Lange war auf dem Tourflyer mit den boxenden Bären nichts von einem München-Termin zu lesen, zum Ende der Europa-Tour fand sich doch noch Gelegenheit für einen gemeinsamen Gig der befreundeten Musiker Steve Wynn und Chris Cacavas auf der kleinen Bühne im Innenstadt-Club Unter Deck, ein frühes Weihnachtsgeschenk für alle Fans der altgedienten US-Heroen des Alternative- und Desert-Rock, der gepflegten Indie-Folk-Ballade und der Spielarten des psychedelischen Paisley Underground.
Zum letzten Auftritt der Konzertreise der beiden Altstars im Duett war die Stimmung der Musikanten eine ausnehmend entspannt-gelöste, den Abend der Indie-Nostalgie eröffnete der seit Jahren in Deutschland ansässige Songwriter Chris Cacacas mit einer überschaubaren Handvoll seiner charakteristisch klagenden Balladen: Bewährte, zur Akustik-Gitarre vorgetragene Kleinode in bester Folk-Manier, eine empathisches Geschichten-Erzählen von vergangenen Liebschaften und zerbrochenen Lebensträumen, mit einer Stimme vorgetragen, die der Eindringlichkeit eines Neil Young in nichts nachsteht – ein betroffenes, mitunter wehmütiges Reflektieren in Moll. Die Nummer „Pale Blond Hell“ über die falschen Abzweigungen im Leben verliert auch in der akustischen Version nichts von seiner ergreifenden Intensität, das Gitarren-lärmende Titelstück seines 1994er-Longplayers mit der Band Junkyard Love würde noch heute jeden besseren Crazy-Horse-Tonträger qualitativ aufwerten, in Zeiten von höchst mittelmäßigem, letztlich obsoletem Neil-Young-Output wie dem aktuellen „Colorado“-Album allemal. Zum Ende seines kurzen Eröffnungs-Sets gibt sich Cacavas experimentell an Keyboard-Tasten und Regler-Schrauben, was nach seinen eigenen Worten selten glückt, sympathisches Understatement letztendlich, die Nummer mit hoch melodischem Krautrock-Touch und etwas holpriger Electronica-Behandlung hatte Unterhaltungswert und bot keinen Anlass zur Beanstandung.
Steve Wynn bestreitet den ersten Teil seines Vortrags gleichsam alleine und gräbt an diesem Abend tief in der eigenen Vergangenheit, in der Setlist finden sich zahlreiche Perlen aus den Achtzigern, aus seiner Zeit als Bandleader und Songwriter des stilbildenden kalifornischen, mittlerweile reformierten Alternative-Rock-Quartetts The Dream Syndicate. Ein beseeltes „Out Of The Grey“ bereits zur Eröffnung, Garagen-Punk als solisitische Trash-Übung mit „The Days Of Wine And Roses“, herrliche Versionen der Klassiker „Tell Me When It’s Over“, „That’s What You Always Say“ oder ein nach wie vor loderndes „Burn“, eine hypnotisch-gespenstische Interpretation vom Großwurf „Boston“ hintenraus im Zugaben-Block, garniert mit einer Auswahl aus dem Spätwerk der zahlreichen Solo-Aufnahmen des Wahl-New-Yorkers wie „Cindy, It Was Always You“, „Southern California Line“ oder „What Comes After“, die altgediente Anhängerschaft durften ausgiebig in Erinnerungen an die Hochzeiten des damals aufkommenden Indie-Rock schwelgen, in der Reminiszenz an eine Version der Achtziger, die mit synthetischen, nach wie vor im Mainstream-Radio überstrapazierten Pop-Unsäglichkeiten und abgehobenen Stadien-Superstars vom Schlage Bono und Konsorten absolut nichts gemein hatte. Damit nicht genug, stellte der Meister in einer seiner launigen Ansprachen für das kommende Jahr ein Dream-Syndicate-Touren in hiesigen Landen der 2012 reanimierten Kult-Combo in Aussicht.
Den dritten Teil des Konzert-Abends bespielten die beiden Freunde im Duett, Cacavas am Keyboard begleitend, Wynn die Freiheiten der hart schrammenden Rhythmus-Gitarre auslebend, sich gegenseitig die Bälle wie ein altes, hoch sympathisches, aufeinander eingespieltes Ehepaar zuspielend.
