R’n’B

Soul Family Tree (53): Jerry Wexler

Black Friday, heute mit einem Beitrag von Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog über den vor 10 Jahren im hohern Alter von 91 Jahren verstorbenen Musik-Journalisten Gerald „Jerry“ Wexler, der als Platten-Produzent zahlreiche Größen des Rhythm and Blues betreute.

Jerry Wexler wurde in der New Yorker Bronx geboren. In den 1940er Jahren tauchte er in das Nachtleben des Big Apple ein und traf dabei auf Künstler wie Ella Fitzgerald. Dabei lernte er vor allem schwarze Musikgruppen kennen. Über Umwege kam er als Journalist 1949 zum Billboard-Magazin, wo er den Ausdruck „Rhythm and Blues“ kreierte. Billboard übernahm den Begriff und nannte die vormaligen Race Charts fortan Rhythm & Blues-Charts.

In den 1950er Jahren heuerte Wexler beim Label Atlantic Recordings an und nahm Stars wie Ray Charles, LaVern Baker, The Drifters, Solomon Burke und viele andere unter Vertrag. Er gründete diverse Sublabels. In den Sechzigern war Atlantic das wichtigste Plattenlabel für schwarze Musik. Inspiriert von Stax Recordings in Memphis, insbesondere durch deren Hausband Booker T. & The MG´s, nahm Jerry Wexler in den berühmten Muscle Shoals Studios eine Vielzahl sehr erfolgreicher Platten auf. Unter anderem nahm er die damals noch unbekannte Aretha Franklin unter seine Fittiche. In dieser Zeit produzierte er Welt-Hits. Vor allem Percy Sledges „When A Man Loves A Woman“ und natürlich Aretha Franklins „Respect“ wurden millionenfach verkauft.

Nachdem Atlantic verkauft wurde, blieb Wexler Angestellter. Doch er arbeitete weniger für das Label, kümmerte sich verstärkt um Criteria Records und engagierte Künstler wie Donny Hathaway, Roberta Flack und Aretha Franklin. In den 1970er Jahren nahm er sich auch der Rockmusik an und versorgte The Allmann Brothers, Dr. John und andere mit Plattenverträgen. In den Siebzigern wechselte er zu Warner, und mit ihm konnten neue Bands wie die Dire Straits oder The B-52s dort Fuss fassen und ihre Alben veröffentlichen. In den 1980er Jahren arbeitete er u.a. mit Bob Dylan und Willie Nelson zusammen. Später zog er sich aus dem aktiven Geschäft zurück.

1987 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und in 2017 in die Rhythm & Blues Hall of Fame. Vor 10 Jahren, im August 2008, ist Jerry Wexler mit 91 Jahren in Florida gestorben.

Wer Jerry Wexler in eigenen Worten sehen und hören möchte, dem sei folgendes Interview empfohlen: Rock and Roll/ Interview with Jerry Wexler

„My name is Jerry Wexler and what I do is produce phonograph records. What has come to be known as the soul era which was merely another form of rhythm and blues at the time because of its emphasis on so-called spiritual feeling and gospel music and hopeful and positive messages and which had been initiated by Ray Charles and Aretha Franklin and developed by people like Ben E. King, Solomon Burke, Wilson Pickett, the Sweet Inspirations, Arthur Connolly, Otis Redding and so on, there’s an incredible roster but I had a hunch that it was grinding to a shuddering halt because of changes in the cities, changes in interrelationships and most of all the assassination of Dr. King everything ground to a really shuddering halt and that was the end of it.“

Und dank BBC kann man ein John Peel Special aus dem Jahr 1999 über Jerry Wexler noch einige Tage nachhören, inklusive Interview.

