Neil Hockaday

Reingelesen (73): Thomas Adcock

„Auch Halo schien nichts in seiner schäbigen Behausung wirklich wichtig zu sein. Als würde der Mann sein wirkliches Leben woanders führen. Einen beunruhigenden Augenblick lang kam mir der Gedanke, dass jemand, der sich meine eigene Wohnung in Hell’s Kitchen ansah, möglicherweise zu dem gleichen traurigen Schluss über mich gelangen würde. Ich tröstete mich schnell damit, dass es in meiner Bude wenigstens jede Menge Alk und Bücher gab, und ein altes Foto von einem Soldaten.“
(Thomas Adcock, Feuer und Schwefel, Kapitel 19)

Thomas Adcock – Feuer und Schwefel / Ertränkt alle Hunde / Der Himmel des Teufels
(1994 – 1998, alle: Haffmans Verlag)

Im Debüt-Roman „Hell’s Kitchen“ seiner Krimiserie lässt Autor Thomas Adcock den New Yorker Cop Neil Hockaday gegen die Machenschaften des Immobilien-Spekulanten Daniel „The Dan“ Prescott ermitteln, einer durch und durch korrupten Figur, für die Donald Trump seinerzeit unverhohlen als Vorbild herhalten durfte, im Roman wird quasi-satirisch über eine mögliche Präsidentschafts-Kandidatur des fiktiven Geschäftsmanns Prescott spekuliert, die Realität hat dahingehend die vermeintliche literarische Freiheit längst auf der Standspur links liegen gelassen.
Auch in der Fortsetzung „Feuer und Schwefel“ (1994, Originaltitel: „Dark Maze“) muss sich der irisch-stämmige Detective mit krummen Grundstücksgeschäften und deren Strippenziehern auseinandersetzten, dieses Mal mit Prescott-Bruder Wendell, der sich wie Fred Trump in der realen Welt weitaus größerer Beliebtheit als die prominentere Verwandtschaft erfreute und gerne mal einen strammen Drink genehmigte, Spekulationsobjekt ist die ehemalige Brooklyner Vergnügungsmeile Coney Island, deren große Zeiten längst vergangen sind und von Thomas Adcock ausgiebig in melancholischer Reminiszenz gewürdigt werden.
„Feuer und Schwefel“ ist der Name eines Gebäudes, das neben vielen anderen Relikten aus der guten alten Zeit des Vergnügungsparks an der Atlantikküste der Luxussanierung des Viertels zum Opfer fallen soll. Das Bauwerk ist verziert vom dämonischen Wandgemälde eines genialen wie wahnsinnigen Kunstmalers, den die Bewohner der Nachbarschaft wie auch das Pflegepersonal und die Ärzte der geschlossenen Abteilung des Bellevue-Hospitals nur unter dem Pseudonym „Picasso“ kennen. So wie das spanische Original Pablo ein vom Glück Gesegneter war, so repräsentiert sein New Yorker Künstlerkollege die Kehrseite der Medaille, vom Leben betrogen und schlecht behandelt wie gleichwohl mit außerordentlichem Talent bedacht, kündigt der Maler verbal wie auch prophetisch in seinen Kunstwerken abgebildet eine Reihe von grausigen Morden an, die SCUM-Patrol-Detective Hockaday nach einer zufälligen Begegnung mit dem manischen Artisten als bereits bewährte One-Man-Show im täglichen Kampf gegen das Böse in den Häuserschluchten des Big Apple zu verhindern sucht.
Privat tut sich auch was bei „Hock“, mit der Afroamerikanerin Ruby tritt erstmals seine zukünftige Herzdame ins Rampenlicht, was sich nebst Liebesleben Gesundheits-fördernd auf das Suchtverhalten des Cops auswirkt.
Der lesenswerteste Roman der Serie neben dem Debüt, wie „Hell’s Kitchen“ uneingeschränkt zu empfehlen für New-York-Fans und Liebhaber solide geschriebener und sorgfältig ausformulierter Krimi-Kost. „Feuer und Schwefel“ zeichnet sich aus durch stimmige Milieu-Studien, eine ausgewogene Dosierung an Thrill und Spannung und ein untrügliches Gespür für den Sound und die Atmosphäre der Millionenstadt am Hudson River. Der Serienkiller-Plot hatte Anfang/Mitte der Neunziger auch noch seinen Reiz, in einer Zeit, in der diese Nummer noch nicht durch jeden zweiten 08/15-Regional-Dorfdeppen-Krimi völlig überdehnt war.
„Feuer und Schwefel“ wurde 1992 mit dem renommierten Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet, beileibe nicht die schlechteste Wahl der Jury.