Konzerte der beiden Althelden waren in früheren Zeiten in der Regel einmal jährlich im örtlichen Touren-Kalender zu finden, in jüngster Vergangenheit machten sich die Musiker rar mit München-Besuchen, nach den gut hundert Minuten am Sonntagabend war klar, dass ein Stelldichein auf hiesigen Bühnenbrettern längst wieder überfällig war, mit einer Auswahl an zeitlosem Liedgut, das hinsichtlich zupackendem Songwriting, persönlichen Texten, ergreifend-melodischen Finessen und der beherzten Aufbruch-Stimmung der alternativen Rockmusik vor über drei Dekaden nichts an Stellenwert verloren hat – unkaputtbare Dauerbrenner als solide Denkmäler in Zeiten von permanentem Wandel und kurzlebigen Zeitgeist-Moden. Schöner, beseelter wird’s in Sachen Tradition zum Weihnachtsfest vermutlich auch nicht mehr funkeln…
Steve Wynn
Konzert-Vormerker: Steve Wynn & Chris Cacavas
Legenden des amerikanischen Alternative Rock im Doppelpack am kommenden Sonntag im Münchner Unter Deck: Der Live-Club im Herzen der Innenstadt präsentiert den Duo-Auftritt von Steve Wynn und Chris Cacavas als letzten Deutschland-Gig im Rahmen der laufenden Europa-Tournee der seit Jahren befreundeten Musiker.
Die beiden Songwriter waren mit ihren Veröffentlichungen ab den Achtzigern stilbildend für die Entwicklungen im Indie-, Folk- und Desert-Rock. Steve Wynn prägte mit seinen Bands The Dream Syndicate und Danny & Dusty wie kaum ein anderer die Spielart des psychedelischen Paisley Underground, der im Folgenden den Sound von allseits bekannten Formationen wie R.E.M., den Bangles oder das Songwriting der neuseeländischen Gitarren-Combos aus der Dunedin-Szene maßgeblich beeinflusste. Daneben veröffentlichte er zahlreiche Solo-Aufnahmen, formierte die kurzlebige Indie-Supergroup Gutterball und das sporadisch mit Konzept-Alben aufwartende Baseball Project. Chris Cacavas wird seit Jahrzehnten für die Veröffentlichungen und Shows mit der Combo Junkyard Love und sein Engagement bei den Tucson/Arizona-Institutionen Green On Red und Giant Sand geschätzt.
Wer bereits in den vergangenen Days Of Wine And Roses Auftritten der beiden US-Indie-Größen beiwohnen durfte, weiß, was am kommenden Sonntagabend zu erwarten ist: Eine Auswahl an exzellentem, zeitlosem Songmaterial aus einem reichhaltigen Œuvre, vorgetragen von zwei herausragenden wie hoch sympathischen Musikern, garniert mit der ein oder anderen humorigen Anekdote aus dem prallen Leben im Auftrag des Rock and Roll.
Steve Wynn & Chris Cacavas
Unter Deck, Oberanger 26, München
1. Dezember 2019, 20.30 Uhr.
Eine Kerze für Sandy Pearlman
“Hunter Thompson of rock, a gonzo producer of searing intellect and vast vision.”
(Billboard Producer Directory)
Der amerikanische Musikproduzent, Band-Manager, Songschreiber und Professor Sandy Pearlman ist gestern im Alter von 72 Jahren in Marin County/Kalifornien gestorben.
Pearlman hat in den siebziger Jahren unter anderem alle relevanten Tonträger der New Yorker Heavy-Rock-Pioniere Blue Öyster Cult und das „Give ‚Em Enough Rope“-Album der Clash produziert. 1984 arbeitete er zusammen mit Steve Wynn’s Band The Dream Syndicate an deren Alternative-Rock-Meilenstein „Medicine Show“ (A&M).
Er war langjähriger Manager von Blue Öyster Cult, Black Sabbath, der kalifornischen New-Wave-Band Romeo Void und der New Yorker Punk-Rock-Combo The Dictators.
An der McGill University Montreal hatte er einen Lehrstuhl für Musiktheorie, Sound Recording und Musiktechnik inne.
Abgerechnet wird zum Schluss: Die Konzerte des Jahres 2015
Die Top-25 + x, irgendwie:
(01) And So I Watch You From Afar @ Ampere, 2015-05-23
War bereits im Frühjahr offensichtlich, dass der Auftritt schwer zu toppen sein wird. Die nordirische Band, die auf Tonträgern seltsamerweise eher weniger überzeugt, zog konzertant alle Register des Post- und Prog-Rock. Hat die Nase natürlich auch deshalb hauchdünn vorne, weil der Robert, der Anton, der Wojciech und ich unverhofft in einer Doku von ‚Delayed Cinema!‘ über die Band zu Kurzauftritten kamen. Noch nicht Hollywood, aber immerhin… ;-)
(02) Godspeed You! Black Emperor @ Freiheiz, München, 2015-04-09
Nochmal sechs Sterne für die Gattung Postrock: Weit über 10 Jahre haben wir in München warten müssen, bis die kanadische Speerspitze des Genres sich wieder die Ehre gab, im April wurde die elendigliche Warterei fürstlich belohnt.