Für seine Tätigkeit als Produzent ist die Bezeichnung „Gigant“ nicht übertrieben. Er nahm nicht nur Künstler unter Vertrag, sondern verpasste ihnen auch ihren eigenen Sound. In der Songauswahl habe ich mich auf seine Zeit bei Atlantic konzentriert. Die folgenden Nummern (youtube-Links) sind alle von Jerry Wexler produziert:

Big Joe Turner – Shake Rattle And Roll

Wynonie Harris – All She Wants To Do Is Rock

LaVern Baker – Tweedle Dee

Solomon Burke – Everybody Needs Somebody To Love

Otis Redding – I Can’t Turn You Loose

Bob Dylan – Gotta Serve Somebody (Take 1 – „Slow Train Coming“ Studio Outtake)

The Allman Brothers Band – Statesboro Blues (Live 1971)

Dr. John – Stack-A-Lee

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum

Werbung

Soul Family Tree (38): Christmas Shopping mit den Stones

Letzter Black Friday vor dem Kalender-Wechsel. Vorweg ein paar Worte zum Soul Family Tree, der mit Veröffentlichung der heutigen Ausgabe das komplette Jahr 2017 im Kulturforum-Blog begleitet hat. Geboren wurde die gemeinsame Reihe aus einer Anregung des Hamburger Freiraum-Bloggers Stefan Haase, der hier regelmäßig Beiträge für die Serie schrieb und damit Spannendes, Vergessenes und vor allem musikalisch Erbauliches aus den Sparten R&B, Soul, Blues, Jazz und Artverwandtem zu Gehör brachte – herzlichen Dank, Stefan, für stets verlässliche Lieferung, unermüdliches Engagement, thematische Anregungen und vor allem exzellent groovende Beschallung. Im Ausblick auf 2018 bleibt uns nur, die Köpfe des Münchner Indie-Labels Trikont zu zitieren: „Wir machen weiter. Versprochen.“

Nun zum heutigen Thema: Man kennt das. Weihnachten steht vor der Tür, und die Mega-Acts des Musik-Business wollen auch alle ein Stück abhaben vom Christstollen, im Rahmen des kommerziellen Kaufrauschs, der absolut nichts mit dem Wiegenfest unseres Herrn zu tun hat, greifen die Rock’n’Roll-Topverdiener regelmäßig in die Portemonnaies derer, die händeringend noch ein Geschenk für die Oma suchen, Ober-Heuchler Bono lotst die Millionen via neuem, völlig belanglosem U2-Auswurf direktemang ins Steuer-freie Schwarzgeld-Paradies, für Ober-Langweiler McCartney ist dank völlig belanglosem Archiv-Abgrasen der Beatles-Cash-Cow eine weitere Top-Immobilie in bester Londoner City-Lage drin – und selbstredend darf auch die größte, altgedienteste, Tot-gespielteste Zombie-Show im Stadionrock-Zirkus, die Rolling Stones, in diesem Reigen der vorweihnachtlichen Moneten-Abgreifer nicht fehlen.
Im letzten Jahr haben sich The Walking Dead Richards, der notorische Dauerzappler Jagger und ihre Bagage immerhin dazu bequemt, mit „Blue & Lonesome“ ein neues Album einzuspielen, auch wenn ihnen hinsichtlich Titelauswahl nichts anderes eingefallen ist als das, was sie bereits zu Beginn ihrer Karriere weit über 50 Jahre zuvor praktizierten: Das Interpretieren von Songs schwarzer, US-amerikanischer Blues-Musiker wie Howlin‘ Wolf, Willie Dixon, Little Walter oder Jimmy Reed.
Heuer hat man sich die Neuinterpretationen gespart und stattdessen auf gut und lange Abgelagertes aus der Frühphase der Band zurückgegriffen, „On Air“ enthält von der BBC ausgestrahltes Live- und Studio-Material aus den Jahren 1963 bis 1965, neben ein paar Stones-Originalen wurden seinerzeit hauptsächlich Nummern aus dem amerikanischen R&B und elektrischen Chicago-Blues gecovert.
Die genannten aktuellen Stones-Tonträger kann man beide getrost in den Regalen der Media-Märkte, Saturn-Läden und Online-Versender verstauben lassen, ein Reinhören bei den Originalen, die der in den frühen Sechzigern aufstrebenden Briten-Combo als Vorlage dienten, ist indes über die Feiertage allemal ein lohnendes Unterfangen, in diesem Sinne sei zusätzlich auf die lesenswerten Ausführungen von form7-Blogger Gerhard Mersmann in seinem Beitrag „Wie der amerikanische Blues importiert wurde“ als begleitende Lektüre verwiesen.

