Soul Grip – Not Ever (2018, Consouling Sounds)
Im laufenden Jahr ließen Soul Grip bereits einmal aufhorchen mit mächtigem Lautmalen, im Juni haben die fünf jungen Mannen aus Gent mit den belgischen Landsleuten der Noise-Formation VVOVNDS eine gemeinsame Split-EP zum Record Store Day veröffentlicht, in naher Zukunft geben sie mit dem Longplayer „Not Ever“ weiteren Druck auf den Kessel. Der Band gelang seinerzeit auf der Extended-Play-Scheibe das Kunststück, mit „Dwaler“ eine trotz schwärzester Beigaben dauer-rotierende Postcore-/Black-Metal-Überwältigungs-Hymne als Sonnen-verdunkelnden Alternativ-Sommer-Hit für die geneigte Hörerschaft der härteren Gangart auf die Ohren zu wuchten, auf dem neuen Longplayer „Not Ever“ sind derartig erhebende Momente im Auge des Sturms weitaus seltener, dafür lassen die fünf jungen Musiker aus Gent die Höllenhunde noch ein Stück weiter von der Leine und befreien die eigenen Dämonen mittels heftigstem Hardcore-Schreien des Frontmanns Nathan Vander Vaet, das keine Steigerung mehr zu kennen scheint hinsichtlich verzweifelter Hingabe und Urschrei-therapeutischem Herauskehren der inneren Pein, die von der Band nach allen Regeln der schwarzen Metaller-Kunst mit extremen Stakkato-Rhythmen und mächtigen Gitarren-Wänden in die stimmige tonale Form gebracht wird.
Melancholische Intervalle in ihrer Tarnung als instrumentale Postrock- und Progressive-Balladen mögen kurzfristige Ruhephasen und sporadische Komfortzonen bieten – sicheres Geleit geben und dauerhaften Schutz gewähren sie nicht vor den bereits wieder anrollenden Orkanen und Taifunen aus brüllenden Endzeit-Gesängen und donnerndem Mahlstrom. Hier arbeitet die Knochenmühle und der sich ins Hirn fräsende Irrsinn gründlich und ergiebig, einmal den point of no return überschritten, brechen alle Barrieren im Sog der lärmenden Messe, die auch in diesem schwarzen Gebräu aus vermeintlicher Destruktion, schwermütigem Niedergang und tiefster Innen-/Aussenwelt-Finsternis ein Funkeln erhabener Schönheit im Auge des Hurrikans aufscheinen lässt.
„Not Ever“ wird am 2. November in der Heimatstadt der Band beim belgischen Postrock/Postmetal- und Experimentel-Label Consouling Sounds veröffentlicht.
(*****)
El Yunque – O Hi Mark (2018, Sentimental)
Und weil’s so schön war, gleich nochmal ab nach Belgien: Seit vergangener Woche ist das dritte Album der Formation El Yunque als limitiertes gelbes Vinyl, Tape oder Digital Download in den virtuellen Regalen zu finden, das flämische Experimental-Quartett aus Hasselt in der Provinz Limburg kündigte ihren Tonträger als Konzeptalbum (oder eben auch nicht) mit folgenden Worten an: „O Hi Mark is an album about the invasion of Normandy, social media, a Mongolian emperor and the worst movie ever made. Some might call it a conceptual record. Others might not. Anyways, the band wrote a manifesto about it“. In besagtem Manifest stellen El Yunque klar, dass sie keine Noiserock-Band sind und in welchem künstlerisch-visionären Kontext die Performance von „O Hi Mark“ (oder „EY3“, „Het Stabwaffer Kwartet“, „Josti Tosti and the Sandwichband“ und weiterer seltsamer Alternativ-Titel) zu verstehen ist, inklusive einer Liste an Empfehlungen von Schlagworten, die bei der Rezeption des Albums zu verwenden bzw. zu vermeiden wären. „Landung in der Normandie“ mag sich da beim Titel „Sword Beach“ noch unterbringen lassen, einer Elektro-Rhythmen getriebenen, artifiziellen und monoton vor sich hindräuenden Industrial-Nummer, die gegen Ende hin mit eine Prise Punk-Schärfe nachbrennt, mit der vorgeschlagenen referenziellen Bezugnahme zu King Elvis wird’s dann schon extrem eng, obwohl die sechs ausladenden Nummern des Werkes eine überaus Phantasie-anregende und Horizont-erweiternde Wundertüte an Postpunk-Beschallung bereithalten. Wer sich in den längst vergangenen Neue-Welle-Tagen des musikalischen Aufbruchs und der Dekonstruktion althergebrachter Muster, der Neudefinition von Sound and Vision etwa bei Formationen wie den Swell Maps, Cabaret Voltaire oder This Heat etwas mehr an Tanzboden-Tauglichkeit und breitgefächerter stilistischer Vielfalt, letztendlich einen Schuss mehr Pop-Appeal gewünscht hätte, bittschön, hier wäre der entsprechende Entwurf zu bestaunen. Dem Experimentieren mit kalten, futuristischen Sounds und dem Zusammenprall mit organischen, irgendwo noch geerdeten Indie-Entwürfen sind auf diesem Tonträger keine Grenzen gesetzt, die Band füllt den Spielraum auf der grünen Entwurf-Wiese ordentlich aus. Postpunk mit Trance-, Postrock-, Industrial- und Drone-Electronica-Einflüssen, getrieben von zumeist synthetischer, nervöser Taktgebung, ausgestaltet mit abstrakten Maschinen-Klängen mittels Synthie-/Sampling-Geschraube, erschöpfenden Spoken-Word-Tiraden und infiltriert von rudimentärer Neo-Space- und Wave-Pop-Melodik.
„O Hi Mark“ ist am 12. Oktober beim belgischen Cassetten-Tape-Label Sentimental in Brüssel erschienen.
(*****)