(03) Great Lake Swimmers @ Hauskonzerte, München, 2015-10-04
Kanada, die zweite: Mehr Holzveranda-/Lagerfeuer-Seeligkeit geht nicht als in der Live-Präsentation des Rundumglücklich-Folk-Pakets der Great Lake Swimmers aus Toronto/Ontario.
(04) Hochzeitskapelle + Thisell @ Maximiliananlagen, München, 2015-08-03
Mundpropaganda-Konzert, auf die Beine gestellt von innen.aussen.raum: Ein perfekter Sommerabend und vielleicht das schönste Open Air seit Jahren, dank herrlichem Sommerwetter, einem wunderbaren Flecken Grün an der Isar, einigen gekühlten Bieren und zwei Musik-Kapellen der Sonderklasse: der Notwist-/Zwirbeldirn-Ableger Hochzeitskapelle und der schwedische Ausnahme-Folker Peter Thisell mit seinen hochsympathischen Begleitern. Die musikalische Krönung eines Jahrhundert-Sommers, nicht weniger.
(05) Reverend Deadeye + Brother Al Hebert @ Unter Deck, München, 2015-09-13
Joe Buck Yourself, Viva Le Vox, The Hooten Hallers @ Kranhalle, München, 2015-06-03
Carrie Nation & The Speakeasy, Milla, München, 2015-07-10
Delaney Davidson @ Unter Deck, München, 2015-07-01
Delaney Davidson presents Manos del Chango @ Unter Deck, München, 2015-11-03
The Dad Horse Experience, Ausstellungspark, München, 2015-01-20
The Dad Horse Experience + Pyrus @ Backstage free & easy Backyard Open Air Bühne, München, 2015-08-07
„Muddy Roots„, nicht zu knapp im vergangenen Jahr, from the dark edge of your Soul, welche der Lord fixen und den Shit into Gold verwandeln möge, wie Dad Horse Ottn immer so schön sagt.
(06) The Moonband @ Milla, München, 2015-05-14
Die inzwischen unangefochtene Nummer Eins der Münchner Folk-Bands hat heuer fleißigst ihr wunderbares Coverversionen-Album ‚Back In Time‚ (2015, Millaphon Records) promotet und am eindrucksvollsten gelang ihnen dies bei der Release-Party im Milla, ansonsten wie immer ganz exzellent auch zu folgenden Terminen:
The Moonband @ Kulturstrand, München, 2015-06-26
The Moonband @ Straßenfest Glockenbachwerkstatt, München, 2015-05-10
(07) Antun Opic & Band @ Hades, München, 2015-06-25
Coco Schumann, Django Reinhardt und Tom Waits standen Pate beim Sound des Münchner Ausnahme-Musikers Antun Opic, der in diesem Jahr eine ganze Reihe herausragender Konzerte ablieferte, vor allem ein grandioses Fest im „Hades“, aber auch zu folgenden Gelegenheiten:
Antun Opic + Franziska Eimer + Die Schicksalscombo & Oansno @ Ander Art Festival, München, 2015-09-26
Antun Opic Duo + pourElise @ “Abendrot im Hinterhof”, KAP37, München, 2015-05-13
(08) Steve Wynn @ Südstadt, München, 2015-02-28
Die Dream-Syndicate-Legende und eine Gitarre, mehr braucht es nicht für einen rundum gelungenen Konzert-Abend im ‚Südstadt‘. Und wenn dann auch noch der Publikumswunsch Gehör findet…
(09) Steve Gunn Band @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-03-31
Der herausragende amerikanische Gitarrist zeigte, dass Indie-Rock nach wie vor eine spannende Angelegenheit sein kann.
(10) Lost Name @ Theater Heppel & Ettlich, München, 2015-05-25
Der Münchner Andi Langhammer bot meisterhaften Experimental-Kammer-Folk im Vorprogramm zum Withered-Hand-Projekt des Schotten Dan Willson.
(11) Crippled Black Phoenix @ Strom, München, 2015-12-09
Vorweihnachtliches Prog- und Post-Rock-Deluxe-Paket vom englischen CBP-Kollektiv. Wie die Jahre zuvor ganz großer Sport.
