Spitzenprodukte der Popularmusik

Spitzenprodukte der Popularmusik (10): Alex Chilton – Like Flies On Sherbert

Moments later a man entered the dressing room and asked if he could borrow a guitar. „BORROW A GUITAR???!!! WELL, WHO THE FUCK ARE YOU???!!!“ Haynes screamed, eyes flashing in delirious anticipation of forthcoming violence.
But the man was totally unfazed.
„I’m Alex Chilton“, the man answered calmly.
Haynes was flabbergasted. After a long pause, he methodically opened the remaining guitar cases one by one and gestured at them as if to say, „Take anything you want.“
(Michael Azerrad, Our Band Could Be Your Life, Butthole Surfers)

Alex Chilton – Like Flies On Sherbert (1980, Aura Records)

The great, unparalleled LX Chilton: Die Replacements haben ihm mit „Alex Chilton“ auf dem von seinem Spezi James Luther Dickinson produzierten Band-Meilenstein „Pleased To Meet Me“ (1987, Sire) ein musikalisches Denkmal gesetzt, mit den Box Tops und dem von ihm im Alter von 16 Jahren gesungenen „The Letter“ hatte er 1967 in den USA und in Kanada einen Nummer-Eins-Hit, der ihm dank der fälligen Tantiemen bis weit in die Siebziger Drinks und Drogen finanzierte, mit der Band Big Star spielte er ab 1972 eine Handvoll Alben ein, über die sich die Pop-Welt bis heute nicht einig ist, ob es sich bei dem Material um rückwärts gewandtes Byrds-, Beatles- und Stones-Gedudel handelt oder um für den Alternative- und Indie-Rock späterer Dekaden richtungsweisenden Stoff, Bands wie die Bangles, die die Big-Star-Nummer „September Gurls“ in ihrer Interpretation bekannt machten, R.E.M., Teenage Fanclub oder die Posies (die mit Ken Stringfellow und Jon Auer zusammen mit Chilton an der Band-Reaktivierung 1993 maßgeblich beteiligt waren), tendieren eindeutig zu letzterer Lesart.
Ab den späten Siebzigern beschäftigte sich Chilton mit Soloaufnahmen, bereits sein 1979 veröffentlichtes Debütalbum erweist sich als Pop-historischer Volltreffer.

„Mein Gott, das klebt ja! Wie Fliegen auf Sorbet.“
(Tav Falco)

1978 und 1979 nimmt Alex Chilton in seiner Geburtsstadt Memphis/Tennessee bei Sam Phillips und in den Ardent Studios zusammen mit Co-Produzent James Luther Dickinson sein LoFi-Meisterwerk „Like Flies On Sherbert“ auf, das Album bezeichnet der Pop-Theoretiker Diedrich Diederichsen im Indie-Magazin Spex im Rahmen eines Chilton-Interviews Ende der Achtziger als eine der zehn besten Platten aller Zeiten. Eine Einschätzung, die von Kritikern bei Erscheinen des Werks größtenteils nicht geteilt wird, viele monieren vor allem den Amateur-haften Sound und das vermeintlich schlechte Abmischen der Stücke, was indes den Charme der Aufnahmen im Wesentlichen ausmacht.
Das von einer gespenstischen, verhallten Grundstimmung und einer gehörigen Prise schlampigem Garagen-Psycho-Geschrammel getragene Album eröffnet mit „Boogie Shoes“, einer trashigen, von wildem Piano-Gehacke geprägte Boogie-Bluesnummer, es folgt „My Rival“ mit Spielereien am Anfang von Dickinson mit der Bandgeschwindigkeit, der Trash-Faktor nimmt in diesem Rock-Stampfer im weiteren Verlauf zu und franst gegen Ende hinsichtlich überdrehtem Gitarren-Gefrickel völlig aus.
„Hey! Little Child“ stampft als Kleine-Mädels-Anmachnummer munter weiter, das Stück wurde später von Rowland S. Howard und weiteren Crime-And-The-City-Solution-Abtrünnigen auf dem These-Immortal-Souls-Debütalbum „Get Lost (Don’t Lie)“ gecovert, Jutta Koether hat den Titel in der Spex einmal – neben „Good Morning Little Schoolgirl“ – als einen der Top-Päderastensongs der Rockgeschichte schlechthin bezeichnet.

