Sub Pop

Lost & Found (9): Steven Jesse Bernstein

„The poem I write is a colorful affair within the body of a man playing dead – a man whose fingers secretly twitch just enough to work the typewriter, who, when it is dark enough will hitchhike from the scene of his death.“
(Steven Jesse Bernstein, 1991)

Steven Jesse Bernstein – Prison (1992, Sub Pop)

Mit „Prison“ hat das Sub-Pop-Label 1992 das einzige Album des amerikanischen Underground-Dichters Steven Jesse Bernstein veröffentlicht, ein faszinierendes Konglomerat aus der Spoken-Word-Performance des Poeten und den Sound-Samples, die der Nirvana-, Soundgarden- und Beat-Happening-Produzent Steve Fisk als musikalische Grundlage beisteuerte, „spoken-word-meets-sampledelica“ hat das der Autor und Musik-Journalist Michael Azerrad in seinem Standardwerk zum US-Indie-Rock „Our Band Could Be Your Life: Scenes from the American Indie Underground 1981–1991“ genannt.
Fisk entwarf mit Hilfe von Sampling und Tape-Manipulationen eine schmissige Mixtur aus Lounge-Jazz, Hip Hop und Ambient-Psychedelic, die mitunter Assoziationen an US-TV-Soundtracks und die heile Welt der Fünfziger-Jahre-Serien weckt und so im krassen Kontrast zu den mit schneidernder Stimme vorgetragenen, Unbehagen wachrufenden Texten Bernsteins steht, die sich mit Entfremdung, Verzweiflung, Verfall, Selbsthass, erniedrigenden Kindheitserinnerungen und – in der Tradition von Bukowksi und Burroughs, mit letzterem war Bernstein im Übrigen gut befreundet – mit den traumatischen Alkoholexzess- und Drogenerfahrungen des Autors auseinandersetzen.
Für „Prison“ hatte Bernstein ursprünglich ein ähnliches Konzept wie Country-Star Johnny Cash bei seinen legendären Gefängnis-Auftritten Ende der Sechziger geplant, die Idee wurde später wieder verworfen, von seinem für eine Live-Aufnahme angedachten Auftritt im State Penitentiary Special Offenders in Munroe/Washington wurden nur die Fotos für das spätere Album-Cover verwendet.
Zur Zeit der Arbeiten an „Prison“ litt Steven Jesse Bernstein unter manischer Depression und unter einem schweren Rückfall in seine Alkoholsucht, an der Veröffentlichung seines Poetry-Grunge-Meisterwerks konnte er sich nicht mehr erfreuen, im Alter von vierzig Jahren hat sich Bernstein im Oktober 1991 das Leben genommen. Produzent Fisk stellte die Rohentwürfe der zehn Arbeiten mit Hilfe seiner Samples fertig, zum Zeitpunkt des Selbstmords war erst ein Stück komplett abgemischt, im April 1992 wurde das Album veröffentlicht. Der New Yorker Regisseur Oliver Stone, der ein großer Fan Bernsteins war, verwendete einige Jahre später das Stück „No No Man“ im Soundtrack für seinen albtraumhaften cineastischen Serienkiller-Roadtrip „Natural Born Killers“.
Steven Jesse Bernstein war fester Bestandteil der Seattle-Grunge-Szene, mit seinen rohen, provokanten Live-Lesungen hat er für Bands wie Soundgarden, Mudhoney, Nirvana und viele andere Alternative-Bands Konzertabende eröffnet.

„We believe ‚Prison‘ to be an exceptional project of character and endurance. Steven Jesse Bernstein was a brilliant and unique individual. We will miss him deeply.“
(Sub Pop)

Werbung