„Jeder, der ein New Yorker Cop ist und noch dazu irischer Katholik, hat guten Grund, früher oder später Zyniker oder so etwas wie ein Mystiker zu werden. Oder, wie in meinem Fall, beides.“
(Thomas Adcock, Ertränkt alle Hunde, Kapitel 3)

In „Ertränkt alle Hunde“, dem 1994 unter amerikanischem Originaltitel „Drown all the Dogs“ erschienenen dritten Teil des Hockaday-Serie schickt Thomas Adcock den New Yorker Cop zum finalen Besuch seines dahinwelkenden, hochbetagten Onkels und zur Ahnenforschung über den großen Teich nach Irland.
Der Roman ist inhaltlich weitaus weniger Kriminal-Fall als Familien-Saga und Auseinandersetzung mit Anti-englischen Ressentiments, fehlgeleiteter katholischer Kirchenpolitik im Dienste der weltlichen Interessen und der nationalistisch-faschistischen Seite der Irisch-Republikanischen Armee. Detective Hockaday und seine Liebste Ruby haben Terroranschläge, Polizei-Schikanen und Verstrickungen in die familiären und politischen Fehden der irischen Vorfahren zu überstehen, ehe sich für den Cop das Schicksal seines verschollen geglaubten Altvorderen und die Gründe für die langjährige Verbitterung seiner Mutter offenbaren und er sich – zumindest nach Zigeuner-Ritus – als vermählt betrachten und die wohlverdiente Heimreise mit einem schweren Erbe an Familien-Tragödien auf dem Buckel antreten darf. Daneben kommen die Sympathien des berühmten irischen Literatur-Nobelpreisträgers William Butler Yeats für das faschistische Irish Blueshirt Movement des IRA-Manns und späteren Polizeichefs Eoin O’Duffy in den 1930er Jahren und seine Einstellung zum deutschen Nationalsozialisten-Regime ausführlich zur Sprache. An der New Yorker Heimatfront findet Etliches Aufklärung hinsichtlich Verwicklung irisch-stämmiger Gesetzeshüter in die Politik und finstere Machenschaften der amerikanischen Ostküsten-IRA-Vertretung, Davy Mogaill, Hockadays Mentor beim NYPD, mischt dahingehend kräftig und erhellend mit. Alles in allem kein weltbewegender, immerhin aber grundsolider Kriminal-Roman, weitaus mehr eine faszinierende und komplexe literarische Reise in die Vergangenheit des Kampfes um die irische Unabhängigkeit, der nach Adcock vor allem von radikalem Fanatismus geprägt und in der Wahl der Mittel nicht zimperlich war. Der Autor zeichnet ein differenziertes Bild, dass eine eindeutige scharfe Trennung in „gute“ irische Republikaner und „schlechte“ Besatzungs-Briten nicht zulässt.
Und auf Seite 190 finden sich ein paar universelle, immerwährend gültige Sätze, an denen es seit ihrer Niederschrift vor über 20 Jahren im Wesentlichen nichts zu korrigieren gibt:

„Seite eins der Zeitung beschrieb die Welt in ihrer üblichen prekären Lage. Wohlhabende Nationen steckten unterschiedlich tief in ökonomischer Rezession, andere befanden sich in einer ausgewachsenen Depression – oder im Bürgerkrieg. Und überall behaupteten Kriminelle und Schwachköpfe, den Weg aus dem Chaos zu kennen. Dies waren die Führer von Nationen, und ihre Anhänger schienen sie ernst zu nehmen.“
(Thomas Adcock, Ertränkt alle Hunde, Kapitel 22)