„Hook Or Crook“ bietet verhallten Psychedelic-Garagen-Rock, der sich im Stil von Sky Saxon und Roky Erickson an eine diffuse Desert-Blues-Ästhetik anlehnt, die Roy-Orbison-Nummer „I’ve Had It“ bringt Chilton als Rock’n’Roll-Bastard zum Mitwippen und -Summen, mit intensivem Gitarren- und Piano-Gehacke und einem abrupten Ende.
Bei „Rock Hard“ mischt sich das Trash-Gepolter mit einer gehörigen Prise Glam, die schmissige, sorglose Gary-Shelton-Komposition „Girl After Girl“ zelebrieren Chilton und Dickinson im Stil der großen, wilden Rock’n’Roll-Hochstapler der Fünfziger Jahre, „Waltz Across Texas“, im Original von Country-Pionier Ernest Tubb, ist eine – man ahnt es bereits am Titel – Country-Walzer-Landpartie mit verhallten Gitarren, billigen Mandolinen und leicht angetrunkenem Gesang, die sich im Abgang hinsichtlich Tempo, Mitschunkel-Faktor und durchgeknallter Sangeskunst noch steigert, der Cajun-Klassiker „Alligator Man“ kommt als bester Proto-Cowpunk/Southern-Gothic-Swampblues, im finalen Titelstück ziehen Chilton und Co alle Register in Richtung einer schrägen Mixtur aus Experiment-Country, Trash-Boogie, Glam-Rock im Stil von Roxy Music, Velvet Underground und experimentellen Minimoog-Pfeifgeräuschen, der Text enthält eine kurze deutsche Passage.
Die B-Seite der „Hey! Little Child“-Single, „No More The Moon Shines On Lorena“, hat es nicht auf das Aura-Records-Release des Meilensteins geschafft, der Country-Klassiker aus der Feder von Carter-Family-Gründer A.P. findet sich auf diversen CD-Wiederveröffentlichungen als Bonustrack sowie auf der 500er-Erstauflage des kleinen US-Labels Peabody.

„Like Flies On Sherbert“ is a ghastly despatch from the terminal zone, definitely weird, a deranged masterpiece.
(Allen Jones)

Ende Mai 1980 fliegt Chilton mit einem Pyjama-Oberteil bekleidet, ohne Geld und Gepäck nach London-Gatwick für einige gebuchte Gigs in der britischen Hauptstadt, die Behörden lassen ihn erst ins Land, nachdem Aura-Labelchef Aaron Sixx für ihn bürgt und persönlich dafür haftet, dass der amerikanische Musiker das Land nach den Konzerten umgehend wieder verlassen wird. Alex Chilton bestritt seine London-Konzerte mit einer zusammengeschusterten Band, mit der er zuvor noch nie gespielt hatte, Knox von den Vibrators sowie Matthew Seligman und Morris Windsor von der Robyn-Hitchcock-Combo The Soft Boys erweisen sich als relativ sattelfest hinsichtlich Box-Tops-, Big-Star- und Chilton-Solo-Material, am 28. Mai spielt das Quartett im Londoner Dingwalls das Album „Live In London“ ein, das Repertoire besteht aus etlichen „Like Flies On Sherbert“-Nummern, „Bangkok“, Chiltons Reminiszenz an den Punk jener Jahre, seinem Sixties-Hit „The Letter“, alten Big-Star-Nummern und dem Blues-Klassiker „Train Kept A-Rollin'“, ein für diese Umstände sehr passabler Konzertmitschnitt, immer vorausgesetzt, man steht auf diese Chilton-typische Schräglage.

Anfang der Achtziger produziert der Kult-Musiker den Trash-Garagen-Blues-Debüt-Meilenstein „Behind The Magnolia Curtain“ seines Kumpels Tav Falco und dessen Combo Panther Burns, Falco gab „Like Flies On Sherbert“ seinerzeit den Album-Titel, bereits ab 1979 betreut Alex Chilton die Aufnahmen der ersten beiden Cramps-Scheiben, auf die Psychobilly-Garagen-Trash-Legende um die unvergleichlichen Lux Interior und Poison Ivy wird er zufällig im New Yorker East-Village-Club CBGBs aufmerksam, die Legende will wissen, dass er ursprünglich nicht zwecks der Live-Acts dort war, sondern wegen der Freidrinks, die er am Tresen als verehrter Held der Punk-Generation wegpicheln darf.
Vom damaligen Cramps-Label I.R.S. sieht Alex Chilton keinen Cent für seine Produzententätigkeit, genauso wenig wie für die Veröffentlichung seiner „Singer Not The Song“-EP beim deutschen Line-Label, die Produzent Jon Tiven ohne sein Wissen autorisierte, über den I.R.S.-Chef und Police-Drummer-Bruder Miles Copeland und Tiven sagt Chilton später in einem Interview: „Das sind von allen Schweinen, die ich kennengelernt habe, die beiden, die ich gerne langsam zu Tode foltern lassen würde“.
In späteren Jahren plagt sich Alex Chilton weiter mit Plattenfirmen, Alkohol und anderen Substanzen, erreicht in Indie-Kreisen unangefochtenen Kultstar-Status, bespielt auch in unseren Breitengraden charmant-beseelte, mitunter schwer Blues-lastige Konzerte und bringt mit Werken wie „Bach’s Bottom“, „High Priest“, „A Man Called Destruction“, der „Black List“– und der „No Sex“-EP sporadisch hochanständige Alben mit seiner charakteristischen Spielart von R&B, Trash-Blues, Soul-Jazz, Surf-Rock und Alternative Country heraus, zusammen mit Suicide-Sänger Alan Vega und dem Songwriter Ben Vaughn produziert er 1997 mit „Cubist Blues“ ein weiteres Meisterwerk im Spannungsfeld zwischen Garagen-Blues-Trash und frei fließendem, minimalistischem Avantgarde-Rockabilly-Punk-Irrsinn. Der bayerische Pop-Journalist Karl Bruckmaier zählt das Werk in seinem lesenswerten Schmöker „Soundcheck“ zu seinen 101 wichtigsten Platten der Popgeschichte.

