Angefixt durch das aktuelle, zusammen mit Jesu fabrizierte Sun-Kil-Moon-Wunderwerk mal wieder in der Mark-Kozelek-Historie gekramt und die alten Scheiben von den Red House Painters rausgeholt, was waren die aber auch schon gut, seinerzeit…
Eine repräsentative Auswahl: „Mistress“ vom ‚Red House Painters/Rollercoaster‘-Zweitwerk (1993) in einer Live-Version aus der ‚Jimmy Fallon Late Night Show‘, „Japanese To English“, erstmals zu finden auf dem ‚Down Colorful Hill‘-Debüt (1992), hier in der noch grandioseren Live-In-Paris-Fassung von der ‚Retrospective‘-Compilation (1999, alle: 4AD), und „Michael“ im Original von der Debüt-LP.
Von da aus weitergestolpert zum AC/DC-Bon-Scott-Ära-Tribute-Kozelek-Solo-Werk ‚What’s Next To The Moon‘ (2001, Badman Recordings). Auch da alles richtig gemacht: das australische Proll-Rock-Material ist nur noch an den Lyrics erkennbar und die Song-Auswahl bezieht sich auf die einzig akzeptable Phase der Band – „If You Want Blood You’ve Got It“.
Sun Kil Moon & Jesu – Sun Kil Moon/Jesu (2016, Rough Trade)
Wenn das keine sich gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit ist: der Indie-Folker Mark Kozelek aka Sun Kil Moon kollaboriert mit Justin Broadrick und dessen Ambient-/Drone-/Post-irgendwas-Projekt Jesu, spannender sind auf den ersten Blick fremde Welten lange nicht mehr aufeinander geprallt, was die beiden Herrschaften mit Unterstützung von Will Oldham und Musikern von Low, Slowdive und Modest Mouse aus dem Hut zaubern, begeistert in zehn zum Teil ellenlangen Midtempo-Epen abwechslungsreich auf das angenehmste.
Den Hang zur extended version frönten die beiden Protagonisten schon in der Vergangenheit, Kozelek schätze das ausladende Format bereits beim Geschichtenerzählen mit den Red House Painters, Jesu/Broadrick ist im Bereich Post-Metal/Post-Rock sowieso das weite Ausholen gewohnt, im Opener „Good Morning My Love“ bringt er zudem eine gehörige Portion unterschwellige Härte mit ins Spiel, die Godflesh-/Industrial-Metal-Vergangenheit des Gitarristen ist unüberhörbar. Grandioser Song, unendlich erhaben, und endlich singt mal wer beim Postrock.
Wesentlich entspannter gestaltet sich der Vortrag beim Indie-Pop-Titel „Last Night I Rocked The Room Like Elvis And Had Them Laughing Like Richard Pryor“, feines (Self-)Namedropping auch bei „America’s Most Wanted Mark Kozelek And John Dillinger“, „Fragile“ ist als typischer Sun-Kil-Moon-Folk erkennbar, „Father’s Day“ kommt als dezent elektronisch unterlegtes, subtiles Spoken-Word-Trip-Pop-Epos und im 14 Minuten langen Lounge-Sound von „Beautiful You“ treffen sich Bill-Callahan-artiger Gesangs-Stil mit Lambchop-hafter Relaxtheit auf höchstem Niveau. „Exodus“ hingegen ist auch thematisch ganz schwere Kost, die 10-Minuten-Ode an die Eltern, die am Tod ihrer Kinder verzweifeln, setzt sich inhaltlich vor allem mit dem tragischen Unfall-Tod von Nick Cave’s Sohn im Juli 2015 auseinander.
Wie es gerne mal heißt: das Werk ist mehr als die Summe seiner Einzelteile, ein erstes, beglückendes Highlight im noch jungen Jahr. Die Arbeiten, die Kozelek und Broadrick voneinander getrennt in den letzten ungefähr 25 Jahren in völlig unterschiedlichen Sparten ablieferten, sind schon aller Ehren Wert, aber das hier, puhu…
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