Sixties Beat

The Sonics + The Glücks @ Backstage, München, 2018-10-17

Generationen-übergreifendes Familientreffen in der Trash-Garage am Mittwochabend im Club-Saal des Münchner Backstage, keine Geringeren als The Sonics, die legendären Sixties-Wegbereiter des Punk und Grunge, waren für eine launige Sause angekündigt, bevor es historisch weit zurück in die Ursuppe der lärmenden Rockmusik ging, durfte der Nachwuchs ran und das Feld bereiten für die verehrten Ahnherren.
Bei einem Bandnamen wie The Glücks kommt aufs Erste nicht unbedingt große Phantasie hinsichtlich vernünftiger Support-Act-Bespaßung auf, so kann man sich täuschen, don’t judge a book by its cover, wie der Anglist im allgemeinen wie auch die Sonics in einem ihrer Songs anmerken – was Drummerin Tina und Gitarrist Alek aus der belgischen Küstenstadt Oostende an diesem (und vermutlich jedem anderen) Abend an krachendem Feuerwerk abbrannten, war durchaus mehr als nur ein anerkennendes Zungen-schnalzen wert. Von der ersten Sekunde weg zum Punkt kommend, zog das vehement abrockende Paar die Zügel an in Sachen Trash-Rock, Garagen-Punk, Uptempo-Surf- und Fifites-R’n’R, garniert mit einem hochprozentigen Schuss Psychedelic und verschärft mit ordentlich Fuzz-Feedback und dem atmosphärischen Nachhallen der dröhnenden Gitarre.
The Cramps, die Ramones und die Stooges, Dead Moon, Trash-Granaten aus dem Crypt-Records-Fundus wie Oblivians, The Gories, die New Bomb Turks und selbstverständlich nicht zuletzt The Sonics themselves dürften Pate gestanden haben bei der musikalischen Sozialisation des wilden Bonny-and-Clyde-Pärchens aus Westflandern, diese Einflüsse durch den Mixer rotiert, zu einem explosiven Trash-Punk-Cocktail geschüttelt, im Tempo ein paar Umdrehungen nach oben geschraubt, dazu ungestüme Bühnenpräsenz mittels beherztem Geschrei, strammem, treibendem Trommeln und dem energischen Beackern der Rhythmus-Gitarre, das zu diesem Sound jedes Solo verschmäht und anderweitigen Sound-erweiternden Flitter und Tand für obsolet erklärt, mehr braucht’s nicht zum konzertanten-Vollbedienungs-Glück mit den Glücks.
Das unverstellte Duo zelebriert den Rock’n’Roll, wie er im Idealfall immer durch die Lautsprecher schallen sollte: lärmend, roh, unverbraucht, direkt zupackend, mit einer jugendlichen Unbeschwertheit in die Welt hinausposaunt. Die Sonics haben The Glücks bereits zum zweiten Mal als Gäste in ihrer Konzertreise-Entourage mit an Bord, und das hat seinen guten Grund, die alten Hasen beweisen damit stilsicheres Gespür für das eigene kulturelle Erbe.
Das war super, das war elegant – Tina bangs the skins whilst Alek trashes the strings… So you can move!… Sexbeat!!… Go!!!

