Zwei Tage Mali Maghreb Mashrek Festival in den Räumlichkeiten des Zwischennutzungsprojekts Köşk im Münchner Westend, mit Workshops zum Thema „Die Musik der Tuareg“ und Aufführungen der Dokumentarfilme „Mali Blues“ von Lutz Gregor und „Al Oud“ von Fritz Baumann, hochspannende Programmpunkte allesamt, leider zu einer Tageszeit, zu der das werktätige Volk gemeinhin anderweitig eingespannt ist, aber für den abendlichen Besuch eines Konzerts im Rahmen der Veranstaltung ist es sich immerhin zeitlich ausgegangen, Gottlob.
Organisiert wurde das feine Themen-Programm von Marja Burchard und ihrem vom eigenen Vater übernommenen Kraut/Jazzrock/Worldbeat-Kollektiv Embryo, die Münchner Improvisations-Prog-Institution lud sich zum Kontext der Veranstaltung passend eine Reihe illustrer Gäste aus dem Norden des afrikanischen Kontinents und dem Nahen Osten zur gemeinsamen, ausgedehnten Session, zu der sich dann auch noch der ein oder andere spontan vorbeischneiende Musiker gesellte. Der Tamasheq/Tuareg-Blues-Gitarrist Ahmed Ag Kaedi, Bandleader des in Mali beheimateten Trios Amanar, reiste in Begleitung befreundeter Musiker der Berliner Formation Orion Congregation an, der mittlerweile im Exil lebende Kaedi startete mit der solistischen Interpretation seiner Desert-Blues-Songs und dem für die Region typischen Anschlag der Gitarre, der den westlich geprägten Blues von John Lee Hooker bis Mark Knopfler mit traditionellen nordafrikanischen Stilmitteln verbindet und damit den Hitze-flirrenden, luftigen Swing der Sahara-Region akustisch einfängt. Der hypnotische Flow der elektrischen Gitarre war weiter tragendes Element der personell variabel besetzten Jam-Improvisation, zu der sich naheliegend Marja Burchard mit ihrem grandiosen Vibraphon- und Marimba-Spiel wie psychedelischen Keyboard-Exkursionen, der Münchner Allround-Bläser, langjährige Embryo-Musiker und Express-Brass-Band-Leader Wolfie Schlick mit Querflöte und Saxophon und die hiesige Country/Blues-Koryphäe Titus Waldenfels am Banjo nebst weiteren Embryo- und Orion-Congregation-Musikern einfanden und damit den typischen nordafrikanischen Desert-Blues um funky Kraut-, Fusion-Jazz- und swingende Bluegrass-Elemente erweiterte – eine mehr als gelungene Symbiose der exzeptionellen Fertigkeiten des Ausnahmemusikers aus dem Nordosten Malis (der im Übrigen auch im erwähnten Film von Lutz Gregor eine Rolle spielt) und seiner sehnsuchtsvollen Melodien, treibenden Rhythmen und Songs über Hoffnungen, angeprangerte Korruption, „the real rebellion“ der Tuareg und das Leben fern der Heimat mit dem Crossover-Ansatz der kongenial im Spontan-Fluss groovenden Mitmusikanten aus heimischen Gefilden.
Für weitere Highlights an diesem Abend sorgten die Auftritte des marokkanischen Gnawa-Perkussionisten Ramdan Mohcine und des syrischen Oud-Spielers Abathar Kmash, der mit seinem beseelten Spiel auf der akustischen Kurzhalslaute Elemente aus der arabischen Volksmusik und der nahöstlich-persischen Klassik in die instrumentale Weltreise einbrachte. Vor allem solistisch konnte der akademisch ausgebildete Grenzgänger zwischen U- und E-Musik seine Virtuosität auf dem mit dem deutschen Wort „Holz“ übersetzten Oud-Instrument eindrucksvoll demonstrieren, im Verbund mit kleinem Ensemble drohten die feinen Saiten-Klänge leider mitunter im breiteren Sound-Spektrum des intensiven Weltmusik-Trance-Drives zu verschwinden, dafür war’s dann doch bei weitem zu schade, ansonsten gab es tatsächlich nichts zu monieren bei dieser raumgreifenden Zusammenkunft international renommierter musikalischer Grenzgänger und ihrer kunstvollen Illumination durch die analoge „Liquid“-Psychedelic-Lightshow der Kreuzer Lichtmaschine.