„I’m really glad someone from the Rolling Stones is here. I love them very much. If it wasn’t for the Stones, none of the white Kids in the States would have heard of Muddy Waters, B.B. King or any of ‚em. Nobody knew my Music in the States until they played it.“
(Muddy Waters, Hampstead Country Club, London, 1970)

Die Rolling Stones haben ihre Interpretation der R&B-Ballade „You Better Move On“ des afroamerikanischen Soul- und Country-Songwriters Arthur Alexander im Januar 1964 auf ihrer Debüt-EP veröffentlicht. Das Stücke wurde unzählige Male gecovert, eine besonders gelungene, mit viel Seele im Gesang vorgetragene Fassung findet sich auf dem exzellenten Mink-DeVille-Album „Coup de Grâce“ aus dem Jahr 1981.
Arthur Alexander nahm sein Original 1961 in den berühmten FAME-/Muscle-Shoals-Studios in seiner Heimat Alabama auf, viele seiner eigenkomponierten Songs und Interpretationen aus der Feder anderer Autoren wurden in den frühen Sechzigern Hits und im Nachgang von zahlreichen berühmten Bands und Gesangs-Stars neu eingespielt. Er ist der einzige Songwriter, der auf Studio-Alben der Stones, der Beatles und von Bob Dylan gecovert wurde.
Ab Mitte der Sechziger blieb der Erfolg für Alexander aus, in den Siebzigern reichte es nochmal für ein kurzes Comeback. 1972 hat er im Original die Nummer „Burning Love“ aus der Feder des Country-Songwriters Dennis Linde aufgenommen und als Single bei Warner Brothers veröffentlicht, Elvis Presley verwertete das Stück noch im selben Jahr als 7“, es sollte der letzte Top-Ten-Hit des Kings in den Staaten sein.
Ab Mitte der siebziger Jahre hat sich Arthur Alexander aus dem Musikgeschäft zurückgezogen und viele Jahre als Busfahrer gearbeitet. 1993 veröffentlichte er nach 21 Jahren Auszeit ein neues Album und gab wieder Konzerte, kurz darauf ist er im selben Jahr im jungen Alter von 53 Lenzen einem schweren Herzinfarkt erlegen.

Willie Dixon war einer, bei dem sich die Stones immer gern bedient haben, das war 1964 so mit der Nummer „I Just Want To Make Love To You“, die vor allem in der ersten Einspielung von Muddy Waters bekannt wurde, ihrer Single „The Little Red Rooster“ aus dem selben Jahr, und das war viele Jahrzehnte später auf dem „Blue & Lonesome“-Album nicht anders, wo Dixon gleich zweimal als Autor genannt wird. Hier eine Interpretation des Songs über den kleinen roten Hahn vom Songschreiber selber, die er auf seinem wunderbaren Album „I Am The Blues“ im Jahr 1970 für Columbia Records einspielte. Der Longplayer enthält neun Willie-Dixon-Kompositionen, darunter bekannte Titel wie „Back Door Man“, „Spoonful“ und „(I’m Your) Hoochie Coochie Man“, die im Original von Blues-Größen wie Howlin‘ Wolf und Muddy Waters interpretiert wurden, oft mit Willie Dixon selbst am Bass bei den Studio-Aufnahmen.

