Stevie Wonder

Soul Family Tree (32): Legion Of Mary

„After a quick dash to Vancouver with Hal Kant to resolve a pot bust from earlier that year, Garcia found himself back on-stage just five days after the „last show“, this time with Merl Saunders, John Kahn, Martin Fierro, and Paul Humphrey. As the rest of the Dead gladly embraced some downtime, Garcia & Saunders, later called Legion of Mary, would work steadily throughout the hiatus.“
(Dennis McNally, A Long Strange Trip. The Inside History of the Grateful Dead, 41, The Hiatus, 10/21/74 – 6/76)

Die kalifornische Cosmic-American-Music- und Jam-Band-Institution Grateful Dead legte nach einem San-Francisco-Konzert am 20. Oktober 1974 eine längere Tour-Pause ein, von März 1975 bis Juni 1976 sollte die Band sporadisch nur bei vier einzelnen Gigs in The City By The Bay auftreten, Mastermind Jerry Garcia konzentrierte sich in dieser Zeit verstärkt auf seine Zusammenarbeit mit dem afroamerikanischen Keyboarder Merl Saunders, mit dem er bereits bei dessen Mitwirken an diversen Dead- und Garcia-Solo-Alben und bei seinem eigenen Engagement als Gitarrist beim Saunders-Solo-Debüt „Heavy Turbulence“ zugange war und mit dem er seit 1970 regelmäßig vornehmlich an der US-Westcoast neben seinem Dead-Hauptjob zahlreiche Konzerte bespielte, die gemeinsamen Auftritte sind auf den „Live At Keystone“-Alben, der darauf basierenden 4-CD-Box „Keystone Companions: The Complete 1973 Fantasy Recordings“ und den Ausgaben Numero Sechs und Neun der „Garcia Live“-Serie auf Tonträger für die Nachwelt erhalten. In dieser Kollaboration wird der gemeinsame, ausgeprägte Hang der beiden Musiker zu Rhythm & Blues, Jazz, Reggae und Soul deutlich, auf „Keystone Encores“ findet sich exemplarisch eine lange Version des Smokey-Robinson-Hits „I Second That Emotion“, den die Soul-Legende 1967 für Tamla/Motown einspielte und der zwei Jahre später für das selbe Label erneut zum Erfolgstreffer wurde bei der Zusammenarbeit von Diana Ross und ihren Supremes mit den Temptations:

„Jerry was like Ray Charles, man. He could play any style, and anything he touched had soul. He became so fluid in different styles that he could just sail through anything. I never liked labeling music, but after a while I really felt whatever he played became Jerry´s music.“
(Martin Fierro)

Zusammen mit dem Jahrzehnte-langen Garcia-Begleiter und Blues-Studio-Musiker John Kahn am Bass (der Münchner Musik-Journalist Karl Bruckmaier hat Kahn in seinem sehr lesenswerten Buch „Soundcheck“ ganz stumpf als „Session-Hengst“ bezeichnet ;-))), mit Elvis-Presley-Trommler Ron Tutt und dem mexikanischen Saxophonisten und Flötisten Martin Fierro formierten Merl Saunders und Jerry Garcia Ende 1974 die Band Legion Of Mary, benannt nach einer in den zwanziger Jahren in Irland gegründeten katholischen Laien-Organisation, das Quintett spielte bis Sommer 1975 über sechzig Shows und konzentrierte sich stilistisch neben sporadischem Covern von Dylan- und The-Band-Titeln vor allem auf ausgedehnte Jazzrock-Improvisationen und Black-Music-Interpretationen aus dem Bereich R&B, Chicago Blues, Sixties Soul und Reggae – hier eine Version des Quintetts von „I’ll Take A Melody“, einer Nummer des einflussreichen New-Orleans-R&B-Musikers Allen Toussaint:

„The Deadheads hated me. They really didn´t want to hear horns with the Grateful Dead. There was a lot of animosity, I heard a lot of negative comments. It´s a good thing the Internet wasn´t around back then!“
(Martin Fierro)

