Montreal

Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche @ Import/Export, München, 2017-02-21

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Mäßiger Besuch beim Kraut-Funk-Rausch am vergangenen Dienstag im wieder mal sehr relaxten Ambiente des Import/Export, waren wohl alle bei diesem Drogen-verseuchten Libertines-Babyshambles-Hansel in der Muffathalle oder bei der Sterne-Schlagerparade im Strom, sei’s drum, die Erleuchteten, die den Weg in den Hort der Münchner Subkultur an der Dachauer Straße gefunden haben, sollten ihren Besuch nicht bereuen, das Quartett Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche aus Montreal legte beim hiesigen Aufenthalt im Rahmen ihrer ersten Europatournee trotz einiger technischer, letztendlich vernachlässigbarer Schwierigkeiten einen fulminanten Auftritt hin, die Band präsentierte ihr jüngst erschienenes Album „Pas pire pop, I Love You So Much“ sowie ausgewählte Preziosen des 2014er-Band-Debüts „Zubberdust!“ und spielte sich vom Start weg in einen Trance-haften Kraut-/Postrock-Funk-Flow, die Dur-lastigen Riffs der Gitarristen Sebastien Fournier und Eric Gingras zeugten von schwebender Psychedelic-Eleganz und zitierten unterschwellig den arabisch-afrikanisch angehauchten Groove, wie er artverwandt in den King-Crimson-Meisterwerken der „Discipline“-New-Wave-/Postprog-Phase und im Worldbeat-Afrofunk der Talking Heads Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger Jahre zu finden war, das tonale Epizentrum der Band bilden die beiden über die Maßen beherzt, hart und intensiv arbeitenden Rhythmiker Samuel Bobony am Schlagwerk und – noch ein gutes Stück mehr – der vor Energie schier berstende Basser und Songwriter des Kollektivs, Jean-Sébastien Truchy, der Kennern des kanadischen Experimental-Rock als Mitglied der Band Fly Pan Am bekannt ist.
Für knapp 90 Minuten verwandelte die Combo aus der Ville de Montréal mit ihrem intensiven Vortrag das anwesende Publikum im Saal des Import/Export in eine einzige mitwippende und zappelnde Gemeinschaft, der hypnotischen Wucht dieser bezwingenden Kombination aus experimentellem Krautrock-Grenzgang und von schweren Bassläufen getriebenem Afrofunk, gepaart mit Chor-artigen Vokal-Attacken und nahezu endlos erscheinendem Verharren in einem treibenden Klangrausch konnte sich niemand entziehen.
Danke an die Veranstalter vom Clubzwei, die Perlen dieser Güte nach München bringen, und selbstredend immerwährender Dank an das Montrealer Indie-Experimental-Label Constellation Records – wie beim Konzert von Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde: wo Constellation draufsteht, ist Qualität drin.
(*****)

Reingehört (272): Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche

jonas

Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche – Pas pire pop, I Love You So Much (2017, Constellation)

Home of the brave: Das kanadische Indie-Label Constellation ist ein nicht versiegender, Freude-spendender Quell, seit zwanzig Jahren versorgt die Firma aus Montreal die Musikwelt mit Qualitätsprodukten hochgeschätzter Bands und Musiker – schwergewichtige Tonträger-Perlen der Postrock-Giganten Godspeed You! Black Emperor, vom nicht minder überzeugenden GY!BE-Nebenprojekt Silver Mt. Zion, von den Experimental- und Postrock-Grenzgängern Do Make Say Think, den liebenswerten Alternative-Spinnern HṚṢṬA oder der Experimental-Jazzerin Matana Roberts stehen neben vielen anderen Veröffentlichungen bis dato zu Buche, mit „Pas pire pop, I Love You So Much“ bringt Constellation Records dieser Tage das zweite Album des Kollektivs Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche unters Volk, die Band um den Fly-Pan-Am-Musiker Jean-Sebastien Truchy glänzt mit tollem, beschwingtem Neo-Krautrock-Flow, der sich hinsichtlich schärfender Zutaten bei der Intensität des Postrock genauso schadlos hält wie im psychedelischen Experimental-Progressive-Wohlklang.
Treibend und bezwingend wie die Label-Kollegen von Godspeed in ihren ekstatischsten Momenten, spannend-nervös im Afrobeat-Anklang wie die Talking Heads zu „Remain In Light“-Zeiten oder Vampire Weekend auf ihrem ersten, durchaus brauchbaren Album. Ausgedehnte Instrumental-Passagen von rauschhafter, hypnotischer Kraft, beseelter Noise-Rock, unterschwelliger Ethno-Ansatz und die bezwingende Vehemenz des Post-Irgendwas ergeben ein exzellent gewürztes Klanggebräu, das in der Form im noch jungen Musikjahr 2017 ein dickes Ausrufezeichen setzt und für uneingeschränkte Euphorie sorgt.
(*****)

Avec Le Soleil Sortant De Sa Bouche spielen am 21. Februar im Rahmen ihrer anstehenden Europa-Tournee in München im Import/Export, weitere Termine der Konzertreise:

14.02.2017Hannover – Café Glocksee
15.02.2017Leipzig – UT Connewitz
16.02.2017Berlin – Monarch
17.02.2017Dresden – Altes Wettbüro
18.02.2017Poznan – LAS
19.02.2017Warsaw – Kulturalna
24.02.2017Düdingen – Bad Bonn
25.02.2017Luzern – Jazz Kantine
27.02.2017Strasbourg – La Laiterie
28.02.2017Lyon – Marché Gare
01.03.2017Paris – Le Point éphémère
02.03.2017Vanes – L’Echonova
06.03.2017Brussels – Chaff
07.03.2017Luxembourg -Rotondes
08.03.2017Opwijk – Nosta
09.03.2017Groningen – Vera
10.03.2017Amsterdam – Paradiso

Reingehört (239): Duchess Says

ZECHE ZOLLVEREIN ESSEN (6)

Duchess Says – Sciences Nouvelles (2016, Slovenly Recordings)
Die Band aus Montreal bezeichnet ihren Indie-Elektropunk selbst als „Moog Rock“, die mal überschwängliche, mal Gothic-düstere und mitunter auch tanzbare Postpunk-Nummer zitiert mit ihren klirrenden Achtziger-Keyboards den Science-Fiction-New-Wave jener Zeit im Geiste der B-52s und die heftigen Orgelattacken von Pionieren des Genres wie den kalifornischen Tuxedomoon. Der fordernde, offensive, hallende, ins Schrille neigende Gesang von Annie-Claude Deschênes und die kratzenden Gitarren im Rahmen des tendenziell deformierten Klangbilds des Quartetts tun ihr Übriges zur Verstärkung des Retro-Eindrucks, der Tonträger bietet kaum Neues, das Hergebrachte aber immerhin flott aufgepeppt, der auch schon nicht mehr taufrische Riot-Grrrl-Ansatz mag da noch den aktuellsten Bezug zur Pop-Historie repräsentieren.
(****)