„He is it, you see… He’s got a lot to give and it’s all good.“ (Ry Cooder)
Black Friday, heute mit einem Beitrag, der dem Südstaaten-Soulsänger Terry Evans gewidmet ist. Evans ist einer, der sich hinsichtlich Star-Ruhm lange in der zweiten Reihe tummelte und erst im fortgeschrittenen Alter seine Solo-Karriere forcierte.
Letztes Jahr konnte er im Sommer seinen achtzigsten Geburtstag feiern. Das Licht der Welt erblickte Terry Evans 1937 in Vicksburg/Mississippi, wo er auch aufwuchs und sich seine ersten Sporen mit dem Gospel-Singen im örtlichen Kirchenchor verdiente – die Beschäftigung mit weltlicher Teufels-Musik erlaubten die Altvorderen nicht, was den jungen Terry nicht daran hinderte, sich insgeheim mit dem Virus des Blues durch Songs von Elmore James, Little Walter und den beiden Kings Albert und B.B. zu infizieren.
Nach einem frühen Intermezzo bei der lokalen Südstaaten-A-Capella-Formation The Knights zog es Terry Evans in den sechziger Jahren nach Los Angeles, wo er das Gitarrenspiel erlernte und Songs für andere Interpreten schrieb, u.a. für den „King Of The Jukebox“ Louis Jordan und Pops Staples. Hier die Version der Evans-Nummer „Love Is A Precious Thing“ vom Patriarchen der Staple Singers:
Vielen dürfte Terry Evans vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Ausnahme-Gitarristen Ry Cooder bekannt sein. Der weiße Roots-Musiker war in den Siebzigern auf der Suche nach Background-Sängern für seine Studio-Aufnahmen, der schwarze Gospel-/Soul-Musiker Bobby King, der selbst regelmäßig seit dem 1974er-Album „Paradise And Lunch“ bei Cooder-Sessions beteiligt war, empfahl seinen damaligen Duett-Partner und Freund Terry Evans, und so erklang der Gesang des Duos auf Klassikern wie dem Tex-Mex-/Hawaii-infizierten „Chicken Skin Music“, dem dazugehörigen Live-Album „Show Time“, dem grandiosen Blues-Wurf „The Slide Area“ und dem 1987er-Erfolgsalbum „Get Rhythm“.
Aus der Zusammenarbeit mit dem begnadeten kalifornischen Gitarristen hier die Nummer „Down In Mississippi“ aus der Feder von J.B. Lenoir vom Ry-Cooder-Soundtrack für den Film „Crossroads“, mit Terry Evans an den Lead Vocals:
Neben den erwähnten Cooder-Aufnahmen ist Evans als Gast-/Background-Sänger auf zahlreichen Studioaufnahmen namhafter Musiker_innen wie John Lee Hooker, John Fogerty oder Joan Armatrading zu hören.
Terry Evans tourte in den Siebzigern während seiner Mitarbeit bei Ry Cooder weiterhin regelmäßig in den Staaten mit seinem Sanges-Partner Bobby King, mit dem 1944 in Louisiana geborenen Soul- und Gospel-Sänger bespielte Evans bereits seit Ende der sechziger Jahre die für schwarze Künstler reservierten „Chitlin‘ Circuit“-Bühnen, doch erst ab Ende der Achtziger verschlug es die beiden Musiker zu gemeinsamen Aufnahmen ins Studio. Für Rounder Records produzierten sie zwei Alben, „Live And Let Live!“ und „Rhythm, Blues, Soul & Grooves“, auf ersterer findet sich unter anderem eine Fassung des Klassikers „At The Dark End Of The Street“, hier eine Live-Version der Nummer aus der Feder von Dan Penn und Chips Moman, die unterschiedlichste Interpretationen von den Flying Burrito Brothers bis zu Diamanda Galás erfuhr und manchem Cineasten aus der „Commitments“-Musik-Tragikomödie von Alan Parker bekannt sein dürfte.