Alex Chilton ist im März 2010 in New Orleans an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Er wurde 59 Jahre alt. In den Wochen vor seiner tödlichen Herzattacke klagte der Musiker über wiederholte Atemnot, er konnte sich aber wegen fehlender Krankenversicherung keine ärztlichen Untersuchungen leisten.

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Spitzenprodukte der Popularmusik (9): Der Scheitel

KULTURFORUM Attwenger @ Herzkasperlzelt, Oktoberfest München, 2014-09-21 www.gerhardemmerkunst.wordpress.com (21)

“Diese Band ist nicht respektlos sondern gnadenlos… Eine Beschwörung der radikalen Traurigkeit im Schlager.”
(Die Presse, Wien)

“Links und rechts sind die Haare, aber der Scheitel selbst ist nichts. Eine Demarkationslinie zwischen Kläglichkeit und dem Erhabenen, dem Pathos.”
(Fritz Ostermayer)

Der Scheitel – …in einem Haus das Liebe heißt (1994, Guardian Angel)

Guter Vorsatz für’s neue Jahr: Wiederbelebung dieser Reihe zur Vorstellung popularmusikalischer Glanzleistungen, die Schätze längst vergangener Zeiten kommen im hektischen Alltags-Betrieb mit permanent reindrückender, frischer Ware oft viel zu kurz.

Im Jahr 1994 haben sich Geistesmenschen wie der begnadete österreichische Musik-Journalist und Radio-DJ Fritz Ostermayer, sein Journalisten-Spezi Christian Schachinger, der Wiener Künstler Michael Krupica oder der auch heute noch bei den Buben im Pelz und zwischenzeitlich bei der Combo Neigungsgruppe Sex, Gewalt und Gute Laune aktive Christian Fuchs zum einmalig auf Tonträger dokumentierten Projekt Der Scheitel zusammengetan, um unter Mithilfe namhafter Gaststars eine einzigartige Songsammlung aus Traditionals, gut abgehangenen Schlagern und ausgewählten Preziosen aus der weiten Welt der Pop-Musik im Geiste von Trash-Kitsch, Freddy Quinn, Johnny Cash und dem unvergleichlichen Helmut Qualtinger unters Volk zu bringen.
Es gibt Musiker, deren Kunst ist einfach Abgrund-tief schlecht, Stichwort/Beispiele George oder Jackson Michael, da ist kein Platz für Komplizen-haftes Augenzwinkern, keine satirisch-ironisch angedachte Fußnote, kein „Das ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist“, einfach nur synthetischer Sondermüll, und es gibt auf der anderen Seite jene Musiker, die haben im Vortrag des Banalen, des Billigen, des Schlager-haften diesen aus dem Erreichen des Bodensatzes mitgenommenen Aufschwung – der ab dem durchwanderten Tiefpunkt nur noch steil nach oben zeigt – implizit in ihrer Interpretation verankert, eben jenes Geniale im an sich Befremdlichen, Abgeschmackten, Sentimental-Geschmacklosen, und in genau diese Kategorie fallen die fünfzehn Interpretationsansätze auf „…in einem Haus das Liebe heißt“, die Scheitel-Band covert sich in einer unnachahmlichen Mixtur aus rumpelndem Schlager-Kitsch, Alternative-Country-Schräglage inklusive maximal ausgereiztem Pedal-Steel-Schmelz, Tanzcombo-Hammondorgel-Beschallung, latent angesoffenem Bierzelt-Combo-Gepolter und einer gehörigen Portion Wiener Schmäh durch Schlager-/Traditional-Allgemeingut wie „Carrickfergus“, dem Roy-Black-Schmachtfetzen „Wahnsinn“ oder „Follow Me“ mit der Münchner Künstlerin und F.S.K.-Musikerin Michaela Melián in einer Gastrolle als Amanda Lear. In der Udo-Jürgens-Glanznummer „Es war ein Sommertraum“ kommt Tav Falco als Special Guest am Gesang zu seinem großen Auftritt (nicht der naheliegende Hansi-Hölzel-Falco, sondern tatsächlich Granate Gustavo, der zusammen mit seiner Combo Panther Burns 1982 mit „Behind the Magnolia Curtain“ seinen großen Trash-Blues-Moment hatte und der mit „Like Flies On Sherbert“ Alex Chilton’s Genre-Meisterwerk den Titel gab, im Übrigen auch ein paar Kandidaten für diese Rubrik).
„The Hate Inside“ vom australischen Beasts-Of-Bourbon-Meisterwerk „Sour Mash“ (1988, Red Eye Records) wird mit „Da Hoß in mia“ eingewienert, eine Steigerung hinsichtlich fatalistisch herausgerotztem Nihilismus in der Textzeile „Wenn da Hoß in mia moi aussekummt, dann gehst in Oasch, du gschissene Wööd“ ist schwer denkbar, weitaus mehr positiv besetzter Humor macht sich in der lässig-schrägen Country-Interpretation der Bowie-Nummer „Helden“ breit, und die Attwenger-Ballade „Summa“ bleibt auch in der Scheitel-Bearbeitung eine ergreifende Angelegenheit mit viel Akkordeon und Schmalz, die Musikanten Hans-Peter Falkner und Markus Binder von dene Attwenger revanchieren und bedanken sich postwendend durch Beitrag zum Traditional „Mariana“.
„Selten war traurig so lustig“ hat mal ein schlauer Mensch über die Musik der Dad Horse Experience verlautbaren lassen, für das erste und einzige Scheitel-Album trifft diese Einschätzung nicht minder zu. Alle, die früher regelmäßig die Ö3-Musicbox gehört haben, heute noch bei „Willkommen Österreich“ von Stermann & Grissemann vor der Glotze hängenbleiben, den „Herrn Karl“ auswendig runterbeten können, den deutschen Schlager der fünfziger bis siebziger Jahre in ihrer wahren Pracht erkennen oder einfach nur einen Funken Zuneigung für den abseitig-morbiden Humor der notorisch schlecht gelaunten Hälfte der Bevölkerung der schönen Stadt Wien haben, sollten mindestens einmal im Leben dem Scheitel ihr Gehör leihen, eh klar.
Das lange vergriffene Wunderwerk ist dankenswerterweise 2007 beim Münchner Trikont-Label wiederveröffentlicht worden, ein Hoch auf die Giesinger Independent-Bastion des guten Musikgeschmacks.
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Spitzenprodukte der Popularmusik (8)