(12) Nasmyth, Waves, Colaris @ Sunny Red, München, 2015-07-19
Terraformer, Nasmyth, Yakpilot @ Loft, München, 2015-04-12
Russian Circles + Majmoon @ Hansa39, München, 2015-06-18
München muss sich in Sachen Post-Rock weiß Gott nicht verstecken, grandiose Konzerte zuhauf auch dieses Jahr von Majmoon, Waves (die im Oktober ihr neues Album ‚Stargazer‘ veröffentlichten) und den leider im Herbst dahingeschiedenen Nasmyth, auf deren CD-Fertigstellung die Welt nichtsdestotrotz weiterhin sehnsüchtig wartet.
(13) Sleaford Mods @ Hansa39, München, 2015-04-28
Der hingerotzte Elektro-Punk aus Nottingham hat im Vorfeld nicht zuviel versprochen. Andrew Fearn und Jason Williamson halten die Fahne der Arbeiterklasse hoch und das Genre am Leben.
(14) Gerner Zipfeklatscher @ KAP37, München, 2015-04-23
Unsere hiesigen most beloved Wirtshausmusikanten haben im KAP37 gezeigt, was alles geht, wenn das Publikum bei der Sache ist, einen Spaß versteht und schön mitsingt.
Des weiteren anno domini 2015 mitgegroovt zu folgenden Anlässen:
Gerner Zipfeklatscher @ Biergarten Herzkasperl-Festzelt, Oide Wiesn, Oktoberfest, München, 2015-09-27
Gerner Zipfeklatscher @ Fish ’n’ Blues Special, Glockenbachwerkstatt, München, 2015-07-15
Gerner Zipfeklatscher @ „Münchner Künstler bekennen Farbe“, Pelkovenschlössl, München, 2015-02-27
(15) Hauschka & Musiker der Münchner Philharmoniker @ Muffathalle, München, 2015-01-07
Experimental-Klassik mit dem Pianisten Volker Bertelmann, spannend bereichert durch 8 MitmusikerInnen der Philharmoniker.
(16) The Handsome Family @ Ampere, München, 2015-09-25
„Far From Any Road“, das wahrscheinlich beste Alternative-Country-Ehepaar Amerikas, leicht verschnupft und trotzdem grandios.
(17) Lambchop @ Amerikahaus, München, 2015-02-07
Der Kurtl und seine Combo präsentierten den Meilenstein ‚Nixon‘ als Gesamtaufführung, da gab’s natürlich nix zu knurren…
(18) Ryan Lee Crosby + Thisell @ Klienicum Hauskonzerte, Ampfing, 2015-03-16
Eike vom Klienicum-Blog und seine bezaubernde Frau Katrin haben in die gute Stube eingeladen und nebst exzellenter Verköstigung einen feinen musikalischen Doppelpack präsentiert: den schwedischen Folker Thisell, den wir im Sommer nochmals im Freien genießen durften, siehe oben, sowie den amerikanischen Blues-Musiker Ryan Lee Crosby, der den depperten Spruch widerlegte, nach dem der weiße Mann keinen Blues singen könne…
(19) JJ Grey & Mofro + Marc Broussard @ Technikum, München, 2015-03-21
Intensiv-schwerster Südstaaten-Swamp-Soul, ein schweißtreibender Abend bereits im März.
(20) Eric Pfeil @ Südstadt, München, 2015-06-16
Kaum jemand beherrscht die mit feinsinnigen Pointen gewürzte deutsche Liedermacherei lakonisch-relaxter als der Rheinländer Eric Pfeil.
(21) Amon Düül II @ Milla, München, 2015-06-10
Überraschungs-/Geheim-Konzert (oder so ähnlich) der süddeutschen Krautrock-/Prog-Legende.
(22) Tess Parks & Anton Newcombe @ Strom, München, 2015-07-09
Das neue Traumpaar in Sachen Indie-Psychedelic, ordentlich krachig und intensiv.
(23) Built To Spill @ Ampere, München, 2015-11-16
Doug Martsch ist und bleibt neben J Mascis das Maß aller Dinge in Sachen stramme Indie-Gitarre.
(24) Giant Sand @ Hansa39, München, 2015-05-17
Howe und Freunde unterwegs in Sachen 30-jähriges Bühnenjubiläum, gut und auf den Punkt gebracht wie lange nicht.
