R&B

Soul Family Tree (39): Let The Good Times Roll

Der erste Freitag im neuen Jahr startet mit einer weiteren Runde Black Music, am Mischpult zaubert heute wieder Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog, here we go:

Das Motto für das neue Jahr könnte auch heißen Let The Good Times Roll. Mit zwei Blues-Legenden, B.B. King und Bobby „Blue“ Bland geht es im neuen Jahr los. Vom Album „Together Again…Live“ von 1976 gibt es „Let The Good Times Roll“. Mehr zu Bobby „Blue“ Bland gibt es hier. Und von Blues Boy B.B. King gab es im Soul Family Tree bereits ein Special.

Bo Diddley hätte am 30. Dezember seinen 89. Geburtstag gefeiert. Er gehört zu den ganz großen Pionieren des Rock and Roll. Im Soul Family Tree hatte ich ihn bereits vorgestellt. Er inspirierte so viele Musiker wie u.a. die Beatles, Elvis Presley und besonders die Rolling Stones oder auch Bands wie The Clash. Nach seinem Tod in 2008 ehrten ihn unzählige Musiker und der damalige US-Präsident George W. Bush. Und Mick Jagger wird mit folgenden Worten zitiert: „He was a wonderful, original musician who was an enormous force in music and was a big influence on the Rolling Stones. He was very generous to us in our early years and we learned a lot from him“. Hier kommt Bo Diddley mit seiner 1961er Single „I’m A Man“.

Robert Parker aus New Orleans/Louisiana begann seine Karriere als Saxophonspieler, u.a. in der Band der New Orleans-Ikone Professor Longhair. Er spielte auch mit Fats Domino oder Irma Thomas zusammen. 1965 schrieb er sich seinen größten Hit mit „Barefootin“, der bei Nola Records erschien und in den R&B-Charts wie auch in den Billlboard-Charts hoch notiert wurde. Es wurden davon über 1 Million Schallplatten verkauft. Leider hatte er keine Folgehits, obwohl er weiter Musik machte.

Der Song „Wade In The Water“, im Original ein Negro-Spiritual aus dem 19. Jahrhundert, wurde u.a. in den 1960er Jahren von Ramsey Lewis als Instrumental recht bekannt. Besonders bemerkenswert ist, dass der Song in verschiedenen Genres, vom Gospel über Folk bis Blues überzeugt. Bekannt sind z.B. Versionen von Marlena Shaw, Odetta, Big Mama Thornton u.v.a. „Wade In The Water“ gehört zu den Songs, mit denen sich Sklaven Anfang 19. Jahrhunderts untereinander verständigten, um ihre Flucht zu organisieren. Sie sind bekannt als die „Songs Of The Underground Railroad“.  „Wade In The Water“ erinnerte die Flüchtenden daran, im Wasser zum Beispiel von Bächen zu laufen, damit die Suchhunde der Sklavenhalter ihre Spur verloren.

Fast beiläufig hörte ich im letzten Jahr die Version von Judy Henske und ich wurde sofort hellhörig. Diese Version kannte ich noch nicht. Was für eine Stimme. Henske klingt zwar Deutsch. Doch sie ist eine amerikanische Folk-Sängerin die auch „Queen of the Beatniks“ genannt wurde. Ihre Aufnahme entstand 1963.

Aaron Willis, besser bekannt als Little Sonny ist ein Meister der elektrischen Blues-Harmonika. Sein Mentor war Sonny Boy Williamson und seinen Spitznamen erhielt er von seiner Mutter, die ihn immer Sonny nannte. Seine Interpretation aus dem Jahr 1970 von „Wade In The Water“ ist ein wunderbarer Funk-Blues und funktioniert auf der Harmonika hervorragend.

Am 1. Januar feierte DJ Grandmaster Flash seinen 60. Geburtstag. Er prägte besonders den Hip Hop und Rap und kreierte daraus eine neue Kunstform. Zudem ist er Erfinder der meisten Techniken im DJing. Neben Größen wie Afrika Bambaataa zählt er zu den Gründungsvätern des Hip Hop und Rap-Genres. Bereits in den 1970er Jahren experimentierte er mit zwei Plattenspielern, um einzelne Tracks zugleich abzuspielen, dem sogenannten „Cutting“. Auch das Rückwärtsdrehen der Schallplatte, um eine bestimmte Stelle mehrmals zu spielen, das „Backspinning“, geht auf das Konto von Grandmaster Flash.