„Ich habe jedes Lick geklaut, das er jemals gespielt hat“ bekennt Keith Richards in Bezug auf Chuck Berry in seiner ellenlangen, selbstbeweihräuchernden, selten das Niveau eines schlechten Schüleraufsatzes verlassenden Autobiografie „Life“ auf Seite 618, da hätte The Walking Dead nicht explizit drauf hinweisen müssen, jeder, der zwei gesunde Ohren und etwas Gespür für Musik besitzt, hätte das auch so ohne Weiteres rausgehört. Ohne Chuck Berry keine Rolling Stones, eine Binsenweisheit, die Jagger/Richards & Co durch wiederholtes Bedienen bei den Klassikern des Godfathers of Rock’n’Roll auf ihrem Frühwerk untermauern. 1963 haben sie die Berry-Nummer „Come On“ als Debüt-Single veröffentlicht, das Stück „Carol“ sollte ein Jahr später folgen. Hier das Original vom Mann mit dem Duck-Walk, der im vergangenen März im gesegneten Alter von 90 Jahresringen in den Rock’n’Roller-Himmel aufgefahren ist.
„Carol“ von Chuck Berry, „A Christmas Carol“, quasi, eingedenk der Tatsache, dass übermorgen das Christkind kommt…

Die Stones selbst haben in ihrer jahrzehntelangen Karriere immer wieder gerne mit ihren schwarzen Blues-Vorbildern zusammengespielt, bei den Aufnahmen zum Martin-Scorsese-Konzertfilm „Shine A Light“ 2006 im New Yorker Beacon Theatre etwa mischte Gitarristen-Legende Buddy Guy mit, 1981 trafen sich die Steine mit ihrem großen Idol Muddy Waters zu einem gemeinsamen Konzert in einem Blues Club in der Southside von Chicago, nachzuhören auf dem 2012 veröffentlichten Live-Album „Live At The Checkerboard Lounge, Chicago 1981“.
Bereits Anfang der Siebziger waren Mitglieder der Rolling Stones an einer der ersten sogenannten „Blues Super Sessions“ beteiligt, unter maßgeblichem Engagement von Eric Clapton wurde Mr. Chester Burnett aka Howlin‘ Wolf mit seinem langjährigen Gitarristen Hubert Sumlin im Frühsommer 1970 nach London eingeflogen, in den Olympic Sound Studios der Themse-Metropole traf die Südstaaten-Blues-Legende zu mehrtägigen Sessions auf prominente britische Verehrer der nächsten Generation wie eben Clapton selbst, Beatle Ringo Starr und die Rhythmus-Abteilung der Rolling Stones in Person von Drummer Charlie Watts, Basser Bill Wyman sowie dem sechsten Stone, den Pianisten Ian Stewart.
Einige Passagen wie etwa die Keyboard-Parts von Steve Winwood und die Trompete von Jordan Sandke wurden später per Overdubbing in den Chicagoer Chess-Studios ergänzt.
Aus „The London Howlin‘ Wolf Sessions“ hier die Willie-Dixon-Nummer „Built For Comfort“:

Das war’s an der Stelle mit Black Music für 2017, habt ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest, verrenkt Euch nicht den Magen mit zuviel Glühwein und dem anderen Süßkram, und singt schön mit beim Krippen-Spiel, zur Not einen Song von Soul-Preacher Solomon Burke (bei dem haben die Stones im Übrigen auch gern geklaut). Merry Soulful Christmas!

Soul Family Tree (37): R&B Ladies Day + Savoy Ballroom Club

Der vierzehntägige Soul Family Tree heute wieder von Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog – here we go:

Weihnachten naht und als musikalisches Geschenk gibt es heute gleich zwei Black Friday Specials im Soul Family Tree. Zum einen lassen wir den legendären Savoy Ballroom Club in Harlem/New York City musikalisch wieder aufleben, und dazu heißt es Ladies Day in Rhythm and Blues.

