Muscle Shoals Rhythm Section

Soul Family Tree (41): Southern Soul und eine Hommage an Rick Hall

Soul-Freitag mit Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog, heute mit seiner Erinnerung an den im Januar verstorbenen Songwriter, Produzenten, Musiker und Muscle-Shoals-Studio-Boss Rick Hall:

Spricht man vom Südstaaten-Soul, so denkt man vermutlich zuerst an den Memphis-Soul. Heute gibt es eine Hommage an einen der Großen in der Musik und dem Erfinder von Southern-Soul. Rick Hall liebte den Rhythm & Blues, er ging in den späten 1950er Jahren ins stark segregierte Alabama und gründete die Florence Alabama Music Enterprises (FAME), bestehend aus dem Musikverlag FAME Publishing, dem Plattenlabel FAME Records und dem Aufnahmestudio FAME Recording Studios. Hall, ein Weißer, der in den Muscle Shoals Studios schwarze Musik produzierte und arrangierte. Die Geschichte klingt auch heute noch wie ein Wunder. Anfang der 1960er Jahre hatte Rick Hall sein Studio aufgebaut und verfügte über hervorragende Session-Musiker. Nebenbei überwand er Brücken zwischen Weiß und Schwarz und brach damit ein Tabu. Seine erste Session-Band bestand aus weißen Musikern, die zusammen mit afroamerikanischen Kollegen spielten.

Bereits eine der ersten Aufnahmen wurde ein Hit. Arthur Alexander nahm bei ihm seinen größten Hit „You Better Move On“ auf. Der Anfang war gemacht. Mit dem verdienten Geld baute Hall sein Studio weiter aus und es dauerte nur wenige Jahre, bis die großen Namen nach Muscle Shoals in die gleichnamigen Studios kamen. Und Rick Hall hatte Glück. Jerry Wexler (Atlantic Recordings) hatte gerade Aretha Franklin unter Vertrag genommen und schickte sie zu ihm für die Aufnahmen einiger Songs. Schon das erste Stück „I Never Loved a Man (The Way I Love You)“ wurde zum Inbegriff von Modern Soul und Aretha ein Star. Schnell entstand ein eigenständiger Sound. Was den Muscle Shoals Sound von Motown und Memphis unterschied, war die Instrumentierung. Hall setzte auf harte Arrangements und Dynamik, er spielte geschickt mit den musikalischen Genres und kreierte so den Southern-Soul.

In den 1960er Jahren nahmen viele namhafte Künstler bei Hall ihre besten Platten auf. Percy Sledge („When A Man Loves A Woman“) war ebenso dort wie Otis Redding, Arthur Conley, Clarence Carter, Wilson Pickett oder die Rhythm & Blues Queen Etta James. Alles was damals einen Namen hatte, ging in die Muscle Shoals Studios. Dem Atlantic-Mann Jerry Wexler war dieser Erfolg ein Dorn im Auge, und so machte er den Session-Musikern Anfang der 1970er Jahre ein finanzielles Angebot, das diese nicht ablehnen konnten. Rick Hall blieb der Stadt Muscle Shoals und seinem Studio dennoch treu und wandte sich vom Soul hin zu Country und Easy-Listening-Musik.

2013 erschien die Dokumentation „Muscle Shoals“ über sein Leben, die nicht nur wegen dem Soundtrack sehenswert ist. Rick Hall hatte sie alle im Studio gehabt. Wenn die Rolling Stones „schwarzer“ klingen wollten, gingen sie in die Muscle Shoals Studios. So entstanden dort Aufnahmen wie „Brown Sugar“ oder „Wild Horses“. Duane Allman und die Allman Brothers waren ebenso dort wie Lynyrd Skynyrd, die in den Studios ihr legendäres „Sweet Home Alabama“ aufnahmen.

Im Januar ist der „Father of Muscle Shoal“ im Alter von 85 Jahren gestorben.
Thank you Rick Hall.

Hier kommen 5 Songs aus den 1960er Jahren, alle produziert und arrangiert von Rick Hall und den berühmten Session-Musikern: Barry Beckett (Keyboards), Roger Hawkins (Schlagzeug), Jimmy Johnson (Gitarre) und David Hood (Bass).

Los geht es mit Queen Etta James mit „Tell Mama“. Es folgt Wilson Pickett, der eigentlich als Gast für Musik-Sessions nach Alabama kam und dann mit der verrückten Idee zu Hall ging, von den Beatles „Hey Jude“ zu covern. Zusammen u.a. mit Duane Allman wurde der Song eingespielt. Aretha Franklin folgt mit der Nummer, die der Inbegriff des Modern Souls wurde. Aretha nahm später dort auch ihren Hit „Respect“ auf. Otis Redding darf nicht fehlen, mit einer starken Nummer, „You Left The Water Running“. Zum Schluss kommt die Hymne schlechthin: „Sweet Soul Music“ von .