Motor Boys Motor – Motor Boys Motor (1982, Albion Records)
Der geniale Experimental-Blueser und Zappa-Spezi Don Van Vliet aka Captain Beefheart hat zusammen mit seiner Magic Band einige der wichtigsten Platten in der Historie der Rockmusik eingespielt, im Gegensatz zu seinen oft mit dem Werk von Franz Kline verglichenen Gemälden spülte sein avantgardistischer Bluesrock-Ansatz nicht das große Geld in die Kassen, der Einfluss seiner Musik war/ist indes nicht zu unterschätzen, und so reichte er in den frühen achtziger Jahren unter anderem vom fernen Kalifornien ins United Kingdom nach London.
Die englische Pubrock-/Hardblues-Band Motor Boys Motor nahm den Stab auf, kurioserweise im selben Jahr, in dem der Captain mit dem exzellenten Tonträger ‚Ice Cream For Crow‘ (Virgin Records) seine letzte reguläre LP veröffentlichte. Über das Albion-Label brachte das Quartett 1982 ihr schwer vom Beefheart-Blues geprägtes Debütalbum unter die Leute, dass unter diesem Bandnamen das einzige bleiben sollte.
Den Namen der Band entliehen die Musiker einem Song von Joe Strummers erster Pub-Rock-Combo The 101ers.

Mit „Drive Friendly“ eröffnet der gewichtige Hardblues-Brocken, Gitarrist Bill Carter lässt hier unvermittelt seinen rhythmischen, harten, Feedback-durchwirkten Bluesrock auf den Hörer einprasseln, die zupackende elektrische Slide-Gitarre, gepaart mit dem Stakkato-artigen, mitunter an gebellte Parolen erinnernden Sprechgesang Tony Moons gibt von der ersten Sekunde die intensive Gangart vor, mit der sich das Album im weiteren Verlauf durch die insgesamt zehn Hard-Blues-Perlen rumpeln/mäandern wird.
Mit der Maultrommel kommt sporadisch ein Instrument zum Einsatz, dass nicht nur im Bluesrock sehr selten angestimmt wird, den Hörgenuss steigert das Blechteil in Punkto anregende Irritation durchaus.
Wie auf dem Stück „Hooves“ hören wir vermehrt schwer stampfende Gitarrenrock-Riffs, die auch den frühen Blues-/Hardrock-Bastarden Led Zeppelins zur Ehre gereicht hätten.
Der später von einem Teil der Combo unter dem neuen Band-Namen The Screaming Blue Messiah aufgenommene Indie-Hit „I Wanna Be a Flintstone“ erklingt hier in einer ersten Roh-Fassung unter dem Titel „Here Come The Flintstones“, das Potential zum Indie-Kneipen-Gassenhauer ist auch in der ersten Version unüberhörbar.
Den Schlusspunkt von Seite 1 setzt das abgebrühte „Clean Shirt And A Shave“, das Stück ist der letzte Freund, der Dir am Morgen nach einer durchzechten Nacht verbleibt.
Seite 2 beginnt mit „Sacred Pie“, einer Art Akustik-Skiffle-/Schepper-Blues zum Durchatmen, „Little Boy And Fat Man“ ist reiner Beefheart in seiner Gitarren-Wah-Wah-Kakophonie, mit Sinn für das große Drama und garniert mit abgehackten Gitarren-Stakkatos und Sirenen-artigen Soli, „One Down, One Down“ und „Claw Boys Claw“ bieten erneut hart nach vorne preschenden Blues-Rock und den Schlusspunkt setzt „Freeze Up the Truth“ mit einem experimentellen Psychedelic-Blues-Ritt, der dem Hörer final nochmal alles an Konzentration abverlangt.