Die stimmgewaltige Ruth Brown war eine der bekanntesten Rhythm and Blues- Sängerinnen der fünfziger und sechziger Jahre. Sie hatte diverse Nummer 1 Hits in den R&B Charts. Auch wenn ihr Stern in den 1960er Jahren langsam an Strahlkraft verlor, wurde sie bis in die Neunziger zu allen großen Blues- und Jazz Festivals eingeladen und 1993 in die Rock and Roll Hall Of Fame aufgenommen, wie später auch in die Blues Hall Of Fame. Übrigens, ihr Neffe ist auch gut im Geschäft. Es ist der Rapper Rakim. Aus dem Jahre 1952 habe ich ihren Song „(Mama) He Treats Your Daughter Mean“ ausgesucht.

Kommen wir zu einem weiteren raren Floorfiller aus dem Jahre 1961. Betty O’Brien hatte einige Singles in den 1960er Jahren, besonders bei Liberty Records. Ihre Single „She’ll Be Gone“ wird auch bei Plattenbörsen hoch gehandelt. Leider kann ich nichts Biografisches zu der Sängerin sagen. Außer dass sie eine bemerkenswerte Stimme hat, wie man hier deutlich hören kann.

Beim nächsten Lied denken vermutlich viele an Linda Ronstadt’s Version aus den 1970er Jahren. Dabei wurde „You’re No Good“ zuerst von Dee Dee Warwick eingesungen. Betty Everett nahm das Lied 1963 auf und hatte damit einen veritablen Hit. Insgesamt hatte sie in den 1960er und 1970er Jahren einige Hits, wie u.a. „The Shoop Shoop Song“ oder „Let It Be Me“, zusammen mit Jerry Butler. Hier kommt die wunderbare Version von „You’re No Good“ von der einzigartigen Betty Everett.

Auch die US-amerikanische Sängerin und Gitarristin Barbara Lynn aus Texas hatte ihre Glanzzeit in den 1960er Jahren. Am bekanntesten ist ihr Song „You’ll Loose A Good Thing“ aus 1962. Sie tourte seiner Zeit mit den ganz großen Stars wie u.a. Otis Redding, James Brown, Gladys Knight, Sam Cooke, Jackie Wilson, trat im legendären Apollo Theater auf, und ihr Song „Oh Baby (We´ve Got A Good Thing Goin‘)“ wurde von den Rolling Stones gecovert. Für den Soul Family Tree habe ich aus dem Jahre 1966 den Song „I’m A Good Woman“ ausgesucht.

Ann Peebles hatten wir bereits im Soul Family Tree. Leider wird sie vorschnell auf ihren großen Hit „I Can’t Stand The Rain“ reduziert. Dabei hat sie sehr viel mehr gemacht. Aus ihrem 1971er Album „Straight From The Heart“ habe ich einen ruhigen Titel ausgesucht: „Trouble, Heartaches & Sadness“ mit wunderbaren Bläsern, ganz im Stile von Al Green.

Zum Schluss möchte ich gern an Della Reese erinnern, die im November starb. Sie war Sängerin und wandelte gekonnt zwischen Jazz, Soul, Blues, war auch Schauspielerin, und hatte als erste afroamerikanische Moderatorin ihre eigene Talkshow. 1994 bekam sie ihren Walk Of Fame in Hollywood. Oliver Nelson arrangierte in den 1960er Jahren einen ihren großen Hits, den man ebenso auf vielen Compilations findet, nämlich „I Got The Blues“.