Dem historisch bewanderten Rock’n’Roller-Volk noch groß etwas Neues über The Sonics zu erzählen, bedeutet wohl schwer vermutlich die sprichwörtlichen Eulen-Viecher zur Akropolis tragen, im Olymp sind die Godfathers of Punk, Trash, Grunge & Hard Rock aus Tacoma im US-Bundesstaat Washington mit ihren ikonischen LoFi-Produktionen und energischen Protopunk-Sixties-Hits mittlerweile längst angekommen, die Liste ihrer Jünger ist heute kaum mehr zu überblicken und reicht von den Sex Pistols, die einst ihre Version des Eddie-Cochran-Hauers „C’mon Everybody“ coverten, über ihrerseits Stil-prägende Kultfiguren der Pop-Historie wie Lux Interior, Kurt Cobain, Jack White, Mark E. Smith, die Happy Family der Ramones bis hin zu Indie-Größen vom Schlage der Flaming Lips und Mainstream-Großverdiener wie Robert Plant oder Bruce Springsteen und seinen Haus- und Hof-Gitarristen Steve Van Zandt.
Im 58. Jahr ihrer Bandhistorie sind die Sonics als eine der weltweit dienstältesten Krach-Combos im Rahmen ihrer ausgedehnten Europa-Tour auch in München angelandet und präsentierten im vollbepackten Backstage-Club für eine gute Stunde ein klingendes Potpourri ihrer bekanntesten Hits. Für etliche der alten Haudegen aus dem Original-Line-Up ist der Reisestress inzwischen nicht mehr zu bewältigen, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass von der klassischen Besetzung nur noch Saxophonist, Blues-Harp-Spieler und Sänger Rob Lind mit von der Partie ist, dem damit als altgedienten Sonics-Kämpen die Rolle des launigen Moderators und Anheizers zukam.
Die fehlenden Altvorderen werden im Rahmen der Sonics-Comeback-Konzerte würdig vertreten, Gitarrist Evan Foster von den Boss Martians besorgte die messerscharfen Riffs mit seiner Fender Telecaster, Drummer Dusty Watson bringt mit seinen früheren Punk- und Garagen-Combo-Engagements unter anderem bei Agent Orange, den Supersuckers und Surf-Rock-Gott Dick Dale über die Maßen Tour-Erfahrung mit für diesen Job, Bassist Don Wilhelm mischt seit über zehn Jahren bei den Sonics mit, und Organist Jake Cavaliere als Frontmann seiner eigenen Psychedelic-Kapelle The Lords Of Altamont ist nicht nur in seiner optischen Erscheinung inklusive üppigsten Old-School-Tattoos und Ramones-Widergänger-Topffrisur zu der Gelegenheit über jeden Zweifel erhaben.
Die Band schrammte sich laut und deftig mit einer rohen Spielart des Rock’n’Roll-Urmeters durch eine Auswahl ihrer bekannten Hits, die erwähnte Cochran-Nummer „C’mon Everybody“ als Party-eröffnender Kracher, das unvermeidliche und tausendfach gecoverte „Louie Louie“, mit „Have Love, Will Travel“ eine weitere Richard-Berry-Komposition, „Cinderella“, „Boss Hoss“, die alten Little-Richard-Kracher „Lucille“ und „Keep A Knockin“, zum Ende des wilden, energischen Ritts ihre Generationen-prägenden, einflussreichen und stilbildenden Klassiker „Strychnine“, „Psycho“ und das finale, von den Glücks als Background-Sänger unterstützte „The Witch“.
Auch wenn dem hinlänglich bekannten Song-Material trotz ruppiger und entschlackter Präsentation die Patina der Herkunft aus längst vergangenen Zeiten des Rock-musikalischen Aufbruchs anhaftet, für ordentliches Club-Show-Entertainment, eine geschichtsträchtige Werkschau und flottes Schuhsohlen-Beheizen des tanzlustigen Volkes im Moshpit reichte das kurze und intensive Set der gesetzten Herrschaften allemal, ohne jede Altersmüdigkeit und ohne gelangweiltes Standardprogramm-Abspulen.
Nachdem hierzulande das Anheben des Renteneintrittsalters thematischer Dauerbrenner im politischen Tagesgeschäft ist und eine Rolling-Stones-Walking-Dead-Show, die die Grenzen der Peinlichkeit längst kilometerweit hinter sich gelassen hat, nach wie vor ganze Stadien nach Strich und Faden abzockt, dürfen The Sonics mit einem weitaus genehmeren Arbeitsethos und beherzteren Brennen für das eigene Lebenswerk noch gerne ein paar Jahre durch die Lande krakeelen und die Bühnenbretter dieser Welt rocken, wie brüllen wir Münchner „Löwen“ immer zu solchen Gelegenheiten: Sechzge, Oida! – das sechzigjährige Jubiläum der Band ist ja nicht mehr fern…

Die restlichen Deutschland- und Schweiz-Termine der This Is The Sonics 2018-Tour, präsentiert von der Konzertagentur Hotellounge:

23.10.Zürich – Ziegel Oh Lac
25.10.Etagnières – Croc‘ The Rock Festival
27.10.Bern – Dachstock / Reitschulfest
28.10.Karlsruhe – Jubez

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Konzert-Vormerker: The Sonics

Die Godfathers des Grunge wollen es nochmal wissen: The Sonics, Paten des Alternative Rock, Pioniere, Urgesteine und Kult-Helden des Garagen-/Proto-Punk und des Rock’n’Roll-Trashs, schlagen im Oktober im alten Europa für eine ausgedehnte Tournee auf, auch im schönen München werden sie ihre Visitenkarte im Backstage abgeben, jeweilige Termine für die Schweiz und Deutschland guckst Du unten.

Die US-Trash-Institution aus Tacoma/Washington ist seit den frühen Sechzigern aktiv und war mit legendären Kollegen wie den Kinks oder den Byrds auf gemeinsamer Konzertreise, das halbe Jahrhundert Rock-and-Roll-Krakeelen hat sie längst auf dem Buckel und nähert sich zielstrebig der sechsten Dekade ihrer Bandgeschichte.