Seit 1994 hat Terry Evans sieben Solo-Alben veröffentlicht, zuletzt 2005 „Fire In The Feeling“, unterstützt wurde er hierbei unter anderem neben Ry Cooder vom Slide-Gitarren-Meister David Lindley und dessen langjährigen El-Rayo-X-Bassisten Jorge Calderon, aus dem Album die Nummer „Nothing Wrong With Texas (That Leaving Won’t Fix)“, die auch gut in das „Soul goes Country“-Special gepasst hätte:
Die Evans-Solo-Alben „Puttin‘ It Down“ und „Mississippi Magic“ finden sich komplett als Stream auf den jeweiligen Bandcamp-Seiten des New Yorker Sledgehammer-Blues-Labels.
In jüngster Zeit ist Terry Evans des Öfteren mit dem aus dem holländischen Enschede stammenden und in Wien ansässigen Blues-Gitarristen Hans Theessink aufgetreten, aus der Zusammenarbeit der beiden Musiker sind auch die Alben „Visions“, „Delta Time“ und der Konzertmitschnitt „True & Blue“ entstanden, hier aus der Aufzeichnung des 2015er-Konzerts im Wiener Metropol die filigrane wie exzellente Akustik-Blues-Version der King/Cooder/Evans-Komposition „Gotta Keep Moving“:
Zum Abschluss ein Sampler-Beitrag von Terry Evans: 2014 veröffentlichte das norwegische Label Kirkelig Kulturverksted die Compilation „Songs From A Stolen Spring“, eine Sammlung von Protestsongs unter dem thematischen Aufhänger der Volksaufstände des „Arabischen Frühlings“, Evans interpretiert hier im Duett mit der libanesischen Songwriterin Tania Saleh den Titel „Not A Word Was Spoken / Dancing In The Street“.
„When I said you’re strange It was a compliment, you know“ (Langhorne Slim & The Law, Airplane)
Irgendwie ein typisches „Es-war-schon-alles-da-in-der-Musik-darum-schon-wieder-kein-neues-‚Astral-Weeks‘-‚Zen-Arcade‘-‚Exile-On-Main-St‘-Wunderwerk“-Jahr, dafür aber ein Musik-Jahr mit überraschenden Comebacks, würdigen Alterswerken, spannenden Mixturen, ein paar erwarteten und etlichen unerwarteten Highlights, einigen gewichtigen Ausgrabungen aus den Archiven und einem ersten Platz, der das in der Gesamtheit nicht sonderlich rosige Jahr 2015 in seiner Grundstimmung einfängt.
(01) Steve Von Till – A Life Unto Itself (2015, Neurot)
Das düstere Songwriting des Neurosis-Sängers/-Gitarristen: die Platte des Jahres 2015 im Kulturforum. Der passende Soundtrack für ein Jahr, von dem Bilder/Eindrücke unter anderem von gekenterten Flüchtlings-Booten, dem Terror-Anschlag auf einen Live-Club und allerhand politischen Verwerfungen bleiben werden, leider.
(02) Pops Staples – Don’t Lose This (2015, Anti)
Würdiges Alterswerk der Gospel-/Soul-Ikone, aus Rohfassungen von Tochter Mavis Staples und Wilco-Vorturner Jeff Tweedy behutsam zu einem guten Ende gebracht.
(11) Die Buben im Pelz & Freundinnen – Die Buben im Pelz & Freundinnen (2015, Konkord)
Den Violinen-Drone aus „The Black Angel’s Death Song“ haben sie nicht hingekriegt, sowas bleibt natürlich nur Musikern wie dem Gott-ähnlichen John Cale vorbehalten, ansonsten haben sie wirklich alles richtig gemacht, die Buben im Pelz und ihre Schicksen, mit ihrer Wiener Adaption eines der wichtigsten Alben der Pop-Historie. Total leiwand, eh kloa…
(17) Waves – Stargazer (2015, Waves)
Mit das Interessanteste in Sachen Post-Rock kam heuer aus München. Meine Hardcopy fange ich mir beim Konzert am 14. Januar im Backstage ein und dann folgt auch eine ausführliche Besprechung. Versprochen.