Der Savoy Ballroom gehörte, neben dem Cotton Club, zu den bekanntesten wie einflussreichsten Orten, wenn es um afroamerikanische Musik ging. Seine Heimat war Harlem in New York City. Er war auch einer ersten Clubs, die ein gemischtes Publikum, Schwarze wie Weiße, hatten. Am 20. März 1926 öffnete er seine Tore und hatte von Anfang an großen Zuspruch. Im Oktober 1958 war Schluss. Der Ballroom musste einem neuen Häuserkomplex weichen und wurde abgerissen. Hier entstanden Spiele, die bis heute in Casting-Shows weiter fortgeführt werden, wie „Battle Of The Band“, wo beispielsweise das Orchester Benny Goodman das Orchester von Chick Webb herausforderte. Hier wurden auch neue Tanzstile wie der Lindy Hop entwickelt. Die besten Orchester und Bands traten im Savoy Ballroom auf. Hier hatte Ella Fitzgerald große Auftritte wie auch Louis Armstrong, Fletcher Henderson u.v.m. Heute erinnert nur eine Gedenktafel an den legendären Club. Grund genug, die alten swingenden Zeiten wieder aufleben zu lassen. Dazu habe ich eine Playlist mit 22 Songs zusammen gestellt unter dem Motto „Stompin‘ At The Savoy“.

Mit diesem Beitrag verabschiede ich für dieses Jahr vom Soul Family Tree. Ich möchte gern die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Lesern bedanken. Ganz besonders natürlich bei Soulbrother Gerhard, der hier bei sich einen Platz für afroamerikanische Musik frei gemacht hat. Mir hat es Spaß gemacht. Danke Gerhard.

Allen eine fröhliche, friedliche und besinnliche Adventszeit und ein schönes Weihnachtsfest samt beschwingten Rutsch ins neue Jahr.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (33): Farewell Charles Bradley & Walter Becker + More R&B

Black Friday mit Stefan Hasse vom Hamburger Freiraum-Blog, der heute wieder tief in die R&B-Kiste greift und Soul-Shouter Charles Bradley wie auch Jazz-Rocker und Steely-Dan-Mitbegründer Walter Becker gedenkt:

1950 trafen sich in Los Angeles zwei junge Musik-begeisterte Menschen. Es waren Mike Stoller und Jerry Leiber. Und es wurde eine lebenslange Freundschaft daraus. Ein Thema, das uns bei Steely Dan auch begegnen wird. Heute gibt es wieder fünf rare Rhythm’n‘ Blues-Schätze aus den 1940er bis 1960er Jahren, und es heißt Abschied nehmen von zwei herausragenden Musikern, „The Screaming Eagle Of Soul“, Charles Bradley und dem Gitarristen Walter Becker von Steely Dan.

Anfang der 1950er Jahren trafen sich, wie schon eingangs beschrieben, Mike Stoller und Jerry Leiber, die den R&B liebten und im Laufe ihrer Karriere Dutzende von großen Hits für andere Künstler schrieben. Allein für dieses Duo müsste man einen eigenen Artikel schreiben. 1952 komponierten sie den Song „Hound Dog“ für die stimmgewaltige Big Mama Thornton. Sie wurde als Willie Mae Thornton in Alabama geboren, bereits Ende der 1940er Jahre bezeichnete man sie als die neue Bessie Smith. Trotz ihres großen Talentes hatte sie auch viel Pech. 1952 nahm sie „Hound Dog“ auf. Obwohl der Song die R&B Charts anführte, sah sie nie viel Geld. Als Elvis Presley den Song später einspielte, wurde er ein weltweiter Hit. Big Mama Thornton nahm Anfang der 1960er Jahre den Song „Ball ’n‘ Chain“ auf, der zuerst nicht veröffentlicht wurde. Janis Joplin coverte ihn später und und landete damit einen großen Hit. In den 1960/70er Jahren nahm das Interesse am amerikanischen Blues ab, und so ging Big Mama Thornton zusammen mit anderen Blues Künstlern wie Muddy Waters, B. B. King und John Lee Hooker nach Europa, wo sie auf Blues-Festivals spielte. Mit nur 57 Jahren, nach zu vielen Exzessen, starb sie 1984 in Los Angeles.