„Der Himmel des Teufels“ ist das Alkoholiker-Paradies, das alles über den Rausch, aber nichts über den Tag danach offenbart. Hock Hockaday säuft in Teil vier der Serie die Probleme des ehelichen Alltags inklusive ausgeprägtem Selbstbewusstsein der Gattin weg, bekommt unversehens dank auffälligen Verhaltens die Dienstmarke entzogen und findet sich auf der anderen Seite des Hudson River im harten Entzug bei katholischen Priestern in Hoboken wieder. Die toughe, eigenständige Polizistenbraut Ruby Flagg heuert währenddessen beim alten Arbeitgeber in der schicken Werbebranchen-Welt der Madison Avenue an, wo prompt der homosexuelle Agentur-Partner bestialisch hingerichtet wird, der Auftakt einer Serie von Gewaltverbrechen im New Yorker Schwulen- und Transvestiten-Millieu – für den beurlaubten, trockengelegten und entgifteten Hock ein hinreichender Anlass, zusammen mit Mentor Davy Mogaill in neuer Berufung als Privatdetektiv die Ermittlungen aufzunehmen  und den ein oder anderen Strauß mit dem homophoben, sadistischen Sergeant „King Kong“ Kowalski von der Sitte auszufechten, einer literarischen Arschgeigen-Figur von erlesener Güte.
Ein Roman, der hinsichtlich unstrittiger Einsichten über die Schattenseiten der Alkoholsucht der Weltliteratur neben Graham Greenes „Die Kraft und die Herrlichkeit“ oder Malcolm Lowrys „Unter dem Vulkan“ noch ein paar weitere Aspekte hinzufügen kann, als Kriminalfall im Serienkiller-Modus präsentiert sich die Ballade vom heiligen (Ex-)Säufer wie alle anderen Adcock-Romane in gewohnt schnörkelloser und hart auf den Punkt formulierter Sprache, beklemmend und düster in den Studien der subkulturellen Milieus, schwarzhumorig in den Anmerkungen zur Auseinandersetzung mit dem inneren Schweinehund hinsichtlich selbstauferlegter Bier- und Schnaps-Abstinenz. Und implizit funktioniert der Roman nicht zuletzt als Plädoyer für Toleranz und als Statement gegen Homophobie.

„Dann ballte ich meine Hand zur Faust, reckte sie zum Himmel und sprach ein weiteres trotziges Gebet. Wenn ich schon ein verfluchter Säufer sein muss, warum in Gottes Namen muss ich dann auch noch Katholik sein?“
(Thomas Adcock, Der Himmel des Teufels, Kapitel 21)

Mit „Der Himmel des Teufels“ endete die deutsche Übersetzung der Adcock-Krimis über den New Yorker Cop Hockaday, die beiden folgenden Romane der Serie, „Thrown-Away Childs“ (1996) und „Grief Street“ (1998), haben es nicht mehr zu einer Übertragung geschafft, über die Gründe kann nur spekuliert werden, der verlegerische Mut des Haffmans Verlags, der 2001 das Konkursverfahren beantragte, mag sich möglicherweise mit den ersten vier Teilen kommerziell nicht ausgezahlt haben, hinsichtlich literarischer Qualität, inhaltlicher Komplexität und Krimi-spezifischem Unterhaltungswert sind die Werke bei Hardboiled-Fans wie in den Foren und Redaktionen der Fachpresse seit Erscheinen über jeden Zweifel erhaben. Die Hockaday-Romane sind seit Jahren im Buchhandel vergriffen, im gut sortierten Antiquariat für schmales Geld aber nach wie vor verfügbar.

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Reingelesen (51): Thomas Adcock – Hell’s Kitchen

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„Meilenstein des harten Krimis – ein anarchisches Debüt, das sich gegen schnelles Lesen wehrt.“
(Matthias Kühn, Krimi-Couch)

„I’ll take Manhattan in a garbage bag
With Latin written on it that says
„It’s hard to give a shit these days“
(Lou Reed, Romeo had Juliette, 1989, New York)

„Angelo sagte: „Der Bursche ist ein wiehernder Scheißkerl, also hat er natürlich auch die Geschichte seines bescheuerten Lebens in Buchform rausgebracht, und natürlich ist es ein Bestseller. Und außerdem – und das denke ich mir jetzt nicht einfach so aus, Hock – ist dieser Vermieter drauf und dran, öffentlich bekannt zu geben, dass er sich um das Amt des Präsidenten bewerben will.“
(Thomas Adcock, Hell’s Kitchen, Kapitel 17)

Thomas Adcock – Hell’s Kitchen (1993, Haffmans/Heyne)