1982 kam sein wichtigster Song heraus: „The Message“. Dieser Song war ein Meilenstein in der Pop-Kultur. Übrigens, seine flinken Finger, mit denen er auf Partys in der South Bronx die Platten drehte, brachten ihm seinen Künstlernamen ein.

Rats in the front room, roaches in the back
Junkies in the alley with the baseball bat
I tried to get away but I couldn’t get far
Cause a man with a tow truck repossessed my car

Und der Chorus wiederholt den Refrain:

It’s like a jungle sometimes
It makes me wonder how I keep from going under.

Der Song wurde geschrieben von Ed „Duke Bootee“ Fletcher und Furious Five MC Melle Mel. Obwohl es sich um einen sozialkritischen Text handelt und vom Leben im Ghetto erzählte, wurde der Song weltweit ein Hit und später diverse Male gecovert oder gesampelt. Seine erfolgreichsten Alben erschienen in den 1980er-Jahren. 2007 wurden er und die Furious Five als erste Rap-Gruppe in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen. Happy Birthday Grandmaster Flash.

Ich wünsche allen ein glückliches, friedliches und zufriedenes neues Jahr.
Habt einen guten Start und bleibt gesund.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

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Soul Family Tree (38): Christmas Shopping mit den Stones

Letzter Black Friday vor dem Kalender-Wechsel. Vorweg ein paar Worte zum Soul Family Tree, der mit Veröffentlichung der heutigen Ausgabe das komplette Jahr 2017 im Kulturforum-Blog begleitet hat. Geboren wurde die gemeinsame Reihe aus einer Anregung des Hamburger Freiraum-Bloggers Stefan Haase, der hier regelmäßig Beiträge für die Serie schrieb und damit Spannendes, Vergessenes und vor allem musikalisch Erbauliches aus den Sparten R&B, Soul, Blues, Jazz und Artverwandtem zu Gehör brachte – herzlichen Dank, Stefan, für stets verlässliche Lieferung, unermüdliches Engagement, thematische Anregungen und vor allem exzellent groovende Beschallung. Im Ausblick auf 2018 bleibt uns nur, die Köpfe des Münchner Indie-Labels Trikont zu zitieren: „Wir machen weiter. Versprochen.“

Nun zum heutigen Thema: Man kennt das. Weihnachten steht vor der Tür, und die Mega-Acts des Musik-Business wollen auch alle ein Stück abhaben vom Christstollen, im Rahmen des kommerziellen Kaufrauschs, der absolut nichts mit dem Wiegenfest unseres Herrn zu tun hat, greifen die Rock’n’Roll-Topverdiener regelmäßig in die Portemonnaies derer, die händeringend noch ein Geschenk für die Oma suchen, Ober-Heuchler Bono lotst die Millionen via neuem, völlig belanglosem U2-Auswurf direktemang ins Steuer-freie Schwarzgeld-Paradies, für Ober-Langweiler McCartney ist dank völlig belanglosem Archiv-Abgrasen der Beatles-Cash-Cow eine weitere Top-Immobilie in bester Londoner City-Lage drin – und selbstredend darf auch die größte, altgedienteste, Tot-gespielteste Zombie-Show im Stadionrock-Zirkus, die Rolling Stones, in diesem Reigen der vorweihnachtlichen Moneten-Abgreifer nicht fehlen.
Im letzten Jahr haben sich The Walking Dead Richards, der notorische Dauerzappler Jagger und ihre Bagage immerhin dazu bequemt, mit „Blue & Lonesome“ ein neues Album einzuspielen, auch wenn ihnen hinsichtlich Titelauswahl nichts anderes eingefallen ist als das, was sie bereits zu Beginn ihrer Karriere weit über 50 Jahre zuvor praktizierten: Das Interpretieren von Songs schwarzer, US-amerikanischer Blues-Musiker wie Howlin‘ Wolf, Willie Dixon, Little Walter oder Jimmy Reed.
Heuer hat man sich die Neuinterpretationen gespart und stattdessen auf gut und lange Abgelagertes aus der Frühphase der Band zurückgegriffen, „On Air“ enthält von der BBC ausgestrahltes Live- und Studio-Material aus den Jahren 1963 bis 1965, neben ein paar Stones-Originalen wurden seinerzeit hauptsächlich Nummern aus dem amerikanischen R&B und elektrischen Chicago-Blues gecovert.
Die genannten aktuellen Stones-Tonträger kann man beide getrost in den Regalen der Media-Märkte, Saturn-Läden und Online-Versender verstauben lassen, ein Reinhören bei den Originalen, die der in den frühen Sechzigern aufstrebenden Briten-Combo als Vorlage dienten, ist indes über die Feiertage allemal ein lohnendes Unterfangen, in diesem Sinne sei zusätzlich auf die lesenswerten Ausführungen von form7-Blogger Gerhard Mersmann in seinem Beitrag „Wie der amerikanische Blues importiert wurde“ als begleitende Lektüre verwiesen.