Von Legion Of Mary gibt es eine Handvoll exzellente Live-Mitschnitte: Die 2005 veröffentlichte Sammlung „Legion of Mary: The Jerry Garcia Collection, Vol. 1“ enthält diverse Konzert-Aufnahmen der Band von Auftritten in den Jahren 1974 und 1975 in Kalifornien und Oregon.
Die 2013 erschienene „Volume Three“ aus der „Garcia Live“-Serie präsentiert Konzert-Material vom Dezember 1974, aufgezeichnet bei zwei Konzerten in Eugene und Portland im US-Bundesstaat Oregon, das 3-Stunden-Album eröffnet mit einer 18-minütigen Version der Stevie-Wonder-Nummer „Boogie On Reggae Woman“:

„Keystone Berkeley, September 1, 1974“ aus der „Pure Jerry“-Serie firmiert noch nicht unter Legion Of Mary, der Bandname wurde erst ab Dezember 1974 nach dem Abgang des Jazz-Drummers Paul Humphrey und dem Einstieg von Ron Tutt verwendet. Das Album wartet unter anderem mit zwei Songs aus der Feder des jamaikanischen Reggae-Stars Jimmy Cliff auf, „Sitting In Limbo“ und einer Interpretation des wohl größten Cliff-Hits, „The Harder They Come“:

Bei archive.org gibt es Teile des Legion-Of-Mary-Konzerts vom 4. April 1975 im Whitman Auditorium des Brooklyn College/New York, in anständiger Tonqualität als Stream und kostenlosen, legalen Download.

Legion Of Mary lösten sich im Sommer 1975 auf, Saunders, Tutt und Kahn waren in späteren Jahren weiterhin an Garcia-Soloalben wie „Cats Under The Sun“ und „Run For The Roses“ beteiligt, John Kahn und anfangs auch Ron Tutt blieben feste Mitglieder des Live-Line-Ups der über 20 Jahre aktiven Jerry Garcia Band, Kahn gründete 1978 zusammen mit unter anderem Saunders und Garcia das kurzlebige Jazzrock-Sextett Reconstruction – hier eine von wuchtigen Bläsersätzen durchwehte Interpretation des Beatles-Klassiker „Dear Prudence“ der bereits 1979 wieder aufgelösten Band:

Den Rausschmeißer liefert heute die Jerry Garcia Band mit einer Version von „And It Stoned Me“ vom 1970er-Van-Morrison-Meisterwerk „Moondance“, der Belfast Cowboy hat zu seiner wunderbaren R&B-Ballade angemerkt, sie erinnert „how it was when you were a kid and just got stoned from nature and you didn’t need anything else“ – die Van-The-Man-Originalversion wie die Garcia-Bearbeitung haben die gleiche Wirkung in ihrer berückend-schönen Zeitlosigkeit:

Gehabt Euch wohl, Soul-Brothers and -Sisters, in 14 Tagen sitzt wieder Stefan vom Hamburger Freiraum-Blog am Mischpult.

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Soul Family Tree (6): Nina Simone, Tina Turner, The Reflex/Stevie Wonder

kd

Black Friday Numero Sei, der Hamburger Soul-Experte Stefan Haase vom Freiraum-Blog präsentiert heute die 2003 verstorbene, in der schwarzen Musik breit aufgestellte „Dr.“ Nina Simone mit einem absoluten Gusto-Stück, die Mainstream-Radio-Queen der Achtziger und Neunziger Tina Turner mit einem Song aus einer ihrer musikalisch erwähnenswerteren Phasen und einen Stevie-Wonder-Remix von The Reflex, ab geht die Lucie:

Der wöchentliche Gruß aus der Soul Kitchen trägt heute dick auf. Mit großen Namen wie Tina Turner, Stevie Wonder und Nina Simone und mit großen Songs. Dazu gibt es mehrere „Lange Rillen“ (Lieder in Überlänge) und ein Remix samt Entstehungsgeschichte der besonderen Art dahinter. Los geht´s:

Hinter „The Reflex“ steht der in Frankreich geborene und in London lebende Nicola Laugier. Er remixt nicht einfach bekannte Songs. Nein, er sucht nach den Master Tapes und versucht den Songs mittels eines modernen Arrangement neues Leben einzuhauchen. Und es gelingt immer wieder auf ganz famose Weise. Zu seinen Fans weltweit zählen u.a. Noel Gallagher, Nile Rodgers (Chic), Kid Creole, Rainer Truby und viele andere DJs. Wie sagte der englische DJ und BBC-Moderator Gilles Peterson so treffend: „Killer edits after killer edits, keep ‘em comin’!“

