Orangehouse

Pabst + The Lumes @ Orangehouse, München, 2018-09-06

Bass, Gitarre, Schlagzeug, mit der klassischen Trio-Besetzung geht man selten fehl in der konzertanten Rockmusik-Bespaßung, und so sollte es sich auch am vergangenen Donnerstagabend fügen im Münchner Orangehouse, das Berliner Label Crazysane Records präsentierte in der Feierwerks-Halle ein heftiges Doppelpack aus seinem noch überschaubaren Fundus bisher vorgestellter und veröffentlichter Bands. Klasse statt Masse scheint das Motto bis dato bei der kleinen aber feinen Indie-Plattenfirma von HEADS./ex-The-Ocean-Bassist Chris Breuer, keine Frage.

Bevor die Jungspunde von Pabst die Bühne der heimeligen Club-Lokalität enterten, durften sich die Labelmates von The Lumes eingangs für eine gute halbe Stunde mit ihrer Spielart der lärmenden Beschallung austoben. Bei der Würdigung der im Vorjahr erschienenen EP „Envy“ wurde an dieser Stelle dem Wunsch Ausdruck gegeben, dass die Combo beizeiten mal im Isar-Großdorf vorbeischneien möge, das Begehr hat sich hiermit erfüllt. Ein ordentlich gefülltes Auditorium wurde Zeuge eines intensiven und lauten Auftritts der drei jungen Musikanten aus Rotterdam, die holländische Band bringt alles mit an kompositorischen Fähigkeiten und druckvoller Präsentation, was im emotional durchwirkten Klangbild des Postpunk seit jeher von herausragender Relevanz ist. Das Rhythmus-Duo Lennard van der Voort und Mitchell Quitz an Bass und Drums steckten mit ihrer permanent nach vorne drängenden, stoischen und direkt auf den Punkt gespielten wie effektiven Taktgebung das Feld ab für die Ausbrüche von Sänger/Gitarrist Maxime Prins, der als schlacksiger, nervöser Zappler das elektrische Saiteninstrument mit schroffen Akkorden bearbeitete und seinen verzweifelten Gefühlsausbrüchen freien Lauf ließ, unverstellt und ungeschminkt, direkt in der Konfrontation, die Seelenpein als Therapie herausschreiend. Da war einer am werkeln, der für seine Vorführung kein Konzept, keine einstudierte Effekthascherei und keine geplanten Bewegungsabläufe braucht, das kam frei von der Leber, spontan und unvermittelt in die Welt hinausposaunt.
Der schneidende Gitarrenklang, hart angeschlagen und doch mit einer durchschimmernden Shoegazer-/Postrock-Melodik und erhebenden Atmosphäre bereichert, mitunter wie Luftschutz-Sirenen in einer von Krisen geschüttelten Endzeit-Welt aufheulend, lieferte den düsteren, verzweifelten Soundtrack für die kalten und anonymen Nächte in der Betonwüste der Großstadt, wobei sich natürlich in dem Fall die Frage stellt, ob da ein Konzert in München überhaupt den passenden Rahmen liefert, mit großstädtischem Flair ist es in Sachen Subkultur mitunter in der bajuwarischen Landeshauptstadt nicht allzu weit her, aber das wäre dann ein anderes, separates Thema.
Mit einer Handvoll Songs war der Auftritt der Holländer viel zu kurz bemessen, gerne hätte man sich den Wind dieser schmerzlich schönen Druckbetankung in einer Balance zwischen tonaler Hymnik und atonaler Dämonen-Befreiung noch länger ins Antlitz blasen lassen.

