Malerei

Jim Dine: I Never Look Away @ Versicherungskammer Kulturstiftung

Die Kulturstiftung der Versicherungskammer Bayern zeigt bis Mitte Mai im Kunstfoyer an der Münchner Maximilianstraße die Ausstellung „I Never Look Away“ mit Werken des amerikanischen Allrounders Jim Dine.
Die Präsentation bringt eine Auswahl an 60 Selbstporträts aus einer umfangreichen Schenkung des Künstlers an die Wiener Albertina, in einer stilistischen Vielfalt von gegenständlicher bis abstrakter Malerei, in Zeichnungen, Fotografien, Kollagen und Bildhauerei, umgesetzt mit unterschiedlichsten Techniken und Materialien. Bereits im Freien vor dem Kunstfoyer findet sich die überlebensgroße Bronze-Acryl-Plastik „Head With Branches“.
Dine setzt sich in seinen Werken in Selbstreflexion mit dem Fortgang der Zeit, mit dem Prozess des Alterns, mit eigenen eingefangenen Stimmungen und Gemütszuständen zum Zeitpunkt der entstandenen Porträts auseinander, mit dem „Vokabular seiner Gefühle“, wie er es selbst beschreibt. Dem Betrachter bleibt es überlassen, die Arbeiten als Dokumentation eines exzessiven Narzissmus oder als ernsthafte Beschäftigung des Künstlers mit seinem innersten Ich zu sehen.

Jim Dine wurde 1935 in Cincinnati/Ohio geboren, nach einer akademischen Ausbildung mit dem Abschluss des Bachelor Of Fine Arts ging er 1958 nach New York. In der von ihm mitbegründeten Judson Gallery stellte er erste Arbeiten aus und veranstaltete mit befreundeten Künstlern Aktions-Happenings, begleitet von Musik-Experimenten des Avantgarde-Komponisten John Cage. 1962 sind seine Arbeiten Teil der bahnbrechenden Ausstellung „New Painting Of Common Objects“ in Pasadena/Kalifornien, die unter anderem auch Artefakte von Künstlern wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein zeigte. Jime Dines Werk wird daraufhin der Pop Art zugerechnet, andere Kunsthistoriker sehen ihn als Neo-Dadaisten. Seine Ausdrucksformen sind in jedem Fall Genre-übergreifend, neben der Malerei verfasste Jim Dine in späteren Jahren Gedichte, widmete sich der Fotografie und entwarf Kostüme und Bühnenbilder für das Theater. Sich selbst als „zeichnenden Maler“ beschreibend, fühlt sich Dine keiner Kunstrichtung zugehörig. Sein Werk ist nach eigener Aussage vor allem von der Psychoanalyse und den Schriften C.G. Jungs geprägt.
Jim Dine lebt und arbeitet heute abwechselnd in Paris und Walla Walla/Washington.

Jim Dine: I Never Look Away

Kunstfoyer
Versicherungskammer Kulturstiftung
Maximilianstraße 53, 80530 München
Bis 12. Mai 2019.
Öffnungszeiten:
Täglich 09–19 Uhr
Eintritt Frei.

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Reingelesen (75): M. A. Littler & D. H. Ottn (Hrsg.) – Sargasso Nummer 3

„Our resistance to the shackles of psychic imperialism and the war machine is not made up of a rearrangement of truth, facts or realities – no, it is much rather the symbol, the metaphor and the myth we believe in.“
(M.A. Littler & D.H. Ottn)

M. A. Littler & D. H. Ottn (Hrsg.) – Sargasso Nummer 3 (2018, Sacred Flu Publishing)

El Commandante & our beloved Kellergospel-Reverend did it again: Die dritte Ausgabe des „No-Culture“-Kunst- und Literatur-Magazins aus der Hand der Herausgeber und Feder der Co-Autoren M.A. Littler und D.H. Ottn. No Culture in the spirit of No Wave und damit wie diese anregend, bewusstseinserweiternd, erhellend, experimentell und zeitlos. Die aktuelle Auflage der Bilder- und Wortbeitrag-Sammlung ist im Schwerpunkt Franz Wright gewidmet, dem in Wien geborenen und in den Staaten aufgewachsenen, im Jahr 2015 verstorbenen Pulitzer-Preisträger, Dichter, Song-Texter und Rilke-/Haiku-Übersetzer, komplementär zum demnächst anstehenden Film „Franz Wright – Last Words“ von Slowboat-Regisseur Mark Littler, für den derzeit ein Fundraising-Projekt läuft, guckst Du hier. Dem angestrebten Budget von 7.500 US-Dollar überstehende Zuwendungen gehen an das wohltätige Projekt The Children’s Room, Center for Grieving Children and Teenagers, Inc., Arlington, Massachusetts, insofern ist Portemonnaie-Zücken in jedem Fall gut angelegtes Geld.
Franz Wright ist 2015 nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 62 Jahren in Massachusetts verstorben, seine in Sargasso 3 erschienenen Kurzgeschichten, Gedichte, Momentaufnahmen und Aphorismen sind geprägt von Reflexionen, Gedanken und Einsichten über Vergangenes, Erinnertes und abgeklärte Meditationen über die letzten Dinge auf der Suche nach Erlösung, in der eindringlichen Auseinandersetzung mit der Agonie und dem final Unvermeidlichen. Direkt und unmissverständlich, wie ein guter Lou-Reed-Song. Mindestens.

