Otis Taylor

Reingehört (288): Otis Taylor

Otis Taylor – Fantasizing About Being Black (2017, Trance Blues Festival Records)

Der Chicagoer Blues-Musiker Otis Taylor hat spät mit dem Platten-Veröffentlichen angefangen, mit 48 Jahren hat er vor gut 20 Jahren mit seinem Debüt „Blue Eyed Monster“ neue Akzente in der amerikanischen Traditionsmusik gesetzt, seitdem arbeitet er sich regelmäßig in seinen Alben an Themen ab wie den harten Lebensrealitäten der US-Black-Communities und Rassismus und Gewalt gegen die afroamerikanische Bevölkerung und die indigenen Ureinwohner, auf „Fantasizing About Being Black“ befasst sich der Sänger und Multiinstrumentalist Taylor erneut konzeptionell mit der Historie und Gegenwart der schwarzen Amerikaner, er zeichnet ein düsteres Bild von den Qualen der Sklaverei, von der Angst der Civil-Rights-Marschierer vor rechtsradikalen Übergriffen in den Südstaaten der Sechziger Jahre und den gegenwärtigen, aktuellen Sorgen und Nöten seiner Mitbürger.
Musikalisch findet sich das wie gewohnt bei Otis Taylor auf höchst anregendem Niveau, sein charakteristischer Blues bewegt sich am oberen Trance-Level, der beschwörende Sprechgesang und die frei fließenden, entspannt-geerdeten, reduzierten Banjo- und Gitarrenriffs und das gedehnte Slide-Spiel werden punktuell durch jazziges Cornett- und Trompeten-Gebläse bereichert, den treibenden Flow durchbrechen diverse zupackende Blues-Rocker in schrofferer Gangart.
Und zu guter Letzt kommt sie doch noch, ganz hinten hat sie sich versteckt und sorgt für einen würdigen Ausklang, die große Otis-Taylor-Ballade, die er alle Jubeljahre mal anstimmt, „Jump To Mexico“, im Stil seiner ergreifenden, Akustik-Slide-Gitarren-begleiteten Epen wie dem Titelstück seines Großwurfs „My World Is Gone“ von 2013 oder der Neubearbeitung des „Hey Joe“-Klassikers vom „Recapturing The Banjo“-Album aus dem Jahr 2008.
Otis Taylor erfindet sich und seinen Trance-Blues auf seinem fünfzehnten Studio-Album nicht neu, pflegt und verwaltet seine Kunst aber unvermindert auf einem spannungsgeladenen, Genre-erweiternden Level, das ihm nach wie vor eine Ausnahmestellung in der weiten Welt der traditionellen amerikanischen Musik sichert.
(**** ½ – *****)

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Reingehört (43)

Otistop

Otis Taylor – Hey Joe Opus Red Meat (2015, Telarc / Inakustik)
Der Trance-Blueser aus Chicago schenkt uns mit seiner aktuellen Sammlung aus neuen Songs und Instrumentals, die sich wie so oft bei Taylor jeglicher Kategorisierung entziehen, vor allem zwei Neuinterpretationen des Jimi-Hendix-Klassikers „Hey Joe“, den Otis Taylor bereits für sein hervorragendes Album „Recapturing The Banjo“ (2008, Telarc) aufnahm, diese erste Fassung ließ jedoch die zeitliche Ausdehnung und die improvisatorische Entfaltung vermissen, die Taylor und seine Band der Nummer bei Konzerten geben und sie so zu einem wahren Live-Höhepunkt gedeihen lassen.
Die beiden Neueinspielungen beheben diesen Mängel und bannen das Werk nun auch in würdigerer Form auf Tonträger. Der Rest der Platte besticht durch gewohnt vielschichtige Blues-Songs und Instrumental-Stücke, die sich weit entfernt von der reinen Lehre in so unterschiedlichen Gefilden wie Soul, Ambient-Jazz und innovativer Rockmusik weiterentwickeln. Ein zusätzliches Plus der Platte ist das Gastspiel des Gitarren-Schwergewichts Warren Haynes, den der geneigte Blues- und Rock-Hörer von seinen zahlreichen Engagements bei der Allman Brothers Band, bei The Dead sowie seiner eigenen Band Gov’t Mule kennt und schätzt.
(**** ½)

Willie Nile – If I Was a River (2014, River House / Blue Rose Records)
Willie Nile hatte 1980 mit seinem Debüt gleichen Namens (1980, Arista) einen idealen Einstand im Rock-Business und mit seinen Geschichten über die New Yorker Bowery hat er damit Downtown Manhattan ein ähnlich herrliches musikalisches Denkmal gesetzt wie sein großer Schatten Bruce Springsteen es für New Jersey mit seinen ersten Alben geleistet hat.
Der Kritiker Dave Okamoto nannte die Platte “one of the most thrilling post-Byrds folk-rock albums of all time”.
Mit seinem folgenden Werk „Golden Down“ (1981, Arista) konnte Nile jedoch nur noch bedingt an die Erfolge und die Qualität des Erstlings anknüpfen und so verschwand er für die nächste Dekade und auch im Anschluss wiederholt für viele Jahre komplett von der Bildfläche. Erst seit 2006 veröffentlicht er wieder regelmäßig, das Comeback-Album „Streets Of New York“ (2006, Reincarnate Music) und die folgende, in New Yorks Kult-Club Mercury Lounge mitgeschnittene Live-Scheibe „Live From the Streets of New York“ (2008, Blue Rose Records) konnten wieder an Glanzleistungen der ersten Stunde anknüpfen.
Mit „If I Was A River“ legt Willie Nile nun eine 10-Song-Sammlung vor, die fast ausschließlich den Sänger nur in Piano-Begleitung oder allenfalls mit zusätzlichen, spärlichen Akustikminiaturen präsentiert. Das Werk zeigt den New Yorker als reifen Songwriter, die wenigen, nicht weiter störenden Kitsch-Ausbrüche trüben das Gesamtbild einer ansonsten rundum gelungenen Produktion kaum. Mag der Alt-Fan von derart Balladen-lastigem von einem Rock’n’Roll- und Gitarren-Liebhaber wie Willie Nile auf den ersten Blick überrascht sein, den herausragenden Songschreiber wird er auch in diesem Werk wiedererkennen…
(**** ½)