Das soll’s gewesen sein von meiner Seite für 2015. Rutscht gut rüber ins neue Jahr, ich wünsche Euch alles Gute, Glück und vor allem Gesundheit für 2016, uns wird es vermutlich auch im neuen Jahr im Großen und Ganzen wieder besser ergehen als 99% vom Rest der Welt, in diesem Sinne, weil Sylvester ist und weil gleich die Böller und Sektkorken knallen, soll das letzte Wort im alten Jahr an dieser Stelle Nathaniel Rateliff gehören: „Son of a Bitch, give me a Drink !!!!“ ;-)
Pops Staples – Don’t Lose This (2015, Anti)
Pops Staples, der im Dezember 2000 verstorbene Leader der legendären Gospel- und Soul-Formation The Staple Singers, hat vor seinem Gang in die ewigen Jagdgründe eine Sammlung unvollendeter Songs für sein geplantes letztes Album hinterlassen, die von seiner Tochter Mavis Staples, die auf dem vorliegenden Werk ab und an formvollendet den Lead-Gesang übernimmt, und Wilco-Chef Jeff Tweedy – unter Mithilfe von dessen Sohn Spencer an den Drums – behutsam bearbeitet und vollendet wurden und vor Kurzem beim verdienten Anti-Label erschienen sind.
Wo Tweedy seine Finger im Spiel hat, brennt in der Regel nichts an, und so kann man sich auch hier über eine äußerst gelungene Veröffentlichung von zehn Soul- und Blues-Perlen freuen, die die emotionale, durch ein langes Leben gegerbte Deep-Soul-Stimme Pops Staples‘ optimal in Szene setzen. Völlig entspannt, geerdet, auf das Wesentliche reduziert, getragen von feinem, von jeglicher Effekthascherei völlig befreitem Gitarrenspiel und nur dezent begleitet von Drums und Bass, entfaltet diese Stimme eine Kraft, eine Tiefe und ein Feuer, dass wohl selbst Eisbären zum Schwitzen bringen dürfte. Neben dem erwarteten Soul klingen wiederholt die Gospel-Wurzeln der Staple Singers auf das Allerangenehmste durch, und dass er das Blues-Handwerk ebenso perfekt beherrscht, beweist Staples mit einer Interpretation von „Nobody’s Fault But Mine“, jener Led-Zep-Nummer vom doch eher durchwachsenen „Presence“-Album (1976, Swan Song), dass die britischen Blues-Rock-Monster vom guten alten Blind Willie Johnson geklaut haben dürften, aber das ist eine andere Geschichte…
Hinsichtlich Coverversionen begeistert das reife Werk zum Ausklang des weiteren mit einer gelungenen Adaption des Country-Klassikers „Will The Circle Be Unbroken“ und einer neuen Fassung der Dylan-Nummer „Gotta Serve Somebody“ aus der „Wiedergeborener-Christ“-Phase des Bob, die im Original nie so recht überzeugen konnte, die aber hier in einer absolut gelungenen, relaxten Soulfassung auf das Wunderbarste funktioniert, ein nicht genug zu preisendes Album zum Abschluss bringt und beispielsweise auch vom großen Country-Barden Townes Van Zandt oder unserem Wahl-Sendlinger Georg Ringsgwandl in einer bayerischen Version („Nix mitnehma“, 1989, Trulla! Trulla!, Trikont) kongenial umgesetzt wurde.
„Don’t Lose This“ – ein wunderschönes Abschiedsgeschenk eines grandiosen Musikers und eine Platte, die sich einreiht in die großen Alterswerke von Künstlern wie Johnny Cash, Guy Clark oder Solomon Burke und eine der Scheiben, die Van Morrison seit ungefähr fünfzehn Jahren um’s Verrecken nicht mehr hinkriegt…
(***** ½)