„For the Father is coming, and that He is an American is not something we can simply assume anymore…“
(Franz Wright, You Don’t Have To Go On, But You Can’t Stay Here)

Das Heft präsentiert darüber hinaus weitere Dichtungen, Short Stories, Underground/Alternative-Press-Texte und Strings Of Consciousness vom amerikanischen Franz-Werfel- und Thomas-Bernhardt-Übersetzer und Weldon-Kees-Biografen James Reidel, vom Bremer Musiker Alan Ehrensache und der Chicagoer DePaul-University-Professorin und Essayistin Kathleen Rooney, „Failed Visions“ von US-Stand-Up-Poet John Tottenham, experimentelle Reime vom Schweizer Dichter und Werfel/Trakl/Dürrenmatt-Übersetzter Daniele Pantano und eine aus dem Leben gegriffene, nüchterne Kurzgeschichte vom rheinländischen Krimi-Autoren Sven Heuchert, die eine diffuse Mystik in der Beschreibung trivialster Gegebenheiten verbreitet, Bukowski-meets-Lynch, kind of. And last not least Songtext-verwandte Verse aus der Feder von Captain Littler himself.

„See the butcher’s son lose faith in his knifes.“
(Daniele Pantano, Vaudeville)

Dazu als visuelle Bereicherung eine Sammlung neo-expressionistischer Aquarelle mit kräftigem Pinselstrich gemalt von Gallon-Drunk-Sänger/Gitarrist James Johnston (of additional Lydia Lunch/PJ Harvey/Nick Cave-Fame), einer Reihe exzellenter Schwarz-Weiß-Straßen- und Lost-In-Nature-Fotografien aus der Kamera Jean Pierre Favreaus, schrägen Vaudeville-(Straßen?-)Theater-Momentaufnahmen aus Bekley/West Virginia von Dad Horse Ottn, und noch weitaus schrägere, makaber-surreale Art-Brut-/Outsider-Kunst-Zeichnungen von Illustrator Tobias Lange/Bornweilder in Form spontan hingekritzelter Geistesblitze und monströser, ins Verzweifelte kippender Hirngespinste und Abseitigkeiten, irgendwo zwischen nicht konkret greifbaren Gewalt-Phantasien und befremdlicher Identitäts-Krise.

„Five days a week, the best hours of each of those days spent on the telephone frightening the poor.“
(Franz Wright, In One Face, 2)

Die Deluxe-Ausgabe von Sargasso Nummer 3 erscheint inklusive beigelegter CD mit Spoken-Word-Beiträgen von Franz Wright sowie Musik von Alternative-Country-Songwriter Digger Barnes und Free Jazz Noise vom italienischen Kollektiv Squadra Omega. Orders für das Heft mit und ohne Tonträger werden hier entgegengenommen. Take it as it comes.

„When their so-called facts have long been disposed of in the garbage bins of history, our tales will live on.“
(M.A. Littler & D.H. Ottn)

Dirk Otten aka The Dad Horse Experience ist neben anderem mit einer ureigenen, grandiosen, minimalistischen Schöpfungsgeschichte im Gedicht „21/03/2005“ vertreten, in dem Zusammenhang sei bereits jetzt auf künftige konzertante Erweckungspredigten hingewiesen: Otten wird mit seiner One-Man-Kellergospel-Predigt am 15. November das Münchner KAP37 missionieren (weitere Segen-spendende Messen: guckst Du hier), bis dahin waren gefälligst – vor allem Gott-gefälligst – alle beim Beichten und haben sich ihre Absolution mit dem Erwerb der neuen Sargasso-Ausgabe verdient.

