Der Stattpark OLGA, ein alternatives und selbstverwaltetes Münchner Wohn- und Kulturprojekt, ist nach Gründung in Giesing und Zwischenaufenthalt in der Nähe der Münchner Großmarkthalle mittlerweile auf einem freien Gelände in Obersendling an der Boschetsrieder Straße gelandet, dort wird die Wagenburg voraussichtlich 2018 einem Schulbau weichen und weiterziehen müssen. Zwischen den als Wohnungen, Arbeitsstätten und Kinderhort genutzten Bauwägen findet sich in einer Holzbude untergebracht ein selbstgezimmerter Indie-Club mit Bühne, Bar, Chill-Out-Zone und DJ-Pult, eine Art Miniatur-Ausgabe des Kafe Kult, vom selben charmanten Do-it-Yourself-Geist durchweht wie die Kulturstation im entlegenen Oberföhring – und am vergangenen Samstag mit ähnlich gutem Live-Programm auf der Tagesordnung aufwartend: Mit Cold Institution und Rue Morgue gaben sich zwei junge, aufstrebende Bands aus der Postpunk-Subkultur Helsinkis auf Spendenbasis ein lärmendes Stelldichein im Münchner Süden.
Die fiktive Pariser Rue Morgue geisterte bereits das ein oder andere Mal durch den Kulturbetrieb, 1841 in einer Kurzgeschichte von Horrorliteratur-Urvater Edgar Allan Poe, fast 150 Jahre später als Namensgeber für die Desert-/Indie-Blues-Sammlung auf dem Solo-Debüt des australischen Düster-Barden Hugo Race, jüngst 2015 nun haben sich vier finnische Jungspunde den französischen Straßen- als Bandnamen auserkoren. Mit einem zupackenden Vortrag eröffneten Rue Morgue den intensiven Reigen am Samstagabend, die aufgestaute Wut und Energie herausschreiend, von schneidenden Gitarren und hartem Rhythmus-Anschlag begleitet, mit genügend Rest-Melodik versehen, um sich gut ins Ohr zu fräsen, so gestalteten die Musiker aus Helsinki ihren kurzen wie beherzten Auftritt, der die dunkel funkelnde, ergreifende Faszination des Frühachtziger-Postpunk mit der rohen Frische der Rotzlöffel-Musik der späten Siebziger paarte und mit einem Schuss Gothic-Schwarzkittel-Atmosphäre garnierte, der geeignete Stoff, um alte Säcke mit einem seligen Lächeln auf den Lippen ihrer vergangenen Jugend gedenken zu lassen und gleichsam den nachgeborenen Jahrgängen zu demonstrieren, welch ungebändigte Kraft dem musikalischen Underground einst innewohnte.
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Den zweiten Teil des Abends in der lauschigen Bretterbude bestritten die Helsinki-Ortsnachbarn von Cold Institution, ein gemischtes Doppel mit ausgefallener Instrumentierung, die klassische Stromgitarre wurde beim finnischen Quartett durch einen zweiten Bass ersetzt, dementsprechend durchdringend gestaltete sich die harte Rhythmik im Klangbild der Band. Die vier Suomi-Punks machten wie die befreundete Vorgänger-Combo von Sekunde eins an keine Gefangenen mit der Bühnen-Präsentation ihres kompromisslosen Brachial-Gepolters, nur schade, dass der Pop-artige Mädels-Gesang der Frontfrau derart breiig abgemischt durch die Anlage tönte, die wohlklingenden Sirenen-Klänge markierten in Reminiszenz an die Postpunk-Götter von den Young Marble Giants oder den wunderschön besungenen Schepper-Indie-Perlen der Shop Assistants den spannenden Kontrapunkt zum hart angeschlagenen Spät-/Post-/No-Wave-Punk der erweiterten Rhythmus-Abteilung. Sehr gute Haltungsnoten auch für den Sonic-Youth-artigen Abgang in finaler Feedback-Übersteuerung, da mundete der Absacker in Form eines gepflegten Quartiermeister-Hellen begleitend zum noch jungen Abend gleich doppelt gut, die Bewohner des Stattpark OLGA gestalteten den Pogo-Rausch in Rücksichtnahme auf die anwohnende Nachbarschaft in sozial verträglichem Zeitrahmen. Feine Veranstaltung, alles in allem…
(**** ½ – *****)