„I’m really glad someone from the Rolling Stones is here. I love them very much. If it wasn’t for the Stones, none of the white Kids in the States would have heard of Muddy Waters, B.B. King or any of ‚em. Nobody knew my Music in the States until they played it.“
(Muddy Waters, Hampstead Country Club, London, 1970)

Die Rolling Stones haben ihre Interpretation der R&B-Ballade „You Better Move On“ des afroamerikanischen Soul- und Country-Songwriters Arthur Alexander im Januar 1964 auf ihrer Debüt-EP veröffentlicht. Das Stücke wurde unzählige Male gecovert, eine besonders gelungene, mit viel Seele im Gesang vorgetragene Fassung findet sich auf dem exzellenten Mink-DeVille-Album „Coup de Grâce“ aus dem Jahr 1981.
Arthur Alexander nahm sein Original 1961 in den berühmten FAME-/Muscle-Shoals-Studios in seiner Heimat Alabama auf, viele seiner eigenkomponierten Songs und Interpretationen aus der Feder anderer Autoren wurden in den frühen Sechzigern Hits und im Nachgang von zahlreichen berühmten Bands und Gesangs-Stars neu eingespielt. Er ist der einzige Songwriter, der auf Studio-Alben der Stones, der Beatles und von Bob Dylan gecovert wurde.
Ab Mitte der Sechziger blieb der Erfolg für Alexander aus, in den Siebzigern reichte es nochmal für ein kurzes Comeback. 1972 hat er im Original die Nummer „Burning Love“ aus der Feder des Country-Songwriters Dennis Linde aufgenommen und als Single bei Warner Brothers veröffentlicht, Elvis Presley verwertete das Stück noch im selben Jahr als 7“, es sollte der letzte Top-Ten-Hit des Kings in den Staaten sein.
Ab Mitte der siebziger Jahre hat sich Arthur Alexander aus dem Musikgeschäft zurückgezogen und viele Jahre als Busfahrer gearbeitet. 1993 veröffentlichte er nach 21 Jahren Auszeit ein neues Album und gab wieder Konzerte, kurz darauf ist er im selben Jahr im jungen Alter von 53 Lenzen einem schweren Herzinfarkt erlegen.

Willie Dixon war einer, bei dem sich die Stones immer gern bedient haben, das war 1964 so mit der Nummer „I Just Want To Make Love To You“, die vor allem in der ersten Einspielung von Muddy Waters bekannt wurde, ihrer Single „The Little Red Rooster“ aus dem selben Jahr, und das war viele Jahrzehnte später auf dem „Blue & Lonesome“-Album nicht anders, wo Dixon gleich zweimal als Autor genannt wird. Hier eine Interpretation des Songs über den kleinen roten Hahn vom Songschreiber selber, die er auf seinem wunderbaren Album „I Am The Blues“ im Jahr 1970 für Columbia Records einspielte. Der Longplayer enthält neun Willie-Dixon-Kompositionen, darunter bekannte Titel wie „Back Door Man“, „Spoonful“ und „(I’m Your) Hoochie Coochie Man“, die im Original von Blues-Größen wie Howlin‘ Wolf und Muddy Waters interpretiert wurden, oft mit Willie Dixon selbst am Bass bei den Studio-Aufnahmen.

