Speed-Punk

Flipper feat. Mike Watt & David Yow + Analstahl @ Rote Sonne, München, 2019-08-22

Die kalifornische Punkrock-Legende Flipper ist dieser Tage zur Feier des 40-jährigen Gründungsjubiläums auf ausgedehnter Europa-Tour unterwegs, die rührigen wie stilsicheren Veranstalter der Holy Fingers nutzten die Gunst der Stunde und präsentierten den München-Gig der einflussreichen US-Noise-Pioniere aus San Francisco am vergangenen Donnerstagabend in der Roten Sonne. Das dem Anlass gebührend zahlreich erschienene Publikum im Innenstadt-Club am Maximiliansplatz durfte sich auf ein All-Star-Lineup des Quartetts freuen, die Band hat in den vergangenen Jahrzehnten mittlerweile etliche Wiedervereinigungen und personelle Fluktuation in der Historie verzeichnet.
Die Schar der Flipper-verehrenden Punk-, Noise- und Indie-Musiker ist unüberschaubar, alte Helden wie Henry Rollins, Melvins-Gitarrist Buzz Osborne oder Kurt Cobain beriefen sich seinerzeit auf die Underground-Formation als maßgebliche Einfluss-Geber, Produzenten-Koryphäe Rick Rubin legte beim dritten Album Hand an, Nirvana-Bassist Krist Novoselic war selbst für einige Jahre in den 2000ern in der Band engagiert.
Von der Urbesetzung sind Vietnam-Veteran Ted Falconi an der Gitarre und Drummer Steve DePace nach wie vor mit von der Partie, die zwischenzeitlich verstorbenen oder ausgeschiedenen Ex-Musikanten werden dieser Tage von zwei ausgewiesenen Giganten des Indie-Rock ersetzt, die der Combo in Sachen Kultstatus und Bedeutung für die nachkommenden Generationen in nichts nachstehen: zum einen der großartige Mike Watt am Bass, über die Aktivitäten und den unüberschaubaren Output des Mitbegründers der herausragenden SST-Bands Minutemen und fIREHOSE, des Musikers der zwischenzeitlich wiedervereinigten Stooges und in zahllosen eigenen wie anderen Band-Projekten engagierten „seminal Postpunk Bass Player“ könnte man mühelos eine eigene dicke Schwarte als Biografie schreiben. Damit an Alternative-Rock-Prominenz im Flipper-Tour-Tross nicht genug, den Lautsprecher gibt seit 2015 der bei den Noise-Bands The Jesus Lizard, Scratch Acid und Qui hochgeschätzte Sänger David Yow, und der ging als ausgewiesen offensiver Bühnenperformer mit Beginn der Show sofort und unvermittelt in die Vollen. Während sich die drei Mitmusiker dezent im Hintergrund hielten und den urtypischen, sich im Midtempo gründlich ins Hirn bohrenden, schwermetalligen Flipper-Sound in den Raum fluteten – Gitarrist Falconi in sein Spiel versunken mit mäandernden, fräsenden, kaum einer gängigen Struktur folgenden Riffs, Steve DePace mit schnökellosem, treibendem Beat und Meister-Basser Watt mit seinem ureigenen, virtuos wummernden Saitenanschlag, der im Wesentlichen die Richtung vorgibt und den vor Lärm berstenden Laden zusammenhält – nimmt der Berserker Yow vom Start weg das Publikum mit in die Pflicht: spontanes Punkrock-Mitmach-Theater par excellence. Den eigenen Beitrag weit mehr als radikalen Fronteinsatz interpretierend denn als konventionellen Sangesvortrag, schmeißt sich der Krakeeler permanent in die ersten Reihen des Publikums, gestützt und kopfüber bis in die hinteren Ränge durch das Auditorium getragen von den Fans, innigst umarmt von den Verehrerinnen, im Gesang begleitet von der Text-sicheren Meute und beim Herunterhängen von den Deckenrohren abgesichert von helfenden Händen kennt Yow keine Distanz zur Zuhörerschaft, mehr Kunden-Zugewandtheit geht nicht in unkontrollierter Offensive, dabei die Grenze zur körperlichen Aggression durch einen Hauch von Altersmilde nie überschreitend. Der bereits des Öfteren zu unterschiedlichsten konzertanten Gelegenheiten in Spontan-Aktionen involvierte und bewährte Part-Time-Roadie Anton darf bei der deutschen Übersetzung der wegwerfenden Phrase „Who Cares?“ den Einflüsterer für den Frontmann geben und bekommt dafür über sein dargereichtes Smartphone ein individuelles Live-Video von Yow persönlich gefilmt, der Flipper-Vorturner steht in Sachen Spontanität in nichts nach, selbst seine Texte brüllt er kurzerhand ohne technische Verstärkung ins Rund, nachdem das Mikro kurzfristig den Dienst versagt und nicht sofort Ersatz bei der Hand ist. Zum Abgesang in „Sex Bomb“, dem letzten Titel des Abends, reicht er das Arbeitsgerät den Fans, die Pogo-Rempler dürfen den Song selbst zu Ende brüllen. Wo bei den Langhaarigen der Joint kreist, gibt das Punk-Volk das Gesangs-Mikrofon zur gemeinsamen Schrei-Therapie an die Nachbarschaft weiter, auch schön.
Flipper untermauern mit ihrem intensiven wie im wahrsten Sinne des Wortes überwältigenden München-Auftritt, zu dem die Band im Großteil das Material des Debüt-Klassikers „Album – Generic Flipper“ präsentierte, dass Punkrock in dieser offensiven und schonungslosen Gangart noch längst nicht tot ist und auch zu keiner angemessenen Zeit ins Bett geht, wie ein berühmter Sticker mit den Konterfeis der Herren Rollins und MacKaye weismachen will, wenn auch die Ur-Protagonisten (wie die auch nur eine Dekade älteren, verhassten Woodstock-Hippies ;-))) längst in die Jahre gekommen sind – solange einer wie David Yow dergestalt das Rheuma ignoriert, den Springteufel aus dem Sack lässt und die Band im Rücken dazu ihre beinharten Massiv-Attacken fährt, muss einem um den Unterhaltungswert des Genres nicht bange sein.
Die Mädels und Jungs von Holy Fingers dürfen sich gegenseitig auf die Schultern klopfen: im Sommerloch-Monat August mit der Flipper-Verpflichtung in Sachen exzellentes Live-Entertainment, maximale Publikums-Bespaßung und volle Hütte alles richtig gemacht, Hats off !

