Robert Forster

Robert Forster @ Hansa39, München, 2019-05-09

Denn Länder, in denen man sorglos gelebt / verlässt man ohne Betrüben
Doch das Land, mit dem wir gehofft und gebebt / das werden wir ewig, ewig lieben
(Hanns Eisler)

A sort of homecoming oder: Helden-Gedenktag am vergangenen Donnerstag-Abend im Münchner Feierwerk. Die australische Indie-Legende Robert Forster war mit neuer Band zur Präsentation des aktuellen Albums „Inferno“ inklusive eingehender Würdigung der eigenen musikalischen Vergangenheit in der Stadt zu Gast, die altgediente Gefolgschaft dankte es gebührend mit einem ausverkauften Hansa39-Saal.

Nach der Veröffentlichung seines wunderbaren Solo-Werks „The Evangelist“ im Jahr 2008 war in Europa lange Zeit nichts mehr zu vernehmen von Robert Forster, der Songwriter aus Brisbane/Queensland verdingte sich in den folgenden Jahren journalistisch vor allem als Musik-Kritiker bei diversen australischen Magazinen, in jüngster Vergangenheit wie aktuell ist er dankenswerter Weise wieder präsenter in der Öffentlichkeit, mit neuen Aufnahmen, der lesenswerten Autobiografie „Grant & Ich“ über seine Zeit mit den Go-Betweens und dem 2006 verstorbenen Freund und Band-Mitbegründer Grant McLennan, mit einhergehenden Veranstaltungen zur Buch-Präsentation und feinen Solo-Konzerten.
Am Donnerstag dann Robert Forster nach über zehn Jahren wieder im vollen Band-Ornat in München, es sollte ein erinnerungswürdiger Abend werden. Begleitet von einer international besetzten und vor allem exzellent eingespielten Formation – eine grundsolide schwedische Rhythmus-Abteilung, der grandiose Lead-Gitarrist wie der Meister selbst aus Australien, mit Karin Bäumler aus dem bayerischen Regensburg die eigene Ehefrau als Klangbild abrundende Violinistin, so funktioniert Landes- und Kontinente-übergreifende Kooperation. Forster selbst gab als Frontmann wie stets den charmanten, bestens aufgelegten Con­fé­ren­ci­er, die Band zauberte zum Ohrwurm-artigen, ureigenen Indie-Pop- und Folk-Sound des profilierten Songwriters dezente Surf- und Alternative-Country-Zitate, die den Nummern keine neuen Wendungen, aber doch die ein oder andere zusätzliche ungeahnte Nuance angedeihen ließen. Selbst die fünf präsentierten Stücke aus dem eine Spur zu gefällig und austauschbar geratenen aktuellen Album „Inferno“ atmeten im Live-Vortrag einen anderen Geist, bekamen durch den unbehandelten Bühnen-Sound mehr Tiefgang, Ecken, Kanten und einen ansprechenderen Charakter verpasst, zweifelnde Bedenken hinsichtlich des jüngsten Outputs zerstreuten sich damit in Windeseile. Das vorangegangene Werk „Songs To Play“ aus 2015 war mit einer Auswahl auf der Setlist vertreten, daneben die nachdenkliche Ballade „Demon Days“ vom „Evangelist“-Album, sein solistisches Früh-Werk sparte Forster hingegen komplett aus. Dafür gab es zur großen Freude der an den Lippen des Sängers hängenden Getreuen einen pointierten Überblick über die komplette Schaffens-Phase der Go-Betweens, bei flott scheppernden Klassikern wie „Spring Rain“ oder „Man O’Sand To Girl O’Sea“, den emotional schwerst anrührenden Balladen „Finding You“ und „Dive For Your Memory“ oder der herrlich erhabenen Ode an die „Clarke Sisters“ ließ es sich angenehmst in Erinnerungen an große, lange zurückliegende Auftritte und Tonträger-Meilensteine der Indie-Pop-Institution von Down Under schwelgen, die ein oder andere Träne der Freude zerdrücken oder den großen Zeiten der alternativen Szenen in den Achtzigern gedenken, in denen die Australier neben Bands wie den Smiths, Felt, den Television Personalities oder den verehrten neuseeländischen Flying-Nun-Combos die Herzen der Melodie-verliebten Hörerschaft verzauberten.
Mit „Learn To Burn“ gab Forster gegen Ende als semi-scharfer Crooner den anheizenden Bühnen-Entertainer, und bei der heute noch ohne Abstriche schwerst schmissigen Indie-Perle „Don’t Let Him Come Back“ mochte man die Tatsache nicht fassen, dass seit Veröffentlichung des Songs als B-Seite der zweiten Go-Betweens-Single sage und schreibe vierzig Jahre ins Land gegangen sind. Wenn das Prädikat „Zeitlos“ zu vergeben ist, darf nach wie vor so ziemlich jeder jemals aufgenommene Song der australischen Indie-Ikonen unwidersprochen laut „Hier“ schreien.
Dem Münchner Publikum wird gerne und ab und an auch völlig zurecht eine gewisse Reserviertheit in der Reaktion auf großartigste konzertante Darbietungen nachgesagt, nichts davon am Donnerstag bei Forster und Co im Hansa39: Minutenlange, euphorische Dankbarkeit über diesen Auftritt mittels stürmischem Applaus zum Ende hin, und wenn das hiesige Volk mal aus sich herausgeht, dann bleibt es auch draußen aus dem Rahmen der eigenen Beschränkungen, egal ob beim alljährlichen Theresienwiesen-Massenbesäufnis, beim 1860-Aufstieg oder aktuell hier im ausgiebigen Mitsingen und Schunkeln zur finalen Nummer „Surfing Magazines“, zu der Robert Forster spontan im lokalen Bezug auch noch den Eisbach im Englischen Garten ins Spiel brachte.

