in dem Iggy Dein Hund sein will, in schwermetallene Grunge-Tiefen, und demonstrierte mit der Nummer „Ring A Bell“, dass sich selbst in diesem Kontext völlig konträrer, leichtfüßig-luftiger Pop-Sing-Sang ins freigeistige Bühnen-Konzept der Band aus Zürich integrieren lässt. Zugaben-Block erledigte sich quasi von selbst, in der finalen Klang-Apokalypse flogen durch wild-entfesseltes Getrommel die Mikros vom Drum-Kit, das Gitarren-Instrument war mit mehreren gerissenen Saiten unter Hochdruck-Einwirkung ohnehin längst tot-malträtiert. „Search And Destroy“-Auftrag erfüllt, schätzungsweise…
Weitaus konventioneller, stringenter, mehr der ausgereiften Komposition verpflichtet gestaltete das Quartett Tatvamasi aus dem polnischen Lublin ihren Gig im Nachgang zum eruptiven Beben der Schweizer Kollegen. Der Coltrane-, Dolphy- und Rollins-Soul des geerdeten Saxophon-Spiels von Tomasz Piątek schwebte über der ausgefeilten Kraut- und Progressive-Melodik seiner Mitmusiker, allesamt handwerklich versierte und inspirierte Instrumentalisten, denen die filigranen Riffs, Breaks, Rhythmen und Drum-Beats wie locker aus dem Ärmel geschüttelt glückten. Der Jazz mochte hier lautmalend tonangebend sein, ohne permanent auf seine Vormachtstellung zu pochen, der stilistisch weit gefasste Improvisations-Flow der Band atmet psychedelischen Spirit, der treibende Blues aus dem Anschlag der halb-akustischen Gitarre von Grzegorz Lesia bis hin zu atmosphärischen Desert-Rock-Zitaten der Spielart trifft auf die komplexen Bass-Linien des kauzigen Band-Sprechers Łukasz Downar in dessen Interpretation von ausladenden Instrumental-Prog-Rock-Herrlichkeiten. Den Modern Jazz aus den Tiefen des Tenor-Sax flankierte Drummer Krzysztof Redas mit seinem frei austarierten, losgelösten Anschlag. Anregender und schwerst gefälliger Vortrag einer Band für die leider viel zu wenigen Zuhörer, denen die Grenzen des ausladenden Jazz-Rock an diesem Abend nicht weit genug gefasst sein konnten.
Mermaidens + Ippio Payo @ Maj Musical Monday #96, Glockenbachwerkstatt, München, 2019-05-20
Die 96. Ausgabe des Maj Muscial Monday wurde zum Wochenstart in der Münchner Glockenbachwerkstatt gemeinschaftlich von KiwiMusic-Konzertveranstalter Christian Strätz und MMM-Organisator Chaspa Chaspo präsentiert, die Do-It-Yourself-Reihe für lokalen und internationalen Indie-, Post- und Experimental-Rock wartete bei erfreulichem Besucher-Zulauf mit einem Paket aus hiesiger Postrock-Instrumental-Kunst und neuseeländischer Gitarren-Psychedelic auf, mit zwei Protagonisten, die in ähnlicher Form schon einmal vor einem guten halben Jahr im Rahmen einer Doppel-Veranstaltung aufeinander trafen.
Die qualitative Messlatte für den Abend legte Gitarrist Josip Pavlov mit dem Solo-Auftritt seines Postrock-Projekts Ippio Payo ordentlich hoch, und in dem Fall für alle folgenden Agierenden auch nicht mehr erreichbar. Über den in diesem Forum hoch geschätzten und oft gewürdigten Münchner Ausnahme-Musiker wie in zahlreichen örtlichen Bands engagierten Multi-Instrumentalisten zum x-ten Mal ausführlich zu referieren, kommt mehr und mehr dieser Athener Eulen-Nummer gleich. Den Lobpreisungen aus zurückliegenden Konzert-Besprechungen muss gleichwohl eine weitere folgen, neben seinen ausgeprägten technischen und kompositorischen Fähigkeiten versetzt Sound-Forscher Pavlov immer wieder mit der permanenten Weiterentwicklung und Mutation seiner experimentellen Klang-Gebilde in Erstaunen, mit einer steten Neuformulierung zusätzlicher Facetten und den Grenzen austestenden Improvisationen seiner energetischen Postrock-Flows.
