Emotionales Wechselbad wie intensive Beschallung zum Wochenstart, in jedweder Ausprägung Herz-Erwärmendes zur flüchtigen Lockerung des winterlichen Würgegriffs am vergangenen Montagabend im gefälligen Doppelpack, einem gut gefüllten Auditorium im Münchner Ampere dargereicht:
Mittlerweile keine Unbekannten mehr im hiesigen Konzertbetrieb sind die beiden Finnen von Nyos, unter anderem durften sie erst vor Kurzem im vergangenen November einen Abend im Feierwerk für die Schweizer Black-Metal/Gospel-Crossover-Formation Zeal & Ardor eröffnen. Diejenigen, die vor Ort waren, wussten seinerzeit ausschließlich Erfreuliches vom Support-Gig der beiden jungen Nordländer zu berichten, und so war die Erwartungshaltung zum erneut Abend-eröffnenden Auftritt für die im Anschluss aufspielenden Headliner von Espen And The Witch durchaus eine anspruchsvolle, von Vorfreude geprägte. Das Duo aus der Universitätsstadt Jyväskylä hat dahingehend auch nichts an Enttäuschung aufkommen lassen und die zugestandenen 40 Minuten zum Anheizen der eingefrorenen Besucherschar für sich einnehmend genutzt.
Drummer Tuomas Kainulainen befeuerte mit angespannter Uptempo-Rhythmik die ausladenden Instrumental-Breitseiten von Gitarrist Tom Brooke, der junge Musikant mit dem wallenden Haar zauberte mit Einsatz der Pedal- und Effekt-Gerätschaften eingeloopte Post- und Math-Rock-Grundmuster als repetitive Rhythmus-Gitarren-Akkorde, über die er sein entfesseltes Saiten-Bearbeiten rauschen ließ, in einem weiten wie stimmigen Feld an Mutationen der lauten Gitarren-Rockmusik, das ausladend von Stoner- und Postmetal-Wucht zeugte, dem harten Dröhnen aus der Black-Sabbath-Ursuppe wie psychedelischen Progressive-Höhenflüge ausgedehnten Raum gab und selbst im gefälligen Noise- und Indie-Rock nie die Spielfreude und den euphorischen Einsatz für den eigenen musikalischen Wurf vermissen ließ.
Immer schön, wenn man dem unverstellten und ungestümen Tun der Jugend beiwohnen darf, zumal, wenn es sich zu einem derart fundamentalen, überbordenden und gehaltvollen Klang-Orkan auswächst. Belanglose Vorbands gilt es zu vielen Gelegenheiten zu überstehen, umso erfreulicher, wenn zu dem Thema ab und an der Daumen ohne Abstriche nach oben zeigt.
Das neue Nyos-Album „Now.“ ist ab 22. Februar am Start, by the way…
Die aus dem südenglischen Brighton stammende Rachel Davies und ihre beiden musikalischen Begleiter Daniel Copeman und Thomas Fisher vom Trio Esben And The Witch waren zuletzt vor knapp zwei Jahren in München zu Gast, die Band residiert nach wie vor in Berlin und hat seit der Promotionstour zu ihrem 2017er-Album „Older Terrors“ ein beim niederländischen Roadburn-Festival mitgeschnittenes Live-Album und den im vergangenen November erschienenen Tonträger „Nowhere“ veröffentlicht.
Vom aktuellen Werk sollte am Montagabend die Hälfte der Tracklist neben einer Auswahl an älteren Arbeiten erklingen, mit der die Band in einer weihevollen Erhabenheit unterstrich, dass sie ihren Sound in den vergangenen Jahren zwar keiner grundlegenden Revision unterwarf, in den extremen Ausprägungen aber unverkennbar an Dringlichkeit hinzu gewann.
EATW hatten am Montagabend von Beginn an die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums für sich, ein Hängen an den Lippen beim engelsgleichen Klagegesang der kühlen Schönheit mit dem Bass, die zierliche Rachel Davies zog in den Bann und weidete sich an eigener Seelenpein zu dunklen, getragenen Klängen aus der Gruft in schmerzlich schöner Darkwave-Vokalkunst. Die Frau ist höflich, doch mag ihr kein Lächeln über die Lippen kommen, und so nimmt man die nachdenklichen, mitunter grübelnden Wesenszüge in ihrem Bühnengebaren jederzeit für bare Münze. Dabei war sich das Trio im Verbund stets bewusst, dass zuviel an Selbstmitleid in eine emotionale wie tonale Sackgasse führt, und so driftete die Band nach ausgedehntem Wehklagen in ruhigeren, mitunter hypnotischen Passagen immer wieder mittels heftigem Basstrommeln und lärmenden Gitarren-Passagen in wuchtige Doom- und Postmetal-Gewitter, zu denen Davies selbst neben ihren wunderschönen, filigranen Gesängen mit brachialem, vehement anschlagendem, dröhnendem Bass-Spiel Kontrapunkt im anderen Extrem setzte. So kann das Laut-Leise-Spiel im Kontext des Postrock auch funktionieren, und so funktionierte es ausnehmend gut und über ein komplettes Set hinweg.
Gitarrist Fisher und Drummer Copeman trugen das ihre zu einer ergreifenden Aufführung bei – Fisher die Saiten oft ohne Plektrum einem Folk-Gitarren-Picker gleich anzupfend und dezent, jedoch jederzeit wirkungsvoll bearbeitend und in der wiederholt lärmenden Heftigkeit mit beherztem Zugriff und unter Einsatz seiner Pedals den Klangrausch maßgeblich verstärkend, Schlagwerker Daniel Copeman mit atmosphärisch dichtem, dunkel und rituell schwerem Anschlag, luftigere Elemente allenfalls sporadisch mit psychedelischem Becken-Klängen einbringend.
Esben And The Witch sind trotz vehementer Ausbrüche eine fundamental in sich ruhende Band, der die Gratwanderung zwischen ätherischem, in den Neo-Folk driftenden Gothic-Rock und einer von neueren Einflüssen infizierten, lauten wie komplexen Postpunk-Spielart in beeindruckender Ausgewogenheit gelingt, im konzertanten Vortrag noch zupackender und eindringlicher als auf ihren bis dato veröffentlichten Tonträgern. Vor den großen Sängerinnen des Indie-Rock muss sich Rachel Davies schon lange nicht mehr verstecken, wie auch ihre flankierenden Mannen in ihrer jeweiligen Profession auf hohem Level agieren.
Und so war es nicht verwunderlich, dass die Combo nach dem heftigen, allzu frühen Set-Finale „The Jungle“ und trotz knapp bemessener Zugabe mit „Smashed To Pieces In The Still Of The Night“ allseits in beglückte Gesichter der Zuhörerschar blickte, die den Konzertbesuch unter widrigen Wetterverhältnissen und das tonale Wandeln in dunklen Gefilden an diesem Abend gewiss nicht bereuten.