Erhebende, herzergreifende Indie- und Folk-Rock-Auftritte wie diese völlig unaufgeregte, über jeden Zweifel erhabene 100-Minuten-Show vom vergangenen Donnerstag-Abend sind konzertante Sternstunden, die Songs des Robert Forster sind seit den Tagen der längst vergangenen Jugend, seit mittlerweile einem halben Menschenleben treue Begleiter, unvermindert Labsal für Seele wie Gemüt und musikalischer Anker in stürmischen Zeiten. Heimat in dem Sinn, dass Heimat immer dort ist, wo das Herz weh tut, und nachdem solche heiligen Momente des Sentiments langsam Seltenheitswert bekommen, ist die Deklaration des Werks vom Grandseigneur des australischen Indie-Pops zum immateriellen Weltkulturerbe längst überfällig.

Reingehört (525): Robert Forster, She Keeps Bees

Robert Forster – Inferno (2019, Tapete Records)

Der alte Go-Betweens-Held mit neuer Platte. Nicht allzu tiefschürfende Lebensweisheiten eines in die Jahre gekommenen Indie-Granden zu gefälliger Folk/Pop-Nonchalance, hinsichtlich musikalischer Finessen oft eine Spur zu simpel gestrickt. Man vermisst weitgehend die einzigartige Go-Bes-Songwriter-Kunst, die erhebenden Indie-Pop-Momente und Balladen seiner großartigen Solo-Alben „Danger In The Past“ oder „The Evangelist“ in diesem entspannten und zuweilen auch austauschbaren Geplätscher. Forster verkauft sich über weite Strecken des neuen Werks völlig unter Wert. Erst zum Ende hin, in „One Bird In The Sky“, da lässt der Mann aus Brisbane sein Talent für einfache, elegante, umso wirkungsvollere, ergreifende Momente aufscheinen, aber an der Stelle ist die Messe bereits abschließend gelesen und das Volk der Gläubigen längst weggedöst oder zu einer anderen Kirche konvertiert. Wo’s auf Tonträger aktuell mitunter arg hapert, wird’s beim anstehenden konzertanten Vortrag gewiss wieder zur ein oder anderen erbauenden Interpretation aus dem reichhaltigen Forster-Fundus kommen, das „Inferno“-Material muss zu der Gelegenheit ja nicht über Gebühr strapaziert werden.
(*** ½)

Robert Forster live am 9. Mai im Münchner Feierwerk, des Weiteren zu folgenden Gelegenheiten:

30.04.Berlin – Festsaal Kreuzberg
01.05.Hamburg – Knust
03.05.Münster – Gleis 22
04.05.Bielefeld – Forum
05.05.Bonn – Harmonie
07.05.Frankfurt – Zoom Club
08.05.Schorndorf – Manufaktur
10.05.Wien – Theater Akzent
11.05.Linz – Posthof

She Keeps Bees – Kinship (2019, BB*Island)

Fluch des Schicksals oder Ungnade der späten Geburt: Die Formation She Keeps Bees und hier im Besonderen Sängerin Jessica Larrabee müssen sich permanent Vergleiche mit den dargebotenen Vokal-Künsten prominenter Kolleginnen wie Chan Marshall/Cat Power, Polly Jean Harvey oder Aimee Mann gefallen lassen. Ein Manko, zweifelsohne, auch wenn die gute Frau aus Washington DC und ihr mit Drummer Andy LaPlant in Brooklyn formiertes Duo nichts für diesen Umstand können. Epigonenhaft, belang- oder gar substanzlos ist das demnächst zur Veröffentlichung anstehende Material vom neuen Longplayer „Kinship“ – wie auch frühere Einlassungen – deswegen weiß Gott nicht, es muss nur diesem andauernden Parallelen-Ziehen standhalten. Mit den neuen Songs dürfte das für die Band ohne weitere Anstrengungen zu ertragen sein. Dunkle Neo-Blues-Balladen, der Tanz der Wüstengeister und Highway-Dämonen, das latent Morbide der Zigarettenrauch-gegerbten Nacht-Bars, das sich in Larabees geheimnisvoller, unterkühlt erotischer Soul-Stimme wiederfindet wie im Nachhall des herrlich aus der Zeit gefallenen Keyboard-Grooves, dazu erzählt das gemischte Doppel von eigenen Verlusten, den sozialen Verwerfungen und den Wunden der Natur, in einem mächtig drängenden, hypnotischen Flow an Nummern, einem Fluss hinein in das Zwielicht der mitternächtlichen Melancholie.
Hier wäre sie mal wieder, in formvollendeter Güte und erhabener Schönheit, die vielzitierte atmosphärische Dichte, die so manchem Werk der eingangs erwähnten Ladies gut zu Gesicht gestanden hätte.
„Kinship“ erscheint am 10. Mai beim Hamburger Indie-Label BB*Island.
(**** ½ – *****)