Die Sonics haben bereits auf ihrem Debüt-Album „!!!Here Are The Sonics!!!“ stilbildende Klassiker wie „Strychnine“, „Psycho“ und „The Witch“ veröffentlicht, die später von unzähligen Interpreten in eigenen Versionen aufgenommen oder live präsentiert wurden, ihre rohe Energie und den harten, direkten Sound ihrer Songs haben Legionen von Bands und Musiker wie die Sex Pistols, die Ramones, Nirvana, The Cramps, The-Fall-Grantler Mark E. Smith, die White Stripes oder die Fuzztones als maßgeblichen Einfluss ihrer eigenen Arbeiten benannt, selbst Pathos-Schmalzer Springsteen covert ab und an die Richard-Berry-Adaption „Have Love, Will Travel“ in seinen Shows, E-Street-Band-Gitarrero, Garagenband-Fan und Wicked-Cool-Records-Chef Steven Van Zandt wird’s wohl zu schätzen wissen…

2014 waren die Sonics als Headliner bei der US-Originalausgabe des Muddy Roots Festivals in Cookeville/Tennessee am Start, kurz darauf ist mit „This Is The Sonics“ das erste neue Album seit 35 Jahren erschienen. Der Song „Bad Betty“ ist bereits vorab als Split-Single zusammen mit einer Nummer der Seattle-Grunger von Mudhoney zum Record Store Day 2014 veröffentlicht worden.

Am 30. September wird der Dokumentar-Film „Boom“ über die Sonics beim Raindance Film Festival in London uraufgeführt: „For the first time ever, all five original members of the band tell the true story of how it all went down, beginning to end“.

Die Konzertagentur Hotellounge präsentiert die Deutschland- und Schweiz-Termine der Sonics:

THE SONICS – „This Is The Sonics“ 2018

11.10.Hamburg – Molotow
12.10.Bonn – Harmonie / WDR Rockpalast Crossroads
13.10.Aachen – Musikbunker
14.10.Frankfurt – Das Bett
16.10.Essen – Zeche Carl
17.10.München – Backstage
23.10.Zürich – Ziegel Oh Lac
25.10.Etagnières – Croc‘ The Rock Festival
27.10.Bern – Dachstock / Reitschulfest
28.10.Karlsruhe – Jubez

Santamuerte + Haikkonen @ Maj Musical Monday #85, Glockenbachwerkstatt, München, 2018-02-19

Die monatliche Reihe Maj Musical Monday für Postrock, Independent, Underground-Experiment und Multimedia-Präsentationen ging am Montagabend im Münchner Stadtteiltreff Glockenbachwerkstatt in die mittlerweile 11. Saison, allein dafür ein Hoch auf die Organisatoren Josip Pavlov, Chaspa Chaspo/Asmir Šabić und Co, für ihren ungebremsten Elan in Sachen Do-It-Yourself-Plattform für tonale und manchmal auch atonale Beschallung jenseits der ausgetretenen Mainstream-Pfade.

Für den Auftakt zur jüngsten Ausgabe der stets hochspannenden MMM-Serie engagierten die Veranstalter den ortsansässigen Musiker Sascha Saygin aka Haikkonen: Alleinunterhalter flutet den Raum via PC/Sequencer mit digitalen Samples und Loops und spielt dazu analoges Schlagzeug, das ist im Wesentlichen das Konzept des Münchners, und sowas kann im schlimmsten Fall schwer daneben gehen wie das Publikum in den Tiefschlaf langweilen, bei Haikkonen lösen sich derartige Bedenken noch nicht mal in Luft auf, weil sie erst gar nicht aufkommen wollen – der Musiker präsentierte einen explosiven Mix aus minimalistischen Elektro-Drones, Trance-artigen, repetitiven Schleifen und wummernden Synthetik-Beats aus der Dose, über den er im Live-Vortrag seinen wuchtigen Drum-Anschlag legte, ein treibender und druckvoller, beherzter wie technisch versierter Drive aus der Welt des Post-Hardcore, der das einnehmende Gesamtwerk zu einer eigenen musikalischen Sprache formte und damit den analog-digitalen Hybrid-Sound einer eindeutigen Kategorisierung entzog. Elemente des Industrial, des Techno und der EBM aus der Frühphase der Deutsch Amerikanischen Freundschaft fanden sich ebenso wie strammer Postpunk und Ausflüge hin zu progressiver Kraut- und Space-Electronica in der Rhythmus-dominierten Aufführung, die beim Publikum auf viel Gegenliebe und Mitzappeln stieß und dementsprechend vehementes Einfordern von Nachschlag zur Folge hatte. Keine Frage: Beim Sampeln und Trommeln alles richtig gemacht und das Publikum komfortabel mit auf die Reise genommen, die hiesige One-Man-Band mit dem finnischen Pseudonym.
(*****)