„Ich habe jedes Lick geklaut, das er jemals gespielt hat“ bekennt Keith Richards in Bezug auf Chuck Berry in seiner ellenlangen, selbstbeweihräuchernden, selten das Niveau eines schlechten Schüleraufsatzes verlassenden Autobiografie „Life“ auf Seite 618, da hätte The Walking Dead nicht explizit drauf hinweisen müssen, jeder, der zwei gesunde Ohren und etwas Gespür für Musik besitzt, hätte das auch so ohne Weiteres rausgehört. Ohne Chuck Berry keine Rolling Stones, eine Binsenweisheit, die Jagger/Richards & Co durch wiederholtes Bedienen bei den Klassikern des Godfathers of Rock’n’Roll auf ihrem Frühwerk untermauern. 1963 haben sie die Berry-Nummer „Come On“ als Debüt-Single veröffentlicht, das Stück „Carol“ sollte ein Jahr später folgen. Hier das Original vom Mann mit dem Duck-Walk, der im vergangenen März im gesegneten Alter von 90 Jahresringen in den Rock’n’Roller-Himmel aufgefahren ist.
„Carol“ von Chuck Berry, „A Christmas Carol“, quasi, eingedenk der Tatsache, dass übermorgen das Christkind kommt…

Die Stones selbst haben in ihrer jahrzehntelangen Karriere immer wieder gerne mit ihren schwarzen Blues-Vorbildern zusammengespielt, bei den Aufnahmen zum Martin-Scorsese-Konzertfilm „Shine A Light“ 2006 im New Yorker Beacon Theatre etwa mischte Gitarristen-Legende Buddy Guy mit, 1981 trafen sich die Steine mit ihrem großen Idol Muddy Waters zu einem gemeinsamen Konzert in einem Blues Club in der Southside von Chicago, nachzuhören auf dem 2012 veröffentlichten Live-Album „Live At The Checkerboard Lounge, Chicago 1981“.
Bereits Anfang der Siebziger waren Mitglieder der Rolling Stones an einer der ersten sogenannten „Blues Super Sessions“ beteiligt, unter maßgeblichem Engagement von Eric Clapton wurde Mr. Chester Burnett aka Howlin‘ Wolf mit seinem langjährigen Gitarristen Hubert Sumlin im Frühsommer 1970 nach London eingeflogen, in den Olympic Sound Studios der Themse-Metropole traf die Südstaaten-Blues-Legende zu mehrtägigen Sessions auf prominente britische Verehrer der nächsten Generation wie eben Clapton selbst, Beatle Ringo Starr und die Rhythmus-Abteilung der Rolling Stones in Person von Drummer Charlie Watts, Basser Bill Wyman sowie dem sechsten Stone, den Pianisten Ian Stewart.
Einige Passagen wie etwa die Keyboard-Parts von Steve Winwood und die Trompete von Jordan Sandke wurden später per Overdubbing in den Chicagoer Chess-Studios ergänzt.
Aus „The London Howlin‘ Wolf Sessions“ hier die Willie-Dixon-Nummer „Built For Comfort“:

Das war’s an der Stelle mit Black Music für 2017, habt ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest, verrenkt Euch nicht den Magen mit zuviel Glühwein und dem anderen Süßkram, und singt schön mit beim Krippen-Spiel, zur Not einen Song von Soul-Preacher Solomon Burke (bei dem haben die Stones im Übrigen auch gern geklaut). Merry Soulful Christmas!

Soul Family Tree (37): R&B Ladies Day + Savoy Ballroom Club

Der vierzehntägige Soul Family Tree heute wieder von Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog – here we go:

Weihnachten naht und als musikalisches Geschenk gibt es heute gleich zwei Black Friday Specials im Soul Family Tree. Zum einen lassen wir den legendären Savoy Ballroom Club in Harlem/New York City musikalisch wieder aufleben, und dazu heißt es Ladies Day in Rhythm and Blues.

Die stimmgewaltige Ruth Brown war eine der bekanntesten Rhythm and Blues- Sängerinnen der fünfziger und sechziger Jahre. Sie hatte diverse Nummer 1 Hits in den R&B Charts. Auch wenn ihr Stern in den 1960er Jahren langsam an Strahlkraft verlor, wurde sie bis in die Neunziger zu allen großen Blues- und Jazz Festivals eingeladen und 1993 in die Rock and Roll Hall Of Fame aufgenommen, wie später auch in die Blues Hall Of Fame. Übrigens, ihr Neffe ist auch gut im Geschäft. Es ist der Rapper Rakim. Aus dem Jahre 1952 habe ich ihren Song „(Mama) He Treats Your Daughter Mean“ ausgesucht.

Kommen wir zu einem weiteren raren Floorfiller aus dem Jahre 1961. Betty O’Brien hatte einige Singles in den 1960er Jahren, besonders bei Liberty Records. Ihre Single „She’ll Be Gone“ wird auch bei Plattenbörsen hoch gehandelt. Leider kann ich nichts Biografisches zu der Sängerin sagen. Außer dass sie eine bemerkenswerte Stimme hat, wie man hier deutlich hören kann.