Den Set eröffnete Ippio Payo am Montagabend mit der Aufführung einer in epische Länge gedehnten Version der neuen, vor wenigen Tagen bei Soundcloud veröffentlichten Nummer „Rückgebäude“, in der mittels Loops und repetitiver Samplings eine virulente, latent nervöse Minimal-Rhythmik mit wunderschönen Gitarren-Phrasierungen und sich überlagernden Sound-Schichtungen harmoniert. Mit weiterem Fortgang steigerten sich Intensität, stilistische Zitate und Härtegrade des hypnotischen Instrumental-Trance, in dem Pavlov mit Einsatz diverser technischen Gerätschaften seine Anlehnungen an das Gitarren-Treatment eines Brian Eno aus dessen Prä-Ambient-Phase in den Siebzigern auf rohe Postpunk-Riffs, experimentelles, bisweilen erratisches Saiten-Spiel und die unerschöpfliche Vielfalt seiner in die Jetzt-Zeit transportierten, heftig wie gleichsam detailliert umgesetzten Kraut- und Progressive-Rock-Interpretationen treffen ließ und in gedeihlichen Einklang brachte.
Der vor Ideen-Reichtum, spontanem Drive und komplexen Kompositionen strotzende Auftritt von Ippio Payo/Josip Pavlov war einmal mehr zeitlich viel zu knapp bemessen, der Münchner Klang-Magier bleibt erste Wahl als Lieferant für die tonale Endlos-Schleife zum Hinüberdriften ins glückselige Gitarren-Ambient-Nirvana.
Auf Ippio Payo traf die Gitarristin Gussie Larkin from down under bereits im vergangenen Oktober im KAP37 zum gemeinsamen Schaufenster-Konzert, die junge neuseeländische Musikerin war damals mit dem Drummer Ezra Simons und ihrem Duo-Outfit Earth Tongue zu Gast in der Stadt. Auf erneute Einladung von KiwiMusic-Spezialist Christian Strätz machte Larkin für die jüngste Runde mit ihrer Stammformation Mermaidens Halt an den Sturm-umwehten Gestaden der Isar-Ansiedlung, die Band aus Wellington bringt ihre Tonträger über das seit Jahrzehnten in Indie-Kreisen weltweit bekannte und geschätzte Flying-Nun-Label in Christchurch auf den Markt, in der Heimat eilt dem Trio ein guter Ruf für exzellente Live-Auftritte und hochgelobte Tonträger-Veröffentlichungen voraus.
Wo Gussie Larkin mit Earth Tongue deutlich strammer in die Saiten greift und mit dröhnenden Doom-Riffs die Herzen der Stoner-, Fuzz- und Acid-Rocker höher schlagen lässt, entspinnt sie zusammen mit Bassistin Lily West und Trommler Abe Hollingsworth ein deutlich filigraneres Geflecht aus entspannter Shoegazer-Melancholie und dunklem Slowcore. Dem schlafwandlerisch unaufgeregten Indie-Rock hätte eingangs der ein oder andere Schub an Dramatik-steigernder Härte und Noise-Ausbruch im Saiten-Anschlag durchaus gut zu Gesicht gestanden, etwas austauschbar und emotional ins Lethargische neigend gestaltete die Combo das Intro der ersten Nummern. Nach diesem Dream-Pop-Prolog im ausgedehnten Weltschmerz-Weiden inklusive lieblichem Mädels-Zweigesang wusste die NZ-Band mit fortschreitender Konzert-Dauer zusehends mehr Druck und Überzeugungskraft ins gemeinsame Musizieren einzubringen, mittels neo-psychedelischer Surf-Melodik, druckvollerem Beat, finster wummernden Bässen, sporadischem vokalen, lautsprechendem Ausbruch und im Speziellen mit den scharf angeschlagenen, durch die Nacht schneidenden Postpunk-Akkorden, die Gitarristin Larkin zum Ende des Vortrags hin häufiger aus dem Ärmel zauberte.
Unerwartet, fast unverhofft Würze ins Geschehen brachten zwei aufeinander folgende Strom-Ausfälle gegen Ende des Sets, die Konzert-Reihe des Maj Musical Monday hat bei weitem schon heftigere Lärm-Erschütterungen und atonalere Brachial-Attacken er- und überlebt, trotzdem verlangte die Technik an diesem Abend nach wiederholten Auszeiten. Ob die Sicherungen nicht mehr wollten oder der anhaltende Regenguss für spontane Kurzschlüsse sorgte, einerlei, die Band nahm es gelassen und setzte ihr Set unaufgeregt nach den beiden kurzen Unterbrechungen fort, steigerte zum Finale die Intensität ihres dräuenden Alternative-Rock-Gewerks und holte sich damit den letztlich wohlverdienten, wohlwollenden Applaus und die Bitte um Zugabe vom zahlreich anwesenden Publikum.