Das offensichtlich nicht durch Photoshop oder ähnliches Software-Geraffel (gab’s damals noch nicht) nachbearbeitete Coverfoto vom Snakeman löste bei Veröffentlichung des Brachial-Blues-Meisterwerks einiges an angewidertem Entsetzen aus, in heutigen Zeiten, in denen via Prekariats-Fernsehen nahezu täglich grenzdebile C-, D- und E-Promis beim Schüssel-weisen Vertilgen von Maden, Würmern, Küchenschaben und anderem Ungeziefer gezeigt werden, dürfte die Aufnahme nicht mehr als ein müdes Gähnen hervorrufen.

Die Band löste sich sich nicht lange nach Veröffentlichung der Debüt-LP auf, Bill Carter und Chris Thompson gründeten 1983 zusammen mit Kenny Harris die – vermutlich nach einem Charles-Bukowski-Gedicht benannte – Band The Screaming Blue Messiahs und trimmten den Motor-Boys-Motor-Sound in Richtung massenkompatiblere Rhythm and Blues-/Punk-/Rockabilly-Mixtur, die Band veröffentlichte mit Good and Gone (1984) eine EP und drei sehr respektable LPs – Gun-Shy (1986), Bikini Red (1987) und Totally Religious (1989, alle: Warner/Elektra) – auf ‚Bikini Red‘ findet sich der bereits erwähnte Single-Hit ‚I Wanna Be A Flintstone‘, der im Januar 1988 immerhin Platz 28 der UK-Single-Charts erreichte.
Die Geschäftsbeziehung der Band zum Plattenlabel WEA war zerrüttet, nachdem die Firma die LP „Totally Religious“ einen Monat nach Veröffentlichung aus dem Vertrieb nahm und zuvor auch keine Singles aus dem Album veröffentlichen wollte, die Band wurde vom WEA/Elektra-Label letztendlich fallen gelassen und löste sich nach einem letzten Gig im Juni 1990 im Londoner Stadtteil Notting Hill auf.
2009 brachte das New Yorker Plattenlabel ‚Wounded Bird Records‘ die beiden Alben ‚Gun Shy‘ und ‚Bikini Red‘ als Wiederveröffentlichungen auf den Markt, nachdem sie seit den frühen neunziger Jahren vergriffen waren.
Das einzige, selbstbetitelte Album von Motor Boys Motor ist nach wie vor via Line/DA Music als Compact Disc erhältlich.
Im deutschen Wochenmagazin ‚Stern‘ gab’s ganz hinten immer die Rubrik „Was macht eigentlich…?“, sollten die mal abchecken, was Bill Carter so treibt dieser Tage, kauf ich mir die Postille vielleicht auch mal wieder….
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Spitzenprodukte der Popularmusik (7)

„Am 2. September 1975 öffnete ich die Tür zum Electric-Ladyland-Studio. Auf der Treppe musste ich an den Abend denken, an dem Jimi Hendrix für einen Moment stehen geblieben war, um sich mit einem schüchternen jungen Mädchen zu unterhalten. Ich betrat das Studio A. John Cale, unser Produzent, saß am Mischpult, und im Aufnahmeraum bauten Lenny, Richard, Ivan und Jay Dee ihr Equipment auf.
Die nächsten fünf Wochen waren wir mit der Aufnahme und dem Abmischen von Horses, meinem ersten Album, beschäftigt. Jimi Hendrix war nie zurückgekehrt, um seine neue Musiksprache zu schaffen, doch sein Studio war uns geblieben, und seine großen Hoffnungen für die Zukunft der Stimme unserer Kultur waren noch überall spürbar. Diese Dinge trieben mich um, als ich in die Vocal Booth trat: Meine Dankbarkeit für den Rock ’n‘ Roll, der mir durch schwierige Jahre meiner Jugend geholfen hatte. Die Freude, die ich beim Tanzen empfand, die moralische Kraft, die ich daraus zog, eigenverantwortlich für mich und mein Tun zu sein.
All das findet sich in Horses wieder, aber auch unsere Verbeugung vor denen, die uns den Weg bereitet haben. In Birdland warten wir mit dem jungen Peter Reich darauf, dass sein Vater Wilhelm Reich vom Himmel herabsteigt, um ihn holen zu kommen. In Break It Up erzählen Tom Verlaine und ich von einem Traum, in dem Jim Morrison wie Prometheus gefesselt ist und sich plötzlich losreißt. Land verschränkt die Wild-Boys-Bildwelt mit den Stationen von Hendrix‘ sterben. In Elegie sind sie alle versammelt: gegenwärtig, gestern, heute, morgen, alle, die wir verloren hatten oder zuletzt endgültig verlieren würden.“
(Patti Smith, Just Kids, Gemeinsam getrennter Wege)