Die Geschichte hinter diesem Song und wie er veröffentlicht wurde ist erstaunlich. Auf der Suche nach Material zu Roberta Flack und Donny Hathaway (vermutlich zum Song „Back Together Again“) geriet „The Reflex“ an ein Band mit einer Tonspur von Stevie Wonder. Der Song „Don´t Make Me Wait Too Long“ aus seiner Feder wurde für Roberta Flack geschrieben und auch veröffentlicht. Um ihr eine Hilfe zu geben, wie man den Song interpretieren kann, sang Stevie Wonder den Song auf dem Band ohne Musik ein. Es wurde nie veröffentlicht… bis „The Reflex“ darüber gestolpert ist. Stevie Wonder gab persönlich sein Okay für den Remix und so erschien 2015 zum ersten Mal dieser Song mit der Originalstimme von Stevie Wonder. Ein absoluter Killer Edit! Dieser Remix macht dazu ziemlich gute Laune. Ladies and Gentleman, hier kommt Stevie Wonder mit „Don´t Make Me Wait Too Long (The Reflex Revision)“.

Tina Turner ist ein Superlativ. Mit fast 200 Millionen Tonträgern ist sie eine der erfolgreichsten Künstlerinnen aller Zeiten. Ihr Auftritt in Rio, im Maracanã-Stadion, vor fast 200.000 Zuschauern, steht im Guinness-Buch der Rekorde. 2009 zog sie sich mit einer letzten Tournee zurück. Gehen wir zurück ans Ende der 1970er Jahre, in denen sie keinen großen Erfolg hatte. Nach der Trennung und Scheidung von Ike Turner glaubten die Plattenfirmen nicht mehr an sie. Doch mit dem neuen Musikproduzenten Roger Davies an ihrer Seite kehrte langsam der Erfolg zurück. Ihr Album „Love Explosion“ von 1979 verkaufte sich noch schlecht. Mit dem Album versuchte sie sich auch an neuen Musikstilen. Hier zu hören ihre Cover-Version vom Klassiker „Backstabber“ der The O´Jays.

Sie ging nach London und eroberte sich mit den sog. „Nice N‘ Rough“-Konzerten Anfang der 1980er Jahre ihre Fans langsam wieder zurück. Und 1984 kam ihr Album „Private Dancer“ auf den Markt und Tina war zurück auf der großen Bühne. Als Bonus gibt es von diesen Konzerten Anfang der 1980er Jahre eine großartige Version von „Proud Mary“. Auch wenn der Clip nach knapp 10 Minuten abrupt endet, ist dieser Konzertauftritt sehenswert und zeigt ihre enorme Performance und Power auf der Bühne. Tina Turner Live 1982 im Hammersmith Apollo in London mit „Proud Mary“.

Kommen wir zum epischen Song „Sinner Man“, im Original ein traditionelles Spiritual. Der Text handelt von einem Sünder, der versucht, sich vor dem Jüngsten Gericht zu verstecken. Nina Simone’s „Sinnerman“ (in einem Wort) ist einer ihrer vielen berühmten Songs. Enthalten ist eine 10-plus-minütige Version auf dem 1965er Album „Pastel Blues“. In den frühen Tagen ihrer Karriere Anfang der 1960er Jahre, in denen sie Teil der Greenwich Village Scene war, war „Sinnerman“ oft und in der Langfassung ihr letzter Song, den sie bei Auftritten spielte.

Kurz etwas Biografisches über Nina Simon. Sie wurde als Eunice Kathleen Waymon am 21. Februar 1933 geboren und starb am 21. April 2003, sie war eine amerikanische Sängerin, Komponistin, Pianistin, Arrangeurin und aktive Bürgerrechtsaktivistin. Ihr Leben und Karriere waren ziemlich bewegend und nicht immer vom Glück geprägt. Besonders zu empfehlen ist die von Netflix produzierte Dokumentation „What Happened, Miss Simone“, die einen guten Einblick in ihre verschiedenen Lebensphasen gibt. Prädikat: absolut sehenswert.

Bis zum nächsten Mal. Peace and Soul!