Road Dogs

Reingelesen (52): Elmore Leonard – Road Dogs

road_dogs_2

„Der, mit dem ich fast drei Jahre im Knast gesessen hab. Foley, ein guter Mann. Hält sich vornehm zurück, macht sich nicht gern die Finger schmutzig, mit dem wirst du keinen Ärger haben.“
„Von Foley hab ich gehört.“
„Hat sowas wie zweihundert Banken überfallen. Der ist Profi, rasiert sich jeden Tag, aber nicht den Schädel. Der achtet auf Sauberkeit und würde sich im Leben kein gotteslästerliches scheiß Tattoo auf den Arm stechen lassen.“
(Elmore Leonard, Road Dogs, 14)

Elmore Leonard – Road Dogs (2012, Suhrkamp)

„Out Of Sight“, Abgang: Jennifer Lopez schießt George Clooney ins Bein und begleitet ihn einige Wochen später zurück in die Justizvollzugsanstalt Glades im Bundesstaat Florida.
In „Road Dogs“ begegnen wir dem von Clooney im Film gemimten Bankräuber Jack Foley wieder, der smarte Profi freundet sich im Bau mit dem schwerreichen kubanischen Gangster Cundo Rey an, dessen Anwältin boxt Foley aus dem Knast. Nach dem Auschecken zieht Foley in einer Villa Reys in Venice Beach ein, Dawn Navarro, die attraktive Gattin des Kubaners, versucht, ihn auf ihre Seite zu ziehen, zwecks Erleichterung des immer noch einsitzenden Gatten um das Ersparte.
Das FBI ist Foley nach wie vor auf den Fersen, Agent Lou Adams verfasst ein Buch über den Bankrobber und harrt der Fertigstellung des finalen Kapitels in Form des nächsten, aus seiner Sicht letzten Überfalls, bei dem er Foley final zur Strecke bringen will.

„Wisst ihr noch, Willie Sutton? Willie Sutton war berühmt dafür, dass er meinte, er würde Banken überfallen, weil dort das Geld liegt. Hat er zwar nie so gesagt, aber ist ja egal – die Öffentlichkeit hat’s geglaubt, sie fand den Spruch cool, und schon war Willie Sutton berühmt. Die Zeitungen waren verrückt nach ihm: Sie hatten ausgerechnet, dass er über die Jahre gut zwei Millionen beiseite geschafft hatte. Ach, echt? Und wann bitte hat er zwei Millionen abgezogen, wenn er die Hälfte seine scheiß Lebens im Bau verbracht hat?“
(Elmore Leonard, Road Dogs, 5)

Foley schuldet Rey viel Geld und Loyalität, landet dessen ungeachtet mit der Frau seines „Road Dogs“ im Bett, steht aber nach dessen Entlassung aus geschäftlicher und moralischer Verbundenheit trotz dieser amourösen Eskapade zu ihm. Gefangen zwischen Trieb und Vernunft, wird er zur zentralen Figur in einem Spiel, in dem inklusive einiger Nebendarsteller jeder jeden über den Tisch zu ziehen versucht.
Die Rahmenhandlung des Romans ist überschaubar, wenig komplex, im Detail ist die Geschichte über weite Strecken alles andere als der große Thrill, was indes Leonards Werke seit jeher auszeichnet, sind die lakonische Sprache und auf den Punkt gebrachte, pointierte Dialoge und der dadurch getriebene, rasante Erzählstil. Wie so oft in seinen Krimis, gipfelt der American Way Of Life in Betrug und Lügen, gegenseitigem Übervorteilen der Protagonisten und ein paar Leichen. Dabei ist stumpfe Schwarz-weiß-Malerei Leonards Sache nicht, die Gauner sind nicht ausschließlich schlecht und die vermeintlich Guten haben ihre dunklen Seiten. Im Fall der „Road Dogs“: Pulp Fiction ohne Political Correctness und ohne moralinsaure Botschaft, auf überschaubarem (Spannungs-)Niveau erzählt, mit einer Portion Erotik versehen, in der Rahmenhandlung eines Katz-und-Maus-Spiels mit permanent wechselnden Rollen.
Das Buch empfiehlt sich nicht zwingend für den Einstieg in den Leonard-Kosmos, hier mögen sich Werke wie „Maximum Bob“ (dt. „Alligator“) oder „Riding The Rap“ (dt. „Volles Risiko“) weitaus mehr eignen.

„Jack, ohne Agent bist du gearscht. Was glauben Sie, wie diese ganzen Krimiautoren, die nicht den blassesten Schimmer von den wirklich harten Jungs haben, ihren Scheiß loswerden? Mein Agent hat schon mal erlebt, das die Filmstudios für ein Buch geboten haben, das keiner von denen überhaupt gelesen hatte. Im Verlagswesen geht es nicht ums Schreiben, Jack, es geht darum, Bücher zu verkaufen.“
(Elmore Leonard, Road Dogs, 18)

Einem breiteren Publikum ist Elmore Leonard vor allem als Autor des eingangs erwähnten Steven-Soderbergh-Films „Out Of Sight“ und der literarischen Vorlagen für den Tarantino-Thriller „Jackie Brown“ und „Schnappt Shorty“ von Barry Sonnenfeld bekannt.
Leonard wurde 1925 in New Orleans/Louisiana geboren. In den fünfziger Jahren verdiente er seinen Unterhalt als Westernserien-Schreiber und Werbetexter, Ende der sechziger Jahre wechselte er ins Krimi-Genre, nachdem die Cowboy-Nummer wie im Kino in der Literatur zum totgerittenen Pferd mutierte. Als wichtigsten literarischen Einfluss nannte er seinen Landsmann Ernest Hemingway.
Die zahlreichen Kriminalromane Elmore Leonards werden häufig aus der Sicht der Delinquenten erzählt, sie sind weit mehr mit Stilmitteln des Realismus umgesetzte Milieu- und Charakter-Studien als klassische Schilderungen von Verbrechensaufklärung.
Elmore Leonard ist insgesamt dreimal mit dem renommierten Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet worden, 1992 erhielt er für sein Gesamtwerk den Grand Master Award der Mystery Writers Of America.
Die New York Times bezeichnete ihn als den „vielleicht besten Krimi-Autor aller Zeiten“, Stephen King nannte ihn „the great American writer“.
Im August 2013 ist Elmore Leonard im Alter von 87 Jahren in der Nähe von Detroit/Michigan gestorben.

Werbung