Zur Eröffnung des Abends präsentierten die Veranstalter einen ins Konzept passenden Ausflug in die Münchner Punk-Historie, die hiesige Formation Analstahl hat im lärmenden Gewerk auch schon etliche Jahrzehnte auf dem Buckel. Seit Losrennen in den Neunzigern hat sich am Sound der Combo um den omnipräsenten Gutfeeling-Labelchef Andreas Staebler aka G.Rag (aka hier: Analstübner) nicht viel geändert: Speed-, Hardcore-, Surf- und sonstiger ultraflotter Hauruck-Punk mit heftigem Anschlag, kreischendem Gitarren-Lärm und simplen Parolen zwischen banal und bemüht, links und lustig, in der lyrischen Ausgestaltung oft gefährlich nahe an plattem Schülerband-Niveau vorbeigeschrammt, aber das mag im Zweifel zwecks DIY-Punk-Ethos, eh-schon-alles-wurscht-Habitus und „Anders kapieren’s die Deppen sowieso nicht“ genau so gewollt sein. Nummern wie „Rackete statt Raketen“ als Statement pro Seenot-Retterin Carola Rackete zeigen exemplarisch den klaffenden Graben zwischen gut gemeint und gut gemacht, egal, es fanden sich auch etliche schmissige Pogo-Gassenhauer im Repertoire, und spätestens bei der Zugabe „Diane“ war alles wieder gut, für einige Minuten gar sehr super, die Analstahl-Version der schaurigen Mord-Geschichte im Punkrock-Stil nahm den Schwung des dissonant Verzerrten in der Gitarre und den energischen Hardcore-Drive des Grant-Hart-Originals mit auf die Reise und trieb den altgedienten Hüsker-Dü-Verehrern in verklärter Erinnerung die ein oder andere Träne der Rührung in die Augenwinkel. Wie schon auf dem Album „If’n“ von Mike Watt’s fIREHOSE in den Thanks-Credits zu lesen war: „of course the Huskers (cover models)“, und damit schließt sich der Kreis im Pogo-Moshpit.

Die nächste Veranstaltung der Holy Fingers findet am 23. September im Münchner Import/Export statt: Im Kreativquartier an der Dachauer Straße tritt dann ab 20.00 Uhr der äthiopische Jazz/Funk/Worldbeat-Musiker und Multiinstrumentalist Hailu Mergia mit seiner Band auf.