Kommen wir zu einer weiteren und sehr hörenswerten Frau, Eunice Davis, die 1953 „Get Your Enjoys“ herausbrachte. Auch wenn ich nur wenig über die Sängerin weiß, so ist dieser Song zeitlos und zudem sehr cool. Eine fast vergessene R&B-Perle. Come on Eunice…

Was war der erste Rock ’n‘ Roll Song? Diese Frage lässt sich bis heute nicht eindeutig beantworten. Aber zumindest ist Wynonie Harris, den man auch Mr. Blues nannte, und sein „Good Rockin Tonight“ aus dem Jahr 1948 einer der ersten Songs, die den Rock ’n‘ Roll vorwegnahmen. Er hatte in den 1940/50er Jahren einige Hits. Doch sein Stern verblasste in den 1950er Jahren.

Ike Turner war ein musikalisches Genie und seiner Zeit weit voraus. Er spielte beispielswiese Funk und Rock ’n‘ Roll, als es diese Musikstile noch gar nicht gab. 1951 veröffentlichte er zusammen mit Jackie Brenston den Song „Route 88“. Das die Gitarren so verzerrt klangen, ist vermutlich einem durchnässten Verstärker zuzuschreiben. Dabei erlernte Turner erst in den frühen 1950er Jahren das Gitarrenspiel und kreierte sofort seinen eigenen Sound.

Zum Schluss kommt noch ein echter Klassiker. Elmore James, der Meister der Slidegitarre, mit dem Song „Dust My Broom“. James beeinflusste mit seinem Stil unzählige Bands. Die Rolling Stones gehören u.a. zu seinen Fans wie auch Jimi Hendrix oder Eric Clapton. „Dust My Broom“ ist neben „Sweet Home Chicago“ eine der am häufigsten gecoverten Blues-Nummern. Wer genau den Song geschrieben hatte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Im Original wurde er 1936 von Robert Johnson veröffentlicht. 1951 nahm ihn Elmore James für Trumpet Records auf.

Charles Bradley hatte eine besondere Biografie. Obwohl er sein ganzes Leben singen und auftreten wollte, kam er erst im Alter von 62 Jahren zu seinem musikalischen Debüt bei Daptone Records. Bradley war pures Talmigold für den modernen Soul. Keiner sang so beseelt und voller Emotionen wie er. Sein Manager sagte einmal, dass Bradley am liebsten jeden Fan einzeln umarmt hätte, so dankbar war er für seine späte Karriere. Im letzten Jahr musste er wegen einer Krebserkrankung seine Auftritte absagen. Im Sommer diesen Jahres – so schien es – hatte er den Krebs besiegt, und er gab wieder Konzerte. Doch die Krankheit kam zurück und so starb Charles Bradley mit 68 Jahren viel zu früh.

„It took 62 years for somebody to find me, but I thank God. Some people never get found.“
(Charles Bradley)

Wenn man über seine viel zu kurze Karriere spricht, kommt man an einem Song nicht vorbei: Seine Version vom Black Sabbath-Klassiker „Changes“.

Auf seinem letzten Album sang er „God Bless America“ und sprach dazu: „Hello, this is Charles Bradley/ A brother that came from the hard licks of life/ That knows that America is my home/ America, you’ve been real, honest, hurt and sweet to me/ But I wouldn’t change it for the world.“ Was bei anderen Künstlern kitschig klingen würde, klang bei Bradley ehrlich. Vielleicht war er der dankbarste Künstler seiner Zeit.

Spricht man über Steely Dan, dann ist man schnell bei den unzähligen Hits und Songs des genialen Duos, die alles waren, nur keine Super-Gruppe und Hit-Lieferanten. Walter Becker und Donald Fagen verschmolzen Soul und Jazz mit Westcoast-Sound und kreierten damit eine einzigartige Musik, groovig, lässig und nie langweilig. Sie inspirierten viele andere Künstler, auch wenn sie es mit der Produktion von neuen Songs nie eilig hatten. Da musste man schon mal fünf Jahre warten auf acht neue Songs. Ihren großen Durchbruch hatten sie in den 1970er Jahren mit Alben wie „Aja“ und Hits wie „Rickie Don´t Loose That Number“ und vor allem „Do It Again“. Sie waren ein Leben lang befreundet und ergänzten sich wunderbar auch auf ihren Solo-Alben. Für den Soul Family Tree habe ich einen Song ausgesucht, der zeigt, wie wunderbar Becker und Fagen ihre Songs arrangierten. Walter Becker war „Deacon Blues“. Vom Album „The Royal Scam“ kommt nun „Don’t Take Me Alive“. Rest in Power.