Patti Smith – Horses (1975, Arista)
Eines der besten Debüt-Alben ever und ein – selbst wenn diese Bezeichnung inzwischen recht abgedroschen klingt – Meilenstein der Rockmusik, auch wenn die Scheibe vor allem als eines der Hauptwerke und einer der wichtigsten Einflüsse der New Yorker Punk-Szene gilt, ist sie doch so viel mehr als „nur“ ein Punkrock-Klassiker: das erste Album aus dem Umfeld des New Yorker CBGB’s-Clubs, die Platte, die das Bild der Frau in der Rockmusik grundlegend änderte und somit für den Feminismus vermutlich mehr tat als alle Emma-Artikel der Steuerhinterzieherin Alice Schwarzer zusammen – eigentlich mit einem herkömmlichen Rock-’n‘-Roll-Artefakt nicht mehr zu vergleichen, da in diesen knapp 44 Minuten so unglaublich viel an Poesie, Beschwörung, Energieausbrüchen, emotionalem Selbstbewusstsein, aggressiver Direktheit, Schamanismus und Verarbeiten der eigenen Biografie inklusive existentieller (Drogen)erfahrungen und literarischer Obsessionen passiert, in ihrer von jeglichem Bombast der 70er-Jahre befreiten Musik war „Horses“ zu der Zeit wesentlich mehr die Zukunft des Rock ’n‘ Roll als der von Jon Landau so titulierte und wie Patti Smith aus New Jersey stammende Bruce Springsteen mit seinen zugegebenermaßen auch sehr respektablen Frühwerken oder die einfach etwas flotter angeschlagene Spielart der Sex Pistols ein paar Jahre später – und ohne jeden Zweifel mit die wichtigste Produktionsarbeit des genialen John Cale.

„Die Aufnahmen zu Pattis erstem Album ‚Horses‘ im August und September wurden zu einem Machtkampf von John Cale und Patti. Nach ihrem Engagement im CBGB’s fand Patti, ihre Lieder seien soweit, aufgenommen zu werden, aber Cale war anderer Meinung. Er brachte die Band dazu, all ihr Material neu zu überdenken (…) Cale erkannte, dass es seine Hauptaufgabe war, eine Dichterin in eine Sängerin zu verwandeln.
„Es war nicht klar, welchen Charakter das Album haben würde, bis ich sie gegen sich selbst improvisieren ließ“, sagte John Cale.“
(Victor Bockris, Patti Smith, Die unautorisierte Biographie, Horses 1975)

Der Opener „Gloria“ beginnt mit der gotteslästerlichen Textzeile „Jesus died for somebody’s sins, but not mine“ und geht im zweiten Teil energiegeladen und extrovertiert in Van Morrison’s Them-Klassiker über. Von der ersten Minute an verfällt der Hörer dem Sog der nervösen, treibenden Interpretation und dem unfrisierten, hämmernden, an Velvet Underground gemahnenden Sound, um sich im folgenden Stück, der Reggae-Rock-Nummer „Redondo Beach“ über den kalifornischen Strand am Ende der Santa Monica Bay eine kurze Verschnaufpause zu gönnen, bevor es in der neunminütigen Tour-de-Force-Sprechgesang-Ballade „Birdland“, die auf den Erinnerungen an den Psychoanalytiker Wilhelm Reich seines Sohnes Peter basiert, erstmals in Richtung intensive Spoken-Word-Beschwörung gipfelt. Seite Eins beschließt mit dem heimlichen Hit der Kult-Scheibe, „Free Money“, in seiner ungebremsten Energie und dem euphorischen Vortrag bereits 1975 ein Prototyp für den Indie-/Alternative-Rock der späteren Jahrzehnte und ein Song für die Ewigkeit, der auch nach vierzig Jahren nichts von seiner ungebändigten Frische eingebüßt hat.
Die B-Seite des Longplayers eröffnet mit „Kimberley“, einem schleichenden Midtempo-Grove, inspiriert von Pattis jüngerer Schwester, „Break It Up“ ist ein schwerer Glam-Rocker, der von der Befreiung Jim Morrisons von seinen irdischen Fesseln handelt und auf eine Traum Patti Smith‘ basiert („Ich stand da, war ein kleiner Junge oder ein Kind und schrie „Break it up, break it up“ und schließlich zerbrach er seine Flügel und war frei, und er flog davon. Ich wachte auf, setzte mich mit Tom Verlaine zusammen und schrieb den Song.“). Das über neunminütige „Land“ mit seinen drei Teilen „Horses“, „Land of a Thousand Dances“ und „La Mer(de)“ bietet neben „Birdland“ ein weiteres hypnotisches, beschwörendes, ekstatisches Abtauchen in William-Burroughs-/Wild-Boys-Fantasien, Drogen-Assoziationen und Reminiszenzen an den französischen ‚Poète maudit‘ Arthur Rimbaud.
Die „Elegie“ auf Jimi Hendrix beschließt das Album mit einem kurzen Stück voll desolater Melancholie und einer Stimme, die sich permanent am Rand kurz vor dem Abkippen in die völlige Verzweiflung bewegt – „Well it’s sad and it’s much too bad, that our friends can’t be with us today“.