In vier Wochen gibt es gibt es wieder raren Rhythm & Blues mit weiteren musikalischen Ausgrabungen und Schätzen.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum

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Reingehört (364): Jon Langford, Lee Ranaldo, The World Is A Beautiful Place And I Am No Longer Afraid To Die

The World Is A Beautiful Place And I Am No Longer Afraid To Die – Always Foreign (2017, Epitaph)

Hilft alles nix: Die Band aus Connecticut mit dem Kilometer-langen Bandnamen war schon mal weitaus beeindruckender und vor allem intensiver unterwegs in Sachen Postrock und Emo-Core. „Always Foreign“ ist über weite Strecken im Würgegriff von dominierendem Psychedelic-Beatles-Pop-Geschwurbel und Konsens-Indie-Geplätscher, quasi doppelt-plus-ungut, erst gegen Ende, in den abschließenden Stücken „Fuzz Minor“ und vor allem im finalen „Infinite Steve“ mag partiell sowas wie die beglückende Vehemenz berauschender Postrock-Gitarren-Dramatik aufkommen, gepaart mit den auf vergangenen Werken und im konzertanten Vortrag typischen Anlehnungen an den betörenden Emo-Post-Hardcore von Shudder To Think, für einen 40-Minuten-Longplayer unterm Strich bei weitem zu wenig für eine Band, auf die man einst große Stücke hielt.
(***)

Lee Ranaldo – Electric Trim (2017, Mute)

Ex-Sonic-Youth-Gitarrenmeister Lee Ranaldo ist auf „Electric Trim“ weit entfernt von früheren Feedback- und Rückkopplungs-Exzessen, der New Yorker gibt sich auf der jüngsten Solo-Arbeit betont entspannt, Song-orientiert, an etlichen Schwachstellen des Werks geradezu aufreizend gefällig. Dank vereinzelter Perlen wie dem coolen und gleichsam treibenden Neo-Prärie-Rocker „Uncle Skeleton“ oder dem eingangs saumseligen, von Sharon Van Etten gesanglich begleiteten, im zweiten Teil euphorisch explodierenden „Last Looks“ sowie einigen gelungenen Softcore-Balladen und Psychedelic-Pop-eingefärbten Indie-Rockern bleibt die Langweiler-Gelbe-Karte für dieses Mal in der Brusttasche stecken und wir belassen es für die eingestreuten tonalen Schlaftabletten im Geiste akustischen McCartney-Geplätschers und das belanglose Jazz-Gitarren-Gefrickel bei einer dezenten Verwarnung.
Unterstützt von Sonic-Youth-Spezi Steve Shelley an den Drums und Ausnahme-Gitarrist Nels Cline, der das partielle, Füße-einschläfernde Geschrammel bereits bestens von seiner derzeit schwer im Sinkflug befindlichen Hauscombo Wilco kennt. Fürderhin nutzloses Wissen vom Beipackzettel für das Literatur-Volk: Brooklyn-Romancier Jonathan Lethem hat die Entstehung etlicher Stücke beim Texten begleitet.
(****)

Jon Langford – Four Lost Souls (2017, Bloodshot Records)

Working Class Socialist und Mekons-Mitbegründer Jon Langford zieht mit seinem jüngsten Solo-Album stilistisch wie kaum anders zu erwarten schwer in Richtung Waco Brothers, seiner seit über 20 Jahren aktiven Chicagoer Alternative-Country-Combo, die Aufnahmen für „Four Lost Souls“ entstanden im legendären Muscle Shoals Sound Studio in Sheffield/Alabama, unter maßgeblicher Hilfe vom ehemaligen Elvis-Bassisten Norbert Putnam und von „Muscle Shoals Rhythm Section“-Mitbegründer David Hood. Die Beteiligung dieser tief in der amerikanischen Musiktradition verhafteten alten Kämpen mag den Umstand begründen, dass der Tonträger zwar mit der von Langford wie seinen Combos gewohnten, griffigen Alternative-Dramatik in „Poor Valley Radio“ eröffnet, im weiteren Verlauf aber zusehends den gängigen, Massen-kompatiblen wie austauschbaren Country-, Rock’n’Roll- und – in der ausgeprägten Form vom ollen Jon und seinen Gesangs-Duett-Mädels bisher so nicht vernommen – Soul-Mustern Tribut zollt und in einer Handvoll belangloser Titel völlig darin versumpft. Das Langford-typische Feuer ist in weiten Teilen nur ein schwaches Glimmen, mit seinem in der Vergangenheit hochgeschätzten leidenschaftlichen Vortrag ist es dieses Mal nicht weit her, schade, man hätte einen Guten wie ihn gerne wieder und grundsätzlich immer mit dickem Lob überzuckert.
Das Plattencover hat der profilierte Kunstmaler Langford naheliegend selbst gestaltet, wenigstens dafür uneingeschränkt Daumen hoch.
(*** ½)