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Oozing Wound + Ghold @ Kafe Kult, München, 2019-04-13

Ordentliche Breitseite für die Freunde der härteren Beschallung am vergangenen Samstag-Abend im Münchner Kafe Kult: Zu vorgerückter Stunde wartete die ehemalige Kulturstation Oberföhring im Doppelpack mit zwei ausgewiesenen Vertretern des Metal-Underground auf. Die erste Halbzeit bestürmte die Band Ghold aus dem Londoner Stadtteil Brixton mit ihrer Interpretation zur musikalischen Untermalung des Weltuntergangs. Ursprünglich als Duo von Bassist Alex Wilson und Drummer Paul Antony gegründet und mit Alben wie der 2015er-Veröffentlichung „Of Ruin“ mit wuchtigen Sound-Monolithen im experimentellen Doom- und Postmetal-Bereich fern jeglicher griffigen Formate unterwegs, sind Ghold mit Gitarrist Oliver Martin mittlerweile zum Trio angewachsen und zelebrieren ihre schwere Kost auf aktuelleren Tonträgern wie im konzertanten Vortrag im halbwegs konventionellen Song-Format.
Die Band entfaltete einen hypnotischen Sog mit ihrem harten, zähen Sludge-, Doom- und Progressive-Mahlstrom im Mid- und Down-Tempo, eine gründlich arbeitende Knochenmühle aus vereintem Bass- und Gitarren-Dröhnen, durchzogen von mitschwingenden, finsteren Dissonanzen, unterschwellig lärmenden Feedbacks und der unnachgiebigen Wucht der Trommel. Da mochte das Abtauchen in die Ur-Suppe des Doom von Black Sabbath und das Einreihen in die repetitiven Slow-Motion-Schleifen aus der Sludge-Schule der Melvins mitschwingen, doch in die Plagiatsfalle gehen Ghold damit nicht, das experimentelle Metal-Crossover entwickelte durch massive psychedelische Prog- und Drone-Beigaben ein individuelles, finster dräuendes Sprachengewirr, aus dem sich unvermittelt zuweilen selbst Stimmen aus vertrautem Desert-Blues und Krautrock-Trance vernehmen ließen. Die schwärende, zäh fließende Noise-Schinderei schwang sich mittels mehrstimmigem, vereintem Gesang bisweilen gar zu erhebender Hymnik auf, nur um im nächsten Moment wieder im finster brodelnden, schwarzen Loch zu versinken, in einem Chaos an drückender, mentaler Schwermut und lärmender, irrlichternder Raserei.
Ghold zwingen mit ihrem dräuenden wie bebenden Sound zur inneren Einkehr und geben vor allem ein exzellentes Beispiel dafür, dass im Metal das hochspannende Experiment seinen Platz gefunden hat und damit zwar keine bunten, immerhin aber dunkel schimmernde bis tiefschwarze Landschaften zum Blühen bringt.

Die zweite Stunde der Gehörgänge-malträtierenden Veranstaltung gehörte Oozing Wound mit ihrer Trash-Variante des Krach-Musizierens. Die Band aus Chicago war zur Promotion ihres jüngst erschienenen Albums „High Anxiety“ für etliche Veranstaltungen im alten Europa unterwegs, der Gig im Kafe Kult sollte der letzte Termin vor der Rückreise ins heimische Illinois sein – eine überaus passender Tour-Abschluss in der Oberföhringer Lokalität, die wie Oozing Wound selbst auf der anderen Seite des großen Teichs der selbstverwalteten linken DIY-Szene im Punk-, Metal- und Underground-Umfeld entstammt.
In ihrem Trash-Gepolter, im typischen, Tempo-befeuerten Rumpeln in die vorderste Frontlinie, macht sich die Band schwarzhumorig über die Auswüchse und Selbstzerstörung-Tendenzen der modernen Welt lustig, glaubt man den kolportierten Pressetexten und der Erinnerung an das Songmaterial der diversen Alben – in den vorgetragenen Lyrics am Samstag-Abend war davon kaum bis nichts an Inhalten im lärmenden Gemenge vernehmbar. Wo in der Studioaufnahme die Abmisch-Technik noch ein gedämpftes Element und ein grollendes Fauchen im aggressiven Gesangsvortrag von Gitarrist Zack Weil mitschwingen lässt, brechen auf der Bühne bei ihm alle Dämme in Richtung hysterisches Kreischen – die sickernde Wunde des Bandnamens sifft und eitert scheint’s nicht nur munter vor sich hin, sie dürfte auch gehörig schmerzen, wie die strapazierten Nerven der Zuhörerschaft nach einer erduldeten Weile dieses überdrehten Geschreis.
Zum Speed-Punk-verwandten Marodieren im Überschall-Stakkato und zur exzessiv ausgelebten Schrei-Therapie genehmigte sich die Band wie dem Publikum bisweilen Tempo-reduzierte, psychedelische Doom-Drones als Auszeit zum Sammeln und Innehalten. Zwischen den Stücken wartete das Trio mit ausgedehnten, atonalen Experimental-Noise-Interludien auf, jeglicher Struktur beraubt, irgendwo zwischen Industrial-Ausgeburt, minimalistischem weißen Rauschen und allen denkbaren Rückkopplungen und Feedback-Wallungen dazwischen. Wobei nicht offensichtlich war, ob das von Bassist Kevin Cribbin, der zu diesen Gelegenheiten Chef im Ring war, tatsächlich so angedacht war, der Mann mit dem schwer dröhnenden Saiten-Anschlag und der imposanten Sammlung an Pedal-Effektgeräten hatte eingangs erkennbar Schwierigkeiten mit einer störrischen Technik, mag sein, dass das ein oder andere experimentelle Pfeifen und Brummen weit mehr den Tücken des Equipments als dem Klang-forschenden Genius geschuldet war.
Oozing Wound präsentieren im Konzert eine noch weitaus rohere, Trash-Tempo-gesteigerte Version ihrer brachialen Tonträger-Konserven, das Publikum nickte dazu anerkennend mit und war dezent enttäuscht, dass nichts mehr an Zugabe zu diesem imposanten Rundumschlag rauszuholen war.