Die CD-Ausgabe enthält als Bonustrack eine entfesselte Live-Version des The-Who-Protopunk-Klassikers „My Generation“ mit John Cale am Bass.

Die „30th Anniversary Edition“ bietet eine zweite CD mit den Live-Versionen der Stücke von ‚Horses‘, mitgeschnitten am 25. Juni 2005 in der Royal Festival Hall beim Meltdown Festival in London, mit Smith‘ Langzeitspezi Tom Verlaine an der Gitarre und Flea von den Red Hot Chilli Peppers am Bass.

Das Original-Album wurde innerhalb weniger Wochen im Herbst 1975 in den New Yorker Electric Lady Studios im Greenwich Village in folgender Besetzung eingespielt:
Patti Smith – Vocals, Guitar
Jay Dee Daugherty – Drums, Consultant
Lenny Kaye – Guitar, Bass Guitar, Vocals
Ivan Kral – Bass Guitar, Guitar, Vocals
Richard Sohl – Keyboards
Zudem halfen die Smith-Vertrauten Tom Verlaine von Television und der Blue-Öyster-Cult-Gitarrist Allen Lanier als zusätzliche Musiker aus. Das wunderbare Schwarz-Weiß-Bild des Covers stammt von Patti Smith‘ altem New Yorker Weggefährten Robert Mapplethorpe, der mit den Fotoarbeiten zum Album seinen Ruf als Weltklasse-Fotograf begründete.

Die Platte verkaufte sich in den ersten Monaten nach Veröffentlichung mehr als 200.000 Mal und erreichte Platz 47 in den US Billboard Charts, was seinerzeit für ein Underground-Album weit jenseits des Mainstreams mehr als ein Achtungserfolg war. Die US-amerikanische Presse feierte die Platte zurecht überschwänglich, vom ‚Rolling Stone‘ bis zur ‚New York Times‘ erkannte nahezu jeder Rezensent die Wichtigkeit und Klasse dieser Jahrhundert-Aufnahme.

„Das ist kein Album des gesprochenen Wortes, und selbst wenn man kein Wort Englisch versteht, kann man die emotionale Kraft von Pattis Musik nicht überhören. ‚Horses‘ ist ein gebieterisches Album, kein forderndes: Man muss keine Anstrengungen unternehmen, es zu verstehen oder zu mögen, aber man kann es auch nicht ignorieren. Es lehnt ab, Hintergrundmusik zu sein, es hält die Aktivität in einem Zimmer an, wenn es läuft, und es hinterlässt seine Wirkung, ob man es mag oder nicht.“
(Lester Bangs)

Selbstredend ist ‚Horses‘ ein gewichtiger Favorit in den Top-irgendwas-Auflistungen dieser Welt:
Nr. 44 in der Rolling-Stone-Liste „500 Greatest Albums Of All Time“.
New Musical Express: Nr. 1 in der Liste „20 Near-as-Damn-It Perfect Initial Efforts“.
Time Magazine: „Horses is one of the All-Time 100 Greatest Albums“.
Library Of Congress: 2009 Eintrag im National Recording Registry – „culturally, historically, or aesthetically significant.“

Patti Smith hat in der Nachfolge zu ‚Horses‘ mit ‚Radio Ethiopia‘ (1976), ‚Easter‘ (1978), ‚Wave‘ (1979), ‚Gone Again‘ (1996) und ‚Gung Ho‘ (2000, alle: Arista) weitere hervorragende Tonträger veröffentlicht, nie mehr jedoch sollte sie die Intensität, den beschwörenden Rausch und die genial-euphorische Energie ihrer ersten Aufnahmen erreichen.

Richard Sohl ist 1990 im Alter von nur 37 Jahren in New York an den Folgen einer Herzattacke gestorben. Robert Mapplethorpe verstarb bereits ein Jahr zuvor im Alter von 42 Jahren in Boston an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung. Ihrem Andenken ist dieser Beitrag gewidmet.