Adcock revisited, dank/wegen „The Donald“: Da hat die Realität mal wieder die Fiktion eingeholt. 1989 wird wohl mancher Leser der amerikanischen Originalausgabe von Thomas Adcocks fulminantem Krimiserien-Auftakt um den irisch-stämmigen New Yorker Cop Neil „Hock“ Hockaday mindestens ein belustigtes Schmunzeln nicht verdrückt haben, als die mögliche Bewerbung um das US-Präsidentenamt der Romanfigur Daniel „The Dan“ Prescott im Verlauf der Geschichte zur Sprache kam. Der im Krimi gezeichnete Immobilien-Unternehmer Prescott inklusive geschildertem Geschäftsgebaren und dem nach ihm benanntem Wolkenkratzer-Tower ist weitestgehend unverhohlen das fiktive Pendant zum aktuellen Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei Amerikas, dem Immobilienmagnaten-Clown Donald Trump. Nicht nur dieser Bezug zur aktuellen amerikanischen Politik macht das Buch lesenswert, „Hell’s Kitchen“ ragt neben seiner unverhohlenen Sozialkritik und Parteinahme für die Verlierer des Kapitalismus auch als Kriminalroman meilenweit heraus aus dem Sumpf mittelmäßiger, literarisch weitgehend anspruchsloser Publikationen, die heutzutage die Masse der Veröffentlichungen des Genres ausmachen.

Der Protagonist „Hock“ Hockaday kehrt nach gescheiterter Ehe in das Viertel seiner Kindheit zurück, das ehemals vor allem von irischen Einwanderern bevölkerte Hell’s Kitchen im westlichen Teil von Midtown Manhattan (heute bekannter unter dem Namen Clinton) ist in den neunziger Jahren Schauplatz der beginnenden Gentrifizierung des heruntergekommenen New Yorker Stadtviertels, der großstädtische Strukturwandel bildet die thematische Klammer im Roman, dubiose Immobiliengeschäfte und zweifelhafte Praktiken zum Entwohnen sanierungsbedürftiger Objekte inklusive korrupter Verbindungen in die Stadtpolitik führen zu Mord und persönlicher Rache, die Recherche lässt Hockaday tief eintauchen in die eigene und die Vergangenheit des Viertels, die dominiert war vom irischen Katholizismus inklusive Vollrausch, Bordellbesuch und anschließender Beichte, und seiner eigenen Mitgliedschaft in einer Jugendgang.

SCUM-Patrol-Mann Hockaday bezieht eine bezahlbare Wohnung im Viertel seiner Kindheit, kurz darauf werden sein Spitzel und Nachbar Buddy-O und der dubiose Mieteintreiber Griffith unsanft ins Jenseits befördert. Von seinem Vorgesetzten erhält er den Auftrag zum Personenschutz für den anonym bedrohten Harlemer Radioprediger Father Love, der während des ersten Treffens mit Hock von einem Auftragskiller lebensbedrohlich angeschossen wird. Der Lauf der Ermittlungen fördert zutage, dass die Fälle in Verbindung zueinander stehen. Die Fäden laufen im Sumpf dubioser Immobiliengeschäfte zusammen, in einer Zeit, als die Politik Reagans die Unterschicht weiter schwächte und Gestalten wie den Immobilienmakler Donald Trump in Position brachten. Trump konnte noch in den Achtzigern nahezu ausschließlich an weiße Klientel vermieten und damit trotz etlicher Klagen ungeahndet gegen amerikanisches Bürgerrecht verstoßen. Von der Stadt New York wurde er bereits in früheren Jahren protegiert und für ein Bauvorhaben in der Nähe der Grand Central Station für vierzig Jahre von der Grundsteuer befreit, der City Hall gingen dadurch in zehn Jahren an die 60 Millionen US-Dollar verloren, finanzielle Mittel, die für die Sanierung von Schulen und Krankenhäusern in jener Zeit dringend gebraucht wurden.
Mit der Verachtung des Ich-Erzählers Hockaday zur Politik der Neocons transportiert Autor Adcock das Anliegen, dass es ihm mit dem Roman nicht ausschließlich um die Erzählung eines düsteren, harten und stimmigen Krimis ging.

