Shovels & Rope

Reingehört (104)

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Gov’t Mule – Stoned Side Of The Mule Vol. 1 & 2 (2015, Mascot / Rough Trade)
Der ex-Allman-Brothers-Ausnahmegitarrist und Viel-Produzierer Warren Haynes, dessen Arbeitstag ungefähr 40 Stunden haben muss, hat mit seiner Hauscombo Gov’t Mule ausgewählte Glanzstücke der Rolling Stones aus der Hochphase der Jagger/Richards-Kapelle eingespielt, das Ergebnis ist noch weitaus erfreulicher als die Übung, die sie mit Pink-Floyd-Material im Vorjahr auf ‚Dark Side Of The Mule (Mascot) praktizierten.
Die Stücke wurden bei einem Konzert am Halloween-Abend 2009 im Tower Theater in Philadelphia mitgeschnitten, die Band ist in absoluter Spiellaune und präsentiert unter anderem „Wild Horses“ und den Schmachtfetzen „Angie“ im gut sitzenden Blues-Gewand, Klassiker wie „Paint It, Black“, „Play With Fire“ und „Under My Thumb“ mit einer ureigenen Southern-Rock-Note, ohne den Stücken ihren zeitlosen Charakter zu rauben, „Shattered“ mit einem Drive, wie in die Autoren der Stücke dieser Tage kaum mehr bewerkstelligen können und „Monkey Man“, einen der größten Stones-Songs ever, in einer dem Original an Intensität in nichts nachstehenden Version, insbesondere das Slide-Gitarren-Solo ergreift wie beim ‚Let It Bleed‘-Original, wie dort zuckt die Hand wiederholt zur Repeat-Taste.
Randle Patrick McMurphy/Jack Nicholson bringt es im „Kuckucksnest“ auf den Punkt: „Rollender Stein setzt kein Moos an…“
(*****)

Shovels & Rope – Busted Jukebox: Volume 1 (2015, Dualtone)
Shovels & Rope sind ein Alternative-Country-/Folk-Duo aus Charleston/South Carolina, das sich aus den Eheleuten Michael Trent und Cary Ann Hearst zusammensetzt, auf ihrem vierten Longplayer präsentieren sie ausschließlich Fremdmaterial in beherztem Prärie-Americana-Outfit und beseeltem Rock’n’Roll-Geschepper, wir hören so unterschiedliche Komponisten wie Emmylou Harris, Allen Toussaint, Nine Inch Nails, die Kinks oder Lou Reed, „What’s So Funny ‚Bout) Peace, Love, and Understanding“ wird Elvis Costello zugeschrieben, der hat zwar die bekannteste Version der Nummer veröffentlicht, geschrieben hat das Stück aber nach wie vor Nick Lowe, egal, auch in der getragenen Country-Fassung macht die in diesen finsteren Zeiten wieder hochaktuelle Nummer eine gute Figur, „Perfect Day“ kommt als Bar-Crooner und der Country-Shuffle „Boys Can Never Tell“ von einem gewissen J Roddy Walston, der hier auch persönlich mitschmettert, ist alleine die Anschaffungskosten wert.
(**** ½)

Disappears – Low: Live In Chicago (2015, Sonic Cathedral)
Die Lücke, die sich immer dann auftut, wenn die Diskrepanz zwischen gut und gut gemeint ein zu großes Ausmaß annimmt, hier ist sie unüberhörbar. Die Indie-/Kraurock-Band Disappears aus Chicago/Illinois, bei der zwischenzeitlich auch mal der ex-Sonic-Youth-Drummer Steve Shelley zugange war, hat in ihrer Heimatstadt das bahnbrechende Bowie-Werk ‚Low‘ (1977, RCA) im November 2014 komplett von hinten bis vorne durchgespielt und von Spacemen-3-Spezi Peter Kember/Sonic Boom remastern lassen, die ein oder andere Nummer mag etwas mehr in Richtung Indie-Rock getrimmt sein, vor allem im zweiten Teil, dessen Instrumental-Parts Bowie zusammen mit Brian Eno komponierte, werden die Analog-Synthie-Passagen vermehrt durch Gitarren-Soundlandschaften ersetzt, aber unterm Strich fügt diese Bearbeitung dem Original wenig Neues hinzu.
Bei der Fremdinterpretation des ‚Low‘-Stoffs bleibt die ‚Symphony No. 1/Low Symphony‘ (1993, Universal) von Philip Glass der Maßstab.
(***)

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