International besetztes Experimental-Dreierpack am vergangenen Donnerstag im Münchner Köşk. Den rein instrumentalen Abend der avantgardistischen Klänge eröffneten Giovanni Todisco und Giuseppe Candiano aus dem italienischen Bari mit ihrem Projekt Trrmà, in ihrem Vortrag ließen sie die Welten der analog erzeugten und digitalen Klänge miteinander verschmelzen, die abstrakten Interferenzen, das weiße Rauschen und das Nerven-anbohrende Noise-Pfeifen, das der Elektroniker Candiano seiner Synthie-Kiste durch Knöpfe-Drehen und Umstecken einzelner Modul-Verbindungen in den Raum schickte, wurde von der perkussiven Begleitung Todiscos strukturiert und für die Hörerschaft in gut konsumierbare Form gebracht. Der Trommler demonstrierte seine Kunst in einem weit gefassten Spektrum, klassisches Paukenschlagen, martialisches Antreiben und afrikanische Stammes-Polyrhythmik in vehementer Wucht wechselten mit filigranen Triangel-Klängen und monotoner Krautrock-Hypnose zur Begleitung der artifiziellen Freiform-Electronica.
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Wo beim Trrmà-Klanggebilde der beiden Süditaliener dank weitgehend vertrauter Taktgebung das Mitnicken und Eingrooven zum monoton-kargen, latent verstörenden Endzeit-Rauschen noch halbwegs ohne große Anstrengung gelingen mochte, verlangte der zweite Vortrag des Abends vom Auditorium weitaus mehr Zuwendung und aufmerksames Auseinandersetzen mit einem dargebotenen Noise-Soundtrack, den der Franzose Mimi Kawouin – beim Münchner Auftritt ohne seine seltsam-lustige Kostümierung – auf die für das Experimentelle aufgeschlossenen Konzertbesucher abfeuerte.
Aus einem Arsenal an digitalen Gerätschaften und verkabelten Maschinen, optisch begleitet von nervösem Neonröhren-Flackern, entlockte der Solokünstler eine lärmende Drone-Kakophonie, die in ihrer ganzen atonalen Pracht mit einem harten und aggressiven Ansatz den inneren Ästheten antestete, gefälliges Zappeln und Zucken war immerhin dann geboten, wenn sich aus dem abstrahierten Grundrauschen über Rückkopplungen und Loops ein monotoner, gefangen nehmender Industrial-/EBM-Beat herauskristallisierte, der sich in Wiederholungen in einem Verglühen in Intervallen im chaotischen Klangkosmos-Nirvana verabschiedete, um in mutierter Form im steten Lärm-Flow verschiedene Reinkarnationen zu durchlaufen. Sicher keine konzertante Grenzerfahrung für Jedermann/frau, aber die waren zu der Gelegenheit in den Zwischennutzungs-Räumlichkeiten im Münchner Westend auch nicht zugegen.
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Den Abend beschlossen nach den intensiven Aufführungen der europäischen Nachbarn die beiden ortsansässigen Münchner Künstler von NAQ/Nobody Answers Questions mit weitaus vertrauteren und in dem Kontext gleichsam konventionelleren musikalischen Strukturen und audiovisuellen Stilmitteln. Das Duo NAQ formiert sich aus dem Maj–Musical–Monday-Veranstalter und in zahlreichen Münchner Postrock- und Indie-Bands engagierten Multiinstumentalisten Josip Pavlov (Ippio Payo, The Grexits, Majmoon, Zwinkelman, Das Weiße Pferd) und dem Lichtkünstler Michael „Gene“ Aichner aka Genelabo.
Optisch begleitet von einer sehenswerten Videoinstallation/Visual-Show loopte Pavlov den Bass, ein wuchtig-dumpfes Trommeln und filigranes Spiel auf dem Xylophon und begeisterte einmal mehr mit seiner von repetitiven Gitarren-Riffs und einer ureigenen, individuellen Klangsprache geprägten Postrock-Spielart, die sich bei NAQ deutlich dunkler, melancholisch entrückter, in düstereren Farben gezeichnet und meditativer gebärdet als der Ansatz, den der begnadete Klangkünstler solistisch oder im Zusammenspiel mit dem hiesigen Drummer Tom Wu unter dem Namen Ippio Payo firmierend pflegt. Gleichwohl findet sich auch bei Nobody Answers Questions alles, was die exzellenten Auftritte des Musikers und Komponisten in jedweder Konstellation stets auszeichnen: ein Öffnen und stimmiges, fundiertes Erweitern des gängigen Instrumental-Postrocks in vielerlei Richtungen, ein Einbinden von Krautrock- und Progressive-Ansätzen, Art-Rock- und Avantgarde-Pop-Zitaten, Ambient-verwandtes Hineinversenken in Trance-haften, hypnotischen Klang-Fluss und intensives Lärmen wie Anlehnungen an klagenden, mäandernden Balkan-Folk. Einmal mehr ein einnehmend-faszinierender, höchst gelungener Auftritt, mit dem sich Pavlov und Co vor keinem prominenten Namen der instrumentalen Indie- und Experimental-Musik verstecken muss.
Josip Pavlov spielt am kommenden Donnerstag, 12. April, ein Solo-Konzert unter seinem Alter Ego Ippio Payo im Münchner Kafe Kult, in dem Rahmen wird auch das italienische Noise-/Experimental-/Postpunk-Duo So Beast aus Bologna auftreten.
Beim Maj Musical Monday #87 am 16. April in der Münchner Glockenbachwerkstatt ist Pavlov und sein Duett-Partner Dominik Lutter mit dem gemeinsamen Akustik-Postrock-Duo Zwinkelman zu sehen und hören, den zweiten Teil der Veranstaltung wird der englische Gitarrist John Dorr mit seinem Postrock-/Neoklassik-Projekt Stems bespielen, das im vergangenen Jahr auch als Teil der wunderbaren französisch-britischen Kollaboration The Chapel Of Exquises Ardents Pears mitwirkte, man darf gespannt sein.
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