Reingelesen: Sargasso Nummer 1
Reingelesen: Sargasso Nummer 2

Konzert-Vormerker: The Almost Boheme

Der Münchner Indie-Songwriter k.ill aka The Almost Boheme stellt nächsten Samstag zusammen mit der Sängerin Patricia Schmid in der Sendlinger Bergschmiede sein neues, höchst hörenswertes Neofolk-/Indie-Pop-/LoFi-Balladen-Album „Consecrations“ vor, die pressfrische blaue Vinyl-Ausgabe wird es bei der Gelegenheit am Merch dann auch zu erwerben geben.
Und ich selber stelle bei der Gelegenheit ein sehr altes und ein paar sehr neue Gemälde aus, das bereichert zwar höchstwahrscheinlich den konzertanten Vortrag nicht, macht ihn hoffentlich aber auch nicht schlechter…

The Almost Boheme – 2. Dezember 2017, Bergschmiede, München-Sendling, Pfeuferstraße 38, 20.00 Uhr.

Soundtrack des Tages (181): Michael J. Sheehy

Klugscheißen für Fortgeschrittene oder: Coverversion, mal anders – Letztens bei der Beschäftigung mit der Solodebüt-Scheibe „In the Kingdom Of Dreams“ von Ian Felice über den Umstand gestolpert, dass das bei der Plattenhüllen- bzw. CD-Booklet-Gestaltung verwendete Kunstwerk „The Race Track (Death On A Pale Horse)“ des US-amerikanischen Malers Albert Pinkham Ryder (1847 – 1917) bereits früher für die Verpackung eines anderen Tonträgers herhalten musste, für das 2007 bei Glitterhouse Records erschienene Folk/Blues-Album „Ghost On the Motorway“ des Londoner Songwriters Michael J. Sheehy. Grund genug, das gute Teil mal wieder aus dem Stapel zu kramen…

Time Of The Gypsies

gerhard emmer time of the gypsies II

gerhard emmer time of the gypsies I

gerhard emmer time of the gypsies III

Gerhard Emmer / Time Of The Gypsies I – III / 2015
Gouache / 3 x 50 cm x 70 cm

Gerhard Emmer Kunst / Homepage

Quellen der Inspiration:

Time Of The Gypsies„, der gleichnamige Film (Deutscher Titel: Die Zeit der Zigeuner) von Emir Kusturica aus dem Jahr 1988 über große Themen wie telekinetische Fähigkeiten, Betrug und Rache.

Der von Stephen King unter dem Pseudonym Richard Bachman veröffentlichte Roman „Der Fluch“ (1986, Heyne Verlag) über Sex während einer Autofahrt mit fatalen Folgen und die tödlichen Auswirkungen einer Roma-Verwünschung.

David Peace – 1974 (2006, Heyne Verlag), der Auftakt des „Red Riding Quartett“ in Anlehnung an den realen Fall des Yorkshire-Rippers, hier im Speziellen die in einem Nebenstrang behandelte gewaltsame Auflösung eines Roma-Lagers durch die nordenglische Polizei. 2009 unter dem Titel „Yorkshire Killer 1974 / Red Riding: In the Year of Our Lord 1974“ exzellent verfilmt von Julian Jarrold für Channel 4.

George Borrow – Lavengro der Zigeuner-Gentleman – Autobiografische Schriften des 1803 in Norfolk geborenen, weitgereisten englischen Sprachgenies (Borrow übersetzte unter anderem Schillers „Wilhelm Tell“ und verfasste ein Wörterbuch der Roma-Sprache). Die Mischung aus Novelle und Memoiren gibt einen faszinierenden Einblick in die Subkultur des viktorianischen Zeitalters, 1987 im Haffmans Verlag erschienen und heute zumindest noch im Antiquariat erhältlich.

Das Stück „Gypsy Woman“ des amerikanischen Soulmusikers Curtis Mayfield, im Besonderen die Ry-Cooder-Interpretation von dessen hervorragendem Longplayer ‚The Slide Area‘ (1982, Warner).

Gypsy Blood“ von der Debüt-LP ‚Howlin‘ Wind‘ (1976, Vertigo) von Graham Parker And The Rumour. Absolut hörenswert ist auch die Solo-Version von Parkers Album ‚Live! Alone In America‘ (1989, Demon/RCA).

Die Anmerkungen des schottischen Folk-Musikers Jackie Leven zu den verwendeten Fotos im Begleitheft seiner großartigen Solo-Live-Sammlung ‚For Peace Comes Dropping Slow‘ (1996, Cooking Vinyl): „These three potographs are of Romany Gypsy friends of mine who live in Dorset, and whom I visit when i need to sit round a fire at night with people who don’t ghive a flying shit about where I am the rest of my life!“