Der Maj Musical Monday im kommenden Monat entfällt wohl wegen des viertägigen Noise Mobility Festivals von 7. bis 10. Juni. Die Münchner Glockenbachwerkstatt ist an diesen Tagen erneut das Zentrum für die europäische Underground-Szene und Forum für experimentelle Pop- und Rockmusik, elektronische Avantgarde, Performance-Kunst, gesellschaftlichen Podiums-Diskurs, Ausstellungen und einen DIY-Flohmarkt.
Gussie Larkin tritt mit Mermaidens heute in Berlin in der Kantine am Berghain als Support für Hand Habits und am 25. Mai in Köln bei einem Privat-Konzert auf, am 28. Juni ist sie mit Earth Tongue im Rahmen des dreitägigen Raut Oak Fests am Riegsee zu Gast.
Konzert-Vormerker: Mermaidens + Ippio Payo @ Maj Musical Monday #96
Die Indie-Gitarristin Gussie Larkin aus Wellington/NZ und der in München ansässige, in zahlreichen Bands/Projekten engagierte Sound-Pionier Josip Pavlov sind bereits im vergangenen Oktober beim famosen Doppelkonzert des neuseeländischen Psychedelic-Doom/Acidrock-Duos Earth Tongue und Pavlovs Postrock-Outfit Ippio Payo im KAP37 aufeinander getroffen, am 20. Mai wird es zu einer weiteren Begegnung der beiden im Rahmen der 96. Ausgabe des Maj Musical Monday in der Münchner Glockenbachwerkstatt kommen: KiwiMusic-Konzertveranstalter Christian Strätz und MMM-Macher Chaspa Chaspo präsentieren ein weiteres Kapitel aus den Klangreise-Erzählungen der experimentellen Instrumental-One-Man-Band Ippio Payo. Im Anschluss zum Konzert des Münchner Tausendsassas Josip Pavlov wird Gussie Larkin mit ihrer Stammformation Mermaidens auftreten, neben der jungen Sängerin und Gitarristin sind ihre langjährigen Freunde Lily West und Abe Hollingsworth an Bass und Trommel im Power-Trio aus der neuseeländischen Hauptstadt involviert. Die Combo ist beim renommierten Flying-Nun-Label in Christchurch unter Vertrag, in der Heimat am anderen Ende der Welt eilt dem Dreigestirn ein Ruf als exzellente Live-Band voraus, sie durften neben zahlreichen Festival- und Headliner-Auftritten bereits für namhafte Acts wie Sleater-Kinney, Death Cab For Cutie oder The Veils das Support-Programm bespielen.
Die seit 2014 veröffentlichten, regelmäßig von der Kritik gefeierten Tonträger der Mermaidens begeistern mit einer neo-psychedelischen Spielart des dunklen Postpunk, die mit melancholischer Shoegazer-Seligkeit und ruppiger Grunge-Fuzz-Kratzbürstigkeit einhergeht und im konzertanten Vortrag wie seinerzeit beim Earth-Tongue-Auftritt schwer vermutlich noch etliches an Intensitäts-Graden und Noise-Ausbrüchen zuzusetzen weiß. Aktuell ist Anfang April die Split-Single „You Maintain The Stain/Cut It Open“ bei Flying Nun Records erschienen.
Pflichttermin, nothing else (matters), egal, wer oder was an dem Abend in München sonst noch so antanzt…
KiwiMusic und Maj Musical Monday präsentieren: Mermaidens + Ippio Payo, Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7, München, 20. Mai 2019. 20.00 Uhr.
Ni @ Maj Musical Monday #94, Glockenbachwerkstatt, München, 2019-03-18
Zur 94. Ausgabe der monatlichen Experimental- und Postrock-Reihe Maj Musical Monday präsentierten die Veranstalter zum Wochenstart ein fraglos herausragendes konzertantes Highlight in der Münchner Glockenbachwerkstatt: Das französische Jazzcore-Quartett Ni aus Bourg-en-Bresse gab sich zur Promotion des jüngst erschienenen Albums „Pantophobie“ im Bürgerhaus an der Blumenstraße die Ehre, das Münchner Konzertvolk ließ sich in dem Fall nicht lumpen, zog mit gebührendem Andrang löblich nach und sorgte für den verdientermaßen vollen Saal.
Bereut dürfte den Besuch an diesem Abend niemand haben, der neue Tonträger sorgte bereits im Vorfeld für angetanes Aufhorchen und höchst positive Würdigungen, dieser aus der Konserve gewonnene Eindruck sollte sich beim Ortstermin über die Maßen bestätigen. In der Live-Präsentation trieben die vier jungen Franzosen ihre explizites Wechselspiel an tonalen wie atonalen Elementen auf die Spitze, was sich auf den aktuellen Studio-Aufnahmen an Intensität bereits mehr als nur andeutet, bekommt die Hörerschaft im Ni-Konzert in verschärfter, noch weitaus radikaler und kompromissloser Form hochpotenziert um die Ohren geblasen.