Beim nächsten Lied denken vermutlich viele an Linda Ronstadt’s Version aus den 1970er Jahren. Dabei wurde „You’re No Good“ zuerst von Dee Dee Warwick eingesungen. Betty Everett nahm das Lied 1963 auf und hatte damit einen veritablen Hit. Insgesamt hatte sie in den 1960er und 1970er Jahren einige Hits, wie u.a. „The Shoop Shoop Song“ oder „Let It Be Me“, zusammen mit Jerry Butler. Hier kommt die wunderbare Version von „You’re No Good“ von der einzigartigen Betty Everett.

Auch die US-amerikanische Sängerin und Gitarristin Barbara Lynn aus Texas hatte ihre Glanzzeit in den 1960er Jahren. Am bekanntesten ist ihr Song „You’ll Loose A Good Thing“ aus 1962. Sie tourte seiner Zeit mit den ganz großen Stars wie u.a. Otis Redding, James Brown, Gladys Knight, Sam Cooke, Jackie Wilson, trat im legendären Apollo Theater auf, und ihr Song „Oh Baby (We´ve Got A Good Thing Goin‘)“ wurde von den Rolling Stones gecovert. Für den Soul Family Tree habe ich aus dem Jahre 1966 den Song „I’m A Good Woman“ ausgesucht.

Ann Peebles hatten wir bereits im Soul Family Tree. Leider wird sie vorschnell auf ihren großen Hit „I Can’t Stand The Rain“ reduziert. Dabei hat sie sehr viel mehr gemacht. Aus ihrem 1971er Album „Straight From The Heart“ habe ich einen ruhigen Titel ausgesucht: „Trouble, Heartaches & Sadness“ mit wunderbaren Bläsern, ganz im Stile von Al Green.

Zum Schluss möchte ich gern an Della Reese erinnern, die im November starb. Sie war Sängerin und wandelte gekonnt zwischen Jazz, Soul, Blues, war auch Schauspielerin, und hatte als erste afroamerikanische Moderatorin ihre eigene Talkshow. 1994 bekam sie ihren Walk Of Fame in Hollywood. Oliver Nelson arrangierte in den 1960er Jahren einen ihren großen Hits, den man ebenso auf vielen Compilations findet, nämlich „I Got The Blues“.

Der Savoy Ballroom gehörte, neben dem Cotton Club, zu den bekanntesten wie einflussreichsten Orten, wenn es um afroamerikanische Musik ging. Seine Heimat war Harlem in New York City. Er war auch einer ersten Clubs, die ein gemischtes Publikum, Schwarze wie Weiße, hatten. Am 20. März 1926 öffnete er seine Tore und hatte von Anfang an großen Zuspruch. Im Oktober 1958 war Schluss. Der Ballroom musste einem neuen Häuserkomplex weichen und wurde abgerissen. Hier entstanden Spiele, die bis heute in Casting-Shows weiter fortgeführt werden, wie „Battle Of The Band“, wo beispielsweise das Orchester Benny Goodman das Orchester von Chick Webb herausforderte. Hier wurden auch neue Tanzstile wie der Lindy Hop entwickelt. Die besten Orchester und Bands traten im Savoy Ballroom auf. Hier hatte Ella Fitzgerald große Auftritte wie auch Louis Armstrong, Fletcher Henderson u.v.m. Heute erinnert nur eine Gedenktafel an den legendären Club. Grund genug, die alten swingenden Zeiten wieder aufleben zu lassen. Dazu habe ich eine Playlist mit 22 Songs zusammen gestellt unter dem Motto „Stompin‘ At The Savoy“.

Mit diesem Beitrag verabschiede ich für dieses Jahr vom Soul Family Tree. Ich möchte gern die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Lesern bedanken. Ganz besonders natürlich bei Soulbrother Gerhard, der hier bei sich einen Platz für afroamerikanische Musik frei gemacht hat. Mir hat es Spaß gemacht. Danke Gerhard.