In vier Wochen gibt es gibt es wieder raren R&B mit weiteren musikalischen Ausgrabungen und Schätzen.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Elektrik Kezy Mezy @ Viehhof-Kino Kultur-Festival, München, 2017-06-01

Das Open-Air-Kino im Viehhof hat am vergangenen Donnerstag im Münchner Schlachthof-Viertel zum siebten und und in diesem Jahr bedauerlicherweise letzten Mal für einen hoffentlich langen Biergarten- und Film-Sommer die Pforten am Areal an der Tumblingerstraße geöffnet, die Gentrifizierung schreitet in der Isar-Metropole unvermindert voran, künstlerische Freiräume und Begegnungsorte im öffentlichen Leben wie die Kino-Veranstaltung müssen sich alternativ ab 2018 einen neuen Austragungsort suchen, hinter den altehrwürdigen Schlachthof-Backsteingebäuden werden in kommenden Jahren die Baugruben ausgehoben, um darin ein weiteres Stück Münchner Subkultur zu beerdigen.
Als Festival-Eröffner lief der Dokumentarfilm „This Is Atomic Love“ von Heike Schuffenhauer und Marc Seibold über das – wie passend – leider vor einigen Jahren bereits dahingeschiedene Atomic Café, dem heimeligen Live-Club in der Münchner Innenstadt, in dem sich die durchreisenden internationalen wie auch lokalen Indie-Größen wie Pete Doherty, Wire, die Buzzcocks, The Wedding Present oder die Sportfreunde Stiller fast zwei Dekaden lang die Klinke in die Hand gaben.
Komplementär zur Film-Doku enterten vorab die beiden Musikanten von Elektrik Kezy Mezy die kleine Viehhof-Musikbühne zur Einstimmung in das Tages-Programm, ebenfalls ehemals im Atomic des Öfteren zur Beschallung unterwegs, mal wieder eine willkommene Gelegenheit zur Erbauung an der Trash-Kunst der Münchner Garagen-Beat-Institution.
Das Duo spakulierte dann auch nicht lange rum mit belanglosen Vorgeplänkel und stieg direktemang ein in die Herrlichkeit seiner energiegeladenen Aufführung, begleitet von wuchtigen Beats und sattem Saitenanschlag zelebrierte die Combo ihren herrlich zupackenden Versatz aus Garagen-Trash-Blues, der wie erwartet gekonnt und mit Liebe zum Detail die weiteren Einflüsse wie Tamla-Motown-Soul und verhallte Sixties-R’n’B-Anleihen, den Punk-Rotz der Combos aus dem Crypt-Records-Stall und den naturbelassenen Duett-Ansatz der Frühphase der Black Keys zitierte, Trommler Frank Feller schuf die solide Groove-Grundlage für die satten Licks, das virtuose Spiel mit den Wah-Wah-Pedalen im Hendrix-Stil und die intensive Stimm-Akrobatik von Sänger/Gitarrist Gregor Amadeus Böhm.
Feinstes Kezy-Mezy-Rock-and-Roll-Entertainment aus der Garage, das gerne die anberaumte Stunde an Konzertdauer hätte überschreiten dürfen. Bleibt abzuwarten, ob in diesem Sommer im Rahmen der Kino-Veranstaltung nochmal ähnlich Beherztes auf der Musik-Bühne vor dem Müllcontainer im Viehhof-Biergarten geboten wird…
(**** ½ – *****)