In den ersten Stücken eingangs mit experimentellen Sprach-Samplings als Ouvertüre, als die sprichwörtliche trügerische Ruhe vor dem Sturm, schwang sich das Quartett zu ungeahnten Höhen an lärmenden Experimental-Gebilden auf, in einer Hochdruck-Betankung des Saals mit dem scharf geschnittenen Stakkato und der vertrackten Polyrhythmik des Math-Rock im Verbund mit einer energisch und gezielt zupackenden Spielart des Hardcore-Punk, der an die eindringlichsten Momente des legendären kanadischen Trios NoMeansNo anknüpfte. Das konstruiert Komplexe, Verkopfte der weitschichtig mit dem Jazzrock verwandten Math-Spielart wurde mittels Spontaneität und ungebändigtem Spielwitz der Musiker hinweggefegt, das mit Wucht vorgetragene, ungezügelte Hochfrequenz-Trommeln und der intensiv treibende Bass von Nicolas Bernollin und Benoit Lecomte gereichen jeder renommierten Metal-Band zur Ehre, das Flinke, die herausragenden Fingerfertigkeiten und die unkonventionelle Saiten-Behandlung der beiden Gitarren-Hexer Anthony Béard und François Mignot wären alleine einen eigenen Diskurs wert.
Ni präsentierten sich bei allem Ungestüm im musikalischen Gewerk als exzellent aufeinander abgestimmte Einheit, die erratischen Breaks der Gitarren-Riffs, die überlagerten, gegenläufigen Kurz-Soli und ihre unvorhersehbaren Tempi-Wechsel, die Kunst-Pausen als plötzliche Momente der Stille vor den nächsten Noise-Exzessen und ihre abrupten Enden kamen knackig frisch und auf den Punkt exakt im Band-Verbund gespielt. Hier war eine technisch herausragend geübte, versierte wie in der Umsetzung der Ideen inspirierte Formation am extrovertierten Musizieren, die mit ihren instrumentalen Turbo-Wirbeln Bauchgefühl und Verstand der Hörerschaft gleichermaßen herausforderte wie bereicherte. Der Jazz im klassischen wie weitläufigen Ansatz ist in diesem Taifun vom ersten Beben an den Weg alles Irdischen gegangen, Ni erschaffen mit ihren im Experiment vorwärts gewandten Radikal-Kompositionen ein eigenes Universum an rigoros umgesetzten Crossover-Ideen.
Glückliche Gesichter bei Musikern und Publikum zum Ende hin, der hoch energetische Instrumental-Exzess wusste völlig zu überzeugen und ließ die gut 80 Minuten an ultra-heftiger Progressive-Eruption kurzweilig wie im Flug vergehen, die Band gewährte ob des frenetischen Jubelns aus dem Auditorium bereitwillig eine Handvoll an Zugaben – die finale Nummer setzte sich dem Vernehmen nach thematisch mit dem Defensiv-Verhalten im Fußball auseinander, der Vehemenz des Werks nach zu urteilen wohl nicht nur mit fairen Mitteln (deutet man die Erklärungsversuche zum Stück von Bassist und Band-Sprecher Lecomte richtig), hier ließ die Band tatsächlich ihre Qualitäten in Sachen Jazz-Rock aufleuchten und beeindruckte mit groovenden Bass-Läufen, freiem Getrommel und einer enthärteten Gangart im erratischen Anschlag der Gitarren. Würde der jeweilige Herzens-Verein beim Gekicke defensiv so exzellent organisiert und engagiert verteidigen, wie Ni mit ihrem enthusiastisch überbordenden Noise-Flow attackieren, es gäbe kaum mehr Tore zu vermelden im Liga-Betrieb.
Der Maj Musical Monday Numero 94 wird durch den Auftritt der entfesselten Franzosen als einer der allererinnerungswürdigsten Abende in die Geschichte der Serie eingehen, weit über das laufende Konzertjahr hinaus bedacht. Mit dieser Einschätzung läuft man kaum Gefahr, die Klappe großmaulig allzu weit aufzureißen. Punktum.
Maj Musical Monday #95 findet am 15. April an gewohnter Stelle im Konzertsaal der „Glocke“ statt, 20.30 Uhr, Blumenstraße 7, München. Unter dem Motto „MMM goes Riff Groove Rock“ wird die kroatische Grunge/Stoner-Band Sloanwall aus Zagreb auftreten.