Reingehört (378): Hüsker Dü

„On many levels Hüsker Dü never let anyone catch their breath. The band’s songs were unbroken walls of speed and noise; in concert they played number after number without any breaks in between; they recorded new albums just as the previous one was coming out. The band was in a headlong rush toward a lofty peak, and it was hard not to get swept up in the quest.“
Michael Azerrad, Our Band Could Be Your Life, Scenes From The American Indie Underground 1981 – 1991, Chapter 5, Hüsker Dü)

Hüsker Dü – Savage Young Dü (2017, Numero Group)

Das verfrühte Weihnachts-Paket für alle Hüsker-Dü-Fans oder „Ground Zero“ einer der vermutlich weltbesten, begnadetsten, wegweisendsten Combos ever – die verpönten Achtziger haben sie hinsichtlich Beschallung in jedem Fall maßgebend mitgerettet: 69 ordentlichst restaurierte Songs aus dem Band-Fundus aus der Frühphase der 80er-Indie-/Hardcore-Heroen ab den ersten Auftritten Ende der Siebziger im heimatlichen Minneapolis, jugendliche Verzweiflung und Wut in 69 Überschall-Miniaturen gegossen, der weitaus größte Teil der Titel bis dato unveröffentlicht, inklusive einem neuen Mix der ersten Studio-LP „Everything Falls Apart“, alternativen und bei Weitem besser klingenden Konzert-Mitschnitten zur Setlist des Live-Debüts „Land Speed Record“, zahlreichen weiteren Proberaum-, Session- und Konzert-Aufnahmen, einer Coverversion des Ramones-/Richard-Hell-Klassikers „Chinese Rocks“ und mit „Don’t Have A Life“, „M.T.C.“ und „Let’s Go Die“ die wenigen Kompositionen von Bassist und Kaiser-Wilhelm-Bartträger Greg Norton, der nach dem Band-Split 1988 und einem weiteren kurzen Engagement bei der weithin unbekannten Combo Grey Area für viele Jahre auf Musik überhaupt keine Lust mehr hatte und stattdessen zusammen mit seiner Frau erfolgreich ein Speise-Restaurant betrieb. Für geschätzte 99% des Hüsker-Dü-Songwritings zeichneten Gitarrist/Sänger Bob Mould und Drummer/Sänger Grant Hart in paritätischer Manier verantwortlich, bei den Hardcore-Lennon-McCartney-Tondichtungen rückte der melodischere Indie-/Byrds-Folk-/Noise-Pop-Ansatz Harts mit den Jahren immer mehr in den Vordergrund, für Hüsker-Novizen sei zum Einstieg das letzte SST-Album „Flip Your Wig“ (1985) oder das Warner-Debüt „Candy Apple Grey“ aus dem folgenden Jahr empfohlen, bei entsprechend offenen Ohren wird die Sucht sowieso schnell nach mehr Stoff verlangen, das Material der hier besprochenen Sammlung ist für’s Erste weit mehr tauglich für die beinharten, altgedienten Hüsker-Junkies, die ansonsten eh schon alles von der Band und den nachfolgenden Solo-Alben der Musiker im Schrank stehen haben.
Die in späteren Jahren zur Formvollendung entwickelte, geniale Mixtur aus Speed-Punk, Psychedelic, übersteuertem Indie-Rock und einer überwältigenden, wunderschönen, Erfurchts-gebietenden Pop-Melodien-Vielfalt zwischen Folk-Rock und Best-Of-Beatles lässt sich immerhin in der in Kleinstauflage veröffentlichten 1982er-Single „In A Free Land“ oder dem frühen Band-Klassiker „Diane“ erahnen, die allermeisten Werke sind wie nicht anders zu erwarten im gehetzten Uptempo-US-Hardcore in der Gangart der ersten offiziellen Aufnahmen des Trios ab 1982 gestrickt, nach dem in den Achtzigern und bis heute herausragenden Songwriting von Perlen aus der späteren SST-Phase oder den finalen Warner-Alben sucht man hier weitestgehend vergeblich, Freunden des Ami-Speedcore wird dieser Umstand herzlich egal sein.
Greg Norton ist seit einiger Zeit wieder in der Indie-Szene aktiv, 2016 ist er als Bassist bei der Combo Porcupine eingestiegen. Bob Mould war nach dem Hüsker-Dü-Split einige Jahre beim Major-Label Virgin Records unter Vertrag, wo er 1989 sein Solo-Debüt „Workbook“ veröffentlichte, seither hat er unter eigenem Namen und mit dem Trio Sugar eine ganze Ladung an hörenswerten Alben auf den Markt gebracht, zuletzt „Patch The Sky“ im vergangenen Jahr. Zusammen mit dem Autoren und Musik-Journalisten Michael Azerrad hat Mould 2011 seine lesenswerte Biografie „See a Little Light“ publiziert.
Grant Hart hat nach Auflösung der Stammband exzellente Solo-Alben wie „Intolerance“, „Hot Wax“ oder „The Argument“ und Arbeiten mit seiner Band Nova Mob veröffentlicht, die vom Indie-Publikum sträflichst vernachlässigt wurden. Im vergangenen September ist er viel zu früh auf die letzte Reise gegangen.
Der Monolith „Savage Young Dü“ kommt als 3-CD-/4-LP-Box am 10. November, mit beigelegtem Buch über die Band-Historie, mit unveröffentlichten Fotos, „Flyerography“ & „Sessionography“. Ein Teil des Weihnachtsgeldes ist somit schon verplant, alles andere makes no sense at all
(*****)