Allen eine fröhliche, friedliche und besinnliche Adventszeit und ein schönes Weihnachtsfest samt beschwingten Rutsch ins neue Jahr.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (35): Early R’n’R Treasures

Der 14-tägige Black Friday von der Nord-Süd-Connection: Heute erinnert Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog nochmal gebührend an den kürzlich verstorbenen Fats Domino sowie weitere Pioniere des schwarzen Rock ’n‘ Roll – Shake your Moneymaker, here we go, Soul-Brothers and Sisters:

Es gibt unzählige Künstler, denen zugeschrieben wird, den Rock and Roll vorweg genommen, ihn musikalisch aus der Taufe gehoben zu haben. Im Soul Family Tree gab es dazu auch schon musikalische Beispiele, u.a. von Louis Jordan oder von Ike Turner. Doch die meisten Musiker sind heute vergessen. Geblieben sind Künstler wie u.a. Chuck Berry, Elvis Presley, Carl Perkins, Johnny Cash, Little Richard, Jerry Lee Lewis und der vor wenigen Wochen verstorbene Fats Domino, um den es heute im ersten Song gehen wird.

Fats Dominos Leben ist eng verbunden mit seiner geliebten Heimat New Orleans. Das Leben von Antoine Dominique Domino Jr. in wenigen Worten zusammen zu fassen ist eigentlich nicht möglich. Dennoch in aller Kürze einige Fakten: mit 10 Jahren begann er mit dem Klavierspielen. Mit 14 Jahren trat er bereits in lokalen Bars auf. Dabei fiel er anderen Künstlern nicht nur durch sein Äußeres, besonders auch durch seinen Stil auf und wurde schnell „Fats“ genannt, weil sein Klavierspiel dem von Jazz-Größen wie Fats Waller ähnelte.

1949 machte Fats Domino seinen ersten Schallplatten-Deal bei Imperial Records. Er musste dabei mit Produzent Dave Bartholomew zusammen arbeiten, da er sonst keinen Plattenvertrag bekommen hätte. Eine Methode der Plattenfirmen, die alle afroamerikanischen Künstler erfuhren. So wurde „The Fat Man“ aufgenommen und im Dezember 1949 veröffentlicht. Es wurde Fat Dominos ersten Millionenerfolg. „The Fat Man“ gehört zu dem Dutzend an Songs, die den Rock and Roll vorweg nahmen und deren Interpreten Pioniere ihrer Zeit waren.

Im Januar 1950 kam der Song in die Top 20 der damaligen R&B Charts und erreichte 1953 die Millionengrenze. Es war der Startpunkt für Fats Domino zu seiner großen Karriere, und so schrieb er in den 1950er Jahren allein mehr als 35 Hits, die seinen Back-Katalog begründeten und von deren Erfolgen er ein Leben lang zehren konnte.

Wir bleiben beim Klavier und kommen zu Lloyd Price und seinem Song aus dem Jahr 1952 „Lawdy Miss Clady“. Price stammt wie Fats Domino aus New Orleans, er hatte in den 1950/60er Jahren einige große Hits. Hier kann man Fats Domino am Piano hören. Da Price bei einem anderen Plattenlabel unter Vertrag war, wurde Fats Domino nie namentlich genannt. Es gibt von diesem Song mehr als 150 Cover-Versionen.

Mit Huey „Piano“ Smith aus New Orleans kommen wir zu einem der bedeutendsten Musiker der Piano-Tradition der Stadt. Er war erfolgreicher Session-Musiker und Komponist für andere Interpreten. Dann gründete er seine eigene erfolgreiche Band The Clowns in den 1950er Jahren. Sein größter Hit „Don’t You Just Know It“ kam im Januar 1965 unter dem Titel „Don’t ha ha“ von der britischen Beatband Casey Jones & The Governors heraus, diese Version war u.a. auch in Deutschland erfolgreich. Doch wir bleiben beim Original.

Bo Diddley fehlte bislang hier im Soul Family Tree, was heute nachgeholt wird. Er verknüpfte den Rock and Roll mit dem Blues, setzte schon früh Akzente und kreierte seinen eigenen Stil, der sehr viele andere Musiker bis heute inspirierte. In den 1950er Jahren baute er sein Markenzeichen: eine Gitarre mit einem rechteckigen Korpus. Obwohl sein Stern ab den 1970er Jahren sank, nahm er weiter Platten auf und tourte durch die Welt und spielte mit vielen anderen Musikern zusammen. Als der Punk aufkam, erinnerten sich einige Bands an seine Titel. So wurde sein Name und sein besonderer Gitarrenstil immer weiter getragen. 2007 starb er, fast 80 Jahre alt, in seinem Haus in Florida. Für heute habe ich seinen Titel „You Can’t Judge A Book By It’s Cover“ ausgesucht.