„Ich dachte daran, den Holy Redeemer zu suchen, um mal zu sehen, was er vielleicht über Ereignisse wusste, die zu dem vorzeitigen Tod von Buddy-O geführt hatten. Und ich sah mir King’s Row, meinen Lieblings-Ronald-Reagan-Film, in der Glotze an. Der Film, in dem er in zwei Teile zerschnitten wird.“
(Thomas Adcock, Hell’s Kitchen, Kapitel 2)

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In der Zeit der Handlung des Romans war Hell’s Kitchen ein bezahlbares Viertel für die Unterschicht, Kleinkriminelle, Prostituierte, Kneipenwirte und Arbeitslose konnten sich hier bei günstigen Mietpreisen über Wasser halten, wer durch das soziale Raster fiel, fand eine Bleibe in der kriminellen Anarchie des unterirdischen „Dschungel“, die aufgelassene Eisenbahntrasse zehn Meter unterhalb des Straßenniveaus gab es in der Zeit tatsächlich im Westen Manhattans, sie war Unterkunft für Obdachlose, Junkies und Alkoholiker, ein später begehrtes Areal für Immobilenspekulanten.
Das Trump-Abziehbild Prescott sorgt im Roman mit kriminellen Methoden für massiven Zuzug im „Dschungel“ und erhöht so den sozialen Druck im Viertel, Spekulationsobjekte in der Nachbarschaft werden von Mietern widerwillig geräumt, sie schaffen nach erfolgter Sanierung Platz für die überteuerten Wohnungen der Neureichen.

„Gewisse Familien draußen in Brooklyn verdienten sich mit Auftragsmorden ihre Brötchen, Erpressung war die Domäne der Mitglieder der Social Clubs von der Mulberrry Street, das Glücksspiel war den stets schick gekleideten Typen oben in Harlem vorbehalten, Safes knacken konnte jeder, da es damals wie heute ein Handwerk ist, das großes Geschick erfordert, für Provisionen und Schmiergelder waren das Rathaus und die überzeugten Anhänger unseres Systems des freien Unternehmertums zuständig, und die Wall Street besaß das Monopol für Bankausplünderungen auf Gentlemenart und aalglatte Schwindeleien – was wieder mal beweist, dass sich manche Dinge nie ändern.“
(Thomas Adcock, Hell’s Kitchen, Kapitel 18)

Mit Wucht und einer überraschenden Wendung serviert Adcock den Plot dieses entschleunigten, detailliert erzählten und gut recherchierten, beklemmend-finsteren Kriminalromans, der trotz düsterer Grundstimmung mit feinem Humor aufwartet und mehr als Lust macht auf die Fortsetzungen wie „Feuer und Schwefel“ oder „Der Himmel des Teufels“, die die Geschichte von Detective Hockaday und dem Viertel weitererzählen. Und mit Musik kennt sich Adcock auch aus, bereits auf Seite 8 erklingt „God Bless The Child“ von Billie Holiday, im weiteren Verlauf des Romans ergänzt um Anspielungen und Reminiszenzen an Hank Williams, Ray Charles und das New Yorker Vaudeville-Kabarett.

„Welcher Mann?“
„Das spielt jetzt keine Rolle. Er ist auch tot.“
Lionel lächelte und sah sogar noch trauriger aus. Als wäre auf einmal die Luft aus ihm abgelassen worden.
„Tja, nur die Toten werden dir die Wahrheit sagen“, meinte er.“
(Thomas Adcock, Hell’s Kitchen, Kapitel 8)

In der Print-Ausgabe ist das Werk leider längst vergriffen, immerhin als Kindle-Edition ist es seit Anfang des Jahres unter dem neuen deutschen Titel „Der Dschungel“ in der Übersetzung von Jürgen Bürger wieder verfügbar.
Thomas Adcock hat insgesamt sechs Werke über den New Yorker Cop Hockaday geschrieben, die Folgen zwei bis vier sind seinerzeit beim Haffmans Verlag erschienen und heutzutage nur noch über das Antiquariat erhältlich, die letzten beiden Werke aus der Serie, „Thrown-Away Childs“ (1996) und „Grief Street“ (1998) harren bis heute vergebens der deutschen Übersetzung.

Thomas Adcock wurde 1947 in Detroit/Michigan geboren. Er war als Polizeireporter für diverse Zeitungen in Detroit, Minneapolis und New York tätig.
1984 veröffentlichte Adcock „Precinct 19“, eine Dokumentation über den Polizeialltag im Manhattan Upper East Side Revier, eine Art Vorläufer zu David Simons literarischer Realitiy-Doku „Homicide. A Year On The Killing Street“ über die Baltimore Police Department Homicide Unit, die teilweise als Vorlage für die erfolgreiche HBO-Serie „The Wire“ verwendet wurde.
Thomas Adcocks zweiter Hockaday-Krimi „Dark Maze“ (dt. „Feuer und Schwefel“) wurde 1992 mit dem renommierten Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet.
Er ist mit der Schauspielerin Kim Sykes verheiratet und lebt mit ihr in Manhattan.

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