Aus den angenehmen mediterranen Temperaturen der apulischen Garage direkt hinein in den Frost des verschneiten bayerischen Winters, das zeugte von unerschütterlichem Idealismus und Brennen für die eigene Kunst, und verdiente damit höchsten Respekt: Das Trio Santamuerte aus dem süditalienischen Bari feierte als zweiter Act des launigen Abends neben der Wiedergeburt des voluminösen Zappa-Moustache die zahlreichen Spielarten des Trash-Rock’n’Roll, in klassischer Besetzung nahmen die Herren Panzo, Vido Pura Vida und J.J. Springfield vom Start weg keine Gefangenen, garnierten ihre selbstbetitelte Spielart der „Hawaiian Garage“ im oberen Tempo-Bereich mit schmissiger Direktheit, polternd-dröhnendem Bass, treibenden Drums, scheppernden Gitarren, leidenschaftlichen Gesängen und zitierten sich in einem wilden Ritt in psychedelischer Grundierung durch den Sixties-Surf-Sound, rumorenden Garagen-Rock, ungestümen Rhythm and Blues, Anlehnungen an das Frühwerk der britischen Heroen von den Pretty Things und den Who wie an das verzerrte Saiten-Anschlagen eines Link Wray oder den melodischen Jangle-Pop-Punk der Barracudas – ein unverstelltes Vergnügen für alle Freund_Innen des forsch zupackenden Rock-and-Roll-Undergrounds, dass den Spaß und das gefällige Mitwippen massiv förderte und das Verkopfte in der Musik ganz weit hinten anstellte. „Power-trio that combines the warm sounds of South America and the discomfort of noise rock“ kündigte sich das Gewerk der Italiener vollmundig an und hat ohne Abstriche Wort gehalten, in dieser Qualität darf das Jahr hinsichtlich dritter Montag im Monat in der „Glocke“ gerne so weitergehen.
(*****)

Die 86. Ausgabe des Maj Musical Monday widmet sich am 19. März in einem Special dem Augsburger Non-Profit-Experimental-Label Attenuation Circuit, und am 16. April wird John Dorr mit seiner Postrock-Band Stems im Rahmen der Veranstaltungsreihe in der Münchner Glockenbachwerkstatt zu Gast sein, man darf gespannt sein, Stems sind der britische Teil der französisch-englischen Kooperation The Chapel Of Exquises Ardents Pears, die hier bereits mit ihrer exzellenten Debüt-EP „TorqueMadra“ und ihrem letztjährigen Auftritt beim belgischen dunk!Festival zu Lobeshymnen hinrissen.

Reingehört (405): Des Demonas

Des Demonas – Des Demonas (2017, In The Red)

Kid Congo Powers ist Fan, warum auch nicht, macht man nix verkehrt mit. Die Des Demonas aus Washington DC huldigen auf ihrem Anfang Dezember veröffentlichten, selbstbetitelten Debüt-Wurf im Geiste der psychedelischen Sixties ordentlichst dem Fuzz-Gitarren-Garagen-Punk inklusive schwerem Georgel auf der Farfisa, im Vordergrund legt der in Kenia geborene schwarze Frontmann Jacky Cougar Abok nicht zu knapp drängend sein Herzblut in den Gesang zum Indie-Geschepper seiner Weißbrot-Combo. Zum Grundton der Drogen-verseuchten Sechziger-Jahre-Keyboards gesellen sich der Detroit-Sound aus der MC5-Ecke und die unverbrauchte Energie der darauf folgenden Punk-Eruptionen, Artverwandtes haben unter anderen bereits die französischen Vietnam Veterans in den Achtzigern fabriziert, letztlich egal, die kurzen und prägnanten Nummern der Des Demonas schrauben sich auch drei Dekaden später noch gut ins Ohr.
Der Grundton des Longplayers pendelt sich mit wenigen Ausnahmen im Uptempo-Bereich ein, Ausreißer wie das gespenstische „There Are No Vampires In Africa“ verfeinern das Grundrezept mittels dräuender Beschwörungs-Beschallung und facettenreicherem Sangesvortrag, der hier das vorherrschende Konzept des permanenten Wiederholens von Parolen-haften Textfetzen um ausgedehnteren Wortschatz und ein erzählendes Element erweitert.
Gitarrist Mark Cisneros hat sich seinen Lebensunterhalt in vergangenen Zeiten bei den Pink Monkey Birds verdient, daher wohl auch das explizite Kid-Congo-Fürsprechen. Vetternwirtschaft muss ja nicht immer was Verwerfliches sein, His Holiness The Allmighty FJS, Gottvater bis in alle Ewigkeit für die Doofbrindts dieser Welt, hat so einst ein ganzes Bundesland auf Vordermann gebracht… ;-))))
(**** ½ – *****)