Der Rausschmeißer für diesen Monat kommt von der Blues-Legende Little Walter aus Louisiana. Der Chicago-Blues ist mit seinem Namen eng verbunden. Er kreierte einen einzigartigen elektrischen Blues-Sound. Mit nur 38 Jahren starb er 1968 zu früh in Chicago. Hier kommt Marion Walter Jacobs aka Little Walter mit „Off The Wall“ aus dem Jahr 1953.

Zum Schluß noch ein Hinweis. Alle bereits hier vorgestellten R&B-Songs plus Bonus-Songs habe ich in einer öffentlichen Playlist bei YouTube zusammengestellt. Zum Nach- und Wiederhören. Viel Spaß!

Und beim nächsten Mal in 4 Wochen gibt es u.a. ein Special um den legendären Savoy Ballroom Tanzclub in Harlem/New York. Dann heißt es „Stompin‘ at the Savoy“.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (34): Can You Dig It? – The Music And Politics Of Black Action Films 1968-75

„After we go to the movies, ok?“ – Die 14-tägige Black-Friday-Serie geht heute Filme schauen:

Vor 1968 waren Afro-Amerikaner im US-Kino vornehmlich in Nebenrollen als Butler, Haushalts-Hilfen, Farm-Arbeiter oder Gärtner zu sehen, in zentralen Rollen war das schwarze Amerika kaum mehr als in Auftritten bekannter Stars wie Louis Armstrong oder Sammy Davis Jr und vor allem mit Oskar-Preisträger Sidney Potier auf den Leinwänden der Lichtspieltheater präsent. Ab Ende der sechziger Jahre spielte Black America in Hollywood erstmals eine gewichtigere Rolle, das unter dem Begriff „Blaxploitation“ bekannt gewordene Actionfilm-Genre war geprägt von schwarzen Regisseuren, Drehbuchschreibern, Kameraleuten und Schauspieler_Innen wie der herausragenden Charakter-Darstellerin Pam Grier, dem Musiker Isaac Hayes, Karate-Champion und Martial-Arts-Star Jim Kelly oder den ehemaligen American-Football-Profis Jim Brown und Fred Williamson – und nicht zuletzt durch Black-Music-dominierte Soundtracks, die zum Teil eigens für diese Filme von Motown- und Stax-Stars wie Martha Reeves, Marvin Gaye, Quincy Jones und Solomon Burke komponiert und aufgenommen wurden.
Letztendlich dürfte der Aufstieg des afro-amerikanischen Kino weniger den gesellschaftlichen Strömungen in den USA wie dem Civil Rights Movement der fünfziger und sechziger Jahre oder dem Agitieren radikalerer Bewegungen wie der Black Panther Party zu verdanken sein als vielmehr knallharten wirtschaftlichen Überlegungen der Filmindustrie, die in der schwarzen Bevölkerung der US-Großstädte schlichtweg ein Riesen-Potential an zahlungswilligen Kinogängern sah.

Die 2009 beim Londoner Label Soul Jazz Records erschienene Sammlung „Can You Dig It? The Music And Politics Of Black Action Films 1968-75“ dokumentiert auf zwei CDs ausführlich die wichtigsten Film-Songs dieser Kino-Ära und gibt in einem beigelegten, fein aufgemachten 98-Seiten-Taschenbuch einen reich bebilderten Überblick über die relevanten Filme, thematischen Schwerpunkte, wichtigsten Schauspieler und Regisseure sowie die Rolle der führenden Black-Music-Plattenfirmen dieser Black-Cinema-Hochphase.

Eine der bekanntesten Nummern des Samplers ist das großartige „Across 110th Street“, der Titeltrack der NYPD-Krimi-Verfilmung von Barry Shear aus dem Jahr 1972 mit dem späteren „Homicide“-Serienstar Yaphet Kotto und Kalkleiste Anthony Quinn in den Hauptrollen. Der Song über die informelle Grenzlinie in Harlem stammt aus der Feder von Soul-Performer/Songwriter/Produzent Bobby Womack und Jazz-Posaunist J. J. Johnson, er kam später im Soundtrack von „Bobby Brown“ erneut zu cineastischen Ehren, die Tarantino-Verfilmung des Elmore-Leonard-Krimis „Rum Punch“ war 1997 eine gelungene Verneigung des Quent-Man vor dem Blaxploitation-Genre, formvollendet in Szene gesetzt mit der Black-Movie-Ikone Pam Grier in der Titelrolle.