(25) Patti Smith @ Tollwood, München, 2015-07-13
Die Komplett-Aufführung von ‚Horses‘ war Weltklasse, die 2. Halbzeit dagegen eher ein laues Lüftchen…
Auf den weiteren Plätzen, auch nicht schlecht:
(26) Attwenger @ Milla, München, 2015-03-26
(27) Melvins + Big Business @ Hansa39, München, 2015-10-05
(28) Sólstafir + Mono + The Ocean @ Backstage, München, 2015-10-28
(29) Lùisa @ Deeper Down Festival, Hauskonzerte, München, 2015-10-04
(30) Canto Dei Sass @ „Münchner Künstler bekennen Farbe“, Pelkovenschlössl, München, 2015-02-27
(31) The Godfathers @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-02-06
(32) Peter Doran @ Milla, München, 2015-05-14
(33) Tedeschi Trucks Band + Henrik Freischlader Trio @ Circus Krone, München, 2015-11-11
(34) Brian Lopez & Gabriel Sullivan @ Sunny Red, München, 2015-12-16
(35) Philip Bradatsch @ Willie Nelson Tribute, Unter Deck, München, 2015-11-09
(36) Terakaft @ Milla, München, 2015-05-03
(37) Ottmar Liebert & Luna Negra @ Carl-Orff-Saal, Gasteig, München, 2015-03-24
(38) The Bevis Frond + Nektar @ Backstage Club, München, 2015-10-02
(39) Jarboe & Helen Money with very special Guests Alexander Hacke & Danielle de Picciotto @ Ampere, München, 2015-02-18
(40) Attwenger @ Herzkasperl-Festzelt, Oide Wiesn, Oktoberfest, München, 2015-09-25
(41) The Great Park @ Südstadt, München, 2015-02-17
(42) Easy October @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-02-09
(43) Eugene Ripper, Colleen Brown, Mat Deveux @ Substanz, München, 2015-05-07
(44) A Forest + Lost Name @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-04-16
(45) The Midnight Ghost Train + Greenleaf @ Kranhalle, München, 2015-03-05
(46) Leon Bridges + Grace @ Technikum, München, 2015-09-15
(47) The Marble Man @ Kulturstrand, München, 2015-08-18
(48) Withered Hand @ Theater Heppel & Ettlich, München, 2015-05-25
(49) Disco Doom @ Ampere, München, 2015-11-16
(50) The Almost Boheme @ Kunst in Sendling, München, 2015-10-09
(51) Mary Lattimore & Jeff Zeigler @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-05-31
(52) 15 Jahre CLUBZWEI @ Muffatwerk All Areas mit King Automatic, G.Rag u.a., München, 2015-01-31
(53) G.Rag und die Landlergschwister @ Braunauer Brücke, München, 2015-06-09
(54) G.Rag Y Los Hermanos Patchekos @ Ampere, München, 2015-04-23
(55) Gut & Irmler, Driftmachine, Thomas Köner @ Frameworks Festival, Einstein Kultur, München, 2015-03-12
(56) frameless02: Masayoshi Fujita, Nicolas Bernier, Timon Arnall @ Einstein Kultur, München, 2015-04-14
(57) frameless05: Novi_sad + Ryoichi Kurokawa, Lucrecia Dalt, Karin Zwack + aus @ Einstein Kultur, München, 2015-11-18
(58) Mark Lanegan Band, Duke Garwood, Lyenn @ Freiheiz, München, 2015-02-21
(59) Thunder And Blitzkrieg @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-02-06
(60) Robyn Hitchcock + Emma Swift @ Unter Deck, München, 2015-04-20
(61) Carla Bozulich @ Freiheiz, München, 2015-04-09
(62) TV Smith @ Hansa39, München, 2015-02-08
(63) Rauschangriff + Ramonas + Vorstadtkönige @ Neujahrsempfang der “Löwen-Fans gegen Rechts” @ Stadionwirtschaft, Stadion an der Grünwalder Straße, München, 2015-01-05
(64) The Ukelites + The Jason Serious Band @ Südstadt, München, 2015-10-22
(65) Stephanie Lottermoser @ „Münchner Künstler bekennen Farbe“, Pelkovenschlössl, München, 2015-02-27
(66) Viech, Human Abfall, The King Of Cons, Twerps @ Theatron Pfingstfestival, München, 2015-05-24
(67) Wendy McNeill @ Theatron Pfingstfestival, München, 2015-05-25
(68) Pale Honey @ Südstadt, München, 2015-04-22
(69) Manu @ Strom, München, 2015-07-09
(70) UK Subs @ Hansa39, München, 2015-02-08
(71) Triska + Nathaniel Rateliff & The Night Sweats @ Ampere, München, 2015-10-07
(72) Mylets @ Ampere, München, 2015-05-23
(73) The Jason Serious Band @ Milla, München, 2015-07-10
(74) pourElise @ Ampere, München, 2015-09-29
(75) Viola, Lilli & Emma @ Glockenbachwerkstatt, München, 2015-02-09
(76) Motörhead, Saxon, Girlschool @ Zenith, München, 2015-11-20
(77) Night Shirts @ Hansa39, München, 2015-04-28
Das Schlusswort zum Konzertjahr 2015 soll dem Mafioso gehören, der vor kurzem seinen 100. Geburtstag feierte (wo auch immer) – „It was a very good year!“:
Alles Gute nachträglich…
„Yeah, ich werde mir eine große Kanone besorgen, wenn es zur Revolution kommt. Dann setz ich mich da oben auf mein Studio drauf, mit meinem materiellen Wohlstand, den ich mir bis dahin erworben habe, und werde, äh, mir Gedanken über die Zukunft machen…“
(Neil Young, Rolling-Stone-Interview 1970-04-30)
Neil Young ist vor ein paar Tagen 70 Jahre jung geworden. Da gratulieren wir nachträglich ganz herzlich, wünschen noch viele gesunde Jahre und ein paar zusätzliche großartige Tonträger für das eh schon grandiose Lebenswerk.