In den nächsten Wochen zelebriert Patti Smith und ihre Band ‚Horses‘ konzertant zur Gänze zu folgenden Terminen:

12.07. Lörrach / Burghof (sold out)
13.07. München / Tollwood-Festival
14.07. Wien / Arena
16.07. Singen / Hohentwiel Festival
21.07. Karlsruhe / Zeltival (sold out)
22.07. Winterbach / Zeltspektakel
07.08. Luhmühlen / A Summer’s Tale Festival
08.08. Dresden / Junge Garde
11.08. Berlin / Tempodrom (sold out)

Spitzenprodukte der Popularmusik (6)

„Geliebter Herr“, schleimte der Teufel, „fünf Wunder hast du vollbracht, aber fehlt nicht noch ein Wesen, nach deinem Ebenbild gemacht?“
„Das mach‘ dir selbst!“ sprach der liebe Gott, „ich bin müde, ich will schlafen!“
Und so hat am sechsten Tag der Teufel den Menschen erschaffen.
(Ludwig Hirsch, Im Anfang)

1998 haben die großen Unbekannten der amerikanischen Experimental- und Avantgarde-Musik, die kalifornischen Residents, ein Konzept-Album über die Bibel mit dem Titel „Wormwood: Curious Stories from the Bible“ veröffentlicht. Die Band überzeugte in früheren Jahren mit konzeptionellen Werken wie „The Third Reich ’n‘ Roll“ (1976) oder der hörenswerten Arbeit über die Inuit, „Eskimo“ von 1979 (alle: Ralph Records), mit „Wormwood“ taten sie sich und den Hörern keinen großen Gefallen, schwerfälliges, uninspiriertes Musiktheater, das vor allem auch auf der Bühne nicht funktionierte, wie ich damals recht angeranzt in der Münchner Muffathalle feststellen musste, lediglich der Klassiker „Old Time Religion“ als Abschlussnummer konnte das Publikum für das lange Ausharren entschädigen.

Einer, der das Thema Bibel-Konzept-Album wesentlich souveräner und mit weitaus erfreulicherem Ergebnis bereits im Jahr 1982 umsetzte, war der in der Steiermark geborene und in Wien aufgewachsene österreichische Liedermacher und Schauspieler Ludwig Hirsch. Mit seinem Album „Bis zum Himmel hoch“ gelang ihm ein ganz großer Wurf.
Ein Kriterium der Kolumne „Spitzenprodukte der Popularmusik“ ist, dass auf einem besprochenen Werk kein falscher Ton auftaucht und ein weiteres, dass ein Werk auch nach vielen Jahren nichts von seiner musikalischen und/oder inhaltlichen Kraft verloren hat, beides trifft für diese erhebende Platte ohne jede Einschränkung zu.
Wie bereits auf seinen Vorgängeralben „Dunkelgraue Lieder“ (1978), „Komm, großer schwarzer Vogel“ (1979) und „Zartbitter“ (1980) sind Hirschs Texte in ihrer hintersinnigen, kritischen und makaber-morbiden Art die besondere Würze der Platte, in seiner boshaften und doch auch mitfühlenden Art seziert er Bibelthemen aus dem alten Testament von der Genesis bis zum Turmbau von Babel und gibt den Geschichten eine ganz neue, überraschende Wendung, die Gläubige genauso wie Atheisten begeistern dürfte. Gleich zwei Stücke, „Papa, geliebter Papa“ und „Abel 82“, widmen sich dem Kain-und-Abel-Thema, beide auf absolut ergreifende und beklemmende Art, mustergültige Beispiele dafür, was deutschsprachige Liedermacherei an Großem zu schaffen vermag. Musikalisch bewegt sich das Werk zwischen Hirsch-typischem Chanson und – was Wunder – hymnischen, Kirchenmusik-artigen Chören. Unterstützt wird Ludwig Hirsch unter anderem von Herman van Veen, zahlreichen klassischen Musikern, dem Bergedorfer Kinderchor und asiatischen Field Recordings. 1982 erstmals erschienen, wurde „Bis zum Himmel hoch“ von Amadeo/Universal Records 2008 dankenswerter Weise auf CD wiederveröffentlicht.

Gefragt nach seinen musikalischen Einflüssen, antwortete Hirsch in einem Interview: „Vorbilder im eigentlichen Sinn hab ich keine. Ich mag Pink Floyd, Leonard Cohen und im Prinzip alle, die etwas zu sagen haben.“
Zu denen, die etwas zu sagen hatten, hat Ludwig Hirsch zweifelsohne selbst gehört.

Am 24. November 2011 hat sich Ludwig Hirsch im Wiener Wilhelminenspital aus einem Fenster gestürzt. Es wurde seinerzeit kolportiert, dass der 65-Jährige an Krebs erkrankt sei. Ein tragisches und auch spektakuläres Ende für einen Künstler, der selbst die leisen und nachdenklichen Töne pflegte.

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Da fiel mein Turm in sich zusammen, und alle Kinder der Welt waren wieder, wie auf einen Schlag, über die ganze Erde zerstreut, und keiner verstand mehr die Sprache des anderen. (…)
Und an diesem Nachmittag beschloss der Franz, nicht Verhaltensforscher, sondern Ziegelhersteller, der Jakob nicht mehr Astronaut, sondern Technischer Zeichner zu werden, der Thomas beschloss, Architektur zu studieren, die kleine Hildi wollte sowieso immer Maurer lernen, und ich beschloss, ganz einfach Träumeerzähler zu werden.
Und wir schworen uns hoch und heilig: „Bald, sehr bald bauen wir einen Turm. Einen Turm, bis zum Himmel hoch!“
(Ludwig Hirsch, Der Turm (Für meinen Sohn Moritz))