Der Stax-Records-Songwriter und Soul-Musiker Isaac Hayes komponierte 1971 die Filmmusik zum Blaxploitation-Actionkrimi „Shaft“, für die berühmt gewordene Titelmelodie „Theme From Shaft“ erntete er im selben Jahr den Oscar für den besten Original-Song. 1974 stand er selbst zweimal in Hauptrollen vor der Kamera, im Kopfgeldjäger-Thriller „Truck Turner“, den die unter anderem auf „Black Action Films“ spezialisierte Produktionsfirma American International Pictures (AIP) im Double-Feature mit dem Pam-Grier-Streifen „Foxy Brown“ auf den Markt brachte, und in der Produktion „Three Tough Guys“, zusammen mit Lino Ventura und Fred Williamson, für beide Filme hat Isaac Hayes auch den Soundtrack geschrieben und eingespielt, aus „Truck Turner“ hier die neun-minütige Instrumental-Nummer „Pursuit Of The Pimpmobile“:

B-Movie-Autor Larry Cohen wollte sich mit „Black Caesar“ 1973 an den „Paten“-Erfolg von Francis Ford Coppola hängen und adaptierte den Stoff des Hollywood-Klassikers „Little Caesar“ aus dem Jahr 1931 für einen zeitgenössischen Harlem-Mafia-Thriller. Die Titelrolle spielte der ehemalige American-Football-Defense-Back Fred „The Hammer“ Williamson, der bis heute in aktuellen amerikanischen Filmen und Fernseh-Serien zu sehen ist, weithin bekannt ist unter anderem sein Auftritt als „Frost“ im Rodriguez-/Tarantino-Vampir-Trash-Streifen „From Dusk Till Dawn“.
Den Soundtrack für „Black Caesar“ arrangierte „The Godfather Of Soul“ James Brown unter maßgeblicher Mitarbeit seines Bandleaders Wesley Willis, daraus das opulente Stück „Down And Out In New York City“:

Weißbrot durfte beim Filmmusik-Produzieren für das Black-Movie-Kino auch ab und an mitmischen, so zum Beispiel R&B-Gitarrist Dennis Coffey, der als Studiomusiker auf zahlreichen Sixties-Motown-Aufnahmen zu hören ist, 1971 war er bei den Aufnahmen zum Nummer-1-Hit „War“ von Edwin Starr beteiligt, im gleichen Jahr landeten Coffey und seine Detroit Guitar Band mit der Instrumental-Nummer „Scorpio“ einen Billboard-Top-10-Hit. 1970 entdeckte er zusammen mit dem Musiker Mike Theodore den Folkrock-Songwriter Sixto Rodriguez, dem Regisseur Malik Bendjelloul mit dem Oscar-prämierten Dokumentarfilm „Searching For Sugar Man“ ein cineastisches Denkmal setzte.
1974 schrieb Dennis Coffey das Titelstück für den Karate-Film „Black Belt Jones“ mit Kampfsport-Champion Jim Kelly in der Hauptrolle. Hier eine Live-Version der Nummer, die der renommierte Gitarrist zusammen mit der Don Was Detroit All-Star Revue einspielte:

Der Horror-Film trieb in der Blaxploitation-Hochphase bunte oder vielmehr schwarze Blüten, neben Perlen wie „Blackenstein“ und „Dr Black, Mr Hyde“ finden sich mit „Blacula“ aus dem Jahr 1972 und der „Scream, Blacula, Scream“-Fortsetzung die afro-amerikanischen Anlehnungen an den klassischen Bram-Stoker-Stoff, der mit Größen wie den Four Tops, Marvin Gaye, Cher oder den Temptations arbeitende Komponist und Produzent Gene Page zeichnete für die Filmmusik zum schwarzen Vampir-Trash verantwortlich, der immerhin mit Top-Performern wie Shakespeare-Schauspieler William Marshall und der wunderbaren Pam Grier besetzt war. Die Original-LP zum „Blacula“-Score ist heute im Übrigen ein gesuchtes Sammlerobjekt unter Vinyl-Jägern.

„Can You Dig It? The Music And Politics Of Black Action Films 1969-75“ ist nach wie vor im gut sortierten Fachhandel erhältlich. Dig it, Soul Brothers and Sisters…