Maserati

Maserati + Villages @ Kafe Kult, München, 2017-06-18

Lohnender Sonntagabend-Ausflug nach Oberföhring zum ehemaligen Kulturstation-Gelände, in der lauschigen Alternativ-Chill-Out-Butze Kafe Kult gaben sich zwei versierte Formationen des experimentelleren Indie-Rock ein sommerliches Stelldichein.
Im subkulturell genutzten ehemaligen Lazarett-Gebäude eröffneten bei mehr oder weniger passablem Besuch die drei Musiker der Dresdner Band Villages, das Trio stellte ihr jüngst erschienenes Album „Ill Ages“ vor, indem es sich als Ausbund an überbordender Kreativität präsentierte und mit Nachdruck in einer fast schon irrlichternden Tour de Force im Grenzgang zwischen klassischem Postpunk und Achtziger-Elektro-Pop den richtigen Rhythmus und die passende Melodik suchte und diese oft auch fand. Ein jeweils kurzes Sammeln und Innehalten im Ambient-artigen Flow zwischen den einzelnen Stücken, ansonsten ließen Villages mit harten Beats, flirrenden Gitarren und klirrenden Keyboard-Grooves im Uptempo-Bereich den Geist und die Aufbruchstimmung jener längst vergangenen Jahre der maßgeblich von britischen Combos geprägten New Wave wiederauferstehen, fernab von jeglicher Retro-Romantik gelang gleichwohl das Kunststück der eigenen Handschrift und die Vorwärts-gewandte musikalische Vision. Feiner, vehementer Einstieg in den Konzertabend, beileibe nicht nur für Nostalgiker.
(**** ½ – *****)

Als Headliner des Konzertabends beehrten die Herrschaften von Maserati nach vierjähriger Abstinenz mal wieder die Münchner Postrock-Gemeinde mit ihrer Präsenz, dieses Mal auch wieder in voller Mannschaftsstärke, beim letzten Auftritt 2013 im Orangehouse des Feierwerks musste die Band notgedrungen wegen Virus-Erkrankung auf die Dienste von Bassist Chris McNeill verzichten und die Veranstaltung in ungewohnter Besetzung als Trio bespielen, am Sonntagabend waren alle fit und wohlauf, und so konnte sich die Demonstration der energetischen Klangkunst der Combo aus der R.E.M.-Heimat Athens/Georgia zum ungetrübten Vergnügen gestalten, die Band versteht es nach wie vor wie kaum eine zweite, ihre überwiegend instrumentalen Klangreisen in Richtung Outer Space in perfekt harmonierender Mixtur aus Post-, Kraut-, Psychedelic- und Space-Rock zu präsentieren.
Wo beim letzten Tonträger „Rehumanizer“ hinsichtlich punktuell überreizter Elektronik-Spielereien nicht nur eitel Sonnenschein herrschte, kommt das Quartett im konzertanten Vortrag Gitarren-dominiert im oberen Tempobereich ohne Umschweife auf den Punkt, getrieben vom Schlagwerk-Berserker Mike Albanese knallte die Band ihre druckvoll-wuchtigen Science-Fiction-Soundtracks in die Weiten der Galaxien und glänzte in der Live-Interpretation der jüngsten Werke wie im Vortrag altbewährter Live-Klassiker wie dem berauschenden „Monolith“ eindrücklich.
Warum sich bei einem Maserati-Konzert in München momentan weniger als hundert Besucher einfinden, wird wohl auf ewig eine nicht erklärbare Laune des Schicksals bleiben, eine Combo, die getrost zu den Top Five des amerikanischen Postrock gezählt werden darf, hätte wahrlich größeren Zuspruch verdient, am vergangenen Sonntagabend allemal.
(*****)

Very special thanks an das curt-Team.

