Sammlung

Reingehört (380): Xao Seffcheque, Sammlung: Elektronische Kassettenmusik

„Wir hatten auch den Schizo-Look. Da war die halbe Seite vom Kopf so richtig gewachsen und wild. So richtig schwarzen Bart und Haare wachsen lassen. Die andere Seite war blond, ganz kurz, Augenbrauen abrasiert. Alles total rasiert. Und auch zwei Anzüge. In der Mitte geteilt. Der ganze Mensch war in der Mitte geteilt. In jeder Beziehung.“
(Xao Seffcheque, in: Jürgen Teipel, Verschwende Deine Jugend, Ein Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave)

Xao Seffcheque – Ja, nein, vielleicht kommt sehr gut: A Selection of Electronic Beats 1980-82 (2017, Bureau B)

Gaudibursch aus der deutschen New-Wave-Ursuppe: Der Grazer Alexander Sevschek aka Xao Seffcheque, ab Ende der Siebziger Autor zu den Themen Punk und New Wave bei Sounds und später bei der Spex, 1981 zusammen mit Peter Hein von den Fehlfarben Gründer der Band Family 5, mit der er immer noch sporadisch auftritt, in den Achtzigern diverse eigene Projekte und Platten mit seinen Formationen Die Pest/ Die Post / Der Rest, heute vor allem als Drehbuchautor für diverse Kino- und Fernseh-Produktionen beschäftigt.
Das Hamburger Indie-Label Bureau B hat einen Best-Of-Sampler mit Arbeiten aus der solistischen Frühachtziger-Schaffensphase zusammengestellt, die den österreichischen NDW-„Scheckheft-Sektchef“ als lustigen Pionier der elektronischen Musik porträtiert.
Mit Synthies, Elektro-Beats/Drum-Maschinen und Texten, die weit mehr Lautsprache und Endlos-Schleifen-artiges Reproduzieren von Tönen und infantilem Geblubber im Geiste eines absurd-dadaistischen Statements als inhaltlich nachvollziehbares Geschichten-Erzählen sind, persifliert der Wahl-Düsseldorfer die damalige deutsche Speerspitze der Neuen Deutschen Welle von Deutsch Amerikanische Freundschaft bis Palais Schaumburg in ironisch-abgründiger Manier.
Bei allem sprachlichen Nonsens und humoristischen Gefeixe darf nicht übersehen werden, dass Seffcheque mit seinem Elektro-Punk-Ansatz hinsichtlich Sound & Vision durchaus als Vorreiter zu Techno, Trance, No Wave und Weiterentwickler vorangegangener Experimental-/Kraut-Electronica-Ansätze wahrgenommen werden darf.
Beatles-Allgemeingut kriegt auch sein Fett weg, die Fab Four waren in der Punk-Ära stets ein gern genommenes wie dankbares Opfer, in „Why We Hate The Residents“ lehnt sich der Künstler an das „Meet The Residents“-Konzept des kalifornischen Anonym-Multimedia-Kollektivs an und bringt „Eleanor Rigby“ in einem futuristisch-avantgardistischen Primitiv-Gezirpe in schwindlige Schräglage – C’mon and humor me
(**** ½)

V.A. – Sammlung: Elektronische Kassettenmusik, Düsseldorf 1982-1989 (2017, Bureau B)

Eine weitere schöne Sammlung zum Thema deutsche Electronica von Bureau B: scheinbar jeder aus der ortsansässigen Nachbarschaft, der sich mit dem Frühwerk der Düsseldorfer Kraut-/Elektro-/Synth-Pop-Vorreiter Kraftwerk und Neu! oder den Arbeiten der NDW-Experimental-Elektroniker Der Plan intensiver auseinandersetzte und an den entsprechenden analogen und digitalen Gerätschaften die relevanten Schrauben in die richtige Richtung zu drehen wusste, hat in den Achtzigern in Heimarbeit die eigenen Ergüsse auf Musikkassetten verhaftet, das Hamburger Kraut-/NDW-/Elektropop-Label veröffentlicht die spannendsten und wegweisendsten Arbeiten auf „Sammlung: Elektronische Kassettenmusik, Düsseldorf 1982-1989“.
Eigensinnige, unkonventionelle Elektronik-Trips aus der Post-Punk-Hochphase im Nachgang zur deutschen Kraut-Ära, vom Do-it-yourself-Geist des Punk-Bebens durchweht, eingespielt von heute weithin unbekannten Düsseldorfer Underground-Geistern und Projekten wie Konrad Kraft, Pfad der Tugend, Maria Zerfall, Strafe für Rebellion, um nur einige zu nennen, die trotz einiger technischer Unzulänglichkeiten und simpelster Produktionsbedingungen ein feines Gespür dafür zeigten, was in der experimentellen Pop-Musik hinsichtlich Trance, Ambient, Noise, Industrial-Drone und abstrakter Electronica in naher und ferner Zukunft, von einer Achtziger-Jahre-Warte aus betrachtet, fürderhin noch alles möglich sein sollte.
(**** ½ – *****)

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