Reingehört (336): Mere Women, Feral Ohms

Mere Woman – Big Skies (2017, Poison City Records)

Drei Ladies plus Quoten-Kerl aus Sydney spielen auf ihrem vierten Volle-Länge-Tonträger bewährten Postpunk für die Siouxie- und Joy-Division-Veteranen, nix grundlegend Neues, aber auch nix Verwerfliches. Old School für die Schwarzgewandeten: die bewährten, kalten Alarmsirenen-Gitarren im schweren Anschlag gepaart mit wuchtig-dumpfen Bässen, garniert mit emotional zwischen Euphorie und Verzweiflung liegenden Sirenengesängen. Manisch-depressive Vokalkunst und atmosphärisches Wave-Geschrammel im Geiste der Endsiebziger. Wer sich mal wieder gepflegt im Entfremdungs- und Endzeit-Weltschmerz suhlen oder einfach nur der unterkühlten Großstadt-Romantik vergangener Zeiten gedenken mag: bitteschön, Mere Women liefern den passenden Soundtrack.
(****)

Feral Ohms – Feral Ohms (2017, Silver Current)

San-Francisco-Bay-Area-Trio mit herrlich krachigem Einstand – das Debütalbum der Feral Ohms hat alles, was eine schmissige Rock-and-Roll-Scheibe ausmacht: Energisches, verzweifelt die Wut herausrotzendes Geplärr am Mikro, schnelle, jaulende, schneidende Gitarren, die gerne und oft den Gang ins Feedback und in Fuzz-artige Verzerrung antreten, und eine druckvolle Rhythmusarbeit, die diesen knapp halbstündigen Headbanging-Mitzappel-Intensiv-Trip strukturell zusammenhält. Stooges-Durchgeknalltheit, Siebziger-Ami-Punk, Garagenschmutz und das roh-unverstellt Lärmende der frühen Grunge-Jahre, überbordend und ungehobelt, auch hier selbstredend kein Neuerfinden der Welt, aber wenn’s mit derartiger Inbrunst und spielfreudigem Speed aus den Boxen tobt, ist es allemal ein gefälliges Zuprosten und Abnicken wert. Basser Ethan Miller ist unter anderem auch beim SF-Psychedelic-Outfit Heron Oblivion zugange, da geht die Beschallung bekanntlich weitaus entschleunigter über die Bühne…
(**** ½)