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Reingehört (100)

reingehoert_100

Mogwai – Central Belters (2015, Rock Action)
Post-Rock I: 20-jähriges Dienstjubiläum, und das Christfest steht auch vor der Tür, alles gute Gründe, zur Feier eine 3er-CD-/6er-Yinyl-Werkschau auf den Markt zu schmeißen, und es gibt ja tatsächlich auch nichts zu knurren bei dem repräsentativen Paket, das die schottischen Instrumental-Post-Rock-Götter von Mogwai da geschnürt haben.
Das Quintett, das sich 1995 in Glasgow um den Gitarristen Stuart Braithwaite formierte, lässt in der Karriere-umfassenden Retrospektive keine Wünsche offen, Repräsentatives von der ersten ‚Mogwai Young Team‘-Scheibe von 1997 bis zum letzten Release ‚Rave Tapes‘ von 2014 findet sich zuhauf auf dem Sampler, all die Klassiker, die auch konzertant wiederholte Male für Entzücken sorgten, „Mogwai Fear Satan“, „2 Rights Make 1 Wrong“, „Hunted By A Freak“, „I’m Jim Morrison, I’m Dead“, daneben eine ganze Ladung Single-Tracks wie „Helicon 1“, „Hasenheide“ und „My Father My King“ in seiner 20-minütigen Pracht.
Die Soundtracks zu ‚Les Revenants‘ und zur ‚Zidane‘-Doku werden zitiert und das eher rare EP-Zeug wie „Devil Rides“ unter Beteiligung von Psychedelic-Meister Roky Erickson, „Teenage Exorcists“ von der ‚Music Industry 3. Fitness Industry 1‘-EP oder „Stanley Kubrick“ kommt auch nicht zu kurz.
Eine mustergültiges Mogwai-Rundum-glücklich-Paket, wie es sich der Fan der Schotten wünschen würde, hätte er das Zeug nicht eh schon daheim parat im Plattenschrank stehen. Insofern: gelungenes Starter-Set zur dringend angeratenen Einverleibung im Nachgang für Novizen.
(*****)

Mogwai live in Manhattan und Brooklyn bei nyctaper.com.

Caspian – Dust And Disquiet (2015, Big Scary Monsters)
Post-Rock II: Der vierte Longplayer der Combo aus Beverly/Massachusetts führt den Weg fort, den sie mit dem Vorgänger-Album ‚Waking Season‘ (2012, Triple Crown Records) beschritten: Fort vom Post-Metal und der hochenergetischen Gangart früher Tage, hin zu komplexeren Songstrukturen und zu einer heterogeneren Soundlandschaften-Vielfalt, großartige Melodien werden nicht mehr zwingend mit geschliffener Härte gepaart, wie man es von den Frühwerken der Band oder dem ‚Live At Old South Church‘-Konzertmitschnitt (2012, Make My Day Records) kennt. Dunkle Ambient-Töne und orchestraler Folk (!) runden diesen Soundtrack für den Herbst ab, die Band mag alte Fans ratlos zurücklassen, wohl aber neue Hörer hinzugewinnen. „Echo And Abyss“ ist mit Gesang versehen und dies dürfte das stärkste Indiz für den musikalischen Wandel der Band sein.
(****)

Caspian konzertant legal gebootlegt bei nyctaper.com.

Maserati – Rehumanizer (2015, Temporary Residence)
Post-Rock III: Die Band aus Athens/Georgia pflegt auf dem neuen Album erneut die dynamisch-rhytmusgetriebene Mixtur aus Kraut- und Space-Rock, Psychedelic-Post-Rock und einem jederzeit mitschwingendem Gespür für Science-Fiction-Film-Soundtracks, energische und hypnotisch-trancehafte Elemente halten sich gekonnt die Waage, obwohl der ein oder andere Vocoder-/Sequenzer-Elektronik-Schnickschnack zum Einsatz kommt, bleibt die scheppernd-schneidende Gitarre das tragende Instrument für den Klangkosmos des Quartetts. Auch hier kommen Gesangsparts zum Einsatz und es stellt sich die bange Frage: Wird das Ende der Post-Rock-Welt, wie wir sie kennen, eingeläutet – oder stößt das Genre schlichtweg an seine musikalischen Grenzen?
(*** ½ – ****)

Maserati Live & Legal bei southernshelter.com und nyctaper.com.

Telephony – Mayday (2015, Brandit Music)
Post-Rock IV: Schöner melodischer Shoegazer-Instrumental-Rock aus Portugal, der sich auch sinfonischer Elemente im Sinne der Neoklassik bedient und so eine Ambient-artige Wohlklang-Soundlandschaft für Hörer entstehen lässt, die im Gesang-freien Genre auch die ruhigeren, meditativen, Piano-dominierten Klangfarben schätzen können. Mit etwas mehr zupackender Wucht und der ein oder anderen sich aufbauenden Gitarren-Wand kann daraus Großes entstehen.
(*** ½ – ****)

Telephony / Bandcamp