Der amerikanische Filmemacher Jim Jarmusch hat 1997 mit „Year Of The Horse“ einen schöne Konzert-Dokumentation über den Kanadier und seine Band Crazy Horse gedreht und der diesjährige Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Navid Kermani hat in seinem Werk „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ thematisch die Liebe zu den Songs des Ausnahmemusikers, islamische Mystik und die praktische Lebenshilfe zur Beruhigung seiner schreienden Tochter im Säuglingsalter mittels Beschallung durch Neil-Young-Musik zusammengeführt, eine nicht genug zu lobende Leistung, zumal das Buch auch noch extrem lesenswert ist und für manchen gar jede Neil-Young-Biografie obsolet macht (Aktuellste Ausgabe als Suhrkamp Taschenbuch, 2013).
1989 hat Caroline Records mit ‚The Bridge: A Tribute To Neil Young‚ ein tolles Benefiz-Album für die von Neil Young und seiner Frau Pegi initiierte Bridge School veröffentlicht, viele erstklassige Independent-Musiker zollten dem Vorbild Tribut, neben zum Teil sehr guten Interpretationen von unter anderem Nikki Sudden, Psychic TV, Dinosaur Jr und den Pixies ragen vor allem die Sonic-Youth-Bearbeitung von „Computer Age“ und die zum Niederknien grandiose „Helpless“-Version von Nick Cave heraus.
Die Originale des Meisters schweben selbstredend über allem, in seiner über 50-jährigen Karriere hat er eine ganze Menge an Tonträgern veröffentlicht, die jeder Plattensammlung zur Ehre gereichen:
Einen schönen Überblick über seine Zeit mit Buffalo Springfield gibt die Zusammenstellung ‚Retrospective: The Best Of Buffalo Springfield‚ (1969, Atco) mit den auch später von Young immer wieder konzertant gespielten Klassikern „Mr. Soul“ und „I Am A Child“.
Das von Ry Cooder und Jack Nitzsche begleitete Solodebüt ‚Neil Young‚ (1968, Reprise) ist eine Art Fortführung seiner Arbeiten bei Buffalo Springfield und allein schon wegen „The Loner“ und der wunderbaren Ballade „The Old Laughing Lady“ die Anschaffung wert, bereits 6 Monate später haben Neil Young und Crazy Horse mit ‚Everybody Knows This Is Nowhere‚ (1969, Reprise) und den darauf enthaltenen Meisterwerken „Down By The River“ und „Cowgirl In The Sand“ den ersten unverzichtbaren Meilenstein der Karriere veröffentlicht.
„Der Beat von „Down By The River“ trägt weit. Mein halbes Leben trägt er schon und hat sich noch längst nicht erschöpft. Ich meine das ganz konkret. Wer sich auf das Tempo des Stücks einläßt und sein Leben danach richtet, dem geht so schnell die Puste nicht aus, sobald vergeblich angebetete Frauen oder andere Ungetüme (kreischende Babys zum Beispiel) sich als Berge vor einem auftürmen.“
(Navid Kermani, Das Buch der von Neil Young Getöteten)
In den 70ern hat er einen guten Start mit der düster-getragenen, apokalyptischen ‚After The Goldrush‚-LP (1970) und dem Hit-Album ‚Harvest‚ (1972, beide Reprise) erwischt, letzteres mit seinem Evergreen „Heart Of Gold“ und der Anti-Drogen-Nummer „The Needle And The Damage Done“.