Robert Forster @ Hansa39, München, 2017-12-15

„Dive For Your Memory“ – Eintauchen in Erinnerungen, an längst vergangene Tage, als der Indie-Pop noch von großen Versprechen und Herz-anrührendem, profundem Songwriting geprägt war, womit könnte das schöner gelingen als mit einer Auswahl der „Greatest Hits“ aus dem Soundtrack der eigenen Jugend, aus der Feder eines der größten Songwriter, der je auf den verschlungenen Pfaden dieses Planeten gewandelt ist – oder weitaus weniger pathetisch, schlicht und ergreifend: Robert Forster war da. Nach vielen entbehrungsreichen Jahren endlich auch wieder in München. Im Rahmen der Promotions-Tour zu seiner kürzlich im Heyne-Verlag auch in Deutsch erschienenen Autobiografie „Grant & Ich. The Go-Betweens und die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft“ fand sich Zeit für ein paar Auftritte rein im Geiste der Musik, und so durfte sich das hiesige Publikum nebst zahlreich angereisten Gästen aus dem angeheirateten Regensburger Umfeld des Songwriters und Mitbegründers der legendären australischen Go-Betweens im gut gefüllten Feierwerk-Saal des Hansa39 an einer Zeitreise durch handverlesene Werke aus der Historie der Indie-Legende aus Brisbane erfreuen.
Robert Forster, völlig bei sich als charmant moderierender Grandseigneur und Gentleman der gepflegten Pop-Tondichtung, bot eine exzellente exemplarische Auswahl seines jahrzehntelangen Schaffens, einer wie er kann hier selbstredend aus dem Vollen schöpfen, der Reigen reichte vom Go-Betweens-Frühwerk „People Say“ aus dem Jahr 1979 über All-Time-Favourites wie „Spring Rain“ oder „The House That Jack Kerouac Built“ aus der Hochphase der Band Mitte/Ende der Achtziger bis hin zu Titeln seiner Werke unter eigenem Namen aus dem 2015er-Album „Songs To Play“ und einer ergreifenden Live-Version von „I’ve Been Looking For Somebody“ vom hochgelobten solistischen Forster-Debüt „Danger In The Past“.
Wie in seiner lesenswerten Biografie legte der Musiker den inhaltlichen Schwerpunkt des Abends auf die Arbeiten der verflossenen Kult-Band, nur selbst zur Akustik-Gitarre begleitet oder sporadisch vom feinen, elegischen Violinen-Spiel seiner Ehefrau und ex-Baby-You-Know-Musikerin Karin Bäumler bereichert, offenbarte Robert Forster in abgespeckten Versionen die pure, wunderschöne Seele und melodische Reinheit seiner herrlichen Songs, die in einer besseren Welt als der Unseren sämtlich und wiederholt in offiziellen Tonträger-Verkaufslisten ganz weit vorne aufgetaucht wären. In den wenigen Uptempo-Passagen deutete Forster mit Schalk im Nacken den Rock’n’Roller, der in ihm wohnt, weitaus mehr nur an, als dass er ihn tatsächlich auslebte, um im getragenen Anschlag sofort wieder zum disziplinierten Balladen-Vortrag einzuschwenken, das Folk-Gewand der dargebotenen Meilensteine verlangte nach Würde und einer gewissen Strenge, die der Barde dem Werk in der gebotenen Form angedeihen ließ.
Zum Ausklang dann großer, in dem Rahmen geradezu ausgelassener Chor, vom Publikum selbst initiiert, der ganze Saal trällerte mit – unaufgefordert! War das noch München? – beim sing-along-Refrain der letzten Zugabe „Surfing Magazins“, ein Adventssingen der besonderen Art, dass Musiker wie Publikum in berücktem Zustand aus dem konzertanten Teil des Abends entließ, verbunden mit einem Wunsch an das Christkind, den groß- und einzigartigen Robert Forster beizeiten mal wieder in München vorbeizuschicken, und sei es nur zur Auffrischung der Erinnerungen – „Dive For Your Memory“, wie gesagt…
(***** – ***** ½)