Wenn schon sonst in anderen Bereichen unserer Gesellschaft eher selten bis kaum, so funktioniert das Miteinander der unterschiedlichsten Kulturen in der Musik von Embryo und ihren Gästen aus allen Winkeln dieser Welt wie seit Jahrzehnten auch in der zweiten Generation vorzüglich, das Konzert vom Donnerstag-Abend wie schwer vermutlich auch die Wiederholung unter anderem mit dem Weltmusik-Pionier und langjährigen Embryo-Gitarristen Roman Bunka Tags darauf bezeugten dies einmal mehr in angenehmster und eindrücklichster Form.
Mali
Terakaft @ Milla, München, 2015-05-03
Nachdem das Wetter vergangenen Sonntag mitunter an Arche-Bauen denken lies und zu meinem besonderen Verdruss und um das Maß voll zu machen am Nachmittag die Münchner „Löwen“ jeglichen Biss vermissen ließen und partout keinen Bock mehr auf zweite Liga zeigten, war mir der „Tatort“ zur Erbauung dann doch keine sichere Option und so musste schon ein musikalischer Leckerbissen her, um mir die Laune etwas aufzuhellen, dankenswerter Weise waren am Sonntag die Tuareg-Blueser Terakaft aus Mali zur Releaseshow ihrer neuen CD im Milla am Start und das bedeutete in meinem Fall: nix wie hin!
Terakaft bedeutet in der Tuareg-Sprache Tamashek „Karawane“, in vielen nordafrikanischen Ländern werden die Tuareg als Rebellen diskriminiert, wie aus den Medien bekannt, ist in Mali die Lage derzeit politisch extrem angespannt, und so leben einige Bandmitglieder von Terakaft im südalgerischen Exil bzw. in Paris. Der Desert-Blues nimmt so die extrem wichtige Funktion als Sprachrohr und Mittel zum Überleben ein, ähnlich wie seinerzeit bei den schwarzen amerikanischen Sklaven im neunzehnten Jahrhundert.
Das neue Album des Quartetts, „Ténéré“, wird am 11. Mai beim Münchner Label „Outhere Records“ des vom B2-Zündfunk bekannten Musikjournalisten Jay Rutledge erscheinen, das Label hat sich auf afrikanische Rockmusik spezialisiert – und aufgrund dessen, was die Combo am Sonntagabend auf die Bühne zauberte, darf man auf die Veröffentlichung mehr als gespannt sein.
Die Band, neben den ebenfalls aus Mali stammenden Formationen Tamikrest und Tinariwen oder Mdou Moctar aus dem Niger wohl die bekanntesten Vertreter ihres Fachs, verzauberte die zahlreich erschienenen Besucher quasi von Minute Eins an mit ihrem direkt zupackenden Gitarrensound, der neben den typischen arabisch-/afrikanischen Grooves Parallelen zu John Lee Hooker, J.J. Cale und rohem amerikanischen Country Blues erkennen lies, und versetzte das Volk in Kombination mit tranceartigen Rhythmen in ein verzücktes Wogen. Auch hinsichtlich Konzertdauer von über 2 Stunden gab es für den geneigten Hörer wahrlich nix zu maulen so nahm dieser für mich partiell recht unseelige Tag dann doch noch ein versöhnliches Ende.
Frage mich nur, wer mich kommenden Freitag nach der dann anstehenden Auswärtsklatsche für die „Löwen“ beim FSV Frankfurt wieder aufrichtet, die Messlatte liegt seit vergangenem Sonntagabend hoch…
(**** ½ – *****)