„Time Fades Away. No songs from this album are included here. It was recorded on my biggest tour ever, 65 shows in 90 days. Money hassles among everyone concerned ruined this tour and record for me but I released it anyway so you folks could see what could happen if you lose it for a while.“
(Neil Young, Liner Notes zu ‚Decade‘)
1973 erschien das von Neil Young gehasste, bis heute nicht auf CD veröffentlichte, nichtsdestotrotz sehr respektable erste Live-Album ‚Time Fades Away‚ auf Reprise und ein Jahr darauf folgte der hochgelobte, rauhe, verzweifelte Garagen-/Blues-Rock-Bastard ‚On The Beach‚ beim gleichen Label.
1975 erwies er dem Crazy-Horse-Gitarristen Danny Whitten und seinem Roadie Bruce Berry auf ‚Tonight’s The Night‚ (Reprise) die letzte Ehre, beide an einer Überdosis dahingeschieden, entsprechend bedrückend-düster in der Grundstimmung präsentiert sich dieses hochgelobte Werk. Im gleichen Jahr gelang ihm mit ‚Zuma‚ (Reprise) trotz Beteiligung der Hippie-Heuler Crosby, Stills und Nash ein weiterer großer Wurf, der zentnerschwere Rock-Brocken „Cortez The Killer“ zählt heute noch zum Standard-Live-Programm.
„…waren wir bereits bei „Cortez The Killer“ angelangt, einem echten Knaller also, der herrlichsten Ballade der Rockgeschichte. Sie enthält alles, was Neil Young ausmacht, die zarten Berührungen und den Grimm, die Ton gewordene Hilflosigkeit im Gesang und trotzig aufheulende Gitarren, das Thema des verlorenen Paradieses und die Suche danach, die Schönheit und die Erhabenheit, den Schrecken, die Lust und das sich abzeichnende Nichts. Mit „Cortez The Killer“ beginnt die Mystik Neil Youngs.“
(Navid Kermani, Das Buch der von Neil Young Getöteten)
Zwei Jahre später veröffentlichte Neil Young mit ‚American Stars ’n Bars‚ (Reprise) ein eher durchwachsenes Album, dass wegen seinem All-Time-Klassiker „Like A Hurricane“ trotzdem in den Kanon der guten Young-Alben gehört.
Mit ‚Comes A Time‚ (Reprise) folgte 1978 ein schönes Country/Folkrock-Album, das zu damaligen Punk-Zeiten maximalst unzeitgemäß war und eigentlich erst heute im Zug des Folk-Revivals in seiner ganzen Pracht geschätzt wird.
1979 war ein ganz großes Young-Jahr, mit ‚Rust Never Sleeps‚ und seiner mit Klassikern wie „Powderfinger“, „Pocahontas“, „Sedan Delivery“ oder „Hey Hey, My My (Into The Black)“ gespickten Track-Liste und dem dazugehörigen Konzert-Album/-Film ‚Live Rust‚ (alle Reprise) mit der darauf enthaltenen ultimativen „Like A Hurricane“-Version setzte sich Old Neil Young selbst ein Denkmal für die Ewigkeit. Mit „Out Of The Blue“/“Into The Black“ war er – neben Pete Townshend – der einzige „Boring Old Fart“, der Punk ernst nahm.
„The King is gone, but he’s not forgotten, is this the Story of Johnny Rotten?“
(Neil Young, Hey Hey My My (Into The Black))
Im Anschluss daran dann leider eine lange, finstere Periode im Schaffen des kanadischen Musikers: Mit ‚Hawks & Doves‚ und ‚Re-ac-tor‚ veröffentlichte er bei Reprise noch zwei völlig belanglose Alben, ehe er 1982 zu Geffen Records wechselte, dort in den nächsten 5 Jahren mit Ausnahme des 1985-Country-Albums ‚Old Ways‚ nur Müll produzierte, um dann nach kommerziellen Misserfolgen und juristischen Auseinandersetzungen mit der Plattenfirma zu seinem alten Label Reprise zurückzukehren, wo 1988 mit ‚This Note’s For You‚ nach vielen Jahren ein erstes Hoffnung-spendendes Werk und im Jahr darauf mit ‚Freedom‚ und der dort enthaltenen sozialkritischen Hymne „Rockin‘ In The Free World“ endlich wieder eine über die Maßen exzellente Young-Scheibe erschien.
Sollte Euch das Swingin‘-Pig-Bootleg ‚Amsterdam ’89‚ (TSP 076) über den Weg laufen: unbedingt verhaften, der Meister spielt solo/akustisch in hervorragender Aufnahmequalität den ‚Freedom‚-Stoff komplett inklusive einiger zusätzlicher Klassiker.