Das Berliner Trio Pabst zieht derzeit im Rahmen der durch die Republik lärmenden „Chlorine“-Tour ihre Kreise, die Konzertreise zur Präsentation des jüngst veröffentlichten gleichnamigen Band-Debüts offenbarte auch in München die vermuteten Live-Qualitäten der Band, die bereits auf Tonträger dokumentierte Uptempo-Vehemenz, die unbeschwerte Frische der Songs und der offensive Druck des Pabst-Sounds potenzierten sich in der hochtourigen Darbietung der jungen Musikanten aus der Spree-Metropole zu einem Party-tauglichen Destillat. Bereits der leiernde Glam-Gesang von Gitarrist Erik Heise atmet mit jeder Silbe großen Pop und das Verlangen nach dem großen Wurf, die Melodien der Nummern haben nicht selten Ohrwurm-Charakter, die Refrains das Zeug zum Saal-umfassenden Mitsing-Chor. Pabst sind jedoch schlau genug, ihre Indie-Songs nicht im beliebigen Mainstream versumpfen zu lassen, die verzerrte, übersteuerte, Garagen-tauglich heulende Fuzz-Gitarre ist dafür mit zu vielen ausgeprägten Noise-Qualitäten gesegnet, der weitaus direktere Anschlag der Rhythmik wartet im Vergleich zur Tonkonserve immer noch mit genügend vertrackten Tempi-Wechsel auf, und der extrovertierte, intensiv abrockende, keinen Stillstand erkennen lassende Bühnen-Habitus der Bewegungsdrang-Fanatiker hat sowieso nicht zu knapp an Punk- und Grunge-Appeal.
Wie auch die Kollegen von den Lumes drückten Frontmann Heise mit Unterstützung seiner Mitmusiker Tilman Kettner und Tore Knipping ordentlich Energie von der Bühnenrampe in den Zuhörerraum, vor allem der erste Teil der gut einstündigen Lärmrock-Sause bot ein Feuerwerk an schmissigen Pabst-Krachern, zu dem die Band bereits eingangs in die Vollen ging und Smash-Hits wie „Perfume“ oder „Waterslide“ abfeierte.
„Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk, und werden es auch niemals sein“ sangen einst die Kameraden vom Hamburger-Schule-Trio Tocotronic auf ihrem Debütalbum im Jahr 1995, in einer Zeit, in der die Combo noch ernst zu nehmende deutsche Rockmusik fabrizierte, im Fall von Pabst bleibt hinsichtlich dieser Textzeile eigentlich nur Bedauern: Schade eigentlich, in jenen Jahren wäre die junge Berliner Combo hinsichtlich Verkaufszahlen an der amerikanischen Ostküste in der Hauptstadt des Grunge wohl schwer durch die Decke gegangen mit ihrer harten wie melodiösen, einnehmend euphorisierenden Spielart der Krachmusik, aber man kann sich den richtigen Ort und die richtige Zeit für das eigene Tun halt leider nur selten aussuchen. Andererseits, in heimischen Gefilden braucht es dieser Tage auch noch ein paar Kapellen, die die Fahne der kreischenden Stromgitarre hochzuhalten wissen, Pabst sind dafür beileibe nicht die schlechtesten Kandidaten.
By the way, Anekdote am Rande: Mit der gelben, zur jugendlichen Freibad-Thematik des Debüt-Albums passenden Badehose hatte der Pabst-Merchandising-Stand ein nicht alltägliches Unikat an Fan-Devotionalie im Angebot, not bad. Leider ist der Sommer fast vorbei, und nächstes Jahr passt das Teil aufgrund der angegrasten Oktoberfest- und Weihnachts-Pfunde dann wahrscheins nicht mehr, ansonsten hätte man glatt schwach werden können…

Israel Nash + Gold Lake @ Orangehouse, München, 2016-02-12

Da kann sich so manche Vorband eine Scheibe von abschneiden – so darf gerne jeder Konzertabend eröffnen: Die spanische Band Gold Lake um die fesche Sängerin/Keyboarderin Lua Rios ging von Minute eins an in die Vollen, beherzter Indie-/Power-Pop nahm das Publikum im vollbepackten Orangehouse am Freitagabend von Beginn an gefangen. Als warme Lagerfeuer-Gitarrensounds zelebrierende Indie-Folkband angekündigt, war so mancher Besucher verwundert über den strammen, zwingenden Indie-/Post-Rock-Klang der Fender Jazzmaster, den schmissigen Keyboardsound und den euphorischen Gesang, den die Combo ungebremst ablieferte, da hat sich seit Bandgründung eindeutig etliches im Klangbild des hochsympathischen Quartetts aus Madrid in Richtung Energie und griffig-enthusiastischer Melodienvielfalt weiterentwickelt. War stilistisch vielleicht nicht die ideale Ergänzung/Eröffnung für den Americana-Sound des Hauptacts, Spass gemacht hat das allemal und die begeisterte Meute im Saal wäre für weitere Aufführungen der jungen Spanier durchaus zu haben gewesen. Gerne beim nächsten Mal als Headliner über die volle Distanz…
(**** ½)

„Cosmic American Music“ hat man das seinerzeit genannt, zu Zeiten von Grateful Dead’s ‚Workingman’s Dead‘, den New Riders Of The Purple Sage, Countryrock-Gott Gram Parsons und der Frühphase von Old Neil Young, was uns da der zottelige Americana-Barde Israel Nash (formerly known as Israel Nash Gripka) als Hauptmenü des konzertanten Reigens zusammen mit seiner vierköpfigen, exzellent eingespielten, wie eine gut geölte Maschine daherkommenden Band servierte, ein beseeltes Gebräu aus Westcoast, Country, Americana-Folk und harmonischem Mehrgesang verzückte das Orangehouse über nahezu 100 Minuten, hinsichtlich Tonträger hat mich Nash ab und an schon mal auf dem völlig falschen Fuß erwischt, zu viel Gleichklang mäanderte da durch den grundsätzlich für gut befundenen stilistischen Ansatz des Texaners, und auch im Live-Vortrag griff die von Neil Young auf das eigene Werke bezogene Aussage „It’s all one Song!“ das ein oder andere Mal, immerhin konnte sich der mitunter in der Wiederholungsschleife befindliche Konzertgast am exzellenten Gitarrenspiel des Saiten-Virtuosen Joey McClellan einklinken, festhalten, weiden und berauschen, die schwergewichtigen, hochmelodischen Countryrock-Ergüsse des jungen Burschen waren aller Ehren wert.
Gleichwohl: Trotz vermehrt auftretender Ähnlichkeiten im Songmaterial erinnert sich nicht nur Nash gerne an das Orangehouse, hier war er schon in vergangenen Jahren zu Gast und erkannte den ein oder anderen treuen Fan im Publikum wieder, auch die Besucher vom ausverkauften Konzert am vergangen Freitag werden den Abend in guter Erinnerung behalten, allzu oft ergeben sich die Gelegenheiten nicht, den Geist von Woodstock auf derart hohem musikalischem Niveau zu zelebrieren.
(****)

Vielen Dank an Eike Klien / Klienicum-Blog.