Der Aufwärtstrend sollte sich in den folgenden Jahren mit den hochgelobten, hart rockenden Alben ‚Ragged Glory‚ (1990, Reprise) und ‚Weld‚ inklusive der Sonic-Youth-geschuldeten Feedback-Noise-Rock-Orgie ‚Arc‚ (beides Live-Aufnahmen, 1991, beide Reprise) fortsetzen.
‚Harvest Moon‚ (1992, Reprise) war in meinen Augen zu vernachlässigen, die 1993er-MTV-Live-Aufnahme ‚Unplugged‚ war inklusive einer eigenwilligen, aber höchst hörenswerten ‚Like A Hurricane‘-Orgel-Version ordentlich und im Jahr darauf folgte mit ‚Sleeps With Angels‚ ein hochgelobtes, zwischen hartem Rock und Gitarren-Psychedelic wanderndes, weiteres Garagenrock-Gusto-Stück.
1995 dann eine Zusammenarbeit, die sich aufdrängte: Die Grunge-Heroen von Pearl Jam haben bei ihren Konzerten permanent Stücke von Neil Young gecovert, allen voran „F*!#in‘ Up“ vom ‚Ragged Glory‚-Album, die Zusammenarbeit mit dem Meister auf ‚Mirror Ball‚ (Reprise) war die logische Konsequenz, und Stücke wie „I’m The Ocean“ oder „Throw Your Hatred Down“ zeigen, dass die Kooperation herrliche Früchte trug.
Das Jahr 1996 sah die Veröffentlichung des Soundtracks ‚Dead Man‚ zum Film von Jim Jarmusch, die Filmmusik entfaltet ähnliche Qualitäten wie das hervorragende ‚Paris, Texas‘-Album, das Ry Cooder 1985 zusammen mit James Luther Dickinson und David Lindley für den gleichnamigen Wim-Wenders-Film einspielte. Im 96er-Sommer erschien mit ‚Broken Arrow‚ der Auftakt zu einer ganzen Reihe von ziemlich belanglosen Young-Alben, die erst 10 Jahre später mit dem sehr brauchbaren Anti-Bush-Protest-/Konzept-Album ‚Living With War‚ endete.
Ich habe Neil Young zusammen mit Crazy Horse 1996 in der Münchner Olympiahalle erstmals live gesehen, vom ‚Broken Arrow‚-Material war er offensichtlich selbst nicht überzeugt, das Album wurde mit 2 oder 3 Stücken konzertant gewürdigt, ehe Young mit seiner kongenialen Begleit-Combo ein 2-stündiges Best-Of-Feuerwerk abbrannte, das keine Wünsche offen lies.
Der Output der vergangenen 10 Jahre war qualitativ durchwachsen, neben einigem nicht weiter Erwähnenswertem war ein von Daniel Lanois produziertes Experiment wie ‚Le Noise‚ (2010) darunter, die völlig verunglückte Fremdmaterial-Sammlung ‚Americana‚ (2012) und das späte Meisterwerk ‚Psychedelic Pill‚ mit ellenlangen Krachern wie „Ramada Inn“ und „Walk Like A Giant“, die auch live hervorragend funktionierten, wovon wir uns 2013 beim Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle überzeugen konnten.
Sein bis dato letztes Album ‚The Monsanto Years‚ fand nicht nur positives Echo in der Presse, die schnörkellose Rock-Produktion, die Neil Young mit der Sons-of-Willie-Nelson-Band Promise Of The Real einspielte, bietet nichtsdestotrotz durchweg Hörenswertes.
Im Rahmen der ‚Archives Performance Series‚ hat Neil Young in den letzten Jahren diverse Konzertmitschnitte veröffentlicht, vor allem das Material aus seiner Frühphase wie ‚Live At Massey Hall 1971‚, ‚Live At The Cellar Door‚ oder ‚Live At The Fillmore East‚ sei jedem Freund des Kanadiers schwerstens empfohlen.
Ob man die Kollaborationen mit David Crosby, Graham Nash und seinem Buffalo-Springfield-Kumpel Stephen Stills braucht, muss jeder für sich entscheiden, die Young-Kompositionen „Helpless“ und „Ohio“ sind exzellent, zeigen aber umso deutlicher, wie nichtssagend-schwach das Songmaterial der anderen drei Herrschaften über weite Strecken ist.
„Old Neil Young and Crazy Horse
A victim of a bad divorce
Take a little from the source“
(Steve Wynn, Nothing But The Shell)
Photo „Neil Young Oslo, Norway 2009“ (c) Per Ole Hagen / Wikipedia